TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/10 W110 2226213-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2020
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Entscheidungsdatum

10.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
EisbG §54
EisbG §58
EisbG §58b Abs1 Z1
EisbG §58b Abs4
EisbG §59 Abs1
EisbG §59 Abs4
EisbG §59 Abs6
EisbG §71a
EisbG §73
EisbG §74 Abs1 Z5
EisbG §74 Abs5
VwGG §25a Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W110 2226213-1/10E

W110 2226270-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Christian EISNER als Beisitzer und den Richter Dr. Thomas HORVATH als Beisitzer über die Beschwerden der 1. XXXX , vertreten durch die WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co. KG, und der 2. XXXX , vertreten durch RA Dr. Andreas BERNEGGER, gegen den Bescheid der Schienen-Control Kommission vom XXXX , GZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 74 Abs. 1 Z 5 Eisenbahngesetz abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text




Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom XXXX gab die Schienen-Control Kommission (im Folgenden: „belangte Behörde“) der XXXX (im Folgenden: „Erstbeschwerdeführerin“) die Einleitung eines Wettbewerbsüberwachungsverfahrens gemäß § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG hinsichtlich des Mietvertrages der Erstbeschwerdeführerin mit der XXXX (im Folgenden: „Zweitbeschwerdeführerin“) über Flächen für den Fahrscheinverkauf in Personenbahnhöfen, GZ. XXXX , wegen mehrerer einseitig zu Lasten des Mieters ausgestalteter bzw. aus sonstigen Gründen nicht sachgerechter Regelungen bekannt. Als problematisch erachtete die belangte Behörde u.a. § 2 Abs. 2 zweiter Satz des Mietvertrages, der lautete:

„Beide Vertragsparteien sind berechtigt, auch einzelne Mietgegenstände lt. Beilage 1 zu kündigen, nicht jedoch einzelne Teilflächen der jeweiligen Mietgegenstände.“

Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, dass mit dieser Klausel auch eine Kündigung von Teilflächen für den Fall ausgeschlossen werde, dass diese Flächen benötigt werden würden, um einem weiteren Eisenverkehrsbahnunternehmen gemäß § 58 Abs. 1 Z 1 EisbG Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen; beiden Vertragsparteien sollte vielmehr ermöglicht werden, Teilflächen eines Mietgegenstandes kündigen zu können, wenn dies im Hinblick auf andere Eisenbahnverkehrsunternehmen erforderlich sei. Der Erstbeschwerdeführerin wurde eine Frist zur Abgabe einer Äußerung gesetzt und aufgetragen, die bislang nicht vorgelegten Verträge über Flächen für den Fahrscheinverkauf zwischen den beiden Beschwerdeführerinnen vorzulegen.

2. Die Eröffnung des Wettbewerbsüberwachungsverfahrens wurde am selben Tag auch der Zweitbeschwerdeführerin von der belangten Behörde unter Beigabe des Schreibens an die Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

3. Mit Schriftsatz vom XXXX äußerte sich die Zweitbeschwerdeführerin zum behördlichen Schreiben vom XXXX und brachte zusammengefasst vor, dass eine Anpassung des § 2 Abs. 2 zweiter Satz des Mietvertrages weder erforderlich, noch sinnvoll sei: Es sei Sache der Erstbeschwerdeführerin als Betreiberin der Serviceeinrichtung, zeitgerecht ausreichend geeignete Verkehrsflächen für die Eisenbahnverkehrsunternehmen an den jeweiligen Bahnhöfen zu schaffen und bereitzustellen. Das Fehlen von Verkaufsflächen für neu auf den Markt hinzutretende Eisenbahnverkehrsunternehmen dürfe nicht automatisch zum Eingriff in bereits bestehende Bestandsverhältnisse führen. Eingriffe in bestehende Mietverträge sollten außerdem nur ultima ratio nach der Durchführung eines Behördenverfahrens sein. Zudem handle es sich gegenständlich um eine Geschäftsraummiete, und der gesamthafte Auftritt des Geschäftslokals sei Bestandteil des Markenauftritts der Zweitbeschwerdeführerin. Eine plötzliche Teilkündigung von Verkaufsflächen würde den Unternehmenswert massiv beeinträchtigen. Darüber hinaus müssten neben der Teilkündigungsmöglichkeit zusätzliche Verfügungen und Maßgaben für das Zusammenleben zwischen der Zweitbeschwerdeführerin und einem neuen Eisenbahnverkehrsunternehmen getroffen werden; dies könne in angemessener und rechtssicherer Weise nur durch die belangte Behörde erfolgen.

4. Die Erstbeschwerdeführerin gab am XXXX eine ausführliche Stellungnahme zum behördlichen Schreiben vom XXXX ab, und legte eine Aufstellung über die Inhalte der Beilage 1 zum Mietvertrag vor und vertrat die Ansicht, dass das Wettbewerbsüberwachungsverfahren aufgrund der Unzuständigkeit der belangten Behörde einzustellen sei. Deren Unzuständigkeit ergebe sich aus dem B-VG, dem EisbG und der Richtlinie 2012/34/EU: Zur Vornahme einer Geltungs- bzw. Inhaltskontrolle, d.h. einer Überwachung mietrechtlicher Regelungen, anhand zivilrechtlicher Vorschriften sei die belangte Behörde nicht befugt. Eine zivilrechtliche Inhaltskontrolle durch die belangte Behörde sei jedenfalls dann unzulässig, wenn diese völlig unabhängig von der Prüfung eisenbahnrechtlicher Vorgaben erfolge. Im vorliegenden Wettbewerbsüberwachungsverfahren gehe es gerade nicht um die Hintanhaltung von Diskriminierungen nach dem EisbG, denn die Regelungen des Mustervertrages würden gegenüber allen Schienenverkehrsmarktteilnehmern gleichermaßen Anwendung finden.

Ferner sei die in Prüfung gezogene Regelung weder aus regulatorischer, noch aus mietrechtlicher Sicht zu beanstanden: In regulatorischer Hinsicht bemerkte die Erstbeschwerdeführerin, dass § 2 Abs. 2 zweiter Satz des Mietvertrages bereits ein Kündigungsrecht für einzelne Mietgegenstände laut Beilage 1 vorsehe; die belangte Behörde dürfe bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht in bestehende Verträge eingreifen. Aus mietrechtlicher Sicht sei festzuhalten, dass dem ABGB eine gesetzliche Bestimmung zur Teilkündigung fehle, sodass eine solche einseitige Gestaltungserklärung nur vertraglich eingeräumt werden könne. Die Mietgegenstände seien überdies zum überwiegenden Teil kleinflächige Räume (WC, Garderobe, Vorräume etc.), die aus praktischer Sicht nicht geteilt und separat genützt werden könnten – eine Kündigung von Teilflächen sei sohin nicht sinnvoll.

