Entscheidungsdatum
09.10.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I416 2218121-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch RA Dr. Ralph TRISCHLER als Erwachsenenvertreter und die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH – ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Ägyptens, reiste im Jahr 2014 mit seinem ägyptischen Reisepass und einem Visum für Studierende in das Bundesgebiet ein, und wurde der ihm dahingehend erteilte Aufenthaltstitel insgesamt zwei Mal, zuletzt bis zum 12.04.2017 verlängert. Ein weiterer Antrag des Beschwerdeführers vom 07.04.2017 auf Verlängerung dieses Aufenthaltstitels wurde mit Bescheid der MA 35 des Amtes der Wiener Landesregierung vom 16.04.2017 abgewiesen, weil der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für eine weitere Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ mangels Nachweises des erforderlichen Studienerfolges nicht mehr erfüllte.
2. Am 17.12.2018 stellte er daraufhin einen Antrag auf internationalen Schutz, der nach niederschriftlicher Einvernahme am 26.02.2019, von der belangten Behörde mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 28.03.2019, Zl. XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen wurde. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III.) erteilt, eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine 14-tägige Frist für gewährt (Spruchpunkt VI.).
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 09.08.2019, Zl. I416 2218121-1/7E - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet abgewiesen. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.07.2020, Zl. Ra 2019/01/0330-22 wurde dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach Anregung des Verwaltungsgerichtshofs seitens des Bezirksgerichts Fünfhaus mit Beschluss vom 20.3.2020 ein einstweiliger Erwachsenenvertreter bestellt worden sei. Weiters wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der Prozessfähigkeit vor dem Zeitraum der Sachwalterbestellung, aus dem Umstand einer solchen Bestellung zu gewinnen sei, dass sich begründete Bedenken gegen die in Rede stehenden Fähigkeiten der betreffenden Person ergeben würden und würden im gegenständlichen Fall nicht erst durch die vorläufige Bestellung eines Erwachsenenvertreters, sondern bereits im Verwaltungsverfahren erhebliche Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Prozessfähigkeit des Revisionswerbers vorliegen. Dahingehend habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, weitere Ermittlungen zur Frage zu tätigen, ob der Revisionswerber während des Beschwerdeverfahrens und allenfalls auch schon seit Beginn des Verwaltungsverfahren jene persönlichen Fähigkeiten besessen habe, die für die Wirksamkeit von Verfahrensschritten ihm gegenüber erforderlich seien, behördliche Akte können nämlich nicht gegenüber Personen wirksam werden denen die Fähigkeit fehle, die Bedeutung und Tragweite dieser Akte zu erkennen, für die aber- aus welchem Grund immer- ein Erwachsenenvertreter noch nicht bestellt wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Über Anregung des Verwaltungsgerichtshofes bestellte das Bezirksgericht XXXX mit Beschluss vom 24.3.2020, GZ XXXX , gemäß § 271 ABGB einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter für den Beschwerdeführer und betraute diesen mit der Besorgung folgender Angelegenheiten: Vertretung vor Gerichten, Behörden, Dienststellen und Sozialversicherungsträgern, sowie der Verwaltung von Einkünften Vermögen und Verbindlichkeiten.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des oben genannten Bescheides am 28.03.2019 nicht prozessfähig war.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung hinsichtlich der Bestellung eines Erwachsenenvertreters und der von diesem zu besorgenden Angelegenheiten, ergibt sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde nicht in der Lage war, die Bedeutung und Tragweite eines Verwaltungsverfahren und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen und nicht prozessfähig war, ergibt sich schlüssig aus den Ausführungen des vorliegenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juli 2020.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen des § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 lauten:
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.
