TE Bvwg Beschluss 2020/10/27 W131 2236159-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2020
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Entscheidungsdatum

27.10.2020

Norm

BVergG 2018 §166
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
B-VG Art133 Abs4
PMG §1
PMG §12
PMG §6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W131 2236159-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter iZm dem Nachprüfungsverfahren zur Anfechtung der Wahl der Direktvergabe (eventualiter der Anfechtung der Aufforderung zur Angebotslegung in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung) im Vergabeverfahren der anwaltlich vertretenen Auftraggeberin Österreichische Post AG (= AG) mit der Bezeichnung "Überbrückungsvergabe – Winterdienst Logistikzentren“ aufgrund des Provisorial-, sprich Sicherungsantrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin (= ASt) XXXX auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (= eV), der Österreichischen Post AG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren bei sonstiger Exekution untersagen, den Zuschlag in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 zu erteilen, folgenden Beschluss:

A)

Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird insoweit stattgegeben, als es der Österreichischen Post AG hiermit im Vergabeverfahren "Überbrückungsvergabe – Winterdienst Logistikzentren“ betreffend die Lose: 1, 2, 3, 4, 5 und 8 untersagt ist, den Zuschlag für einen Zeitraum zu erteilen, der über den 01.12.2020 hinausgeht.

Für den Zeitraum ab dem Zeitpunkt der Erlassung dieser Entscheidung bis zum Ablauf des 01.12.2020 wird der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem auch diesbezüglich begehrten Zuschlagsverbot betreffend die Lose 1, 2, 3, 4, 5, und 8 abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die AG führt derzeit ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung in 8 (Regional-) Losen zum Abschluss von Rahmenverträgen mit einem Unternehmen über Winter-dienstleistungen durchgeführt (in der Folge „Erstverfahren“). Der Zuschlag soll dabei nach dem günstigsten angebotenen Pauschalpreis („Billigstbieterprinzip“) erfolgen. Die Rahmenverträge sollten – beginnend mit 1.10.2020 –– für 36 Monate bzw 3 Wintersaisonen abgeschlossen werden.

Die ASt hat sich an dem Vergabeverfahren in allen 8 Losen beteiligt und ging in 2 Losen (Lose 6 und 7) auch als Billigstbieter hervor. In den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 wurde die Antragstellerin nicht für den Zuschlag vorgesehen und hat in weiterer Folge die Zuschlagsentscheidungen in diesen Losen bekämpft.

Um eine möglichst zeitnahe Beauftragung der Winterdienstleistungen zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Logistikzentren sicherstellen zu können, nahm die AG die Zuschlagsentscheidungen in allen Losen im Erstverfahren zurück und will nunmehr bis zur Zuschlagserteilung im Erstverfahren in den angefochtenen Losen die Winterdienstleistungen im Rahmen einer Überbrückungsvergabe als Direktvergabe nicht an die ASt vergeben. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Dienstleistungen:

? Schneeräumungen,

? Streuungen,

? Schönwetter- und Endkehrungen,

? Tauwetter- und Dachlawinenkontrolle,

? Schneeabtransport und Schneeentsorgung,

? Abschaufeln von Dachflächen,

? Abschaufeln von Wechselbrückenaufbauten und Lastkraftwägen,

? Wieg- und Messtätigkeit von Schnee am Dach.

Die Erbringung all dieser Dienstleistungen ist bei entsprechenden Witterungsverhältnissen aus Sicht der AG notwendig, um den Betrieb und die Funktionsfähigkeit ihrer Logistikzentren aufrecht zu erhalten und dadurch die gesamt Postnetzinfrastruktur und damit die Versorgungssicherheit mit der Erbringung von Postdienstleistungen zu gewährleisten.

2. Die ASt reagierte auf die Einleitung dieser Überbrückungsvergabe in den streitgen Losen mit einem Nachprüfungsantrag samt dem hier erledigten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Der Nachprüfungsantrag und eV - Antrag wurden vorerst an die GAbt W139 zugewiesen und danach - nach Unzuständigkeitsanzeige durch die Leiterin der GAbt W139 wegen eines geschäftsverteilungswidrigen Zuweisungsfehlers - ab 19.10.2020 an die Gerichtsabteilung W131.

Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen eine Direktveragabe bzw gegen ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung in den Lose 1, 2, 3, 4, 5 und 8 zur Einholung von „Überbrückungsangeboten“ bis zum Abschluss des (von der AG bezeichneten) „Hauptvergabeverfahrens“ mit der Bezeichnung „TMÜ-2005080001 TA - Winterdienst Logistikzentren, PI_1683_TM“.

IZm den Interessen an der eV brachte die ASt verfahrenseinleitend vor:

Nach der Rechtsprechung des VfGH kann ein „Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung […] nur in Zusammenhalt mit einem entsprechenden Nachprüfungsantrag gestellt werden“ (VfGH 12.06.2004, B190/02). Aufgrund dessen ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung jedenfalls zulässig.

Die AG wies in der Aufforderung zur Angebotslegung vom 06.10.2020 darauf hin, dass die Frist zur Legung eines Angebotes am 08.10.2020 um 15:00 Uhr endet. Es kann aufgrund der ungewöhnlich kurzen Frist zur Angebotslegung davon ausgegangen werden, dass die AG beabsichtigt, den Zuschlag ehestmöglich nach Angebotsabgabe zu erteilen.

Aus diesem Grund stellt die ASt gemäß § 350 BVergG 2018 den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der AG untersagt wird, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 zu erteilen.

Die einstweilige Verfügung wird für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens begehrt.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die ASt für den Zuschlag in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 in Betracht kommen würde, wodurch ihr aufgrund der oben dargestellten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mitsamt allen damit verbundenen Nachteilen droht. Die Abwendung dieser Nachteile kann nur durch vorläufiges Untersagen der Zuschlagserteilung in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 erreicht werden, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die ASt ermöglicht (vgl BVwG 06.02.2014, W123 2000677-1).

Die unmittelbar drohende Schädigung der Interessen der ASt ergibt sich auch daraus, dass die AG bei Weiterführung des Vergabeverfahrens unumkehrbare Tatsachen schaffen könnte (vgl VwGH 26.04.2007, 2005/04/0222). Die AG könnte den Zuschlag direkt erteilen und den Vertrag in den jeweiligen Losen abschließen. Diese Rechtswidrigkeit könnte von der ASt mit den Mitteln des BVergG nicht mehr beseitigt werden. So kann nach Zuschlagserteilung – trotz gravierender Rechtswidrigkeiten des Vergabeverfahrens – grundsätzlich nicht mehr nachträglich in ein abgeschlossenes Vertragsverhältnis eingegriffen werden. Die ASt könnte ihre Ansprüche lediglich im nicht adäquaten (vgl OGH 27.06.2001, 7 Ob 148/01d) ordenlichen Rechtsweg geltend machen.