5. Die belangte Behörde erließ daraufhin am XXXX den nunmehr angefochtenen Bescheid, in dem Folgendes ausgesprochen wurde:

„Im Vertrag der XXXX mit der XXXX über Flächen für den Fahrscheinverkauf (Geschäftszahl: XXXX ) wird in § 2 Abs 2 der zweite Halbsatz des zweiten Satzes für unwirksam erklärt, welcher wie folgt lautet: ‚[...] nicht jedoch einzelne Teilflächen der jeweiligen Mietgegenstände.‘“

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich ihre Zuständigkeit aus § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG ergebe, wonach die belangte Behörde einen Vertrag teilweise für unwirksam erklären könne, wenn eine Regelung gegen Bestimmungen des 6. Teils des EisbG widerspreche. Die vorliegende Regelung des Mietvertrages sei bereits aufgrund eisenbahnrechtlicher Normen rechtswidrig. Die anderen ursprünglich im vorliegenden Verfahren mitbehandelten Bestimmungen seien mit einem anderen Bescheid für unwirksam erklärt worden.

§ 2 Abs. 2 zweiter Satz des Mietvertrages verletze – so die belangte Behörde – § 58b Abs. 1 Z 1 EisbG, da der Ausschluss von Kündigungen für Teilflächen im Mietvertrag beiden Vertragsparteien die Möglichkeit nehme, Teilflächen eines Mietgegenstandes einem weiteren Eisenbahnverkehrsunternehmen für den Fahrscheinverkauf zur Verfügung zu stellen und aus diesem Grund den Mietvertrag in Bezug auf diese Teilflächen zu kündigen. Nach den näheren Regelungen in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177, insbesondere Art. 10, sei der Betreiber einer Serviceeinrichtung angehalten, die vorhandenen Kapazitäten bestmöglich zu nutzen, um Anträgen auf Zuweisung von Kapazitäten weitestmöglich zu entsprechen; dies gelte auch bei Einlangen von Anträgen anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen nach bereits erfolgter Zuteilung der Kapazitäten. Ein solcher Entzug von Kapazitäten könne zwar von der belangten Behörde gemäß § 73 Abs. 6 EisbG vorgenommen werden, ändere aber nichts daran, dass auch der Betreiber einer Serviceeinrichtung eine entsprechende Änderung zuvor vornehmen könne, um dem Bedarf eines weiteren Eisenbahnverkehrsunternehmen Rechnung zu tragen. Daraus folge, dass Eingriffe in bestehende Mietverträge nicht nur nach der Durchführung eines behördlichen Verfahrens vorgenommen werden könnten. Das Abwägen aller Interessenlagen sowie das Treffen von Verfügungen und Maßnahmen für das Zusammenleben zwischen dem bisherigen Eisenbahnverkehrsunternehmen und dem neu hinzutretenden Eisenbahnverkehrsunternehmen sei ebenfalls vom Betreiber der Serviceeinrichtung vorzunehmen. Das Argument, dass der Markenauftritt der Zweitbeschwerdeführerin durch eine Teilkündigung der Erstbeschwerdeführerin beeinträchtigt werden könne, sei deshalb unbegründet, weil auch die belangte Behörde nach § 73 Abs. 6 EisbG in bestehende Verträge eingreifen könne. Auch die Erklärung, es handle sich zum überwiegenden Teil um kleinflächige Räume, sei nicht zielführend, weil die Bestimmung jedenfalls auch Verkaufs- und Schalterräume umfasse, die sinnvoll geteilt werden könnten.

Abgesehen davon sei das Kündigungsverbot von Teilflächen auch diskriminierend iSd § 58b EisbG, da sich die Bestimmung nicht im Vertragsmuster der Erstbeschwerdeführerin und auch nicht in anderen bislang bei der belangten Behörde eingelangten Verträgen finde. Die Regelung sei vielmehr im Interesse und zum Schutz der Zweitbeschwerdeführerin (vor einem teilweisen Entzug zugewiesener Flächen für andere Eisenbahnverkehrsunternehmen) in den Vertrag aufgenommen worden. § 2 Abs. 2 zweiter Satz des Mietvertrages verstoße darüber hinaus gegen § 59 Abs. 4 und 6 EisbG, da sie als Zugangsbedingung zu Serviceeinrichtungen in die Schienennetz-Nutzungsbedingungen aufzunehmen gewesen wäre.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin Beschwerde und brachte u.a. vor, dass die belangte Behörde unzulässiger Weise eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für sich beansprucht habe (und damit ein Verstoß gegen Art. 94 B-VG vorliege), indem sie im Anlassfall eine Kündigung entgegen einer vertraglichen Vereinbarung im individuellen Rechtsverhältnis zwischen den Beschwerdeführerinnen geprüft habe. Eine Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus § 74 Abs. 1 EisbG, weil die belangte Behörde nicht dargelegt habe, aus welchen regulatorischen Gründen überhaupt eine Notwendigkeit bestanden habe, über „geeignete Maßnahmen“ zu entscheiden: Es liege kein Fall des Einschreitens zur Korrektur von „Marktverzerrungen“ oder „anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten“ vor: Dazu seien keine Feststellungen getroffen oder etwaige Beweismittel vorgelegt worden. Die belangte Behörde irre in der Annahme, dass eine Diskriminierung gegeben sei, denn eine Kündigung in Bezug auf Teilflächen eines Mietgegenstandes sei auch dem Mustervertrag der Schienennetz-Nutzungsbedingungen mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht zu entnehmen. Die zusätzliche Beifügung im Mietvertrag, dass einzelne Mietgegenstände, aber nicht einzelne Teilflächen der jeweiligen Mietgegenstände beendet werden könnten, beruhe einzig darauf, dass sich der Mietvertrag mit der Zweitbeschwerdeführerin historisch bedingt auf eine Vielzahl von Räumlichkeiten auf verschiedenen Personenbahnhöfen beziehe, während der Mustervertrag auf ein konkretes Objekt an einem Personenbahnhof Bezug nehme. Ohne Aufnahme einer eigenen Regelung im Mietvertrag wäre aus zivilrechtlicher Sicht nur die Kündigung des gesamten Vertrages, also des Vertragsverhältnisses über alle Mietgegenstände, möglich. Daraus folge, dass es auch zu keinem Verstoß gegen die Veröffentlichungspflicht der Schienennetz-Nutzungsbedingungen gekommen sei. Der gegenständliche Vertrag weiche nämlich inhaltlich nicht vom Mustervertrag ab. Zudem komme aus dem Mustervertrag hervor, dass Mietgegenstände nur als Ganzes gekündigt werden könnten und eine Teilkündigung unzulässig sei.

Das EisbG enthalte keine Regelungen, die den Betreiber einer Serviceeinrichtung verpflichten, bestehende Verträge über vertraglich eingeräumte Kapazitäten einseitig zu ändern bzw. sich ein dafür notwendiges Gestaltungsrecht ausdrücklich vorweg auszubedingen; ein solches einseitiges Gestaltungsrecht des Betreibers einer Serviceeinrichtung sei dem Gesetz fremd. Nach den Vorgaben der Durchführungsverordnung (EU) 2177/2017, insbesondere Art. 14, seien bestehende Verträge entscheidungserheblich und sei ihr unveränderter Bestand besonders geschützt. Wenn sich aufgrund dieser Bestimmung nicht einmal die Regulierungsbehörde über vertragliche Verpflichtungen gegenüber anderen Nutzern der Serviceeinrichtung hinwegsetzen könne, bestehe auch kein Raum für die regulatorische Verpflichtung der Erstbeschwerdeführerin, Teilflächen ohne Beachtung bestehender vertraglicher Verpflichtungen zu kündigen. Zudem werde ein absolutes, vom konkreten Bedarf eines dritten Eisenbahnverkehrsunternehmens völlig unabhängiges Teilkündigungsrecht postuliert.

