TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W195 2181037-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W195 2181037-1/11E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2017, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.11.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch und Moslem/Sunnit, reiste 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Befragung am 06.08.2015 gab der BF an, er habe Bangladesch wegen eines Erbschaftsstreites hinsichtlich eines Grundstückes verlassen. Im Zuge dieses Streites habe ihn sein Onkel mit dem Tod bedroht. Der Vater des BF befände sich in Saudi-Arabien und arbeite dort; dieser habe dem BF im November 2011 geraten, dass Land zu verlassen, nachdem der Erbschaftsstreit bereits 2004 begonnen habe und noch nicht zu einem Ende gekommen sei.

Als Geburtsdatum gab der BF den XXXX an; Geburtsort sei XXXX , Bangladesch.

In weiterer Folge wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Feststellung des tatsächlichen Alters des BF eingeholt. Dem Gutachten folgend wurde das Geburtsdatum auf den XXXX festgelegt.

Eine für den 11.01.2017 anberaumte Einvernahme des BF vor dem BFA wurde aus gesundheitlichen Gründen des BF kurzfristig verschoben.

Am 16.02.2017 erfolgte sodann die Einvernahme des BF vor dem BFA.

Zu seinem Geburtsdatum befragt gab der BF an, er sei am XXXX geboren.

Sein Vater lebe in Saudi-Arabien und arbeite dort; seine Mutter sowie vier Geschwister (Brüder: 32 Jahre und 8 Jahre alt, Schwestern: 14 und 11 Jahre alt) würden in Bangladesch leben, ebenso wie zahlreiche Verwandte. Er habe zu seiner Familie Kontakt.

Er sei unverheiratet und habe keine Kinder. Er habe in Bangladesch die Schule bis zur 8. Klasse besucht. Nach seiner Berufsausbildung gefragt gab der BF an, dass er Autofahren gelernt habe, gearbeitet habe er nicht.

Er habe Bangladesch am 14.11.2011 verlassen und sei am 05.08.2015 nach Österreich gekommen. Dazwischen sei er in der Türkei (ca ein bis eineinhalb Jahre), Griechenland (ca 6 Monate), Italien (ca. ein Jahr) gewesen und dann per Zug nach Österreich gereist.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er in seinem Heimatland ein schwieriges Problem habe. Es ginge um den Onkel väterlicherseits, welcher auch bei der Awami League sei. Der Vater des BF, welcher in Saudi-Arabien wohne, könne nicht nach Bangladesch zurück, „weil mein Onkel gegen ihn eine Anzeige eingebracht habe“. Nachdem der BF das Land verlassen habe sei ihm auch der Fall „angehängt“ worden. Der Onkel wolle Geld vom Vater und habe gedroht, dass er dem BF jederzeit etwas antun könne, wenn nicht bezahlt werde. Der Vater könne seit 24 Jahren nicht in das Land zurückkommen, weil er wegen der Anzeige ins Gefängnis müsse.

Erst im Rahmen der Rückübersetzung gab der BF an, dass sein Vater zwischenzeitlich „zweimal“ in Bangladesch gewesen sei.

Der Onkel, der ihn bedrohe, heiße XXXX und sei ein großer Politiker bei der Awami League, konkret Vorstand bei der Chattro-League im Distrikt, während die Familie des BF Anhänger der politischen Gegenpartei BNP sei.

Hinsichtlich der bei der Erstbefragung angeführten Gründe gab der BF zu Protokoll, dass die Dolmetscherin ihn nicht richtig verstanden habe. Er würde nicht lügen, viele würden gefälschte Papiere vorlegen, aber so etwas mache er nicht.

Nachgefragt, ob es also nicht um einen Grundstücksstreit ginge, gab der BF an, dass es schon darum ginge; der Onkel habe das Grundstück an sich gerissen, aber er möchte dazu noch mehr. Er habe zwar schon seinen Teil geerbt, aber er wolle mehr; das Grundstück, welches über eine Fläche von 8 Kata habe, liege nicht in seinem Dorf, sondern in einem anderen Dorf.

Der Vater des BF würde nicht mit dem Onkel telefonieren, alles ginge über das „Haus“.