Würde die AG die angefochtene Wahl des Vergabeverfahrens aufrecht erhalten und den Zuschlag in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 direkt erteilen bzw den Rahmenvertrag abschließen, würde sie das Recht der ASt auf Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren verletzen. Darüber hinaus wäre nicht nur die Chance der ASt auf Zuschlagserteilung und Abschluss des Vertrages in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 verletzt, sondern auch das Recht auf Teilnahme an einer Neuausschreibung. In diesem Fall entstünde der ASt ein enormer Schaden in der Höhe des Deckungsbeitrages bzw des entgangenen Gewinns sowie der Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung von ca. EUR 10.000,-.

Das Interesse der ASt auf Beseitigung der Vergabeverstöße im gegenständlichen Vergabeverfahren, die von der AG zu verantworten sind, überwiegen bei weitem gegenüber allfälligen nachteiligen Folgen einer derartigen Maßnahme für die AG.

Der AG zu untersagen, den Zuschlag zu erteilen, steht nämlich kein besonderes Interesse der AG oder der Öffentlichkeit entgegen. Im Gegenteil: Würde die einstweilige Verfügung nicht getroffen werden, würde der unionsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz unterlaufen und ausgehöhlt werden. Ferner würde die AG mit jenen präsumtiven Zuschlagsempfängerinnen, deren Angebote in einer rechtswidrig gewählten Vergabeverfahren eingeholt wurden, den Vertrag in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 abschließen.

Es ist nicht ersichtlich, welcher Schaden der AG durch die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung entstehen könnte bzw welche öffentlichen Interessen dadurch beeinträchtigt werden würden. Zwingende öffentliche Gründe können grundsätzlich nur geltend gemacht werden, wenn diese von der AG nicht vorhersehbar waren bzw diese Gründe, die Einhaltung der Fristen gemäß BVergG 2018 nicht zulassen.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl unter anderem VfGH 1.8.2002, B 1194/02; BVA 15.9.2003, 14N-91/03-10) ist die Verzögerung des Vergabeverfahrens durch ein mögliches Nachprüfungsverfahren bei der zeitlichen Planung der AG zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist auch die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Billigstbieter bei der Interessensabwägung im Zusammenhang mit dem Vergaberechtsschutz im öffentlichen Interesse gelegen (vgl VfGH 25.10.2002, B1 369/01 ua.). Wenn die AG diese Umstände bei ihrer Beschaffungsplanung nicht beachtet hat, so kann dies nicht zu Lasten eines Bieters gehen. ...

3. Die AG führte wider die eV in ihrer ersten Stellungnahme wie folgt ins Treffen:

... Wie in der Folge noch ausgeführt, würde die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung erhebliche nachteilige Folgen mit enormen – in seinem gesamtwirtschaftlichen Ausmaß noch gar nicht absehbar – Schäden sowohl für die Auftraggeberin als auch für die Allgemeinheit nach sich ziehen. Die Folgen der Antragstellerin bei Fortführung des Verfahrens sind im Vergleich dazu vernachlässigbar.

Die Antragstellerin bekämpft gegenständlich die Wahl des Vergabeverfahrens für die Erbrin-gung der Winterdienstleistungen in insgesamt 6 Losen (Lose 1, 2, 3, 4, 5 und 8). Diese kurzweilige, zeitlich begrenzte und Überbrückungsvergabe ist ausschließlich deshalb erfor-derlich, weil die Antragstellerin die Zuschlagsentscheidungen im Erstverfahren angefochten hat. Ihr schützenswertes Interesse bezieht sich daher im überwiegenden Maße auch nur auf das Erstverfahren und nicht auf die gegenständliche bloß behelfsmäßige der Überbrückungs-vergabe.

Darüber hinaus handelt es sich beim Auftraggeber im einen Sektorenauftraggeber gemäß §§ 166 BVergG 2018. Der gegenständliche Auftragswert liegt bei EUR 50.000,-- und somit für den Sektorenauftraggeber im Unterschwellenbereich. Insbesondere ist daher ein Direktvergabe im erleichterten Vergaberegime – als ein Verfahren mit eingeschränkter Transparenz – zulässig. Auch dies ist gegenständlich zu beachten und in der richterlichen Würdigung mit zu berücksichtigen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Auftraggeberin gemäß § 12 Abs 1 Postmarktgesetz BGBl Nr 123/2009 idgF (in der Folge „PMG“) ausdrücklich und ausschließlich mit der Erbringung des bundesweiten Universaldienstes betraut ist. Der „Universaldienst“ ist gemäß § 6 PMG „ein Mindestangebot an Postdiensten, die allgemein zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Nutzerinnen und Nutzer als notwendig angesehen werden, die flächende-ckend im Bundesgebiet angeboten werden und zu denen alle Nutzerinnen und Nutzer zu einem erschwinglichen Preis Zugang haben.“ Gemäß § 6 Abs 2 PMG umfasst der Universaldienst auch die Abholung, die Sortierung, der Transport und die Zustellung von Postsen-dungen und Postpaketen. Bei der Erfüllung dieser Aufgaben nehmen die von der gegen-ständlichen Ausschreibung umfassten Logistikzentren – als logistische Drehscheibe für sämtliche Postsendungen (Pakete, Briefe, Gefahrengüter etc) – eine zentrale und zwingend sys-temnotwenige Rolle ein. Mit anderen Worten: Es gibt kein von der Auftraggeberin abgefertigtes Poststück, das nicht über eines der ausschreibungsgegenständlichen Logistikzentren abgefertigt wird. Die Logistikzentren stellen daher einen wesentlichen Teil der systemerhaltenden Infrastruktur der Auftraggeberin dar und sind zwingend zu jeder Zeit funktionsfähig zu halten. Darüber hinaus ist die Auftraggeberin als Universaldienstbetreiber gemäß § 19 PMG auch gesetzlich dazu verpflichtet, „mit jedermann […] einen Vertrag über die Teilnahme am Universaldienst abzuschließen“ (Kontrahierungszwang). Der Auftraggeberin ob-liegen als Universaldienstbetreiber umfangreiche gesetzliche Verpflichtungen. Wird den An-trägen auf Erlassung einstweiliger Verfügungen stattgegeben, kann die Auftraggeberin die ihr gesetzlich obliegende “Aufrechterhaltung der Grundversorgung“ gemäß PMG schlichtweg nicht mehr gewährleisten.

Konkret hätte die Erlassung der einstweiligen Verfügungen zur Folge, dass für die von den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 betroffenen Logistikzentren bis zum Abschluss des Nachprüfungs-verfahrens keine Winterdienstleistungen erbracht werden können. Dies würde bei win-terlichen Verhältnissen und Temperaturen um den Gefrierpunkt (die derzeit zum Teil auch bereits vorliegen[!]) den Betrieb der Logistikzentren verhindern, zB könnte trotz Eisbildung nicht gestreut werden, die Dächer der Logistikzentren nicht mehr von Schnee befreit werde, den Beschäftigen wäre ein Betreten der Logistikzentren nicht mehr zumutbar und vor dem Hintergrund arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen und Sorgfaltspflichten des Auf-traggebers auch zu untersagen. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass neben den posteigenen Logistikflächen der Auftraggeberin gemäß § 93 Straßenverkehrsordnung, BGBl I 159/1960 idgF (in der Folge „StVO“) auch die an die Logistikzentren angrenzenden Gehsteige von Schnee zu räumen bzw bei Glatteis zu bestreuen sind. Bei einer Verletzung der Verpflichtungen des § 93 sind daher auch Schadenersatzansprüche von allenfalls Geschä-digten STVO (Gefahr für Leib und Leben) gegen Auftraggeberin nicht auszuschließen.

