TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/7 I403 2009854-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §56
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2009854-6/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch: Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH und Volkshilfe Flüchtlings-und MigrantInnenbetreuung GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis IV. wird als unbegründet abgewiesen.

II. Spruchpunkt V. hat zu lauten: „Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

III. Spruchpunkt VI., mit dem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte persönlich am 14.09.2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs 1 AsylG.

2. Mit Bescheid vom 30.09.2020, Zl. XXXX , wurde der am 14.09.2020 gestellte Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und die belangte Behörde erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).  

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 29.10.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 29.10.2020).

4. Mit Schriftsatz vom 30.10.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 04.11.2020, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Ägypten und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er gehört keiner Covid-19 Risikogruppe an.

In Ägypten besuchte er sechs Jahre lang die Grundschule, drei Jahre lang eine Mittelschule und weitere drei Jahre eine Berufsschule für Mechaniker, welche er jedoch nicht beendete. Er studierte vier Jahre lang an der Universität XXXX und verfügt über den akademischen Grad „Bachelor in Tourismus und Hotellerie, Fachgebiet: Hotelleriestudien, Fachgebiet Küchen“. Seinen Lebensunterhalt in seinem Herkunftsstaat bestritt der Beschwerdeführer als Schweißer, Maschinenschlosser, Pizzakoch und zuletzt durch Hilfsarbeiten in der Landwirtschaft. Aufgrund seiner Ausbildung und Arbeitserfahrung in Ägypten hat er gute Möglichkeiten auch hinkünftig am ägyptischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Bis zu seiner Ausreise wohnte der Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie. Seine Eltern, seine beiden Brüder und seine Schwester halten sich nach wie vor in Ägypten auf. In Österreich verfügt er über keine Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Der Beschwerdeführer war im Zeitraum von 01.06.2016 bis 31.10.2017 fast durchgehend bei der österreichischen Gesundheitskasse als Arbeiter gemeldet und bei „ XXXX “ als Pizzakoch beschäftigt. Für die Zeiträume 22.04.2016-15.05.2016 und 30.11.2016-15.05.2017 verfügte er über eine Beschäftigungsbewilligung. Seit drei Jahren geht er in Österreich keiner Beschäftigung nach. Seit 10.06.2016 bezieht er keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf Niveau A2, verfügt über eine Einstellungszusage sowie über einen mit Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung aufschiebend bedingten Dienstvertrag. Er ist seit 21.08.2020 selbstversichert und schloss am 01.09.2020 einen Mietvertrag für eine ca. 40 m2 große Wohnung ab. Er verfügt über einige Freunde in Österreich und über zwei Empfehlungsschreiben und führt seit etwa einem Jahr eine Beziehung mit einer rumänischen Staatsangehörigen.

1.2. Zu den bisherigen Verfahren des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte am 23.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich mindestens seit diesem Tag in Österreich auf. Der von ihm gestellte Asylantrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.06.2014, Zl. XXXX abgewiesen. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 26.06.2014 erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, rechtskräftig seit 02.05.2017, GZ: I413 2009854-1/25E, als unbegründet abgewiesen.

Trotz der mit der rechtskräftigen Entscheidung verbundenen Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Ausreise verblieb er im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer blieb dem mittels Ladungsbescheid vom 18.07.2018 für den 02.08.2018 anberaumten Termin zur Beschaffung von Ersatzreisedokumenten bzw. eines Heimreisezertifikates fern. Zuletzt nahm er auch den mit Ladungsbescheid vom 11.07.2019 für den 24.07.2019 anberaumten Termin, welcher für die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die ägyptische Botschaft in Wien vorgesehen war, nicht wahr.

Der ägyptischen Botschaft gegenüber gab der Beschwerdeführer unterschiedliche Namen an und erschwerte die Ausstellung eines Heimreisezertifikates oder eines Reisedokuments.

Den Antrag des Beschwerdeführers vom 25.01.2018 auf Ausstellung einer Karte für Geduldete wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 26.09.2018 ab.