Nach der konkreten Bedrohung gefragt, gab der BF an, dass der Onkel einmal zu ihm nach Hause ins Zimmer gekommen sei und gesagt habe: „na warte einmal, wir müssen reden“, worauf der BF gegangen sei. Der Onkel habe ihn gedroht, er würde ihn umbringen, aber da sei der BF schon von zu Hause fortgegangen. Dieser Vorfall sei im November 2011 passiert.

Er sei sodann wegen versuchten Mordes an seinem Onkel angezeigt worden, in der örtlichen Polizeistation.

Der BF habe in seiner Heimat keine Sicherheitsdienststelle, kein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft aufgesucht.

Der BF sei Anhänger und Mitglied der Jamaat s-shivir, einem Ableger der BNP; er sei Organisationsvorstand. Die Partei habe keine eigene Flagge, die habe nur Bangladesch.

Er habe nicht gewählt, weil er dazu zu jung gewesen sei; er habe aber an Demonstrationen teilgenommen, zuletzt im Dezember 2010.

In Österreich lebe er von der Unterstützung und gehe in einen Deutschkurs, ansonsten treffe er sich mit Freunden.

Auf Grund dieser Aussagen des BF bei der Einvernahme sah sich das BFA veranlasst, eine Anfrage über die Staatendokumentation vorzunehmen.

Als Ergebnis dieser Recherchen kam – zusammengefasst – hervor:

Die vom BF vorgelegte Anzeige sei eine Fälschung, da weder der BF noch der Onkel XXXX als Verfahrensparteien zu diesem Akt genannt werden. Lediglich die Mutter des BF gab an, dass der BF wegen Landbesitzes angezeigt worden sei, währenddessen andere Ortansässige dies negieren.

Die Aussagen bezüglich politischer Betätigung des BF weichen voneinander ab: Seine Mutter gab an, dass der BF mit der BNP involviert gewesen sei, ohne Angaben zu seiner dortigen Position machen zu können, wohingegen Ortsansässige aussagen, dass der BF nicht politisch tätig gewesen sei.

Gleiches gelte auch für den Onkel XXXX ; laut Mutter des BF sei dieser bei der Awami League tätig, Ortansässige verneinen dies.

Zur Anzeige gegen den Vater: laut der Mutter gäbe es keine Anzeige; dies stimme mit den Aussagen von Ortsansässigen überein.

Laut Aussagen der Mutter gäbe es ein Familiengrundstück in einer anderen Ortschaft, weswegen der BF angezeigt worden sei.

Im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme am 14.09.2017 gab der BF an, dass er sich nicht erklären könne, dass die Anzeige nicht echt sei. Er sei mit der BNP involviert gewesen, er sei ordentlicher Sekretär gewesen. Seine Mutter kenne sich nicht so gut in der Politik aus, daher wisse sie nicht, als was er tätig gewesen sei. Es gäbe auch eine Anzeige gegen seinen Vater.

Im weiteren Verlauf der Befragung wiederholte der BF seine früheren Angaben. Weiters legte der BF eine Mitgliedsbestätigung der (österreichischen) BNP vor. Er habe auch ein Organmandat bekommen wegen einer Demonstration in Österreich.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.10.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Es seien auch keine Anhaltspunkte, die für die Gewährung subsidiären Schutzes sprechen würden, hervorgekommen. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Mit der prägnanten, vom rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Beschwerde wendet sich der BF gegen diese Entscheidung und führt dazu aus, dass der Vertrauensanwalt nur unzureichend die Tatsachen erhoben habe, insbesondere hinsichtlich der politischen Tätigkeit des BF. Der BF machte in der Beschwerde inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Es wurden deshalb die Bescheidbehebung und die Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz beantragt, in eventu die Zurückverweisung sowie eine mündliche Verhandlung.

Mit Schreiben vom 16.12.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 09.11.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

Am 09.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsanwaltes des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Anfänglich legte der BF dar, dass er am XXXX geboren sei; gefragt, weshalb er seinerzeit ein anderes Datum angegeben habe, meinte der BF, dass die frühere Dolmetscherin bei der Ersteinvernahme ihn falsch verstanden habe bzw. dass er es falsch verstanden hätte. Es sei aber die Sprachübersetzung bei der Einvernahme im Jahr 2017 kein Problem gewesen. Daraufhin angesprochen, warum er bei der Einvernahme am 16.02.2017 sein Geburtsjahr mit XXXX angegeben habe (Seite 3), meinte der BF, dass er nicht glaube, XXXX angegeben zu haben bzw. könne er sich nicht erinnern.