Die belangte Behörde habe den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt, weil sie keinerlei Ermittlungen dazu getätigt habe, ob und in wessen Interesse eine Regelung über das Kündigungsverbot von Teilflächen notwendig wäre oder sein könnte, und habe diese kein Parteiengehör zur Stellungnahme der Zweitbeschwerdeführerin eingeräumt. Auch sei keine mündliche Verhandlung abgehalten worden.

7. Ebenfalls am 31.10.2019 erhob die Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde gegen den Bescheid und brachte im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde davon ausgehe, dass § 2 Abs. 2 zweiter Satz des Mietvertrages deshalb gegen § 58 EisbG verstoße, weil die Regelung diskriminierend sei. Die belangte Behörde habe aber keine hinreichend klaren Feststellungen dazu getroffen, weshalb die Bestimmung nicht für alle Eisenverkehrsunternehmen gleichermaßen zur Anwendung gelangt sei oder es nicht zumindest eine sachliche Rechtfertigung für die allenfalls abweichende Regelung gegeben habe. Außerdem sei der Mietvertrag aus dem Jahr XXXX mit den Schienennetz-Nutzungsbedingungen XXXX und XXXX verglichen worden.

Hinsichtlich des vermeintlichen Verstoßes gegen § 58 EisbG gab die Zweitbeschwerdeführerin weiters an, dass aus § 71a EisbG nicht ableitbar sei, dass der Betreiber einer Serviceeinrichtung als Quasi-Behörde bereits zugewiesene Kapazitäten an Eisenbahnverkehrsunternehmen einseitig wieder entziehen können müsse. Die Vorschrift betreffe ausschließlich die Prüfung neu eingebrachter Begehren. Auch regle das Koordinationsverfahren nach Art. 10 der Durchführungsverordnung (EU) 2177/2017 ein Verfahren mit widerstreitenden Anträgen, nicht aber einen Eingriff in bereits vergebene Kapazitäten. Im Gegenteil ergebe sich aus den Erwägungsgründen 14 und 15, dass keine Verpflichtung zur Vorhaltung von Kapazitäten bzw. zum Entzug bereits zugewiesener Kapazität bestehe; eine Änderung sei nur mit dem Einverständnis des betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmens zulässig.

Nach den regulierungsrechtlichen Vorgaben komme die Kompetenz zum Eingriff in bestehende Verträge nur der belangten Behörde zu. Würde man von der Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde ausgehen, wäre die Erstbeschwerdeführerin als Quasi-Behörde angehalten, auch ohne zivilrechtliche Rechtfertigung ihre selbst abgeschlossenen Verträge im Bedarfsfall einseitig zu kündigen bzw. abzuändern, es würde eine jederzeitige Eingriffsmöglichkeit in bestehende Verträge von Eisenbahnverkehrsunternehmen geben (dies untergrabe jedoch den verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutz) und im Falle eines derartigen Eingriffes würde der Rechtschutz von Eisenbahnverkehrsunternehmen gänzlich abgeschnitten werden (das EisbG sehe keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen den Entzug bereits zugewiesener Kapazitäten vor; es würde einzig der Weg verbleiben, zivilrechtlich auf Vertragseinhaltung zu klagen, was auch gegen die Gewaltenteilung gemäß Art. 94 B-VG verstoßen würde).

§ 74 Abs. 1 iVm Abs. 5 EisbG setze die Notwendigkeit behördlichen Handelns voraus, die hier nicht vorliege. Es müssten die normierten Tatbestandsmerkmale des § 73 Abs. 6 EisbG vorliegen (nachgewiesener Bedarf, Fehlen einer tragfähigen Alternative, Mangel an der erforderlichen Kapazität); die belangte Behörde habe aber eine generelle Unwirksamerklärung ausgesprochen, ohne die in der angeführten lex specialis angeführten Tatbestände überhaupt zu prüfen und dazu Ermittlungen durchzuführen. Selbst wenn man annehmen würde, dass eine Unzulässigerklärung der Vertragsbestimmung rechtmäßig sei, wären – neben der Einführung einer Teilkündigung – zusätzliche Verfügungen für das Zusammenleben der Zweitbeschwerdeführerin und einem weiteren Eisenbahnverkehrsunternehmen nötig. Solche Regelungen könnten jedoch nur nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens durch die Regulierungsbehörde erfolgen.

Es werde überdies in das Eigentumsrecht der Zweitbeschwerdeführerin eingegriffen, ohne Ausführungen zum öffentlichen Interesse oder zur Verhältnismäßigkeit zu tätigen. Weiters würden sich unzumutbare Eingriffe in die Rechte und Interessen der Beschwerdeführerinnen ergeben, die nicht ausreichend von der belangten Behörde berücksichtigt worden seien. Die belangte Behörde schaffe mit ihrem Spruch Rechtsunsicherheit: Nur weil eine Teilkündigung vertraglich nicht mehr ausgeschlossen sei, bedeute das nicht, dass eine solche notwendigerweise zivilrechtlich zulässig bzw. letztlich einseitig durchsetzbar sei; eine Teilkündigung müsste explizit vertraglich vereinbart werden.

Zum vermeintlichen Widerspruch zu den Schienennetz-Nutzungsbedingungen brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, dass Feststellungen fehlen würden, ob die Regelung auch in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 enthalten gewesen sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, rechtfertige dies nicht die Unwirksamerklärung. Eine solche Aufhebung wäre nur gerechtfertigt, wenn es eine Diskriminierung gebe, die jedoch nicht vorliege.

8. Die Beschwerden wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom jeweils XXXX , eingelangt am XXXX , vorgelegt. Am XXXX wurden die Beschwerden sowie die Beschwerdevorlage wechselseitig zugestellt.

9. Am XXXX fand über die – gemäß § 39 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbundenen – Beschwerdesachen eine öffentliche Verhandlung statt, an der Vertreter sämtlicher Verfahrensparteien teilnahmen und in der u.a. die maßgeblichen Rechtsfragen dieser Beschwerdesachen erörtert wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitig erhobenen und zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und eine Betreiberin von Serviceeinrichtungen. Sie stellt (neben anderen Serviceeinrichtungen und -leistungen) insbesondere die entlang der von ihr betriebenen Strecken gelegenen Personenbahnhöfe zur Verfügung. Die Zweitbeschwerdeführerin ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen.