(8) Durch die Aufhebung der angefochtenen Weisung tritt jener Rechtszustand ein, der vor der Erlassung der Weisung bestanden hat; infolge der Weisung aufgehobene Verordnungen treten jedoch dadurch nicht wieder in Kraft. Die Behörde ist verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des § 1503 Abs. 9 Ziffer 10 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), JGS Nr. 946/1811, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018 lauten:
Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen
§ 1503. (9) Für das Inkrafttreten des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes, BGBl. I Nr. 59/2017 (2. ErwSchG), gilt Folgendes:
10. Sachwalter, die vor dem 1. Juli 2018 bestellt wurden, sind nach dem 30. Juni 2018 gerichtliche Erwachsenenvertreter. Für sie gelten die Vorschriften des sechsten Hauptstücks des ersten Teils in der Fassung des 2. ErwSchG, soweit in den Z 11 bis 14 nichts anderes bestimmt ist.
11. Die §§ 274 und 275 in der Fassung des 2. ErwSchG sind – außer in einem Erneuerungsverfahren nach Z 14 – auf gerichtliche Erwachsenenvertreter im Sinn der Z 10 nicht anzuwenden.
12. Bis zum 30. Juni 2019 besteht im Fall einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung im Sinn der Z 10 auch ohne gerichtliche Anordnung im gesamten Wirkungsbereich des ehemaligen Sachwalters und nunmehrigen gerichtlichen Erwachsenenvertreters ein Genehmigungsvorbehalt im Sinn des § 242 Abs. 2 in der Fassung des 2. ErwSchG. Nach dem 30. Juni 2019 besteht für Personen, für die vor dem 1. Juli 2018 ein Sachwalter bestellt worden ist, nur ein Genehmigungsvorbehalt, wenn und soweit er gerichtlich angeordnet wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der §§ 9 und 19 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018 lauten:
Rechts- und Handlungsfähigkeit
§ 9. Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
Die maßgebliche Bestimmung des § 9 Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (ZustG) BGBl. Nr. 200/1982, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2018 lautet:
Zustellungsbevollmächtigter
§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
(2) Einer natürlichen Person, die keinen Hauptwohnsitz im Inland hat, kann eine Zustellungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden. Gleiches gilt für eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, wenn diese keinen zur Empfangnahme von Dokumenten befugten Vertreter mit Hauptwohnsitz im Inland hat. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.
(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Zu A)
Zur Zurückweisung der Beschwerde
Die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG setzt einen tauglichen Anfechtungsgegenstand, somit die wirksame Erlassung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde, voraus.
Die - an den BF als Zustellungsempfänger verfügte - Zustellung des Bescheides vom 28.03.2019 an den BF wäre nur dann rechtswirksam, wenn der BF im Zeitpunkt der Zustellung prozessfähig gewesen wäre.
Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten, insoweit sie in Frage steht, von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiellrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Es gilt der Grundsatz, dass die Rechtsfähigkeit, die Parteifähigkeit und die Handlungsfähigkeit die Prozessfähigkeit begründen (vgl VwGH 25.05.1993, 90/04/0223). Die Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit durch Willenserklärung gegenüber der Behörde Rechtsfolgen auszulösen (vgl. VwGH 30.03.1993, 92/08/0183).
Für die prozessuale Handlungsfähigkeit (Prozessfähigkeit) ist entscheidend, ob die Partei im Zeitpunkt der betreffenden Verfahrensabschnitte in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in ihm ereignenden prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (zuletzt VwGH 28.04.2016, Ra 2014/20/0139, siehe auch VwGH 20.02.2002, 2001/08/0192).
Das Fehlen der Prozessfähigkeit nach § 9 AVG ist als Vorfrage in jeder Lage des Verfahrens und von Amts wegen wahrzunehmen.
