TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/25 W195 2011948-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2020
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Entscheidungsdatum

25.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch


W195 2011948-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.11.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52 Abs. 2 und Abs. 9, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 55 Abs. 3 FPG wird die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwedeführer (im Folgenden: BF) stellte am 21.07.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 22.07.2011 wurde der BF einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, in der er zu seinen Fluchtgründen angab, er sei Mitglied der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) und sei aus diesem Grund von Mitgliedern der Awami League (im Folgenden: AL) attackiert und zusammengeschlagen worden. Er sei auch mit dem Umbringen bedroht worden und daher aus Angst aus seinem Heimatland geflüchtet.

Am 26.07.2011 wurde das Verfahren durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte zugelassen.

Am 01.09.2011 wurde der BF einer Einvernahme durch ein Organ des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA) unterzogen, in der er im Wesentlichen seine in der Erstbefragung angegebenen Fluchtgründe wiederholte. Ergänzend brachte er vor, dass es Ende Mai oder Anfang Juni 2011 – nachdem er den Übertritt von der BNP zur AL zum wiederholten Mal abgelehnt habe – zu einem Vorfall gekommen sei, bei dem er von sieben oder acht Mitgliedern der AL attackiert und am rechten Oberarm verletzt worden sei. Er habe jedoch weglaufen können und sich danach für einige Tage bei Verwandten versteckt. Dann sei er ausgereist. Der BF sei einfaches Mitglied der BNP und erstmals Anfang 2010 von Mitgliedern der AL angesprochen worden, dass er sich dieser Partei anschließen solle. Seit dieser Zeit sei er zwei- bis dreimal pro Monat von Mitgliedern der AL bedroht worden. Der BF legte einen Polizeibericht (in bengalischer Sprache) aus dem Jahr 2007 vor, in welchem stehe, dass er ein Mitglied der AL geschlagen und bestohlen haben solle. Daher sei er bei der Polizei angezeigt worden. Diesbezüglich habe es auch ein Verfahren gegeben, das bereits beendet sei. Da „sie“ (offenbar gemeint: die Polizei) ihn im Jahr 2007 nicht gefunden hätten, hätten sie seinen Vater festgenommen und einen Tag später wieder freigelassen, da dieser unschuldig gewesen sei. Der BF habe den Polizeibericht mitgebracht, um zu zeigen wie er in seiner Heimat behandelt werde.

Sonst habe der BF keine Probleme in seinem Heimatland. Es würde ihm weder Verfolgung noch unmenschliche Behandlung noch die Todesstrafe drohen. In seiner Heimat habe er studiert und nebenbei bei einer Pharmazie (wohl gemeint: Apotheke) gearbeitet. Er habe zusammen mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gewohnt.

Er habe keine persönlichen Beziehungen und keine Verwandten in Österreich.

Auf Vorhalt der Länderfeststellungen des BAA zu Bangladesh gab der BF an, das stimme. Dort, wo er zu Hause sei, habe er jedoch keine Sicherheit. Die AL sei überall und zwar in ganz Bangladesh verstreut.

Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag des BF vom 21.07.2011 mit Bescheid vom 08.09.2011, XXXX erlassen am 10.09.2011, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dieser aus dem Bundesgebiet nach Bangladesh ausgewiesen.

Neben einer Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zum Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Partei wurde zunächst festgestellt, dass der BF Staatsangehöriger von Bangladesh sei und seine Identität nicht feststehe. Weiters leide er an keiner schwerwiegenden Erkrankung oder sonstigen Beeinträchtigung. In der Folge wurde begründend ausgeführt, dass der vorgebrachte Sachverhalt den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt werde. Das Vorbringen zu einer aktuellen Bedrohungssituation in Bangladesh sei als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Er habe keine persönlichen Beziehungen und keine Verwandten in Österreich.

Dies wurde beweiswürdigend wie folgt begründet:

„Die von der Behörde getroffenen Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung: Die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht muss nicht nur behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass der behauptete Sachverhalt wahrscheinlich verwirklicht worden ist.

Die Behörde hat sich dabei von folgenden Erwägungen leiten lassen:

-        betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Sie konnten im Verfahren keine amtlichen Dokumente vorlegen und Ihre Identität steht daher keinesfalls fest.

Auf Grund der Sprach- und Landeskenntnisse und der vorgelegten Kopien ihrer Dokumente ergab sich die Feststellung, dass Sie Staatsangehöriger von Bangladesch sind.

Die Angaben bezüglich Ihres Gesundheitszustandes ergeben sich aufgrund Ihrer niederschriftlichen Einvernahmen.