Verträge mit Eisenbahnverkehrsunternehmen über Räumlichkeiten für den Fahrscheinverkauf in Personenbahnhöfen werden von der Erstbeschwerdeführerin auf Basis von Musterverträgen abgeschlossen. Eine Bestimmung wie die beschwerdegegenständliche über die Kündigung von Teilflächen (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz des Mietvertrages: „Beide Vertragsparteien sind berechtigt, auch einzelne Mietgegenstände lt. Beilage 1 zu kündigen, nicht jedoch einzelne Teilflächen der jeweiligen Mietgegenstände.“) enthält keiner der bislang der belangten Behörde vorgelegten Verträge.

1.2. Auf der Internetseite der Erstbeschwerdeführerin war als Anhang der Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2020 ein „Mietvertragsentwurf Fahrscheinverkauf“ veröffentlicht, dessen § 2 Abs. 2 lautet:

„(2) Der Vertrag kann von beiden Vertragsparteien jederzeit unter Einhaltung einer 6- monatigen Kündigungsfrist zum Letzten eines jeden Kalendermonats gekündigt werden.“

Diese Regelung findet sich im identen Wortlaut auch in den Mustermietverträgen der Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 und 2019.

1.3. Im Jahr 2018 schlossen die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin den folgenden Vertrag über die Nutzung von Räumlichkeiten für den Fahrscheinverkauf unter der GZ. XXXX ab:


2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen gründen auf den vom Bundesverwaltungsgericht nachgeprüften Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid, die weitgehend unbestritten geblieben sind. Auch in der Beschwerdeverhandlung sind keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen aufgekommen (siehe insbesondere S. 5 der Verhandlungsniederschrift).

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1 Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen des Eisenbahngesetzes 1957, BGBl. Nr. 60/1957 idF BGBl. I 60/2019 (im Folgenden: EisbG), lauten auszugsweise:

„Zugang zu Serviceeinrichtungen, Gewährung von Serviceleistungen

§ 58b. (1) Betreiber von Serviceeinrichtungen haben unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung den Eisenbahnverkehrsunternehmen, die dies begehren, den Zugang, einschließlich des Schienenzugangs, zu ihren nachfolgend angeführten Serviceeinrichtungen und zu den Leistungen zu ermöglichen, die in diesen Serviceeinrichtungen erbracht werden:

1. Personenbahnhöfe, deren Gebäude und Einrichtungen, einschließlich der Einrichtungen für die Anzeige von Reiseauskünften sowie geeigneter Örtlichkeiten für den Fahrscheinverkauf;

[…]“

Schienennetz-Nutzungsbedingungen

§ 59. [...]

(4) In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen haben Angaben zur Eisenbahninfrastruktur, die Fahrwegkapazitätsberechtigten zur Verfügung steht, und Angaben über die Zugangsbedingungen zur Eisenbahninfrastruktur einschließlich der wesentlichen administrativen, technischen und finanzielle Modalitäten enthalten zu sein. Darüber hinaus haben in Schienennetz-Nutzungsbedingungen Informationen über die Bedingungen, einschließlich der administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten für den Zugang zu an ihre Eisenbahninfrastruktur angeschlossenen Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und über die Gewährung der Serviceleistungen, die in solchen Serviceeinrichtungen erbracht werden, enthalten zu sein oder es hat ein Verweis auf eine Internetseite enthalten zu sein, in der diese Informationen unentgeltlich in elektronischer Form in für jedermann zugänglicher Weise veröffentlicht sind. In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen haben insbesondere enthalten zu sein:

[…]

(6) Betreiber von Serviceeinrichtungen haben dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen folgende Informationen, die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthalten zu sein haben, entweder mitzuteilen, oder diesem eine Internetseite bekanntzugeben, auf der diese Informationen unentgeltlich und in elektronischer Form in für jedermann zugänglicher Weise veröffentlicht sind:

1. entgeltbezogene Informationen;

2. Informationen über die Bedingungen, einschließlich der administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten, für den Zugang zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung der Serviceleistungen, die in diesen Serviceeinrichtungen erbracht werden.

[...]

Behandlung von Begehren auf Zugang zu Serviceeinrichtungen und Gewährung von Serviceleistungen

§ 71a. (1) Jeder Betreiber einer Serviceeinrichtung hat ein Begehren von Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und auf Gewährung von Serviceleistungen zu prüfen und Verhandlungen zu führen.

(2) Die Schienen-Control Kommission hat durch Verordnung angemessene Fristen festzulegen, innerhalb derer Begehren von Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Gewährung des Zuganges zu einer Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und auf die Gewährung von Serviceleistungen zu entscheiden sind.

(3) Begehren auf Gewährung des Zuganges zu einer Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzugangs, und auf Gewährung von Serviceleistungen, die in einer solchen Serviceeinrichtung erbracht werden, dürfen nur abgelehnt werden, wenn tragfähige Alternativen vorhanden sind.

(4) Eine tragfähige Alternative ist vorhanden, wenn der Zugang zu einer anderen Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung von Serviceleistungen, die in einer solchen Serviceeinrichtung erbracht werden, für das Eisenbahnverkehrsunternehmen wirtschaftlich annehmbar sind und es ihm ermöglicht, den von ihm angestrebten Eisenbahnverkehrsdienst auf der von ihm dafür vorgesehenen Eisenbahninfrastruktur oder einer alternativen Eisenbahninfrastruktur durchzuführen.

(5) Eine alternative Eisenbahninfrastruktur ist eine andere Eisenbahninfrastruktur zwischen demselben Herkunft- und Bestimmungsort, wenn zwischen beiden Eisenbahninfrastrukturen für die Durchführung des angestrebten Eisenbahnverkehrsdienstes durch das Eisenbahnverkehrsunternehmen Substituierbarkeit besteht.

(6) Im § 62a Abs. 2 angeführte Betreiber von Serviceeinrichtungen haben eine gemäß Abs. 3 erfolgte Ablehnung eines Begehrens schriftlich zu begründen und das Vorhandensein tragfähiger Alternativen aufzuzeigen.

(7) Stellt der Betreiber einer im § 58b Abs. 1 angeführten Serviceeinrichtung Konflikte zwischen verschiedenen Begehren auf Gewährung des Zuganges zu dieser Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzugangs, sowie auf Gewährung von Serviceleistungen, die in einer solchen Serviceeinrichtung erbracht werden, fest, so hat er sich zu bemühen, all diesen Begehren weitmöglichst zu entsprechen.

(8) Werden Begehren auf Zugang zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung von Serviceleistungen abgelehnt, hat dies der Betreiber der Serviceeinrichtung der Schienen-Control Kommission innerhalb eines Monats ab Ablehnung bekanntzugeben.

Beschwerde gegen einen Betreiber von Serviceeinrichtungen

§ 73. (1) Wird das an einen Betreiber von Serviceeinrichtungen gerichtete Begehren eines Eisenbahnverkehrsunternehmens auf Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und auf Gewährung von Serviceleistungen abgelehnt oder kommt eine Einigung zwischen dem Betreiber von Serviceeinrichtungen und dem Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht innerhalb einer angemessenen Frist zustande, kann das Eisenbahnverkehrsunternehmen Beschwerde an die Schienen-Control Kommission erheben. Die Beschwerde hat schriftlich zu erfolgen und einen Antrag auf Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und auf Gewährung von Serviceleistungen samt Bezeichnung des wesentlichen Inhaltes des angestrebten Vertrages zu enthalten.