Er habe Kontakt zu seiner Mutter, wöchentlich zwischen ein- und dreimal. Sein Vater sei in Saudi-Arabien arbeiten und käme „alle fünf bis sechs Jahre“ nach Bangladesch. Er sei „Mitte 2017 oder Ende 2017“ zum letzten Mal in Bangladesch gewesen (BVwG Seite 5). Seine Mutter habe noch nie Bangladesch verlassen. Er habe zwei Brüder und zwei Schwestern, die sich ebenfalls in Bangladesch aufhalten.

Der BF habe keine Beziehung, keine Kinder und keine Verwandten in Österreich.

Eine Konversation in deutscher Sprache war mit dem BF fast nicht möglich, weil der Sprachwortschatz sehr begrenzt ist und die Antworten, soweit sie überhaupt erfolgten, nur einzelne Worte umfassten.

Der BF arbeitet als Zeitungszusteller und verdiene knapp um die € 600 netto pro Monat, seine Wohnung würde ihn € 160 an Miete kosten. Er wohne gemeinsam mit drei anderen Personen zusammen.

In seiner Freizeit treffe er sich mit bengalischen, serbischen, rumänischen und von anderen Ländern stammenden Freunden. Er sei Mitglied in einem Verein, der Flüchtlinge betreue. Er habe aber ein Empfehlungsschreiben von einer Österreicherin, welche er in einem Fast-Food-Restaurant kennen gelernt habe.

In Österreich habe er keine Probleme mit der Polizei gehabt, außer bei einem Verkehrsdelikt.

Der BF ist bei guter Gesundheit und arbeitsfähig.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er Bangladesch verlassen habe, weil er ein Problem mit dem Onkel habe. Dieser sei „ein großer Führer“ der Awami League, also der regierenden Partei in Bangladesch.

Die Streitigkeiten wegen eines Grundstückes hätten „2012 oder 2011“ begonnen (BVwG S 9), präzisiert mit „Ende 2011“ (BVwG S 10). Es sei um ein Grundstück des Großvaters, in einem anderen Dorf gelegen, gegangen und es gab Streitigkeiten zwischen dem Onkel und dem Vater. Der BF wisse nicht, wann der Großvater verstorben sei. Es habe „nach 2008“ begonnen (BVwG S 10). Nachgefragt, wieso der BF bei der Befragung vom 06.08.2015 angegeben habe, dass die Bedrohungen „2004“ begannen, meinte dieser, er habe es so nicht angegeben, er „habe immer Ende 2011 gesagt“ (BVwG S 10). Der Onkel habe Geld verlangt und habe den BF bedroht, wenn er das Geld nicht erhalten würde, würde der BF ermordet werden. Nachgefragt, ob der Onkel vorher versuchte noch ein Gespräch mit dem BF zu führen, antwortete der BF mit einem klaren „Nein“. Daraufhin nachgefragt, wieso der BF in der Aussage vom 16.02.2017, Seite 10, ausgesagt habe, dass der Onkel in sein Zimmer gekommen sei und gesagt habe: „Na warte einmal, wir müssen reden“, gab der BF keine Antwort und schwieg (BVwG S 11). Erst nach Wahrheitserinnerung gab der BF zu, dass der Onkel versucht habe, mit dem BF ein Gespräch zu führen, aber seine Mutter hätte dies nicht zugelassen (BVwG S 12).

Sobald er nach Bangladesch zurückkehre würde er von der Polizei verhaftet werden, weil sein Onkel „eine lange Hand“ habe.

Es gäbe eine Anzeige gegen seinen Vater, darin stünde „das Problem mit dem Grundstück“. „Ende 2018 oder 2019 ging mein Vater nach Bangladesch, damals wurde die Anzeige erstattet“; es gäbe zwei Anzeigen gegen den Vater, er musste versteckt das Land verlassen. Die erste Anzeige stamme, so der BF, aus „2012, Ende 2012“, die andere aus „2018, Ende 2018“. Nachgefragt, wieso der Vertrauensanwalt der Republik Österreich festgestellt habe, dass es weder gegen den BF noch gegen seinen Vater eine Anzeige gäbe, meinte der BF, dass der Vertrauensanwalt der Republik Österreich 400.000 Taka von der Familie verlangt habe, damit er berichten würde, dass es Anzeigen gäbe (BVwG Seite 13). Nachgefragt, wieso seine Mutter bestätigt habe, dass es keine Anzeigen gäbe, meinte der BF, dass seine Mutter dies nicht so gesagt habe, sie habe ihm dies berichtet.