Der Beschwerdeführer stellte am 13.02.2018 einen nicht näher begründeten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.10.2018 wurde dieser Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.01.2020 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2020, Zl. I401 2009854-2/6E abgewiesen und festgehalten, dass abgesehen von der Tätigkeit als Pizzakoch „keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration der beschwerdeführenden Partei in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden“ konnten.

Mit Bescheid vom 19.06.2019 wies das Bundesamt den erneut gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom 12.06.2019 gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 3 FPG ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.03.2020, Zl. I401 2009854-3/6E als unbegründet abgewiesen.

Am 02.07.2020 brachte der Beschwerdeführer erstmals einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs 1 AsylG ein, der mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.08.2020 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen wurde.

Am 17.08.2020 brachte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete ein, der mit Bescheid vom 21.08.2020 abgewiesen wurde.

Am 14.09.2020 wurde vom Beschwerdeführer der verfahrensgegenständliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs 1 AsylG gestellt.

1.3. Zur Lage in Ägypten:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 30.09.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 24.07.2019) „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Zur Lage im Herkunftsstaat werden die für das gegenständliche Verfahren relevanten Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten vom 24.07.2019 festgestellt:

Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der

Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 22.2.2019).

Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 22.2.2019).

Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Andersdenkende inhaftieren zu können und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitarbeiter ein. Die Behörden verwendeten Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen und ließen weiterhin Hunderter von Menschen ungestraft verschwinden. Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht untersucht. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten zahlreiche Menschen zum Tode (AI 26.2.2019; vgl. AI 23.5.2018). Sie hatten im August 2013 an Massenprotesten vor der al-Fateh-Moschee teilgenommen. Das Verfahren gegen die insgesamt 494 Angeklagten war grob unfair. Gerichte verließen sich bei der Urteilsfindung maßgeblich auf Berichte des nationalen Geheimdienstes und ließen Beweise zu, die nicht stichhaltig waren, darunter auch unter Folter erpresste »Geständnisse«. Zivilpersonen mussten nach wie vor mit unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten rechnen. Mindestens 384 Zivilpersonen wurde 2017 vor Militärgerichten der Prozess gemacht (AI 23.5.2018).

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 13.3.2019).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Ägypten, https://www.amnestv.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF. Zugriff 2.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH: Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegvpten/geschichte-staat/. Zugriff 2.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 2.7.2019

Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht - trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).

Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019c): Ägypten: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/. Zugriff 9.7.2019

Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018).

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018).

Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 22.2.2019).

Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.7.2019): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622#content 5, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598 1551702084 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Liportal, Ägypten - Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

Rückkehr

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

1.3 Zur aktuell vorliegenden Covid-19 Pandemie:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen.

In Österreich gibt es mit Stand 05.11.2020 14:00 Uhr insgesamt 125.229 positiv getestete Fälle, aktuell 59.172 aktive Fälle und 1.204 gemeldete Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de).

In Ägypten gibt es mit Stand 05.11.2020 insgesamt 108.329 bestätigte Fälle, 207 neue Fälle und 6.318 Tote (https://covid19.who.int/region/emro/country/eg).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde, in den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ gemäß § 56 Abs 1 AsylG, in den angefochtenen Bescheid und in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten.

2.2. Zur Person und zu den Verfahren des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, GZ: I413 2009854-1/25E, und auf die Angaben des Beschwerdeführers im Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 Abs 1 AslyG (AS 1 ff).

Anhaltspunkte dafür, dass sich sein Gesundheitszustand und seine Arbeitsfähigkeit seit dem Erkenntnis vom 28.04.2017 geändert hätten, sind im Verfahren nicht aufgetaucht und wurden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht. Da er gesund ist, gehört er keiner Covid-19 Risikogruppe an.