Ohne Winterdienst könnten die ausschreibungsgegenständlichen Logistikzentren nicht mehr angefahren und würden daher innerhalb kürzester Zeit keine neuen Postsendungen mehr an-genommen werden. Infolgedessen würde innerhalb von 3 bis 5 Tage das gesamte System der Zustellung von Briefen und Paketen kollabieren. Die Sicherstellung verlässlicher Postdienstleistungen stellt zudem einen kritischen Teil der Infrastruktur dar, die gerade in Zeiten der gegenständlichen Wirtschafts- und Gesundheitskrise von gewährleistet werden muss (siehe zum Schutz der kritischen Infrastruktur zB § 22 Abs 1 Z 6 Sicherheitspolizeigesetz). Bei einem Ausfall des Systems können weder Behördensendungen noch Paketsendungen oder Briefsendungen durchgeführt werden. Darüber hinaus werden von der Auftraggeberin auch diverse Gefahrengüter aus dem Gesundheitsbereich transportiert. Der wirtschaftliche Schaden der aus einem derartigen Zusammenbruch resultieren würde ist enorm und würde in seinen volkswirtschaftlichen Auswirkungen weit jenseits von EURE [....] Mio liegen.

Konkret laufen über die acht Logistikzentren jährlich insgesamt [...] Milliarden Briefe und [...] Millionen Pakete. Die Auftraggeberin ist auf eine taggleiche Verarbeitung der Postsendungen ausgerichtet, weshalb bei einer Betriebsunterbrechung ein massiver Rückstau entstehen würde und – mangels entsprechender Lagermöglichkeit – auch in kürzester Zeit Verzögerun-gen und Beschädigungen der davon betroffenen Postsendungen (Briefe, Pakete, Gefahren-güter etc) nicht ausgeschlossen werden können. Ein Rückstau hätte weiters einen gänzlichen Annahmestopp zur Folge und in letzter Konsequenz den Kollaps des Systems in wenigen Ta-gen. Der dadurch entstehende Schaden wäre jedenfalls im Milliardenbereich anzusiedeln. Eine Betriebsunterbrechung würde weiters dazu führen, dass Aufträge nationaler als auch in-ternationaler Kunden nicht mehr durchgeführt werden können, was erhebliche Vertragsstrafen für die Auftraggeberin zur Folge hätte.

Die Auftraggeberin hat die gegenständlichen Winterdienstleistungen seit Jahren an externe Auftragnehmer vergeben und verfügt selbst weder über die erforderlichen personellen Res-sourcen noch über die erforderlichen Betriebsmittel (zB Schneepflüge, Streuwägen), um die verfahrensgegenständlichen Leistungen erbringen zu können. Die Auftraggeberin ist schlicht-weg nicht dazu in der Lage bzw nicht dafür aufgestellt, die ausgeschriebenen Winterdienst-leistungen selbst zu erbringen.

Der Antragstellerin ist auch selbst bewusst, dass die Überbrückungsvergabe im gegenständli-chen Fall lediglich zur Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Sicherstellung der Versorgung durch die Auftraggeberin und der Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen sowie die Verpflichtungen nach der StVO zwingend erforderlich sind. Die An-tragstellerin wurde schließlich auch selbst für die Erbringung der Überbrückungsleistungen in den Losen 6 und 7 vorgesehen.

Festgehalten wird weiters, dass im Rahmen der Überbrückungsbeauftragung der Unterneh-men ausschließlich punktuelle Abrufe für den Notfall (früher Wintereinbruch) vorgesehen sind. Dies geht auch klar aus den Aufforderungen zur Angebotslegung für die Überbrückungs-vergaben hervor, bei der lediglich Stundensätze für die Erbringung der Winterdienstleistungen anzugeben waren (und keine Pauschalpreise). In der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde von der Auftraggeberin – in jedem Los – ausdrücklich festgehalten, dass das von den Unternehmen zu legende Angebot lediglich „für voraussichtlich die nächsten 4-5 Wochen benötigt [wird]“. Es ist somit eindeutig, dass nur der – bis zu den Zuschlagserteilungen im Erstverfahren – vorläufige Winterdienst beauftragt wird. Eine rasche Mitteilung der Zu-schlagsentscheidungen [im Erstverfahren] und folglich die Zuschlagserteilung ist im ausdrücklichen Interesse der Auftraggeberin und wird voraussichtlich noch Anfang nächster Woche erfolgen.

Aus § 350 Abs 1 BVergG 2018 ergibt sich, dass das BVwG auf Antrag durch einstweilige Verfügung bloß jene vorläufigen Maßnahmen anzuordnen hat, „[…] die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antrag-stellers zu beseitigen oder verhindern“ (Hervorhebungen vom Zitierenden).

Im Ergebnis hätte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung einen gänzlichen Vergabestopp zur Folge, was in Anbetracht der soeben geschilderten gesamtgesellschaftlichen Konsequen-zen unverhältnismäßig wäre.

Der gänzliche Ausfall einer kritischen Infrastruktur in allen seinen (gesamt)wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen steht in keinem Verhältnis zu den gegenständlichen Interes-sen der Antragstellerin und ist darüber hinaus auch nicht geeignet, die Interessen der Antrag-stellerin (den entgangenen Gewinn) zu wahren. Für einen leichteren Überblick werden in der Folge die jeweiligen Interessen komprimiert gegenübergestellt:

...

4. Das BVwG hat nach der Erststellungnahme der AG folgende Fragen gegenüber der ASt und der AG zur Diskussion gestellt:

... 2. Das BVwG fordert zur Abgabe folgender Erklärungen bzw Beantwortung folgender Fragen bis Freitag, 23.10.2020, 12.00 Uhr einlangend beim BVwG auf:

2.1. Sollen mit der gegenständlichen Überbrückungsvergabe Dienstleistungen entsprechend der Seite 8 der beigelegten Eingabe für maximal fünf Wochen vergeben werden; oder länger; für wie lang?

2.2.Führen die Wertungen der Vorschriften des KFG über die situative Winterreifenpflicht ab 01.11.2020 dazu, dass insoweit gegenständlich mangels durchgeführter Überbrückungsvergabe Gefahr für Leib und Leben von Mitarbeitern und sonstigen Besuchern der zu betreuenden Anlagen der Auftraggeberin in einer Jahreszeit entstünde, in welcher sonst winterliche Straßen- und Wegverhältnisse in der Rechtsordnung als naheliegend bzw nicht unwahrscheinlich vorausgesetzt werden?