(2) Der Betreiber von Serviceeinrichtungen, an den das Begehren gestellt wurde, hat der Schienen-Control Kommission die für die Entscheidung über die Beschwerde erforderlichen sachdienlichen Informationen binnen einer Woche nach Anforderung durch die Schienen-Control Kommission vorzulegen.

(3) Die Schienen-Control Kommission darf diese sachdienlichen Informationen nur für die Entscheidung über die Beschwerde verwenden.

(4) Die Schienen-Control Kommission hat innerhalb eines Monats nach Einlangen der Beschwerde Ermittlungen einzuleiten, gegebenenfalls sachdienliche Informationen anzufordern und Gespräche mit dem Betreiber der Serviceeinrichtung und dem Eisenbahnverkehrsunternehmen einzuleiten. Innerhalb einer den Parteien von der Schienen-Control Kommission zuvor bekanntgegebenen, angemessenen Frist, spätestens jedoch innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Einlangen der erforderlichen sachdienlichen Informationen hat die Schienen-Control Kommission mit Bescheid zu entscheiden.

(5) Der Beschwerde, mit der die Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung von Serviceleistungen begehrt wird, ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung von Serviceleistungen stattzugeben; in diesem Fall hat die begehrte Gewährung des Zugangs zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzugangs, und die begehrte Gewährung von Serviceleistungen durch den die Beschwerde erledigenden Bescheid zu erfolgen, der den Abschluss eines schriftlichen Vertrages darüber ersetzt; der Bescheid hat sämtliche Bedingungen im Hinblick auf die administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten zu enthalten.

(6) Liegt einem Begehren auf Zugang zu einer Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und der Gewährung der Serviceleistungen, die in einer solchen Serviceeinrichtungen erbracht werden, ein nachgewiesener Bedarf zugrunde, ist eine tragfähige Alternative nicht vorhanden und konnte dem Begehren deshalb nicht entsprochen werden, weil der Betreiber der Serviceeinrichtung nicht über die erforderliche Kapazität verfügt, hat die Schienen-Control Kommission mit dem die Beschwerde erledigenden Bescheid

1. Verträge über die Gewährung des Zuganges zu dieser Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung der in der Serviceeinrichtung erbrachten Serviceleistungen, oder Urkunden, in denen die Gewährung des Zuganges zu dieser Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung der in der Serviceeinrichtung erbrachten Serviceleistungen dokumentiert ist, in einer Weise zu ändern, damit auch dem beschwerdeführende Eisenbahnverkehrsunternehmen ein für erforderlich erachteter, angemessener Teil der vorhandenen Kapazität zugeteilt werden kann, und

2. dem beschwerdeführenden Eisenbahnverkehrsunternehmen Zugang zur Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und die Serviceleistungen zu gewähren, die in der Serviceeinrichtung erbracht werden, wobei der Bescheid den Abschluss eines schriftlichen Vertrages darüber ersetzt; der Bescheid hat sämtliche Bedingungen im Hinblick auf die administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten zu enthalten.

(7) Ein gemäß Abs. 5 und 6 erlassener Bescheid steht einem zeitlich späteren Abschluss eines Vertrages über die Gewährung des Zugangs zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung von Serviceleistungen zwischen dem beschwerdeführenden Eisenbahnverkehrsunternehmen und dem Betreiber von Serviceeinrichtungen nicht entgegen.“

Überwachung des Wettbewerbs

§ 74. (1) Die Schienen-Control Kommission hat zur Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten auf Beschwerde von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie von Amts wegen über geeignete Maßnahmen zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten zu entscheiden; insbesondere hat sie

[...]

5. den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechende Schienennetz-Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, oder

[...]“

3.2. Die im vorliegenden Fall relevanten Erwägungsgründe und Artikel der (aufgrund der Ermächtigung gemäß Art. 13 Abs. 9 RL 2012/34/EU erlassenen) Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 der Kommission vom 22. November 2017 über den Zugang zu Serviceeinrichtungen und schienenverkehrsbezogenen Leistungen, ABl. Nr. L 307 vom 13.11.2017, S. 1, lauten auszugsweise:

„[...] in Erwägung nachstehender Gründe:

[...]

(14) Erhält der Betreiber einer Serviceeinrichtung einen Antrag, der mit einem anderen Antrag oder mit bereits zugewiesener Kapazität unvereinbar ist, sollte er zunächst prüfen, ob dem zusätzlichen Antrag entsprochen werden kann, indem ein anderes Zeitfenster vorgeschlagen oder das bereits zugewiesene Zeitfenster – mit Einverständnis des betroffenen Antragstellers – geändert wird, oder Maßnahmen ergriffen werden, die es ermöglichen, die Kapazität der Einrichtung zu erhöhen. Der Betreiber sollte nicht verpflichtet sein, Maßnahmen wie zum Beispiel eine Änderung der Öffnungszeiten oder mit Investitionen verbundene Maßnahmen zu ergreifen, um die Kapazität der Einrichtung zu erhöhen. Bietet ein Antragsteller jedoch die Gewähr, Investitionskosten oder zusätzliche Betriebskosten zu tragen, so sollte der Betreiber einer Serviceeinrichtung diese Möglichkeit in Betracht ziehen.

(15) Können konkurrierende Anträge im Wege des Koordinierungsverfahrens nicht miteinander in Einklang gebracht werden, so kann der Betreiber einer Serviceeinrichtung Vorrangkriterien anwenden, um zwischen solchen Anträgen zu entscheiden. Diese Kriterien sollten nichtdiskriminierend und transparent sein und in der Beschreibung der Serviceeinrichtung, die von der Regulierungsstelle überprüft wird, veröffentlicht werden.

[...]“

„Artikel 10

Koordinierungsverfahren

(1) Erhält der Betreiber einer in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtung einen Antrag auf Zugang zur Serviceeinrichtung oder die Erbringung einer Leistung, der mit einem anderen Antrag unvereinbar ist oder bereits zugewiesene Kapazität der Serviceeinrichtung betrifft, so bemüht er sich, alle Anträge durch Gespräche und Koordinierung mit den betroffenen Antragstellern bestmöglich abzustimmen. Diese Koordinierung erstreckt sich auch auf die Anbieter von Zusatzleistungen und Nebenleistungen gemäß Anhang II Nummern 3 und 4 der Richtlinie 2012/34/EU, wenn solche Leistungen in der Einrichtung angeboten werden und der Antragsteller sie beantragt hat. Jede Änderung von bereits gewährten Zugangsrechten bedarf der Zustimmung des jeweiligen Antragstellers.

(2) Die Betreiber von Serviceeinrichtungen im Sinne von Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU dürfen weder Anträge auf Zugang zu ihrer Serviceeinrichtung oder die Erbringung einer Leistung ablehnen noch dem Antragsteller tragfähige Alternativen angeben, wenn in ihrer Serviceeinrichtung eine dem Bedarf des Antragstellers entsprechende Kapazität verfügbar ist oder im Verlauf des Koordinierungsverfahrens oder danach voraussichtlich verfügbar sein wird.