Hinsichtlich der Behauptung, dass der Vertrauensanwalt der Republik Österreich 400.000 Taka verlangt habe, wurde der BF gefragt, warum er dies nicht bereits bei der Einvernahme des BFA zum Verfahrensergebnis am 14.09.2017 bekanntgegeben und ausgeführt habe. Der BF ging in seinen Antworten vor dem BVwG jedoch – trotz Fragewiederholung – nicht darauf ein und vermeinte nur, dass er nicht gefragt worden sei (BVwG S 14). Darauf hingewiesen, dass er beim BFA am Ende der Einvernahme vom 14.09.2017 eigens gefragt wurde, „ob Sie noch irgendetwas angeben wollen“ und der BF seinerzeit gesagt habe: “Nein, ich habe ihnen von meinem Problem erzählt und das ist es“, antwortete der BF, dies sei ihm nicht gesagt worden, weil er das Dokument (gemeint den Bescheid) erhalten habe. „Aber als ich Beschwerde erhob, wurde das ergänzt“, war die Antwort des BF (BVwG S 14). Als daraufhin der Richter feststellte, dass in der Beschwerde nicht ausgeführt werde, dass der Vertrauensanwalt der Republik angeblich 400.000 Taka an Schmiergeld verlangt habe, meinte der BF „Ich habe es doch gesagt.“ Es habe damals aber ein anderer Anwalt (aus derselben Rechtsanwaltskanzlei) als der in der Verhandlung vor dem BVwG anwesende Anwalt die Beschwerde geschrieben. Daraufhin unterbrach der Richter die Verhandlung für eine halbe Stunde. Der in der Verhandlung anwesende Anwalt des BF gab nach Verhandlungsunterbrechung dazu an, dass die Kanzlei „nichts von einer angeblichen Geldforderung von 400.000 Taka [wisse]. Offensichtlich hatte der BF vergessen es uns seinerzeit mitzuteilen.“ (BVwG S 14).

Gefragt, was die politische Funktion des BF gewesen sei, meinte dieser, dass er in die Koranschule ging, in der „sich einige vereinten“. Er sei für die „Jamaat“ gewesen, einem Zweig der BNP. Es sei „nur Mitglied“ (BVwG S 15) bzw. „nur einfaches Mitglied“ (BVwG S17) gewesen. Gefragt, ob die Jamaat eine eigene Fahne habe, bejahte dies der BF (BVwG S 16). Nachgefragt, weshalb er bei der Befragung am 16.02.2017, S 12, angegeben habe, dass die Jamaat keine Flagge habe, meinte der BF, er sei dies „ja gar nicht gefragt“ worden. Er sei nur hinsichtlich seines politischen Engagements gefragt worden (BVwG S 16).

Im Rahmen der Verhandlung gab der BF an, dass er „den Autoberuf“ erlernt habe. Er habe einen Führerschein, könne Reifen tauschen und sei als Automechaniker tätig gewesen, habe aber nur einen Monat lang gearbeitet, danach sei er arbeitslos gewesen.

Im Zuge der Erörterung des Länderberichtes wurde auf die aktuelle Corona-Pandemie und die Auswirkungen auf Bangladesch sowie Österreich eingegangen. Der BF gab dazu eine kurze Stellungnahme ab in die Richtung „die Coronakrise ist in jedem Land gleich“, es sei eine traurige Lage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der moslemischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali/Bangla.

Der BF hat im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben zu seinem Geburtsdatum gemacht; erst ein entsprechendes medizinisches Sachverständigengutachten schuf Klarheit darüber, dass der BF (zumindest vor dem bzw.) am XXXX geboren wurde.

Der BF ist in Bangladesch geboren und hat eine Schulausbildung genossen; er hat den Führerschein gemacht.