2.3. Erscheint es aus bestimmten Gründen schon oder nicht realistisch, dass das "Hauptvergabeverfahren", in welchen bei der Gerichtsabteilung W139 die Zuschlagsentscheidung (-en) bei den strittigen Losen angefochten und danach zurückgenommen wurde (-n), in den strittigen Losen in fünf Wochen abgeschlossen sein wird. ...

4.1. Die ASt brachte dazu wie folgt vor:

... 1. Allgemeines
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die AG im Schriftsatz vom 20.10.2020 selbst zugesteht, dass ausschließlich die Bieter mit den günstigsten Angeboten aus dem „Hauptvergabeverfahren“ in ihren jeweiligen Losen aufgefordert wurden, ein „Überbrückungsangebot“ für die Erbringung von Winterdienstleistungen zu legen.

Damit bestätigt sich der Verdacht der ASt, dass die AG das Ergebnis der zurückgezogenen Zuschlagsentscheidung faktisch umzusetzen versucht. Die AG will offenbar den Zuschlag entsprechend dem angefochtenen Ergebnis im „Hauptvergabeverfahren“ durchsetzen.

Bemerkenswert hervorzuheben ist, dass die abgefragten Mengen ident sind mit jenen des „Hauptvergabeverfahrens“. Aufgrund des Wortlautes der Festlegungen zum Überbrückungszeitraum („voraussichtlich“) kann die AG den „voraussichtilchen“ Zeitraum für die „Überbrückungsleistung“ auch deutlich überschreiten. Dem reinen Wortlaut der Festlegungen entsprechend könnte die AG die gesamte Leistung über mehrere Wintersaisonen abrufen, obwohl der Schwellenwert für die Direktvergabe weit überschritten ist und die Voraussetzung für einen Ausnahmetatbestand nicht vorliegen.

Unabhängig davon ist hervorzuheben, dass die AG selbst die zeitliche Dringlichkeit provoziert hat, indem sie offenbar die nötigen Prüfungen nicht rechtzeitig abgeschlossen hat bzw weil sie die Verzögerung durch ein Vergabeverfahren nicht berücksichtigt hat, obwohl dies laut ständiger Rechtsprechung zu berücksichtigen gewesen wäre. Wären in einer solchen Situation die von der AG beabsichtigten „Überbrückungsaufträge“ zulässig, könnte ein öffentlicher AG immer Leistungen direkt beauftragen, wenn im „Hauptvergabeverfahren“ die Zuschlagsentscheidung angefochten wird. Um dieses Ergebnis und damit vollendete Tatsachen zu vermeiden, ist die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zwingend erforderlich.

Es ist auch nicht ersichtlich, welcher Schaden der AG durch die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung entstehen könnte bzw welche öffentlichen Interessen dadurch beeinträchtigt werden würden, die nicht ausschließlich von ihr selbst verursacht wurden.

Zwingende öffentliche Gründe können grundsätzlich nur geltend gemacht werden, wenn diese von der AG nicht provoziert wurden. Auch eine Gefahr für Leib und Leben droht nicht unmittelbar, weil in absehbarer Zeit mit keinem Schneefall an den Standorten der Logistikzentren zu rechnen ist. Abgesehen davon hat die AG diese Situation selbst provoziert. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein AG eine Ausnahmesituation bzw. einen Ausnahmetatbestand nicht selbst provozieren. Genau dies ist aber gegegnständlich der Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl unter anderem VfGH 1.8.2002, B 1194/02; BVA 15.9.2003, 14N-91/03-10) ist die Verzögerung des Vergabeverfahrens durch ein mögliches Nachprüfungsverfahren bei der zeitlichen Planung der AG zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist auch die Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Billigstbieter bei der Interessensabwägung im Zusammenhang mit dem Vergaberechtsschutz im öffentlichen Interesse gelegen (vgl VfGH 25.10.2002, B1 369/01 ua.). Wenn die AG diese Umstände bei ihrer Beschaffungsplanung nicht beachtet hat, obwohl sie die Verzögerung durch den Nachprüfungsantrag zur GZ W139 2235513-2 explizit als Grund für die Einholung der Überbrückungsangebotes angeführt hat, kann dies keine taugliche Rechtfertigung sein.

Würde die einstweilige Verfügung nicht erlassen werden, würde der unionsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz unterlaufen und ausgehöhlt werden. Aus Sicht der ASt würde mit der gegenständlichen Direktvergabe von Übergangsangeboten nämlich ein Zustand geschaffen werden, der einer Zuschlagserteilung im „Hauptvergabeverfahren“ gleich kommt. Die Zuschlagsentscheidung wurde von der ASt jedoch mit dem Nachprüfungsverfahren zur GZ W139 2235513-2 bekämpft und von der AG zurückgezogen, weil offenbar die nötigen Prüfschritte nicht abgeschlossen wurden bzw. weil sich der Verdacht der ASt möglicherweise erhärtet hat, wonach die Unternehmen technisch nicht in der Lage sind, die Leistung ausschreibungsgemäß zu erbringen.

Würde die einstweilige Verfügung nicht erlassen werden, könnte die AG das „Hauptvergabeverfahren“ durch die Direktvergabe der einzelnen Lose aufgrund des Wortlautes der Festlegungen („voraussichtlicher“ Zeitraum) und vor allem aufgrund der identen Mengen überhaupt ersetzen.

Wäre eine solche Vorgehensweise zulässig, wären Direktvergaben immer dann zulässig, wenn der AG die „Dringlichkeit“ selbst provoziert, indem er vorhersehbare zeitliche Verzögerungen nicht einplant oder er die Angebotsprüfung lange genug hinauszögert. Ein Vergabeverfahren könnte mit dieser Argumentation besonders in anfechtungsgeneigten Branchen bewusst spät eingeleitet werden, weil zurückgezogene Zuschlagsentscheidungen, wie im gegenständlichen Fall, dennoch durch Aufsplittung des Auftragswertes und Wahl eines unzulässigen Vergabeverfahrens durchgesetzt werden könnten, ohne dass die Auswirkungen von Anfechtungen befürchtet werden müssten.

Gegenständlich könnte die AG das Ergebnis der angefochtenen Zuschlagsentscheidung durchsetzen, ohne das „Hauptvergabeverfahren“ durch Zuschlag abschließen zu müssen. Der europarechtlich geforderte effektive vergaberechtliche Rechtsschutz würde auf diese Weise jedenfalls völlig ad absurdum geführt werden. Ein Bieterschutz wäre überhaupt nicht mehr gewährleistet.

2. Zu den Fragen des BVwG

Zwar hat das BVwG die ASt nicht ausdrücklich zur Beantwortung der nachstehenden Fragen aufgefordert, ihr jedoch die Fragen zugestellt, sodass die ASt davon ausgeht, dass auch sie diese Fragen zu beantworten hat. Die ASt beantwortet die Fragen des BVwG daher wie folgt:

2.1. Sollen mit der gegenständlichen Überbrückungsvergabe Dienstleistungen entsprechend der Seite 8 der beigelegten Eingabe für maximal fünf Wochen vergeben werden; oder länger; für wie lang?