(3) Die Betreiber von Serviceeinrichtungen prüfen verschiedene Optionen, um konkurrierende Anträge auf Zugang zur Serviceeinrichtung oder auf dortige Erbringung einer Leistung miteinander abzustimmen. Falls notwendig, schließen diese Optionen auch Maßnahmen zur Maximierung der in der Einrichtung verfügbaren Kapazität ein, soweit dies keine zusätzlichen Investitionen in Ressourcen oder Einrichtungen erfordert. Diese Maßnahmen können Folgendes umfassen: – Vorschläge zeitlicher Alternativen; – Änderung der Öffnungszeiten oder Schichtbetrieb, soweit dies möglich ist; – Gewährung des Zugangs zu der Einrichtung für die Eigenerbringung von Leistungen.

(4) Die Antragsteller und die Betreiber der Serviceeinrichtungen können gemeinsam die Regulierungsstelle ersuchen, als Beobachter an dem Koordinierungsverfahren teilzunehmen.

(5) Konnte einem Antrag auf Zugang zu einer in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtung nach dem Koordinierungsverfahren nicht entsprochen werden und hat die Einrichtung ihre Auslastungsgrenze erreicht, so kann die Regulierungsstelle den Betreiber der Serviceeinrichtung auffordern, Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu seiner Einrichtung zu entsprechen. Solche Maßnahmen müssen transparent und nichtdiskriminierend sein.

[…]“

„Artikel 14

Beschwerden

Reicht der Antragsteller bei der Regulierungsstelle eine Beschwerde nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2012/34/EU ein, so berücksichtigt die Regulierungsstelle bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Entscheidung, die sie gegebenenfalls trifft, um einen angemessenen Teil der Kapazität dem Antragsteller zuzuweisen, mindestens die folgenden Elemente, soweit sie von Belang sind:
– vertragliche Verpflichtungen und die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle anderer betroffener Nutzer der Serviceeinrichtung;

– das Gesamtvolumen der anderen betroffenen Nutzern bereits zugewiesenen Kapazität der Serviceeinrichtung;

– die von anderen betroffenen Nutzern getätigten Investitionen in die Einrichtung;

– die Verfügbarkeit tragfähiger Alternativen, um dem Bedarf anderer betroffener Nutzer gerecht zu werden, darunter auch Alternativen in anderen Mitgliedstaaten bei internationalen Zugverbindungen;

– die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells des Betreibers der Serviceeinrichtung;

– Zugangsrechte für Anschlussinfrastruktur.“

3.3. Zuständigkeit der belangten Behörde:

Zweck des mit „Regulierung des Schienenverkehrsmarktes“ überschriebenen 6. Teiles des EisbG ist nach § 54 leg. cit. die wirtschaftliche und effiziente Nutzung der Schienenbahnen in Österreich ua durch die Sicherstellung des Zugangs zur Schieneninfrastruktur für Zugangsberechtigte (§ 54 Z 3 EisbG).

Nach § 58b Abs. 1 EisbG hat der Betreiber von Serviceeinrichtungen unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung den Eisenbahnverkehrsunternehmen, die dies begehren, den Zugang zu Serviceeinrichtungen, wie Personenbahnhöfe, deren Gebäude und Einrichtungen, einschließlich geeigneter Örtlichkeiten für den Fahrscheinverkauf, zu ermöglichen (vgl. ferner Liebmann, EisbG³ [2014], 9). Der Betreiber von Serviceeinrichtungen hat gemäß § 58b Abs. 4 EisbG Eisenbahnverkehrsunternehmen Serviceleistungen transparent, angemessen, wirtschaftlich realistisch und ausreichend entbündelt anzubieten. Die Erstbeschwerdeführerin ist als Eisenbahninfrastrukturunternehmen Betreiberin von Serviceeinrichtungen, die Zweitbeschwerdeführerin ein Eisenbahnverkehrsunternehmen.

Die im bekämpften Bescheid für unwirksam erklärte Regelung ist gemäß den getroffenen Feststellungen in einem Vertrag der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin enthalten. Damit aber war die belangte Behörde auf dem Boden des § 74 Abs 1 Z 5 EisbG zuständig, ihre Befugnis zur Unwirksamkeitsklärung u.a. diskriminierender Verträge wahrzunehmen.

In Anbetracht der diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der erkennende Senat auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Zuständigkeit der belangten Behörde, Verträge – wie dies § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG vorsieht – für unwirksam zu erklären, wenn sie gegen die Bestimmungen des 6. Teiles des EisbG (sowie gegen unmittelbar anzuwendende unionsrechtliche Vorschriften der Schienenregulierung) verstoßen (VwGH 27.11.2014, 2013/03/0092; 30.06.2015, 2013/03/0150; 25.02.2020, Ro 2019/03/0029). Der von der Erstbeschwerdeführerin ins Treffen geführte Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 94 B-VG enthält keine Aussage über die Verteilung der Aufgaben zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Es kommt dem einfachen Gesetzgeber zu, eine Sache entweder den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten (im Wege einer präzisen Zuständigkeitsfestlegung) zu übertragen (siehe zuletzt VfSlg. 20.314/2019 mwH). Dies ist im vorliegenden Fall gegeben.

3.4. In der Sache:

3.4.1 Zur Frage, ob die gegenständliche Vertragsklausel als eine Zugangsbedingung zu Serviceeinrichtungen in die Schienennetz-Nutzungsbedingungen aufzunehmen gewesen wäre:

Der Schutz vor Diskriminierung, den die belangte Behörde im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht nach § 74 EisbG zu gewährleisten hat und der iS des § 54 Z 4 EisbG als Schutz von Zugangsberechtigten vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verstehen ist, umfasst auch die Sicherstellung, dass die veröffentlichten Schienennetz-Nutzungsbedingungen alle nach dem Gesetz erforderlichen Inhalte aufweisen, und dass schließlich das Eisenbahninfrastrukturunternehmen den Zugang zu den jeweiligen Leistungen nicht an Bedingungen knüpft, die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen nicht enthalten sind (vgl. VwGH 30.6.2015, 2012/03/0087). Demgemäß kommt der belangten Behörde (seit Inkrafttreten der Novelle BGBl. I 137/2015 nunmehr auch explizit) die Zuständigkeit zu, Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Ergänzung von Schienennetz-Nutzungsbedingungen durch Angaben oder Informationen aufzutragen, die in diesen entgegen den einschlägigen innerstaatlichen und unionsrechtlichen Bestimmungen nicht enthalten sind (vgl. § 74 Abs. 1 Z 7 EisbG).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Beurteilung der wettbewerbsaufsichtsbehördlichen Zuständigkeit nach § 74 Abs. 1 EisbG irrelevant, ob jene Angaben bzw. Informationen, die von Gesetzes wegen zwingend in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen Eingang zu finden haben, auch tatsächlich in diesen abgebildet sind; andernfalls stünde es in der Disposition des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, die von ihm zu erstellenden Bedingungen für die Nutzung der Schieneninfrastruktur der wettbewerbsaufsichtsbehördlichen Kontrolle zu entziehen und somit die Wirksamkeit der nach Unionsrecht zu gewährleistenden zentralen Überwachung durch die Regulierungsstelle zu unterwandern (vgl. VwGH 25.02.2020, Ro 2019/03/0029 mit Hinweis auf EuGH 9.11.2017, Rs C-489/15, CTL Logistics GmbH, Rn. 58 sowie auf 76. Erwägungsgrund zur RL 2012/34/EU). IdS erachtete der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25.02.2020, Ro 2019/03/0029, entgeltbezogene Ausführungen einer (nicht in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthaltenen) „Marktinformation“ als in untrennbarem Zusammenhang mit den in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen festgelegten Entgeltregelungen, die aufgrund ihres Inhalts gemäß § 59 Abs. 4 Z 2 EisbG in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthalten sein sollten.