Der Beschwerdeführer legte zwar eine ägyptische Geburtsurkunde samt beglaubigter Übersetzung in die deutsche Sprache vor (AS 11, 13), da er jedoch kein identitätsbezeugendes Dokument (zB seinen Reisepass) vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Im gegenständlichen Verfahren legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des ägyptischen Konsulats vor, wonach ihm aufgrund des fehlenden Wehrdienstes kein Pass ausgestellt werden könne. Dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass er seiner Mitwirkungspflicht an der Feststellung seiner Identität nicht nachgekommen ist: Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Terminen zur Beschaffung von Ersatzreisedokumenten bzw. eines Heimreisezertifikates fernblieb, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.03.2020, GZ: I401 2009854-3/6E. Aus diesem Erkenntnis und einer vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung (AS 27) ergibt sich, dass er gegenüber der ägyptischen Botschaft unterschiedliche Namen angab und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates oder eines Reisedokuments erschwerte.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer am 23.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich daher mindestens seit 23.06.2014 in Österreich aufhält, dass der Asylantrag abgewiesen und die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, GZ: I413 2009854-1/25E.

Da der Beschwerdeführer sich nach wie vor ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhält, verblieb er unrechtmäßig im Bundesgebiet, kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Die Feststellungen zu seiner Ausbildung, zu seinem Berufswerdegang und zu seiner Familie, die nach wie vor in Ägypten lebt, ergeben sich aus den diesbezüglichen Feststellungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, GZ: I413 2009854-1/25E,. Die Feststellung, dass er vier Jahre lang an der Universität XXXX studierte und über den akademischen Grad „Bachelor in Tourismus und Hotellerie, Fachgebiet: Hotelleriestudien, Fachgebiet Küchen“ verfügt, basiert auf der vom Beschwerdeführer vorgelegten Erklärung der Universität XXXX (AS 71, 73).

Die Feststellung zu seiner Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Strafregisterauszug vom 05.11.2020.

Dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 01.06.2016 bis 31.10.2017 fast durchgehend bei der österreichischen Gesundheitskasse als Arbeiter gemeldet und bei „ XXXX “ als Pizzakoch beschäftigt war, ergibt sich aus dem AJ-Web Auskunftsverfahren vom 05.11.2020, der Einstellungszusage vom 20.07.2020 (AS 15) und den Angaben des Beschwerdeführers im Antrag vom 14.09.2020 (AS 4).

Aus den vom Beschwerdeführer übermittelten Unterlagen im Verfahren zu I413 2009854-1 und aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, GZ: I413 2009854-1/25E, ergibt sich, dass er für die Zeiträume 22.04.2016-15.05.2016 und 30.11.2016-15.05.2017 über eine Beschäftigungsbewilligung verfügte.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer aktuell in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht, ergibt sich aus dem AJ-Web Auskunftsverfahren vom 05.11.2020.

Dass er seit 10.06.2016 keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem Speicherauszug vom 05.11.2020 aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer Deutsch auf Niveau A2 spricht, über eine Einstellungszusage sowie über einen mit Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung aufschiebend bedingten Dienstvertrag verfügt, seit 21.08.2020 selbstversichert ist, am 01.09.2020 einen Mietvertrag abschloss und über einen Freundeskreis verfügt, gründen sich auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, darunter Empfehlungsschreiben (AS 9 – 69). Dass er seit ca. einem Jahr mit einer rumänischen Staatsangehörigen eine Beziehung führt, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen (AS 172).

2.3. Zum Herkunftsstaat und zur aktuell vorliegenden Covid-19 Pandemie:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten (Stand: 24. Juli 2019) samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen. Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.

Die Feststellungen zur Covid-19 Pandemie ergeben sich aus den unter Punkt 1.3 zitierten, verlässlichen Quellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 Abs 1 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):

3.1.1 Rechtslage:

§ 56 AsylG lautet:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

3.1.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Der Beschwerdeführer hält sich zwar seit über 5 Jahren durchgängig in Österreich auf, ihm fehlt jedoch ein durchgängig rechtmäßiger Aufenthalt von 3 Jahren im Sinne des § 56 Abs 1 Z 2. Er stellte am 23.06.2014 einen Asylantrag und war als Asylwerber gemäß § 13 Abs 1 AsylG nur bis zur Erlassung des seit 02.05.2017 durchsetzbaren Erkenntnisses vom 28.04.2017, I413 2009854-1/25E, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