Diese Fragen sind auf Basis des eindeutigen Wortlautes der Festlegungen beantwortbar. Wie bereits im Antrag auf Nichtigerklärung vom 16.10.2020 ausgeführt, hat die AG in der Aufforderung zur Angebotsabgabe folgenden Text angegeben (Hervorhebung nicht im Original):

„Wir bitten um ein Überbrückungsangebot für die Winterdienstbetreuung bis die Verzögerungen bei dem Vergabeverfahren BAB Winterdienst Logistikzentren gelöst wurden. Es gelten dieselben Bedingungen, Leistungsbeschreibungen und Detail- Leistungsanforderungen wie im Vergabeverfahren. Dieses Angebot wird für voraussichtlich die nächsten 4-5 Wochen benötigt.“

Das Preisblatt zur Einholung der Überbrückungsangebote ist zudem ident zum Preisblatt im „Hauptvergabeverfahren“ und enthält auch exakt die gleichen Mengenangaben. Die eingeholten angeblichen „Überbrückungsangebote“ umfassen somit die gesamte Leistung aus dem „Hauptvergabeverfahren“.

Aus Sicht der ASt ist daher eindeutig, dass sich die AG auf Basis dieser Festlegung bewusst offen lassen möchte und auf Basis der Festlegungen auch berechtigt wäre, die Leistungen auch über den „voraussichtlichen“ Zeitraum hinaus auf Basis der Überbrückungsangebote abzurufen.

Dadurch könnten die Leistungen auch über mehrere Wintersaisonen abgerufen werden, ohne dass die AG gezwungen wäre das Hauptvergabeverfahren überhaupt durch Zuschlag zu beenden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beantwortung der gegenständlichen Frage unmittelbar mit der Dauer des Hauptvergabeverfahrens, somit mit der Beantwortung der Frage in Punkt 2.3 zusammenhängt. Ob die AG beabsichtigt das Hauptvergabeverfahren überhaupt abzuschließen, wenn diese Vorgehensweise zulässig ist, kann die ASt nicht beantworten.

2.2. Führen die Wertungen der Vorschriften des KFG über die situative Winterreifenpflicht ab 01.11.2020 dazu, dass insoweit gegenständlich mangels durchgeführter Überbrückungsvergabe Gefahr für Leib und Leben von Mitarbeitern und sonstigen Besuchern der zu betreuenden Anlagen der Auftraggeberin in einer Jahreszeit entstünde, in welcher sonst winterliche Straßen- und Wegverhältnisse in der Rechtsordnung als naheliegend bzw nicht unwahrscheinlich vorausgesetzt werden?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Winterreifenpflicht nur dann besteht, wenn die Witterungsbedingungen dies erfordern bzw. bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen. Ab 01.11. müssen daher nicht per se Winterreifen montiert sein. Die Annahme, dass ab dem 01.11. eine Gefahr für Leib und Leben besteht, ergibt sich daher aus den Wertungen des KFG nicht.

Wie bereits oben ausgeführt, droht nicht unmittelbar eine Gefahr für Leib und Leben, weil an den Standorten der Logistikzentren der AG die Witterungsbedingungen nicht in absehbarer Zeit (und auch nicht in den nächsten fünf Wochen) einen Wintereinbruch erwarten lassen. Abgesehen davon, hat die AG – wie oben bereits ausgeführt – diese Situation selbst provoziert.

Wie bereits im Rahmen der Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung im Hauptvergabeverfahren zur GZ W139 2235513-2 vorgebracht, bezweifelt die ASt auch im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren, dass die zur Legung von Überbrückungsangeboten aufgeforderten Unternehmen in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 über die erforderliche Anzahl an Mitarbeitern und Geräten je Gebiet verfügen, um die Winterdienstleistungen in diesen Losen überhaupt ordnugnsgemäß erbringen zu können. Darüber hinaus wird auch im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren bezweifelt, dass diese Unternehmen die erforderliche schnelle Reaktionszeit einhalten können.

Die ASt weist deshalb darauf hin, dass die Durchführung der Direktvergaben bzw die beabsichtigten Beauftragungen dieser Unternehmen, erst eine Gefahr für Leib und Leben begründen würden, weil diese Unternehmen technisch nicht in der Lage sind, die Leistung ausschreibungsgemäß zu erbringen. Die zur Legung von Überbrückungsangeboten aufgeforderten Unternehmen können die Erbringung der Winterdienstleistungen auch für die Überbrückungsleistung nicht im erforderlichen Ausmaß gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund würde die Dirketvergabe an nicht leistungsfähige Unternehmen die Gefahr für Leib und Leben jedenfalls nicht beseitigen.

2.3. Erscheint es aus bestimmten Gründen schon oder nicht realistisch, dass das "Hauptvergabeverfahren", in welchen bei der Gerichtsabteilung W139 die Zuschlagsentscheidung(-en) bei den strittigen Losen angefochten und danach zurückgenommen wurde(-n), in den strittigen Losen in fünf Wochen abgeschlossen sein wird.

Die Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens inklusive vertiefter Angebotsprüfung obliegt der AG.

Die ASt hat keinen Einfluss auf die von der AG derzeit nachträglich durchgeführte vertiefte Angebotsprüfung im „Hauptvergabeverfahren“. Die ASt hat auch keinen Einfluss auf die weiteren von der AG noch zu setztenden Schritte bzw zu treffenden Entscheidungen. Sofern durch die nicht ordnungsgemäß durchgeführte Prüfung der Angebote eine Verzögerung eingetreten ist, liegt dies ausschließlich in der Sphäre der AG und kann jedenfalls nicht als Rechtfertigung für die Durchführung unzulässiger Vergabeverfahren herangezogen werden.

4.2. Die AG brachte zu den dargestellten Fragen des BVwG wie folgt vor:

1. Fragestellungen des BVwG vom 21.10.2020

1.1 Zu Punkt 2.1 des Schreibens: „Sollen mit der gegenständlichen Überbrückungsvergabe Dienstleistungen entsprechend der Seite 8 der beigelegten Eingabe für maximal fünf Wochen vergeben werden; oder länger; für wie lang?“

Mit den gegenständlichen Überbrückungsbeauftragungen in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 sollen die losgegenständlichen Winterdienstleistungen für maximal 5 Wochen vergeben werden. Der Abruf von Dienstleistungen aufgrund der Überbrückungsbeauftragungen soll nach Bedarf, abhängig vom Voranschreiten des Winters in den betroffenen Regionen erfolgen.