Vor diesem Hintergrund teilt der erkennende Senat die Ansicht der belangten Behörde, wonach die vorliegende vertragliche Regelung, die eine Kündigung für Teilflächen ausschließt, der Sache nach in die Schienennetz-Nutzungsbedingungen aufzunehmen gewesen wäre: Mit diesem Kündigungsverbot werden die rechtlichen Rahmenbedingungen des Eisenbahnverkehrsunternehmens als Vertragspartner des Schieneninfrastrukturbetreibers hinsichtlich der Benützung der vertragsgegenständlichen Serviceeinrichtungen in einschränkender Weise vorgegeben. Dass es sich bei dieser Regelung der Sache nach um eine Zugangsbedingung zu Serviceeinrichtungen handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Vertragsklausel auch den Schieneninfrastrukturbetreiber selbst als Vertragsteil bindet. Somit stellt die Vorgangsweise der Erstbeschwerdeführerin, ein Kündigungsverbot für Teilflächen von Mietgegenständen in Abweichung von den Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu vereinbaren, einen Verstoß gegen § 59 Abs. 1 EisbG dar.

In diesem Zusammenhang kann auch der Annahme der Erstbeschwerdeführerin nicht gefolgt werden, wonach sich das in Rede stehende Kündigungsverbot für Teilflächen nicht von der Kündigungsregelung im Muster-Mietvertrag der Schienennetz-Nutzungsbedingungen unterscheide, da auch dort eine Kündigung von Teilflächen von Mietgegenständen nicht zugelassen werde: Der zweite Absatz des § 2 des Muster-Mietvertrags sieht zwar dem Wortlaut nach lediglich eine Kündigung des Mietvertrages und eine teilweise Kündigung als solche nicht ausdrücklich vor, doch sind Vertragsbestimmungen im Zweifel gesetzeskonform auszulegen (vgl. zB Vonkilch in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg.), Klang-Kommentar zum ABGB³, § 914 Rz 173f.). Anders als die gegenständliche Vertragsklausel schließt die Regelung des Muster-Mietvertrags eine Kündigung von Teilflächen nicht dezidiert aus und ist damit im Einzelfall einer den eisenbahnrechtlichen Vorschriften entsprechenden Vertragsauslegung zugänglich (zur Frage des Erfordernisses, eine Teilfläche zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Serviceeinrichtungen zu überlassen, siehe unten 3.4.2). Dass sich beide Kündigungsbestimmungen inhaltlich voneinander nicht unterscheiden, kann daher nicht gesagt werden.

Soweit die Erstbeschwerdeführerin die Abweichung des gegenständlichen Mietvertrags von den Mustermietverträgen mit der Vielzahl der Mietgegenstände (und der Notwendigkeit, einen „Gleichklang“ zu den Mustermietverträgen herbeizuführen) begründete (S. 4 und 7 der Verhandlungsniederschrift), erscheint diese Erklärung für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar: Die Möglichkeit einer Kündigung einzelner Mietgegenstände wurde schon durch den ersten Teil des zweiten Satzes in § 2 Abs. 2 eingeräumt („… auch einzelne Mietgegenstände … zu kündigen…“). Zu diesem Zweck hätte es der für unwirksam erklärten Wortfolge nicht weiter bedurft, zumal die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin die ausdrückliche Vereinbarung einer Teilkündigungsmöglichkeit als Abweichung vom dispositiven Bestandrecht für erforderlich erachteten und somit – auf Basis der von ihnen vertretenen Rechtsansicht – auch ohne die für unwirksam erklärte Wortfolge davon ausgehen mussten, dass der Vertrag keine Kündigung des Mietverhältnisses nur eines Teiles eines Mietobjekts gestattet.

3.4.2 Zur Frage der Diskriminierung durch ein Kündigungsverbot für Teilflächen:

Die belangte Behörde erachtete als diskriminierend, dass das zwischen der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin vereinbarte Kündigungsverbot für Teilflächen einen Schutz der Zweitbeschwerdeführerin vor einem Teilentzug zugewiesener Flächen (im Bedarfsfall zugunsten anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen) darstellen würde, der keinem anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen gewährt werde. Soweit die Erstbeschwerdeführerin dazu einwendete, dass sie keine Pflicht treffe, ein vom konkreten Bedarf eines anderen Eisenbahnverkehrsunternehmens völlig unabhängiges Teilkündigungsrecht zu vereinbaren bzw. – wie auch die Zweitbeschwerdeführerin ausführte – Kapazitäten quasi-behördlich einseitig zu entziehen, ist Folgendes zu bemerken:

Wie oben bereits dargelegt, hat der Betreiber von Serviceeinrichtungen den Eisenbahnverkehrsunternehmen unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung den Zugang zu Serviceeinrichtungen zu ermöglichen (vgl. auch Art. 13 Abs. 1 und 2 der RL 2012/34/EU). Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor und kommen insbesondere tragfähige Alternativen nicht in Betracht, kann es rechtlich geboten sein, dass Teilflächen eines Mietgegenstandes, der von einem Eisenbahnverkehrsunternehmen verwendet wird, einem weiteren Eisenbahnverkehrsunternehmen zwecks Zugangs zu einer Serviceeinrichtung zu überlassen sind (siehe auch die Erl zur RV 841 25. GP., S. 11 zu Z 99: „… um einen angemessenen Teil der Kapazitäten … zukommen zu lassen.“). Ungeachtet regulierungsbehördlicher Kompetenzen der belangten Behörde (etwa zur allfälligen Abänderung von Verträgen siehe § 73 Abs. 6 EisbG) setzen die gesetzlich auferlegten Pflichten des Betreibers von Serviceeinrichtungen voraus, dass er alle erforderlichen Schritte setzt, um einen diskriminierungsfreien Zugang zu Serviceeinrichtungen sicherzustellen (vgl. § 71a Abs. 7 EisbG sowie Art. 13 Abs. 5 RL 2012/34/EU und Art. 10 Durchführungsverordnung [EU] 2017/2177). Dies schließt mit ein, dass er alle Handlungen unterlässt, die einen solchen diskriminierungsfreien Zugang behindern, erschweren oder einschränken. Wenn somit die Überlassung von Teilflächen eines Mietgegenstandes zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Serviceeinrichtungen (unter gewissen Voraussetzungen) erforderlich werden kann, entspricht es nicht den Pflichten eines Betreibers von Serviceeinrichtungen, wenn er eben diese Möglichkeit mittels vertraglicher Vereinbarung ausdrücklich ausschließt. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Zugang zu Serviceeinrichtungen (und auch eine tragfähige Alternative) nicht immer unbegrenzt zur Verfügung steht und der Betreiber der Serviceeinrichtung gemäß Art. 13 Abs. 4 RL 2012/34/EU nicht verpflichtet ist, Investitionen in Ressourcen oder Einrichtungen zu tätigen, um allen Anträgen von Eisenbahnverkehrsunternehmen entsprechen zu können. Bedenkt man, dass der Betreiber einer Serviceeinrichtung nach dem letzten Satz des Art. 10 der Durchführungsverordnung auch nicht berechtigt ist, bereits gewährte Zugangsrechte ohne Zustimmung des jeweiligen Antragstellers zu ändern, kommt der Frage, ob er sich schon im Vorhinein für den Bedarfsfall der Möglichkeit einer Teilkündigung (durch eine dies ausschließende vertragliche Bindung) begibt, besondere Bedeutung zu.