Einer Person, die psychisch krank oder geistig behindert ist und daher nicht in der Lage ist alle oder einzelne Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen, ist gemäß § 273 ABGB auf Antrag oder von Amts wegen ein Sachwalter zu bestellen. Der dahingehende Beschluss des Außerstreitgerichtes wirkt insofern konstitutiv, als ab seiner Wirksamkeit die Prozessfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist (VwGH 22.1.2003, 2000/08/0049; VwGH 23.04.1996, 95/11/0365), sondern der Pflegebefohlene innerhalb des Wirkungsbereiches des Sachwalters einem Unmündigen über sieben Jahre gleichsteht, also ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des Sachwalters nicht handeln kann (VwGH 20.02.2002, 2001/08/0192).
Hat die Behörde hinsichtlich des Vorliegens der Prozessfähigkeit einer Partei Bedenken, so hat sie die Frage - idR durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - von Amts wegen zu prüfen. Bei Bestätigung der Bedenken hat die Behörde nach § 11 AVG vorzugehen, das heißt die Bestellung eines Sachwalters beim zuständigen (Pflegschafts-)Gericht zu veranlassen (vgl zu allem die hg Erkenntnisse vom 28. April 2016, Ra 2014/20/0139, mwN, und vom 6. Juli 2015, Ra 2014/02/0095). Gemäß § 17 VwGVG 2014 iVm §§ 9, 11 AVG gelten diese Ausführungen auch für das BVwG (VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).
Die Sachwalterbestellung wirkt insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozessfähigkeit und Handlungsfähigkeit der besachwalterten Person im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist (VwGH 16.11.2012, 2012/02/0198).
War die Partei schon bei Zustellung des verwaltungsbehördlichen Bescheids prozessunfähig, führt dies zur Unwirksamkeit der verfahrensrechtlichen Akte der Behörde (hier des Bescheides vom 28.03.2019) Schon aus diesem Grund hat das BVwG nicht über die ihm vorliegende Beschwerde zu entscheiden, sondern ist diese (als unzulässig) zurückzuweisen (VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).
Im vorliegenden Fall war der BF - wie oben festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt - zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde nicht in der Lage, Bedeutung und Tragweite eines Verwaltungsverfahrens und der sich in diesem ereignenden prozessualen Vorgänge, zu erkennen und daher nicht prozessfähig.
Dass auch die Verwaltungsbehörde offenbar begründete Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers während des Verfahrens vor ihr gehegt hat, zeigt sich insbesondere in einer Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation zur „Sachwalterbestellung in Ägypten“, sodass diese begründeten Bedenken die Behörde nicht davon entheben konnten, eine entsprechende Prüfung des Vorliegens seine Fähigkeiten zum damaligen Zeitpunkt vorzunehmen.
Die an ihn erfolgte Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides war deswegen aufgrund der bei ihm zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegenen Prozessfähigkeit rechtsunwirksam. Dies hat zur Folge, dass der Bescheid rechtlich nicht existent geworden ist.
Da der Bescheid vom 28.03.2019 nicht rechtwirksam erlassen wurde, richtet sich Beschwerde vom 25.04.2019 somit gegen eine Erledigung, die kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde ist, und ist deshalb wegen Unzuständigkeit des BVwG als unzulässig zurückzuweisen.
Der Antrag des BF ist nach dieser Entscheidung wieder als offen zu betrachten und wird unter Beiziehung des Erwachsenenvertreters bzw. einem von diesem bevollmächtigten Vertreter eine Neubeurteilung der Lage des BF (allenfalls unter Einholung eines Sachverständigengutachtens) durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu treffen sein.
Im vorliegen Fall konnte die mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Anfechtungsgegenstand Asylverfahren Bescheiderlassung Erwachsenenvertreter Handlungsfähigkeit Nichtbescheid Prozessfähigkeit prozessuale Handlungsfähigkeit rechtswirksame Zustellung Rückkehrentscheidung Sachwalter subsidiärer Schutz Unzulässigkeit der Beschwerde Unzuständigkeit BVwG Zurückweisung Zustellbevollmächtigter ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I416.2218121.1.00Im RIS seit
28.01.2021Zuletzt aktualisiert am
28.01.2021