In der Beschwerde wird behauptet, dem Beschwerdeführer sei viermal eine Beschäftigungsbewilligung als Saisonarbeiter erteilt worden, zuletzt vom 15.06. bis 31.10.2017. Art 15 der Richtlinie 2014/36/EU sei so zu interpretieren, dass eine Beschäftigungsbewilligung mit dem Recht, den legalen Aufenthalt für die genehmigte Dauer zu verlängern, einhergehe. Folge man dieser Interpretation, so erfülle der Beschwerdeführer die erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 56 AsylG.

Diesem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass (abgesehen davon, dass die in den Raum gestellte Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum 15.06. bis 31.10.2017 nicht vorgelegt wurde) Art 15 der Richtlinie 2014/36/EU sich auf Saisonarbeiter bezieht, wobei unter Saisonarbeiter nach der Legaldefinition in Art 3 der RL 2014/36/EU ein Drittstaatsangehöriger zu verstehen ist, der sich unter Beibehaltung seines Hauptwohnsitzes in einem Drittstaat rechtmäßig und vorübergehend im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, um im Rahmen eines oder mehrerer befristeter Arbeitsverträge, den bzw. die dieser Drittstaatsangehörige direkt mit dem in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Arbeitgeber geschlossen hat, eine saisonabhängige Tätigkeit auszuüben.

Abgesehen vom unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 02.05.2017 kann im gegenständlichen Fall angesichts der Aufenthaltsdauer in Österreich nicht davon gesprochen werden, dass er seinen Hauptwohnsitz in Ägypten beibehalten hat und sich nur vorübergehend im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält.

Der Beschwerdeführer erfüllt daher die Voraussetzung eines dreijährigen rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht und war ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 56 Abs 1 AsylG zu erteilen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids):

3.2.1 Rechtslage:

Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden (§ 10 Abs 3 AsylG).

Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird (§ 52 Abs 3 FPG).

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.2.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Zu prüfen ist, ob die vorliegende Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus den folgenden Gründen gegeben:

Der Beschwerdeführer hält sich zwar - wie in der Beschwerde richtigerweise vorgebracht wird - bereits seit knapp über 6 Jahren in Österreich auf, der Aufenthalt war aber überwiegend unrechtmäßig. Dies liegt daran (entgegen dem Beschwerdevorbringen, das die lange Dauer des Asylverfahrens kritisiert), dass der Beschwerdeführer seit mehr als drei Jahren seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist.

Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer gesellschaftliche Integrationsbemühungen gesetzt hat und etwa begonnen hat, Deutsch zu lernen, oder auch als Pizzakoch gearbeitet und keine Leistungen der Grundversorgung in Anspruch genommen hat. Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer sich seit mehr als drei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und den Ladungen zur Erlangungen eines Heimreisezertifikats auch nicht Folge geleistet hat, müssen diese Integrationsbemühungen aber hinter dem Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zurückstehen.

Auch, dass der Beschwerdeführer über Freunde verfügt und seit etwa einem Jahr eine Beziehung mit einer rumänischen Staatsbürgerin führt, vermag seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht maßgeblich zu verstärken, da er die sozialen Kontakte zu einem Zeitpunkt knüpfte, als er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste. Insbesondere die Beziehung zu einer rumänischen Staatsbürgerin entstand zu einem Zeitpunkt, als er sich nicht rechtmäßig im Bundegebiet aufhielt und nicht damit rechnen durfte, die Beziehung in Österreich weiter führen zu können.

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und knapp den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte.

Dem Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt in Österreich habe und das Interesse des österreichischen Staates an einer Aufenthaltsbeendigung stark gemindert sei, kann nicht gefolgt werden, da gerade an der Ausreise von Fremden, deren Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde und die sich bereits sehr lange unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, ein großes Interesse der Allgemeinheit besteht.