Der BF ist ledig, hat keine Kinder und keine Beziehung.

Seine Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern halten sich in Bangladesch auf; zu seiner Mutter hat der BF wöchentlich ein- bis dreimal Kontakt.

Hinsichtlich des Aufenthaltes des Vaters in Bangladesch machte der BF unterschiedliche Angaben, was seine Glaubwürdigkeit beschädigt.

Der BF ist illegal im August 2015 in das Bundesgebiet eingereist, nachdem er sich zuvor seit Ende 2011 einige Jahre bzw. Monate in der Türkei, Griechenland und Italien aufgehalten hatte.

Der BF hat äußerst geringe deutsche Sprachkenntnisse; der BF hat zumeist bengalische, rumänische und serbische Freunde sowie lediglich ein Unterstützungsschreiben einer Österreicherin vorgelegt; von Integration ist wenig zu merken.

Der BF arbeitet als Zeitungszusteller und verdient damit ca. € 600 netto pro Monat; davon muss er € 160 an Miete bezahlen, es verbleiben ihm damit € 460 monatlich (ca. € 15 pro Tag) für seinen Lebensaufwand.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten, gesund und arbeitsfähig.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Festgestellt wird, dass als Fluchtgrund ein Grundstücksstreit des Onkels mit der Familie des BF, insbesondere dem Vater des BF, im Mittelpunkt steht (Ersteinvernahme vom 06.08.2015, Einvernahme BFA 16.02.2017, Einvernahme BFA 14.09.2017, BVwG 09.11.2020).

Festgestellt wird, dass der BF keinerlei Glaubwürdigkeit besitzt, weil sich der BF mehrfach in seinen Aussagen widerspricht:

-        Hinsichtlich des Aufenthaltes seines Vaters in Bangladesch

-        Hinsichtlich einer politischen Verfolgung durch den Onkel

-        Hinsichtlich des Beginnes der Grundstücksstreitigkeiten mit dem Onkel (2004, 2008, 2011, 2012)

-        Hinsichtlich seiner politischen Funktion

-        Hinsichtlich der Kenntnis über eine Flagge der Jamaat

-        Hinsichtlich eines behaupteten Verlangens von Schmiergeld durch den Vertrauensanwalt der Republik

-        Hinsichtlich des diesbezüglichen Vorbringens gegenüber seiner Rechtsanwaltskanzlei

-        Hinsichtlich von Aussagen vor dem BFA in den Niederschriften vom 16.02.2017, 14.09.2017, insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Recherchen des Vertrauensanwaltes

Festgestellt wird, dass der Vertrauensanwalt der Republik Österreich zusammengefasst folgendes Ermittlungsergebnis vorlegte:

-        Die vom BF vorgelegte Anzeige sei eine Fälschung, da weder der BF noch der Onkel XXXX als Verfahrensparteien zu diesem Akt genannt werden. Lediglich die Mutter des BF gab an, dass der BF wegen Landbesitzes angezeigt worden sei, währenddessen andere Ortansässige dies negieren.

-        Die Aussagen bezüglich politischer Betätigung des BF weichen voneinander ab: Seine Mutter gab an, dass der BF mit der BNP involviert gewesen sei, ohne Angaben zu seiner dortigen Position machen zu können, wohingegen Ortsansässige aussagen, dass der BF nicht politisch tätig gewesen sei.

-        Gleiches gelte auch für den Onkel XXXX ; laut Mutter des BF sei dieser bei der Awami League tätig, Ortansässige verneinen dies.

-        Zur Anzeige gegen den Vater: laut der Mutter gäbe es keine Anzeige; dies stimme mit den Aussagen von Ortsansässigen überein.

-        Laut Aussagen der Mutter gäbe es ein Familiengrundstück in einer anderen Ortschaft, weswegen der BF angezeigt worden sei.

Festgestellt wird somit, dass es gegen den BF keine politische Anzeige gibt. Es wird daher festgestellt, dass eine konkrete Verfolgung des BF aus politischen Gründen nicht vorliegt.

Es kann weder festgestellt werden, dass der BF überhaupt Mitglied einer politischen Gruppierung namens Jamaat-Shivir oder Jammat Islam war, noch, dass der BF aus politischen Gründen Probleme mit Mitgliedern der Awami League hatte.