1.2 Zu Punkt 2.2 des Schreibens: „Führen die Wertungen der Vorschriften des KFG über die situative Winterreifenpflicht ab 01.11.2020 dazu, dass insoweit gegen-ständlich mangels durchgeführter Überbrückungsvergabe Gefahr für Leib und Le-ben von Mitarbeitern und sonstigen Besuchern der zu betreuenden Anlagen der Auftraggeberin in einer Jahreszeit entstünde, in welcher sonst winterliche Straßen- und Wegverhältnisse in der Rechtsordnung als naheliegend bzw nicht unwahr-scheinlich vorausgesetzt werden?“

Gemäß § 102 Abs 8a Kraftfahrgesetz 1967, BGBl 267/1967 idgF (in der Folge „KFG“) darf

„der Lenker […] ein Kraftfahrzeug der Klassen

1. N2 und N3 sowie ein von solchen Fahrzeugen abgeleitetes Kraftfahr-zeug während des Zeitraumes von jeweils 1. November bis 15. April oder

2. M2 und M3 sowie ein von solchen Fahrzeugen abgeleitetes Kraftfahr-zeug von jeweils 1. November bis 15. Märznur verwenden, wenn zumindest an den Rädern einer Antriebsachse Winterreifen (für die Verwendung als Schnee- und Matschreifen be-stimmte Reifen mit entsprechender Profiltiefe) angebracht sind.“

Hintergrund dieser – mit § 102 Abs 8a KFG eingeführten – sogenannten „situativen Winterreifenpflicht“ ist es, die Verkehrssicherheit bei winterlichen Fahrbahnverhält-nissen zu erhöhen, da liegengebliebene oder hängengebliebene Kraftfahrzeuge häu-fig unfallauslösende Faktoren darstellen bzw zu unpassierbaren Straßen und zu Staus führen (vgl Novak in Novak (Hrsg), Österreichisches Straßenverkehrsrecht – Kraftfahr-recht, 87. Lfg 2019 zu § 102 KFG, 29; Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie vom 19.4.2006 zur 27. KFG-Novelle). Der Gesetzgeber geht – wie den in § 102 Abs 8a KFG angeführten Zeiträumen zu entnehmen ist – somit davon aus, dass im Zeitraum von 1. November bis 15. April (bzw 15. März) mit winterlichen Verhältnisse zu rechnen ist.

Entsprechend dieser gesetzlichen Vermutung der winterliche Verhältnisse im Zeitraum von 1. November bis 15. April (bzw 15. März), wurde von der Auftraggeberin auch im „Hauptvergabeverfahren“ ein winterlicher Betreuungszeitraum aller Logistikzentren von 1. November bis 31. März für die nächsten drei Wintersaisonen vorgesehen. Aufgrund der Tatsache – und den dementsprechenden Erfahrungen der Auftraggeberin –, dass trotz insgesamt milder werdenden Wintern in den letzten Jah-ren extreme Wetterlagen erheblich zugenommen haben und zB auch verfrühte oder verspätete Wintereinbrüche nicht mehr ausgeschlossen werden können, wurde im „Hauptvergabeverfahren“ auch eine entsprechende Vor- und Nachlaufzeit (1.10.bis 31.10. und 1.4. bis 30.4.) für in diesen Zeiträumen allenfalls bereits erforderliche Winterdienste berücksichtigt. Von winterlichen Verhältnissen, die einen aus-schreibungsgegenständlichen Winterdienst zwingend erforderlich machen, ist er-fahrungsgemäß bereits zum jetzigen Zeitpunkt auszugehen.

Winterliche Verhältnisse und Temperaturen um den Gefrierpunkt (die zum Teil bereits jetzt vorliegen[!]) können bei einfacher Straßennässe – insbesondere bei Frost und winterlichem Niederschlag – zu akutem Glatt- und Blitzeis auf den Verkehrsflä-chen um die Logikzentren führen. In diesem Fall können Unfälle aufgrund der daraus resultierenden Rutschgefahr sowohl im Zufahrts- als auch Eingangsbereich der Logistikzentren nicht ausgeschlossen werden. Dies kann insbesondere dazu führen, dass Kraftfahrzeuge (Pkw‘s von Mitarbeitern, Zulieferfahrzeuge, Zustell-fahrzeuge etc) ins Schleudern geraten und Mitarbeiter der Auftraggeberin, Liefe-ranten, Passanten oder sonstige Personen auf dem Gelände des Logistikzentrumsbzw der angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen (zB angrenzende Gehsteige- und wege) erfasst bzw gefährdet werden. Auch die dadurch erhöhte Rutschgefahr beim Zu- und Abgehen von Personen vom Geländer der Logistikzentren stellt eine erhebliche Gefährdung für Leib und – in letzter Konsequenz wohl auch – für das Leben dieser Personen dar. Darüber hinaus besteht bei den ausschreibungs-gegenständlichen Logistikzentren ein ausgesprochen hohes Gefährdungspo-tenzial was die Einsturzgefahr der Dächer infolge nicht beseitigter Schnee-lasten betrifft: Die Logistikzentren sind überwiegend mit Flachdächern ausgestat-tet, welche aufgrund ihrer baulichen Konstruktion bzw naturgemäß besonders einsturzgefährdet sind (und dies schon sehr rasch bzw bei einer vergleichs-weisen geringen Schneelast [!]). Ausbleibende Winterdienstleistungen stellen daher in sehr kurzer Zeit – oftmals bereits über Nacht – eine erhebliche Gefähr-dung für Leib und Leben von den im Logistikzentrum beschäftigten Personen dar. Weiters stellen auch Schneewächten, Dachlawinen und Eisbildungen (zB Eis-zapfen) ein erhebliches Gefährdungspotenzial für Mitarbeiter der Auftraggeberin, Lieferanten oder sonstige Personen dar.

Der Auftraggeberin obliegen gemäß § 93 Abs 1 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl 159/1960 idgF (in der Folge „StVO“) sogenannte „Säuberungspflichten“, wo-nach diese dafür zu sorgen hat, dass „die entlang der Liegenschaft in einer Entfer-nung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenan-lagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6 bis 22 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.“ Weiters ist die Auftraggeberin gemäß § 1319a Abs 1 Allgemeines bürgerli-ches Gesetzbuch, BGBl 416/1975 idgF (in der Folge „ABGB“) als Wegehalter für den ordnungsgemäßen Zustand eines Weges iSd § 1319a Abs 2 ABGB – worunter auch die vom ausschreibungsgegenständlichen Winterdienst zu betreuen-den Flächen fallen – verantwortlich. § 1319a ABGB bringt klar zum Ausdruck, dass ein mangelhafter Zustand eines Weges die Gefahr birgt, dass ein Mensch getötet oder an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt wird.

Wird dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung der Antragstellerin stattgegeben, können bei winterlichen Verhältnissen somit auch keine Winter-dienstleistungen erbracht werden, um eine Gefahr für Leib und Leben von Mitarbeitern und sonstigen Personen – wie soeben dargestellt – auszuschließen. Anders ausgedrückt: Die Auftraggeberin wäre daher vollständig und mittels einstweiliger Verfügung in die Wegehalterhaftung gedrängt.

