Entscheidungsdatum
19.11.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W192 2236117-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Plätzer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2020, Zahl 69626707/200513935 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 66 Abs. 1, 70 Abs. 3 FPG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2020 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß
§ 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Ehe mit einer in Österreich ihr Freizügigkeitsrecht wahrnehmenden rumänischen Staatsbürgerin eine Aufenthaltskarte zum Zweck Angehöriger eines EWR-Bürgers erteilt worden sei. Die Ehe sei aber bereits nach weniger als drei Monaten geschieden worden. Es lägen Voraussetzungen gemäß § 54 Abs. 5 BFA-VG für eine Fortsetzung des Aufenthaltsrechtes nicht vor und führe der Beschwerdeführer in Österreich nicht ein die öffentlichen Interessen überwiegendes Privat- und Familienleben.
2. Gegen diesen am 10.07.2020 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz des bevollmächtigten Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 07.08.2020, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, der Beschwerde stattgeben und das Ausweisungsverfahren einstellen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vom 06.12.2018 bis 07.02.2020 mit einer rumänischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei und seit 26.02.2019 nach vorangehender gemeinsamer Ehewohnung von seiner Ex-Ehefrau getrennt gelebt habe.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit rund zwei Jahren mehr oder weniger ununterbrochen im Bundesgebiet, sei gesund, stehe seit seinem Aufenthalt im Bundesgebiet ununterbrochen in einem ordnungsgemäßen Dienstverhältnis und sei unbescholten. Der Geschäftsführer seines Dienstgebers sei sein Taufpate und gleichzeitig bester Freund. Der Beschwerdeführer sei in der Familie des Geschäftsführers integriert und aufgenommen und verfüge im Bundesgebiet somit über soziale Bindung und Integration.
Der Beschwerdeführer sei bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen und sich weiter im Bundesgebiet zu integrieren, was allerdings, nachdem er ganztätig berufstätig sei, durchaus nicht in kurzer Zeit geschehen könne. Er habe aber bereits Bemühungen gestartet, die deutsche Sprache zu erlernen.
Es sei richtig, dass der Beschwerdeführer den Großteil seines Lebens in Serbien verbracht habe, es sei aber sein Wunsch gewesen, von dort wegzugehen. Nach der Eheschließung im Dezember 2018 habe er mit seiner Ehefrau den Hauptwohnsitz in Österreich begründet und befinde sich seither mehr oder weniger ununterbrochen in Österreich. Die Bindung zu seinem Herkunftsstaat sei absolut untergeordnet und er wolle weiter im Bundesgebiet aufhältig bleiben und einer Beschäftigung nachgehen.
Beim Rechtsvertreter des Einschreiters handle es sich um den langjährigen Rechtsvertreter seines Arbeitgebers, worin der Grund für dessen Tätigkeit liege. Im angefochtenen Bescheid sei die Würdigung einzelner Umstände unrichtig und einseitig zulasten des Beschwerdeführers erfolgt. Die individuelle Abwägung zeige deutlich ein Überwiegen derjenigen Umstände, die für einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sprechen.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten am 12.11.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien. Er ist strafgerichtlich unbescholten.
Beim Beschwerdeführer liegen im Bundesgebiet nachfolgende Wohnsitzmeldungen vor: 11.12.2018 bis 02.01.2019 (Nebenwohnsitz) und 02.01.2019 bis dato (Hauptwohnsitz).
Der Beschwerdeführer heiratete am 06.12.2018 in Serbien eine rumänische Staatsangehörige, die die Freizügigkeit genützt hat. Dem Beschwerdeführer wurde mit Gültigkeit von 07.01.2019 bis 06.01.2024 durch die zuständige Aufenthaltsbehörde eine Aufenthaltskarte zum Zweck „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ erteilt.
Die nunmehrige Ex-Ehefrau des Beschwerdeführers war vom 02.01.2019 bis 26.02.2019 mit dem Beschwerdeführer an einem gemeinsamen Hauptwohnsitz gemeldet. Danach erfolgten nach einer Trennung Meldungen an anderen Adressen als Hauptwohnsitze, bis sie mit 16.11.2020 amtlich abgemeldet wurde. Die Ehe wurde mit Beschluss eines serbischen Gerichts vom 07.02.2020 einvernehmlich geschieden. Der Beschwerdeführer hat nicht aufgezeigt, dass ihm wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden konnte.
Der Beschwerdeführer ist laut einem Sozialversicherungsdatenauszug vom 22.06.2020 seit 23.01.2019-laufend als Arbeiter eines Gebäudereinigungsunternehmens beschäftigt. Er ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer hat lediglich Grundkenntnisse der deutschen Sprache und hat keinen Sprachkurs absolviert.
Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat in Österreich keine familiären Bindungen. Er hat in Österreich freundschaftliche Beziehungen zur Familie des Geschäftsführers seines Arbeitgebers und ein gutes – allerdings auf Kontakte bei der Arbeit beschränktes – Verhältnis zu Arbeitskollegen.
Der Beschwerdeführer ist in Serbien aufgewachsen, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte. Die Eltern, eine Schwester, die erste Ehegattin des Beschwerdeführers sowie zwei der ersten Ehe entstammende minderjährige Töchter leben in Serbien, wobei der Beschwerdeführer für die bei ihrer Mutter lebenden Töchter nicht unterhaltspflichtig und zur gemeinsamen Obsorge berechtigt ist.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des Gerichtsaktes.
Die Feststellungen zu Identität, Familienstand und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
Die Feststellungen über die Ehe des Beschwerdeführers mit einer rumänischen Staatsangehörigen und deren Scheidung ergeben sich aus den darüber im Akt einliegenden unbedenklichen Unterlagen, insbesondere der deutschen Übersetzung eines Auszugs des serbischen Gerichtsurteils über die Scheidung der Ehe vom 07.02.2020.
Der Aufenthaltszeitraum des Beschwerdeführers in Österreich seit November 2018 ergibt sich aus den Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister. Auch der Zeitpunkt der Auflösung des gemeinsamen Haushalts mit der früheren Ehefrau ist im Zentralen Melderegister ersichtlich.
Das Beschäftigungsverhältnis ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Versicherungsdatenauszug vom 22.06.2020 und aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 02.07.2020.
Die Feststellungen zu den familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich und in Serbien folgen den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 02.07.2020 sowie den in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid.
Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, im Bundesgebiet mit einer hier aufenthaltsberechtigten Person ein Familienleben zu führen oder sonst in einer besonderen sozialen Nahebeziehung zu stehen. Anhaltspunkte für ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis oder eine tiefgreifende integrative Verfestigung im Bundesgebiet bestehen nicht. Da der 42jährige Beschwerdeführer sich lediglich für einen Zeitraum von weniger als zwei Jahren in Österreich aufgehalten hat und den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, demnach er zuvor – den weit überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens – in Serbien gelebt hat, nicht entgegengetreten ist, kann den, ebenfalls nicht einzelfallbezogen konkretisierten, Ausführungen in der Beschwerde, wonach die Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Herkunftsstaat absolut untergeordnet sei, nicht gefolgt werden. Es ist ihm als gesunden Mann mit muttersprachlichen Kenntnissen der serbischen Sprache jedenfalls auch in seinem Herkunftsstaat möglich, mit beruflichen Tätigkeiten, etwa wie den in Österreich ausgeübten, selbständig für seinen Lebensunterhalt aufzukommen.
Der Beschwerdeführer hat selbst eingeräumt, während des fast zweijährigen Aufenthalts und seiner Erwerbstätigkeit lediglich Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben zu haben. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt hat, dass ihm ein Festhalten an der Ehe mit der rumänischen Staatsangehörigen wegen einer Beeinträchtigung von schutzwürdigen Interessen nicht habe zugemutet werden können, resultiert daraus, dass der Beschwerdeführerin ein entsprechendes Vorbringen im Verfahren nicht konkret erstattet, sondern in der Stellungnahme vom 02.07.2020 ausgeführt hat, dass die frühere Ehefrau ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hat.
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregister.
Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sind nicht zutage getreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Ausweisung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Als Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist. Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG unter anderem der Ehegatte eines EWR-Bürgers, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, insofern er den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht drittstaatsangehöriger Ehegatten bleibt (soweit entscheidungswesentlich) bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe gemäß § 54 Abs. 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf (Z 5).
Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger Serbiens grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch die Ehe mit einer rumänischen Staatsangehörigen, die die Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen.
§ 55 NAG lautet:
"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.6.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).
Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.
Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ankommt.
Dem Beschwerdeführer wurde auf Grund der Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten rumänischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs. 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Die Ehe hat weniger als drei Jahre bestanden – konkret ein Jahr und etwa zwei Monate – und blieb kinderlos. Es sind daher die Fälle des § 54 Abs. 5 Z 1 bis 3 und 5 NAG trotz der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers auszuschließen, da ein kumulatives Vorliegen der Voraussetzungen erforderlich ist.
Mit § 54 Abs. 5 NAG wird Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) umgesetzt. Der VwGH hat dazu in seiner Entscheidung vom 15.03.2018, Ro 2018/21/0002, ausgeführt:
„[…]
Der genannte Art. 13 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie lautet auszugsweise:
‚Artikel 13
Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft
(1) ...
(2) Unbeschadet von Unterabsatz 2 führt die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder die Beendigung der eingetragenen Partnerschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn
a) die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens oder bis zur Beendigung der eingetragenen Partnerschaft mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat, oder
b) [...]
c) es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft, oder
d) [...]‘
Aus Anlass des vorliegenden Falles ist nicht weiter auf die unterschiedlichen Formulierungen unter Buchst. c der zitierten unionsrechtlichen Norm einerseits und in der korrespondierenden nationalen Bestimmung des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG andererseits einzugehen. Vor dem Hintergrund des in Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Freizügigkeitsrichtlinie genannten Beispielsfalls kann es nämlich jedenfalls keinem Zweifel unterliegen, dass der - mit den Worten des BVwG - "typische Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet", keine "besonders schwierigen Umstände" darstellt, aufgrund derer die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des Revisionswerbers "erforderlich" gewesen wäre.
[…]“
Der Beschwerdeführer brachte vor, es sei zur Scheidung gekommen, nachdem die frühere Ehefrau ihn wegen eines anderen Mannes verlassen habe, was nach der zitierten Entscheidung keine „besonders schwierigen Umstände“ bzw. „besondere Härte“ darstellt.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind (VwGH Ra 2018/21/0049 vom 30.08.2018).
Der Beschwerdeführerin hält sich seit November 2018 rechtmäßig in Österreich auf und verfügt nur über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Im Bundesgebiet hat er einige Freunde, jedoch keine familiären/verwandtschaftlichen oder sonst engen sozialen Bindungen. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder Erwachsener im erwerbsfähigen Alter. Er ist aufgrund seiner seit Jänner 2019 ausgeübten Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig und unbescholten.
Der Beschwerdeführerin hat aber auch noch Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er aufwuchs und den Großteil des bisherigen Lebens verbrachte. Weiters halten sich dort seine beiden Töchter aus erster Ehe auf. Er spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut. Nach seiner Rückkehr nach Serbien wird er in der Lage sein, sich dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und damit die Lebenserhaltungskosten zu decken.
Die Ausweisung greift zwar nicht in das Familienleben, wohl aber in das Privatleben des Beschwerdeführers ein. Es wird ihm aber möglich sein, die Kontakte zu seinen in Österreich lebenden Freunden über diverse Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, zumal der Beschwerdeführer Österreich nach seiner Rückkehr nach Serbien während erlaubter visumfreier Aufenthalte besuchen kann.
Bei einer relativ kurzen Aufenthaltsdauer (hier ca 2 Jahre und 9 Monate) muss in Bezug auf die Integration eine "außergewöhnliche Konstellation" vorliegen, damit eine Ausweisung unverhältnismäßig ist (VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0260 mit Hinweis auf VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0212). Im vorliegenden Fall liegt mit weniger als zwei Jahren eine noch kürzere Dauer des Aufenthalts vor und besteht auch keinerlei solche außergewöhnliche Konstellation.
Die belangte Behörde ist daher im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art. 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
In Ermangelung einer im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelegenen raschen Ausreisenotwendigkeit hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Recht einen Durchsetzungsaufschub im Ausmaß von einem Monat erteilt.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.6.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.2.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.1.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu, zumal der maßgebliche Sachverhalt bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde und der Beschwerdeführer den dortigen Erwägungen in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde keine über die im angefochtenen Bescheid festgestellten hinausgehenden privaten oder familiären Bindungen im Bundesgebiet dargetan, er hat das Vorliegen familiärer Bindungen nicht behauptet und auch nicht konkret vorgebracht, dass ihm ein Festhalten an der Ehe mit der rumänischen Staatsangehörigen wegen der Beeinträchtigung schutzwürdiger persönlicher Interessen nicht zuzumuten gewesen wäre. Ebensowenig ist er der Annahme von nach wie vor vorhandenen Bindungen zu seinem Herkunftsstaat konkret entgegengetreten. Die beantragte mündliche Beschwerdeverhandlung konnte daher unterbleiben.
Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 MRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052 mit Hinweis auf 20.10 2016, Ra 2016/21/0289).
Ein solcher eindeutiger Fall liegt angesichts der kurzen Dauer des Aufenthalts, der nur gering ausgeprägten Integration und der bestehenden Bindungen zum Herkunftsstaat vor.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltsrecht Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Durchsetzungsaufschub Privatleben Unionsrecht VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W192.2236117.1.00Im RIS seit
28.01.2021Zuletzt aktualisiert am
28.01.2021