Es kann nicht erkannt werden, dass gegen den BF in Bangladesch (allenfalls politisch motivierte) Strafverfahren anhängig sind.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF mächtige Gegner hat, die ihn in ganz Bangladesch finden würden.

Es steht dem BF gegebenenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

1.       Politische Lage

Letzte Änderung: 19.8.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Wahlen und Willensbildungsprozess

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 5.8.2020

CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

2.       Sicherheitslage

Letzte Änderung: 19.8.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch der mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 27.7.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 21.6.2020). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah auf religiös motivierte Vorfälle (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2018 waren es 135 solcher Vorfälle und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 15.8.2020 wurden im Jahr 2020 58 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 17.8.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (27.7.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 5.8.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

SATP – South Asia Terrorism Portal (17.8.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 17.5.2020

TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

3.       Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, „Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“-Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

4.       Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 21.6.2020). Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit 17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019). Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend (AA 21.6.2020).

Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen sowie Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2.000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt Fehler! Textmarke nicht definiert.).

Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020).

Die Regierung von Bangladesch ignoriert Empfehlungen im Hinblick auf glaubwürdige Berichte zu Wahlbetrug, hartem Vorgehen gegen die Redefreiheit, Folterpraktiken von Sicherheitskräften und zunehmenden Fällen von erzwungenem Verschwinden und Tötungen (EEAS 1.1.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Das Gesetz verbietet Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und es werden Maßnahmen ergriffen, um diese Bestimmungen wirksamer durchzusetzen. Fälle von Diskriminierung und gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten sowie von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bestehen fort (USDOS 11.3.2020). Das Informations- und Kommunikationstechnologiegesetz (Information and Communication Technology Act - ICT Act) wird angewandt, um Oppositionelle und Mitglieder der Zivilgesellschaft wegen Verleumdungsdelikten juristisch zu verfolgen (USDOS 11.3.2020).

Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiger Zubringer wie auch Transitpunkt für Opfer von Menschenhandel. Jährlich werden Zehntausende Menschen in Bangladesch Opfer von Menschenhandel. Frauen und Kinder werden sowohl in Übersee als auch innerhalb des Landes zum Zweck der häuslichen Knechtschaft und sexuellen Ausbeutung gehandelt, während Männer vor allem zum Zweck der Arbeit im Ausland gehandelt werden. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 2020). Internationale Organisationen behaupten, dass einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte an der Erleichterung des Handels mit Rohingya-Frauen und -Kindern beteiligt waren. Formen der Unterstützung von Menschenhandel reichen dabei von „Wegschauen“ über Annahme von Bestechungsgeldern für den Zugang der Händler zu Rohingya in den Lagern, bis hin zur direkten Beteiligung am Handel (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

EEAS - European External Action Service (1.1.2019): Statement by the Spokesperson on parliamentary elections in Bangladesh, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/56110/node/56110_es, Zugriff 6.4.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2019a): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat, Zugriff 24.3.2020

HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002245.html, Zugriff 1.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

UNHROHC- United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=37&Lang=EN, Zugriff 5.3.2019

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 26.3.2020

5.       Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Freiheit, sich im Land zu bewegen, ist relativ unbeschränkt (FH 2020; vgl. AA 21.6.2020). Grundsätzlich respektiert die Regierung die Rechte der inländischen und ausländischen Bewegungsfreiheit, Emigration und Rückkehr von Bürgern, mit Ausnahme der zwei sensiblen Regionen Chittagong Hill Tracts und Cox’s Bazar. Die Regierung hat 2015 Restriktionen für ausländische Reisende in diese Gebiete, in denen viele nichtregistrierte Rohingyas außerhalb der zwei offiziellen Flüchtlingscamps in den Städten und Dörfern leben, angekündigt, allerdings war die Art der Umsetzung zum damaligen Zeitpunkt noch unklar (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020).

Es liegen keine Einschränkungen hinsichtlich der Ein- oder Ausreise vor (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020; AA 21.6.2020). Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe, die für wenige Monate gültig sind, ausgestellt. Generell kommt es zu teils enormen Verzögerungen bei der Reisepassausstellung (ÖB 8.2019). Auch manche Oppositionspolitiker berichten von langen Verzögerungen bei der Erneuerung von Reisepässen, zusätzlich von Belästigungen und Verzögerungen an Flughäfen (USDOS 11.3.2020). Ein Ausreiseverbot besteht für Personen, welche verdächtigt werden, an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 beteiligt gewesen zu sein (ÖB 8.2019; vgl. USDOS 11.3.2020).

Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner, um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahren brauchen keinen gesetzlichen Vertreter, um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars (ÖB 8.2019).

Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister besteht nicht (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020). Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte. Es handelt sich hierbei teilweise um Klimaflüchtlinge, deren Lebensgrundlage entzogen wurde und teilweise um Arbeitssuchende, die hoffen, insbesondere in der Textilindustrie Anstellung zu finden. Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen (AA 21.6.2020).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 1.4.2020

6.       Grundversorgung

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 21.6.2020). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 11,3 % der Bevölkerung (circa 20 Millionen) unterhalb der extremen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar. Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene (DB 1.10.2019).

Bangladeschs Wirtschaft ist seit 2005 jährlich um rund 6 % gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung und langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 13.3.2020). Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Die Landwirtschaft wird vom Reisanbau dominiert (GIZ 3.2020b; vgl. CIA 13.3.2020). Die Verarbeitung von Produkten der Landwirtschaft und die Textilindustrie sind die wichtigsten Zweige des industriellen Sektors (GIZ 3.2020b), auf den 2017 geschätzt 29,3 % des BIP gefallen sind. Der Export von Kleidungsstücken macht ca. 80 % aller Exporte aus. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftete 2017 mehr als die Hälfte des BIP (CIA 13.3.2020).

Über 10 % Anteil an der bangladeschischen gesamtwirtschaftlichen Leistung haben Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten nach Bangladesch (GIZ 12.2018b), die im Finanzjahr 2016/17 ca. 13 Milliarden US-Dollar ausmachten (CIA 13.3.2020). Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Etwa 10 Millionen bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland. Die Migration wird durch das „Bureau of Manpower, Employment and Training“ (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen (z.B. „BRAC“, „Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees“, „Bangladesh Migrant Centre“, „Bangladesh Women Migrants Association“). Dachverband ist das „Bangladesh Migration Development Forum“ (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 21.6.2020).

Die offizielle Arbeitslosenrate liegt 2018 geschätzt bei 4-6 %, jedoch mit verdeckter weit verbreiteter massiver Unterbeschäftigung. Vor allem in der Landwirtschaft ist Subsistenzwirtschaft ausgeprägt. Formelle und organisierte Beschäftigung gibt es lediglich im staatlichen Bereich, sowie bei größeren Unternehmen. 85 % der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Einen staatlichen Mindestlohn gibt es nicht. Die Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Standards erfolgt lediglich sporadisch (ÖB 8.2019).

Die Bevölkerung Bangladeschs erfährt seit einigen Jahren einen erhöhten Verteilungs- und Chancenkonflikt, aufgrund des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitig abnehmenden Landressourcen und fehlenden Alternativen zur Landarbeit, sowie erhöhtem Druck durch Extremwetterereignisse und anderen Konsequenzen des Klimawandels. Die Slums der Städte wachsen, wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichen Bedingungen etwas langsamer. Ebenso konkurriert die Bevölkerung mit einem höheren Bildungsabschluss um Universitätsplätze und besser bezahlte Arbeitsplätze. Die Lebenshaltungskosten in den Städten steigen und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten ist oft lückenhaft bzw. ist ein Anschluss an öffentliche Versorgungsnetzwerke noch nicht vollzogen. Die Strukturen werden zusätzlich temporär belastet, wenn Saisonarbeiter für einige Zeit in die Städte ziehen und dort Arbeitsplätze und Unterkünfte suchen. Die nötige Infrastruktur wird in vielen Gebieten ausgebaut, allerdings kann das Tempo dieses Ausbaus noch nicht mit der Bevölkerungsdynamik mithalten. Aktuell sind ungefähr 60 % aller Haushalte an das staatliche Stromnetz angeschlossen (GIZ 3.2020b).

Die Preissteigerungen bei Lebensmittel von bis zu 70 % treffen besonders den armen Teil der Bevölkerung. Die Regierungen versuchen, mit staatlichen Nahrungsmittel-, Düngemittel- und Treibstoffsubventionen gegenzust

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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