Demgemäß kann weder die Rede davon sein, dass – wie die Zweitbeschwerdeführerin vermeinte – der Betreiber einer Serviceeinrichtung in bestehende Verträge (anstelle der belangten Behörde) einzugreifen habe, noch dass die Erstbeschwerdeführerin zur Vereinbarung eines bedarfsunabhängigen absoluten Teilkündigungsrechts verpflichtet wird. Es kann der belangten Behörde jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Vertragsklausel für unwirksam erklärt, mit welcher der Betreiber von Serviceeinrichtungen ungeachtet seiner Pflichten zur Wahrung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu den Serviceeinrichtungen eine Möglichkeit zu dessen Herstellung – noch dazu für zahlreiche Mietgegenstände – vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen hat, ohne dafür eine Veranlassung ins Treffen führen zu können, die eine Diskriminierung anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen zweifelsfrei ausschließt (siehe dazu auch oben 3.4.1 letzter Absatz), zumal das Teilkündigungsverbot geeignet ist, die Herstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu den Serviceeinrichtungen im Rahmen der regulierungsbehördlichen Zuständigkeit nach § 73 zu verzögern.

In diesem Kontext sei hinzugefügt, dass dann, wenn ein Mietvertrag – zumindest im Wege gesetzeskonformer Vertragsauslegung – die Kündigung von Teilflächen zulässt (und die Überlassung von Teilflächen gesetzlich geboten ist), das Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Ermöglichung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Serviceeinrichtungen dazu verpflichtet sein kann, den Mietvertrag in Bezug auf die erforderlichen Teilflächen zu kündigen. Die Verpflichtung des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, einen diskriminierungsfreien Zugang zu Serviceeinrichtungen zu schaffen, besteht unabhängig von der Zuständigkeit der belangten Behörde, aufgrund einer Beschwerde nach § 73 EisbG bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen – den Abschluss eines Vertrags ersetzenden – Bescheid gemäß § 73 Abs. 5 und 6 EisbG zu erlassen und insbesondere bei gemäß Art. 14 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 u.a. auf vertragliche Verpflichtungen anderer betroffener Nutzer der Serviceeinrichtung so gut wie möglich Bedacht zu nehmen.

Die Unwirksamerklärung von Schienennetz-Nutzungsbedingungen, Verträgen oder Urkunden setzt nach § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG auch nicht – wie von der Zweitbeschwerdeführerin behauptet – einen konkreten Bedarfsfall voraus, sondern gemäß dem Wortlaut der Z 5 lediglich einen Widerspruch zu den Bestimmungen des 6. Teiles des EisbG oder entsprechender unionsrechtlicher Vorschriften.

Was den von der Zweitbeschwerdeführerin behaupteten Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZPEMRK anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung Eingriffe in dieses Grundrecht zulässig sind, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen und nicht unverhältnismäßig sind (vgl. zuletzt VfGH 14.07.2020, G 202/2020 mwN). Geht man davon aus, dass die für unwirksam erklärte vertragliche Regelung eisenbahnrechtlichen Vorschriften widerspricht, die dem Wettbewerb im Bereich des Schienenverkehrs dienen, so erscheint der Eingriff in das erwähnte Grundrecht nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung als gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig (zum öffentlichen Interesse der Wettbewerbsordnung vgl. z. B. VfSlg. 12.379/1990, 19.635/2012, 19.950/2015, 20.202/2017).

Soweit die Zweitbeschwerdeführerin durch die Möglichkeit einer jederzeit zulässigen (grundlosen) Teilkündigung von Mietgegenständen wirtschaftliche Nachteile für die Erstbeschwerdeführerin (S. 10 der Beschwerde: „Rosinenpicken“ betreffend Teilflächen) sowie für sich selbst (insb. aufgrund getätigter Investitionen in die angemieteten Räumlichkeiten) befürchtete, ist zu erwidern, dass den Vertragsparteien im Rahmen ihrer rechtsgeschäftlichen Dispositionsfreiheit die Entscheidung obliegt, ob sie die vertragliche Zulässigkeit einer Teilkündigung vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überlassung benötigter Teilflächen iSd §§ 58 ff EisbG abhängig machen oder nicht.

Die Unwirksamerklärung der im Spruch des angefochtenen Bescheids genannten Wortfolge im zweiten Absatz des § 2 des Vertrags zwischen der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin durch die belangte Behörde erweist sich demnach nicht als rechtswidrig.

3.4.3 Zur Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs im verwaltungsbehördlichen Verfahren ist zu bemerken, dass nach ständiger Rechtsprechung eine in verwaltungsbehördlicher Instanz unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs durch Einräumung von Parteiengehör im Beschwerdeverfahren geheilt wird (vgl. zB VwGH 28.03.2012, 2009/08/0084; 25.10.1990, 88/06/0127).

3.4.4 Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Für das vorliegende Verfahren ist die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig: Es liegt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Rechtsfragen vor, nämlich weder zur Frage der Zulässigkeit der teilweisen Überlassung von Mietgegenständen noch zur Frage, ob der Betreiber von Serviceeinrichtungen verpflichtet ist, von rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen Abstand zu nehmen, die eine solche allenfalls erforderliche Überlassung von Teilen eines Mietgegenstandes vertraglich ausschließen (und demnach eine behördliche Vorgangsweise nach § 73 Abs. 6 EisbG erforderlich machen).

Schlagworte

Aufsicht Aufsichtsrecht Diskriminierung Diskriminierungsverbot fairer Wettbewerb Kündigung Kündigungsschutz Mietvertrag mündliche Verhandlung öffentliches Interesse Rechtsaufsicht Revision zulässig Überwachungsmaßnahme Verhältnismäßigkeit Wettbewerb

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W110.2226213.1.00

Im RIS seit

28.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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