1.3 Zu Punkt 2.3 des Schreibens: „Erscheint es aus bestimmten Gründen schon oder nicht realistisch, dass das "Hauptvergabeverfahren", in welchen bei der Gerichts-abteilung W139 die Zuschlagsentscheidung (-en) bei den strittigen Losen ange-fochten und danach zurückgenommen wurde (-n), in den strittigen Losen in fünf Wochen abgeschlossen sein wird?“

Die Auftraggeberin beabsichtigt, die Zuschlagsentscheidungen in den strittigen Losen im „Hauptvergabeverfahren“ nächste Woche (Kalenderwoche 44) an die Bieter zu versenden. Es ist daher davon auszugehen, dass – unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Stillhaltefrist von 10 Tagen gemäß § 306 Abs 1 BVergG 2018 – die Zuschlagserteilungen in den strittigen Losen in der Kalenderwoche 46 erfolgen können und die gegenständlichen Überbrückungsdienstleistungen nicht mehr erforderlich sind. Die Auftraggeberin wird dabei alles in Ihrer Einflusssphäre unternehmen, um diesen veranschlagten Zeitplan einzuhalten und einen ehestmöglichen Abschluss des Hauptvergabeverfahrens zu erreichen. Auf allfällige externe Einflüsse, die zu einer Verzögerung führen können (zB ein erneutes Einbringen eines Nachprüfungsverfahrens gegen die Zuschlagsentscheidung) hat die Auftraggeberin leider kei-nen Einfluss.

5. Über telefonische Anforderung durch das BVwG am 23.10.2020 gab die AG - nach einem ursprünglich transparent benannten geschätzten Auftragswert iHv 50.000 Euro nunmehr korrigiert einen solchen iHv zumindest deutlich unter 100.000 Euro und die strittigen Lose im Zeitraum von 27.10.2020 bis 01.12.2020 an und wollte diesen von der Akteneinsicht ausnehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Verfahrensgang wird mit den darin festgehaltenen Vergabeverfahrenstatsachen als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt; und ergibt sich dieser aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 2236159-1, -2 und -3.

Darüber hinaus ist festzustellen wie folgt:

1.1. Die AG leitete gegenständlich ein Direktvergabeverfahren für losweise zu vergeben gedachte Winterdienstleistungen gemäß Verfahrensgang für einen Vergabezeitraum von voraussichtlich fünf Wochen ein, ohne gegenüber den kontaktierten Unternehmern dabei ein defintives Ende des intendierten Überbrückungsvertrags je Los vorab mitzuteilen.

1.2. Die AG hat mit einem mit 22.10.2020 datierten Schriftsatz gegenüber dem BVwG erklärt, dass mit den gegenständlichen Überbrückungsbeauftragungen in den Losen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 die losgegenständlichen Winterdienstleistungen für maximal 5 Wochen vergeben werden sollen.

Insoweit sind aufrecht keine Interessen der AG mehr ersichtlich, die aktuell gegen ein Zuschlags- und damit Vertragsabschlussverbot bei dieser Überbrückungsvergabe nach Ablauf des 01.12.2020 sprechen.

Ausweislich der Parteieingaben ist eindeutig, dass sowohl AG als auch ASt mit der Bezeichnung der Lose 1, 2, 3, 4, 5, und 8 iZm dieser Überbrückungsvergabe der Sache nach die gleichen Dienstleistungen und Leistungsorte verstehen, womit mit der Anführung der Lose im Spruch für die Partein klar ist, für welche Leistungen und Leistungsorte was nunmehr einstweilig erlaubt und verboten ist.

1.3. in der österreichischen Rechtsordnung ist in § 102 abs 8a KFG positiviert, dass der Gesetzgeber ab 01.11.2020 bis über den 01.12.2020 hinaus davon ausgeht, dass im Kraftfahrbereich zB PKW´s (- siehe dazu die Fahrzeugklassen in § 3 KFG - ) rücksichtlich evtl vorhandener winterlicher Fahrverhältnisse wie Schnee, Eis und Matsch entsprechend bereift sein müssen, um entsprechend dem evidenten Telos des § 102 Abs 8a KFG Unfälle und damit Verletzungen und Todesfälle mangels hinreichender Bodenhaftung von Kfz bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen zu vermeiden.

Es besteht ausweislich der §§ 80, 81 und 88 StGB und ausweislich der zivilrechtlichen Haftungsvorschriften wegen fahrlässiger Körperverletzung bzw fahrlässiger Tötung gemäß der Rechtsordnung ein besonderes öffentliches interesse daran, dass Sterbefälle und Verletzungen (samt Folgeschäden) von Personen durch schuldhafte Fremdverursachung unterbleiben, womit sich jedermann bei sonstiger Rechtswidrigkeit objektiv sorgfältig gegenüber dem Leben und der Gesundheit eines anderen Menschen zu verhalten hat.

Siehe idZ die §§ 1293ff ABGB (zB iZm der abeitsrechtlichen Fürsorgepflicht); bzw iZm der Schutzgesetzhaftung zB § 93 StVO mit der dortigen Schneeräum- und Streupflicht; oder aber Arbeitnehmerschutzvorschriften; jeweils iVm § 1311 ABGB.

Die Unversehrtheit der Menschen als Zielsetzung ist auch unionsprimärrechtlich gemäß Art 2 und 3 der Europäischen Grundrechtecharta (= GRC) bei der Anwendung bzw Berücksichtigung von Unioinsrecht anzustreben.

Insoweit ist ein besonderes öffentliches Interesse gegenüber der AG festzustellen, dass diese erstens gemäß § 1 Abs 1 lit a PMG für ein funktionierendes Postwesen sorgt und zweitens dafür Sorge trägt, dass auf ihrem Betriebsgelände bzw in ihrem rechtlichen Verantwortungsbereich insb gemäß § 93 StVO ihre Mitarbeiter oder sonstige Nutzer ihrer Logisitkzentren (samt Anrainerflächen mit Betreungspflichten der AG gemäß § 93 StVO) nicht im Gefolge winterlicher Geh- und Fahrverhältnisse bzw durch Dachlawinen oä zu Schaden an Leib und Leben kommen. Insoweit hat die AG für entsprechende Schnee- und Matschräumung bzw durch Bestreuung Vorsorge zu treffen.

1.4. Die AG hat gemäß eigenem nicht substantiiert bestrittenen Vorbringen derzeit keine dafür vorgesehenen Mitarbeiter, die verfügbar wären, um bei einem notorisch bereits derzeit möglichen Wintereinbruch - dies entsprechend den Wertungen des § 102 Abs 8a KFG - jene Winterdienstleistungen im besonderen öffentlichen Interesse zu erbringen, für die die AG mit der gegenständlichen Überbrückungsvergabe Vorsorge treffen will.

1.5. Die ASt strebt ein Zuschlagsverbot vor dem Hintergrund an, dass die AG ursprünglich einen nur voraussichtlichen Geltungszeitraum bei der Überbrückungsvergabe in den strittigen Losen benannt hat. Die ASt führt für das Zuschlagsverbot va eigene finanzielle Interessen ins Treffen.

1.6. Soweit die ASt die Leistungsfähigkeit der im Rahmen der Direktvergabe zu beauftragenden Unternhehmer als nicht vorhanden darstellt, hat die ASt diese Behauptungen in diesem Verfahren nicht entsprechend substantiiert vorgebracht.

1.7. Der Zuschlag ist in den strittigen sechs Losen im Rahmen dieses Überbrückungsvergabegeschehens noch nicht erteilt. Die ASt hat bislang 3.240 Euro an Pauschalgebühren enrichtet.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt und Verfahrensgang ergeben sich unstrittig aus den Gerichtsakten samt vorgelegten Vergabeunterlagen.

Dass der Zuschlag noch nicht erteilt ist, ergibt sich aus den bsiheirgen wechselseitgen Verfahrensbehauptungen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zulässigkeit des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

2.1. Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 (= BVergG) zu prüfen, ob der ASt die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss eines Vertrags je Los befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Wahl der Direktvergabe – behauptet wurde, dass die ASt ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 (= BVergG) unterliegenden Vertrags behauptet hat, sowie dass der ASt durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG ist somit nicht gegeben.

2.2. Die Rechtsschutzanträge der ASt erfüllen – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die Vergabekontrollzuständigkeit des BVwG für diese Postsektorenvergabe ist unbestritten.

3.2. Inhaltlich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

Gemäß § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

3.2.1. Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der ASt, der sonstigen Bieter und der AG, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) ist vorerst festzuhalten, dass bei denkbar aktuell durchaus drohender Schädigung des Leibs und des Lebens von Menschen das besondere öffentliche Interesse an der Unversehrtheit von Menschen und insb Mitarbeitern der AG bzw von Nutzern der Postlogistikzentren einmal dagegen spricht, für die nächsten fünf Wochen durch eine eV eine vertragliche Sicherstellung der strittigen Winterdienste zu verhindern.

Dieses dargestellte besondere öffentliche Interesse an Leben und Gesundheit von Menschen ist ausweislich der BGBl - Kundmachungen von Rechtsvorschriften aus 2020 - siehe zu deren Bekanntheitsannahme § 2 ABGB - noch dadurch verstärkt, dass in Zeiten der Corona - Pandemie das Medizinsystem und insb die Spitalskapazitäten nicht abseits von Covid - 19 noch zusätzlichen mitunter vermeidbaren Systembelastungsrisken (iZm bei den Logistikzentren der AG durch winterliche Schnee-, Matsch- und Eisverhältnisse verunfallenden Mitarbeitern oder sonstigen Nutzern dieser Logisitkzentren) ausgesetzt werden sollen.

3.2.2. Gegen die Erlassung eines Zuschlagsverbots bis 01.12.2020 spricht auch die besondere Stellung der AG in der Rechtsordnung, die gemäß Postmarktgesetz als vergaberechtsgebundene Sektorenauftraggeberin mit dem Postwesen eine historisch staatliche Infrastrukturaufgabe wahrnimmt, welche (scil: Aufgabe) nicht durch evtl fehlendes Winterdienstleistungs - Humankapital erschwert werden soll, zumal jahreszeitlich bedingt und ausweislich des § 102 Abs 8a KFG aktuell derartige Winterdienstleistungserfordernisse durchaus auftreten können und nicht gegenteilig als abseits jedweder Lebenserfahrung dargestellt werden können.

Soweit die ASt insoweit in ihrer Sellungnahme vom 23.10.2020 in der Rz 20 ohne sachverständig - meteorologisch garantierte Untermauerung für die nächsten fünf Wochen einen Wintereinbruch als nicht drohend darstellt, ist sie der insb aus § 102 Abs 8a KFG abzuleitenden Grundrisikobewertung eines Wintereinbruchs nicht substantiiert entgegen getreten.

3.2.3. Die aufgezeigten besonderen interessen an der möglichsten Vermeidung der Gefahr für Leib und Leben von Mitarbeitern und Nutzern der Logisitkzentren der AG, sohin von Menschen, überwiegen damit gemeinsam mit dem Interesse der AG, innerhalb der nächsten fünf Wochen zur Vermeidung von Folgekomplikationen iZm zB durch winterliche Gehverhältnisse verletzten Mitarbeitern die vorgebrachten Interssen der ASt an einer Verhinderung dieser fünfwöchigen Beauftragung ihrer Mitbewerber in sechs Losen der streitgen Vergabe.

3.2.4. Umgekehrt hat sich die AG am 22.10.2020 eindeutig festgelegt, bis zum 01.12.2020 das Haupt- bzw Erstvergabeverfahren finalisieren zu wollen und insoweit die hier gegenständliche Überbrückungsvergabe nur bis dahin zu benötigen.

Damit waren aber aktuell keine rechtserbelichen dagegen sprechenden Interessen mehr erkennbar, dass ab 02.12.2020 durch ein Zuschlagsverbot für danach folgende Zeiträume für die ASt deren Wettbewerbschance an den sechs losweisen Aufträgen bzw Rahmenverträgen zumindest vorläufig abgesichert wird, nachdem sich die AG bei der Einleitung der Direktvergabegeschehen durch eine bloß voraussichtlich angegebene Dauer von fünf Wochen nicht eindeutig festgelegt hatte, ob die Überbrückungsverträge allenfalls auch länger Gültigkeit haben sollten.

3.2.5. Insweit war das Zuschlagsverbot und damit das Verbot von Überbrückungsvergaben zeitlich erst für Zeiträume ab 02.12.2020 auszusprechen, wobei das BVwG idZ von zeitlich eindeutiger Teilbarkeit gemäß § 59 AVG ausgeht. Das Zuschlagsverbot für Zeiträume ab 02.12.2020 erschien dabei als die gelindeste zum Ziel führende Maßnahme gemäß § 351 Abs 3 BVergG .

3.2.6. Soweit die ASt die Eignung bzw Leistungstauglichkeit ihrer Mitwerber für die Aufgaben im Rahmen der Überbrückungsvergabe vorbringt, ist klarzustellen, dass es gemäß § 6 AVG nicht in die Zuständigkeit und Aufgabe des BVwG fällt, beim Vollzug des BVergG die AG vor denkmöglichen Fehlentscheidungen bei Beschaffungen zu schützen, sondern dass durch den Vollzug des BVergG [hier] die ASt in deren gemäß BVergG rechtserheblichen Interessen - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - geschützt werden soll.

B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision war gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zuzulassen, weil noch keine gefestigte Rsp des VwGH zu der grundsätzlichen Frage vorliegt, ab wann bei denkbarer Gefährdung von Leib und Leben das Interesse an der Gewährung von vergaberechtlichem Provisorialrechtsschutz hinter das Interesse an der möglichsten Gesundheit von Menschen zurücktreten muss, bzw inwieweit Sicherungsmaßnahmen gemäß § 351 BVergG zeitlich derart teilbar sind, dass ein Vertragsabschluss für einen bestimmten Zeitraum erlaubt und für einen anderen Zeitraum verboten wird.

Schlagworte

Dienstleistungsauftrag Direktvergabe einstweilige Verfügung gelindeste Maßnahme gelindestes Mittel Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Rahmenvertrag Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Verhandlungsverfahren vorherige Bekanntmachung Wahl des Vergabeverfahrens wirtschaftliche Interessen Zeitraumbezogenheit Zuschlagsverbot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2236159.1.00

Im RIS seit

28.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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