Entsprechend stellte der Verwaltungsgerichtshof in zwei Entscheidungen (VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0122 bis 0125-7; VwGH, 30.06.2016, Ra 2016/21/0076-10) fest, dass eine Aufenthaltsbeendigung nach einem Aufenthalt von sechs Jahren im Bundesgebiet trotz vorhandener Integrationsschritte (Deutschkenntnisse, Selbsterhaltungsfähigkeit) im öffentlichen Interesse liegen kann und dass Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland die Interessen an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu stärken vermögen, sondern dass diese – letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens des Heimatlandes – im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen sind.

Im Fall des Beschwerdeführers kommt hinzu, dass er im Bundesgebiet bislang einen Antrag auf internationalen Schutz, drei Anträge auf Ausstellung einer Duldungskarte, einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG und zwei Anträge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG gestellt hat, die alle ab- oder zurückgewiesen wurden.

Nach Maßgabe einer Gesamtabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK war ein vom Beschwerdeführer in der Beschwerde behauptetes Überwiegen des persönlichen Interesses am Verbleib in Österreich, insbesondere wegen bestehender privater Bindungen, im Vergleich zum öffentlichen Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens nicht anzunehmen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. war daher abzuweisen.

3.3 Zur Feststellung, dass die Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids):

Betreffend die mit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 9 FPG gleichzeitig festzustellende Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat ist auszuführen, dass keine Gründe vorliegen, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

In Ägypten besteht derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Artikel 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Beschwerdeführer gehört auch keiner Covid-19 Risikogruppe an.

Der Beschwerdeführer erstattete in der Beschwerde kein Vorbringen, welches eine Verletzung der Art 2,3 EMRK nahelegen würde, und dafür, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Ägypten die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Er ist gut ausgebildet, sammelte bereits Erfahrung am Arbeitsmarkt und verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Zudem wurde auch bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.2017, GZ: I413 2009854-6/25E, rechtskräftig entschieden, dass die Rückkehr des Beschwerdeführers nach Ägypten keine Verletzung der Art 2 und 3 EMRK bedeutet.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Ägypten erfolgte daher zu Recht. Dies wird auch in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.4 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids):

3.4.1 Rechtslage:

Gemäß § 53 Abs 1 FPG kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Nach § 53 Abs 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

(…)

3.4.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wurde gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die belangte Behörde begründete die Erlassung des Einreiseverbots im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer seine Mittel für den Unterhalt nicht nachweisen habe können und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei.

In der Beschwerde wird moniert, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine individualisierte Gefährlichkeitsprognose zu treffen und habe wesentliche Sachverhaltselemente ignoriert. Sie habe den Beschwerdeführer nicht einvernommen. Zudem sei der belangten Behörde vorzuwerfen, keine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers vorgenommen sowie die vermeintlich von ihm ausgehende Gefährdung nicht im erforderlichen Ausmaß geprüft zu haben. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie lange die vermeintlich vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung zu prognostizieren sei und warum die Erlassung des Einreiseverbots genau in der angegebenen Dauer nötig wäre.

Dem Beschwerdevorbringen wird folgendes entgegnet:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. VwGH 21.06.2012, 2011/23/0305, VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309, mwN).

Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, geht der Beschwerdeführer seit drei Jahren keiner erlaubten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach und ist demnach nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer hat in keiner Weise dargelegt, dass er Mittel zur Sicherung seines Lebensbedarfes hat. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen Aufenthaltstitel in Österreich und kann auch keine Beschäftigungsbewilligung vorweisen.

Die belangte Behörde stellte demnach zutreffend fest, dass der Beschwerdeführer in Österreich mittellos ist und stützte sich zu Recht auf den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, der ein Einreiseverbot gerechtfertigt, zumal die die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die aus der Mittelosigkeit resultierende Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt gefährdet wird.

Weiters rechtfertigte die belangte Behörde das verhängte Einreiseverbot damit, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist.

Ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se rechtfertigt noch nicht die Verhängung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung; liegt aber nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuleiten sein, die die Verhängung eines Einreiseverbots erforderlich macht (v

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten