Entscheidungsdatum
06.11.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I410 2217063-2/11Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Eva LECHNER, LL.M. als Einzelrichterin in der Beschwerdesache von XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, über Spruchpunkt VII. (Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2018 (richtig: 28.03.2019), Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 28. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen eines durchgeführten Dublin-Konsultationsverfahrens wurde die Zuständigkeit Italiens zur inhaltlichen Prüfung dieses Antrages festgestellt und dieser mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) als unzulässig zurückgewiesen, die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Italien zulässig ist. Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Am 14. Juni 2016 wurde der Beschwerdeführer nach Italien überstellt.
Der Beschwerdeführer reiste abermals unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 4. Jänner 2017 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Mai 2017, Zl. W153 2151265-1/7E wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Italien zulässig ist. Einer neuerlichen Überstellung nach Italien entzog sich der Beschwerdeführer.
Am 7. März 2019 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen (sohin seinen insgesamt dritten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und brachte im Verfahren vor der belangten Behörde vor, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. März 2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß „§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß „§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß „§ 57 AsylG“ nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß „§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß „§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt IV) und es wurde gemäß „§ 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß „§ 46 FPG“ nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer gemäß „§ 55 Absatz 1a FPG“ nicht gewährt (Spruchpunkt VI). Zudem wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß „§ 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-VG“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII). Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß „§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Z 6 FPG“ ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII). Mit Spruchpunkt IX wurde dem Beschwerdeführer gemäß „§ 15b Absatz 1 AsylG“ aufgetragen, ab 8. März 2019 im Quartier „BS West AIBE, Thalham 80, 4880 St. Georgen im Attergau“ Unterkunft zu nehmen.
Am 3. April 2019 stellte der Beschwerdeführer einen „EILANTRAG“ auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein. Mit Erkenntnis vom 10. April 2019, I421 2217063-1/3E, wies das Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag mangels Vorliegen einer Beschwerde als unzulässig zurück.
Mit Schriftsatz vom 18. April 2019 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28. März 2019 rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2020 wurde die gegenständliche Beschwerdesache der GA I410 mit Wirksamkeit vom 14. Oktober 2020 neu zugewiesen.
Mit Eingabe vom 4. November 2020 im Wege seiner Rechtsvertretung übermittelte der Beschwerdeführer verschiedene Unterlagen, unter anderem die Kopie eines Protokolls über die Zeugenvernehmung des Beschwerdeführers vom 28. November 2019 durch das LKA XXXX , indem er angab, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein, sowie die Kopie eines Schreibens eines Facharztes für Psychiatrie vom 30.10.2020, wonach beim Beschwerdeführer Existenzängste wegen seines Zeugenstatus gegen Menschenschlepper bestünden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der dargestellte Verfahrensgang wird als solches festgestellt.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Der dargestellt und festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers wird auf Grund einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 06.11.2020 festgestellt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt aberkannt werden, wenn „schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt“.
Mit Bescheid vom 28. März 2019 hat die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.), da schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht „der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde“. Wobei gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen steht.
Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden genügt es nicht, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 mwN).
Besondere Umstände im Sinne dieser Judikatur, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung als solches begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, sind im vorliegenden Fall, insbesondere vor dem Hiergrund der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, nicht erkennbar.
Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde vor, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen als nicht glaubhaft qualifiziert. Aufgrund der nun vorgelegten Unterlagen ist eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich beim Beschwerdeführer um ein Opfer von Menschenhandel handelt und eine Abschiebung nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK bedeuten würde, in einer mündlichen Verhandlung notwendig.
Das Bundesverwaltungsgericht wird daher für den 14.01.2021 eine mündliche Verhandlung anberaumen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylverfahren aufschiebende Wirkung Interessenabwägung Menschenhandel Menschenrechtsverletzungen öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit real risk reale Gefahr subsidiärer SchutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I410.2217063.2.00Im RIS seit
28.01.2021Zuletzt aktualisiert am
28.01.2021