-        betreffend die Feststellungen der Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes:

Die Angaben über den Reiseweg nach Österreich sind äußerst vage. Es ist keinesfalls glaubhaft, dass Sie sich keine Details über den Fluchtweg hätten merken können. Es ist somit davon auszugehen, dass Sie bereits zum Fluchtweg bewusst unwahre Angaben machten, was wiederum ein Indiz dafür ist, dass die gesamte Aussage nicht der Wahrheit entspricht. Weiters kann daraus auch nur der Schluss gezogen werden, dass damit der wahre Reiseweg verschleiert werden sollte.

Zum Fluchtgrund befragt, gaben Sie im Wesentlichen an, dass Sie befürchten in Bangladesch von Mitgliedern der Awami League verfolgt zu werden. Der Sachverhalt wurde vage geschildert und beschränkte sich auf Gemeinplätze. Sie waren nicht in der Lage konkrete und detaillierte Angaben über Ihre Erlebnisse zu machen. So konnten Sie auf Grund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben keinen Bezug zu Ihrer Person herstellen und nicht glaubhaft machen, dass Sie das von Ihnen Geschilderte tatsächlich selbst erlebt hätten.

Ein Indiz für Ihre persönliche Unglaubwürdigkeit zeigt der Umstand, dass sie einerseits vorgebracht haben, dass sie Anfang 2010 das erste Mal von Mitgliedern der Awami League angesprochen und bedroht worden wären, andererseits eine Kopie eines Polizeischreibens aus dem Jahr 2007 vorgelegt haben, das beweisen soll, dass sie bereits im Jahr 2007 von Mitgliedern der Awami League angezeigt und schikaniert worden seien.

Soweit sie vorbringen seit Anfang 2010 jeden Monat mehrmals von Mitgliedern der Awami League angesprochen und bedroht worden zu sein, ist anzuführen, dass es nicht plausibel ist, dass sie schlussendlich erst im Juni 2011 ausgereist sind.

Weiters konnten sie nicht plausibel darlegen, wieso sie sich nicht an die Behörden gewandt haben, obwohl das Polizeischreiben aus dem Jahr 2007 beweist, dass die Behörden gewillt sind, falsche Anschuldigungen aufzudecken bzw. ausreichend Schutz zu gewähren.

-        betreffend die Feststellung Ihrer Situation im Falle der Rückkehr:

Da Ihnen wie bereits erörtert im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, Sie Anknüpfungspunkte verfügen, auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf Ihre Person bezogenen „außergewöhnlichen Umstand“ behaupteten oder bescheinigten, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben ist.

-        betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:

Die Angaben bezüglich Ihres Privat und Familienlebens ergeben sich aufgrund Ihrer niederschriftlichen Einvernahmen.

-        betreffend die Lage in Ihrem Herkunftsland:

Ihnen wurden die Feststellungen zu Bangladesch (siehe Beilage Parteiengehör) des BAA zur Kenntnis gebracht. Sie konnten diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation in Ihrem Herkunftsland ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte „notorische“ Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrens-gesetze 13-MSA 1998-89) keines Beweises. „Offenkundig“ ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder „allgemein bekannt“ (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch „bei der Behörde notorisch“ (amtsbekannt) geworden ist; „allgemein bekannt“ sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen – ohne besondere Fachkenntnisse – hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Zusammenfassend wird festgehalten, dass es im Asylverfahren nicht ausreichend ist, dass der Asylwerber Behauptungen aufstellt, sondern er muss diese glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und auch der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein. Ihre Aussagen entsprechen im Gesamten gesehen aber diesen Anforderungen nicht. Das gesamte Vorbringen zum Fluchtgrund war nicht verifizierbar. Das Vorbringen zu den Fluchtgründen ist vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten und als nicht glaubhaft zu bezeichnen. Die Behörde gelangt demnach zu dem Schluss, dass dem behaupteten Sachverhalt bezüglich einer aktuellen Bedrohungssituation in Bangladesch kein Glauben geschenkt wird.“

Zur innerstaatlichen Fluchtalternative wurde festgestellt:

„Innerstaatliche Fluchtalternative

Allgemeines

Das Gesetz garantiert Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Freizügigkeit bei Reisen ins Ausland, bei Auswanderung und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen auch in der Praxis. Bei Persönlichkeiten der politischen Opposition kann es vorkommen, dass diese bei der Ausübung ihrer Rechte eingeschränkt werden. Grundsätzlich bestehen keine rechtlichen Hindernisse, sich in anderen Landesteilen niederzulassen. Neuankömmlinge fallen aber wegen fehlender familiärer Bindungen und auf Grund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten Grenzen. Illegale Grenzübertritte in die Nachbarländer sind möglich und kommen vor.

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, Stand: April 2008, 01. Juli 2008 / U.S. DOS – U.S. Department of State: Bangladesh, 2010 Country Reports on Human Rights Practices, April 8, 2011)

Für Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten dürften innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten kaum vorhanden sein. Indiz dafür ist auch die verstärkte Auswanderung religiöser Minderheiten Richtung Indien. Aufgrund des Bevölkerungsreichtums und der nur schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen dürfte allerdings insbesondere für Opfer lokal-politisch motivierter Verfolgung das Ausweichen in andere Landesteile eine plausible Alternative sein. Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister gibt es in Bangladesch nicht. Auch ein gesetzlich geregeltes Verfahren zur Feststellung der Staatsangehörigkeit ist nicht existent.

(ÖB New Delhi: Bangladesh, Asylländerbericht, Stand: März 2010, via E-Mail am 21.06.2010)“

Mit am 22.09.2011 zur Post gegebenem Schriftsatz wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid Beschwerde erhoben und die Einbringung einer ausführlichen Begründung binnen 14 Tagen angekündigt.

Es wurde beantragt, a) eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, b) festzustellen, dass der BF Flüchtling ist, c) festzustellen, dass seine Abschiebung unzulässig ist, d) festzustellen, dass seine Ausweisung unzulässig ist und e) ihm eventuell eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr zu erteilen.

Mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes (im Folgenden: AsylGH) vom 29.09.2011, XXXX , wurde der BF aufgefordert, binnen Frist alle Beweismittel vorzulegen, allfällige neue Flucht- oder Verfolgungsgründe darzutun und zu erklären, ob dieser mit Erhebungen im Herkunftsstaat einverstanden sei. Weiters wurde er aufgefordert, allfällige Protokollrügen zum Verfahren vor dem BAA binnen gleicher Frist zu erstatten und allenfalls bestehende akute psychische und physische Erkrankungen darzutun. Auch wurden dem BF Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich gestellt und dieser darauf hingewiesen, dass er während des laufenden Beschwerdeverfahrens selbständig alle Veränderungen zu den oben bezeichneten Themengebieten schriftlich vorbringen und ebenso selbständig alle neu zur Verfügung stehenden Beweismittel vorlegen müsse.

Mit Schriftsatz vom 04.10.2011 erstattete der BF die angekündigte Beschwerdeergänzung und führte zunächst aus, dass die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid unvollständig und teilweise unrichtig seien. In der Folge wurden einige Länderberichte in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei bzw. das RAB (= Rapid Action Batallion) zitiert, jedoch ohne einen Bezug zum Vorbringen des BF herzustellen. Weiters wurde die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid kritisiert und dies damit begründet, dass die Behörde ungeeignete Fragestellungen angewandt habe, um den Sachverhalt zu eruieren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei im Fall des BF nicht gegeben, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass er in einem anderen Teil seines Heimatlandes von seinen Verfolgern gefunden werde. Auch die Verfolgung durch private Akteure könne asylrelevant sein, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, den Betroffenen davor zu schützen. Somit wäre ihm Asyl zu gewähren gewesen. Weiters würde bei einer Abschiebung nach Bangladesh eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliegen und wäre diese daher unzulässig. Die Behörde habe es unterlassen, den Sachverhalt hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens in Österreich ausreichend festzuhalten. Er sei in Österreich unbescholten, versuche, sich Deutsch durch den Alltagsgebrauch anzueignen, achte die österreichische Rechtsordnung und wolle sich integrieren.

Beantragt wurde a) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, b) ein medizinisches Gutachten bezüglich seiner Verletzungen einzuholen, c) den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, sowie in eventu d) den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt II zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, sowie in eventu e) den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass Spruchpunkt III betreffend die Ausweisung ersatzlos behoben wird, sowie in eventu f) den angefochtenen Bescheid zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen und g) dem BF jedenfalls einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beizugeben.

Am 18.10.2011 langte beim AsylGH eine Stellungnahme des BF zur Verfahrensanordnung des AsylGH vom 29.09.2011 ein, in welcher sich der BF zunächst mit Erhebungen in seinem Heimatland einverstanden erklärte. In der Folge brachte der BF vor, dass er keine Familienangehörigen und keine Bekannten in Österreich habe, die deutsche Sprache nicht beherrsche, keine Arbeit habe, keine Kurse in Österreich besuche und nicht Mitglied in einem Verein sei, nicht legal nach Österreich eingereist sei sowie bislang noch kein nicht auf Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht habe und in Österreich weder straffällig geworden noch von einem Gericht verurteilt worden sei.

Mit Erkenntnis vom 31.05.2012, XXXX , wies der AsylGH die Beschwerde als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass das für sich genommen detailarme und vage Vorbringen des BF nicht asylrelevant sei, zual dem BF keine statliche Verfolgung drohe. Zudem könne der BF eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen, insbesondere sei er keine exponierte Persönlichkeit und es bestehe in Bangladesch kein Meldewesen. Zudem sei der BF gesund und es bestehe in Bezug auf Bangladesch kein Bedrohungsszenario.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der BF Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (im Folgenden: VfGH), welcher die Behandlung der Beschwerde mit Bescchluss vom 26.09.2012, XXXX ablehnte.

Am 17.07.2013 stellte der BF durch den XXXX einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gem. § 46a Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG), wobei er vorbrachte, im fremdenpolizeilichen Verfahren mitgewirkt und allen Ladungen Folge geleistet zu haben. Ihm sei die Ausreise rechtlich und tatsächlich nicht möglich, wobei die Hinderungsgründe nicht in seinem Einflussbereich lägen.

Das nunmehr zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies mit Bescheid vom 27.08.2014, XXXX , den Antrag gemäß § 46a Abs. 2 FPG auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46 Abs. 1 FPG ab und begründete die im Wesentlichen damit, dass die Undurchführbarkeit der Abschiebung des BF in seinem Einflussbereich liege.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Infolge Zurückziehung dieser Beschwerde wurde das Beschwerdeverfahren mit hg. Beschluss vom 28.07.2016 XXXX , eingestellt.

Am 02.08.2016 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag. Bei einer diesbezüglichen Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zu Protokoll, neue Fluchtgründe zu haben. Er sei am 15.05.2016 bei der Polizeistation XXXX von seinen politischen Gegnern fälschlicherweise strafrechtlich angezeigt worden. Ihm sei ein Verstoß gegen das „Terrorbekämpfungsgesetz aus 2009“ vorgeworfen worden, In dem Verfahren sei ein Haftbefehl gegen den BF erlassen worden, diesen und Unterlagen lege der BF vor. Der BF erwarte kein faires Verfahren in seiner Heimat, weil die Gerichte in seinem Herkunftsland von der regierenden Partei (seinem Gegner) beeinflusst würden.

Am 20.09.2016 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, von der gegnerischen AL, die derzeit die Regierung stele, angezeigt worden zu sein. Eine Anzeige sei wegen „Hortal“ (Demonstrationen, Autos demolieren), die andere wegen Schlägereien, Molotov-Cocktails gewesen. Im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch komme der BF lebenslang ins Gefängnis. Der BF sei Mitglied der BNP gewesen, habe aber keinen Posten gehabt. Der BF sei bereit, nach Bangladesch zurückzugehen, aber sein Vater habe ihm gesagt, wenn der BF nachhause zurückkehre, dann würde er von der Polizei festgenommen oder von der Regierngspartei umgebracht werden. Man könne im Internet nachlesen, dass alle Gegner der Regierung im Gefängnis sterben würden. Er habe auch gehört, dass Anhänger seiner Partei im Gefängnis sterben oder verschwinden. In seiner Heimat habe er kein sicheres Leben.

In Österreich habe der BF viele Freunde, auch Österreicher; „wegen [s]einer Religion“ habe er keine feste Freundin.

Am 12.01.2017 wurde der BF neuerlich vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab er soweit wesentlich zu Protokoll, sein Fluchtgrund sei politisch. Er sei bei der BNP Mitglied und die regierende Partei habe versucht, ihn zu beeinfussen und weil das nicht gegangen sei, hätten sie ihn bedroht. Der BF habe sogar Morddrohungen erhalten. Es sei gegen ihn eine falsche Anklage erhoben worden und jetzt habe er zwei neue Haftbefehle. Seine alten Fluchtgründe seien aufrecht, es sei aber hinzugekommen, dass der BF nunmehr zwei weitere Male angezeigt worden sei. Die AL wisse, dass der BF nicht in angladesch sei, sie würden den BF mit den Anzeigen nur belästigen wollen. Wenn er nach Bangladesch zurückkehre, komme er in Haft. Dort würde er misshandelt und irgendwann umgebracht werden. Er würde angeklagt, weil er sich an Streiks beteiligt und die Polizei und Mitglieder der AL verletzt und Sprengstoff verwendet hätte. Diese Taten habe er nicht begangen.

Er sei falsch beschuldigt worden. In seinem Land sei es üblich, dass Leute angeklagt würden, wenn sie nicht im Land seien. Er habe letztes Mal nur Kopien der Beweismittel vorgelegt, nun habe er die Originale bei sich, die er vorlege.

Mit dem angefochtenen und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 15.01.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz vom 02.08.2016 gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG) wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 (im Folgende: AsylG 2005) nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (im Folgenden: BFA-VG) gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG, stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Begründend führte das BFA aus, der BF habe keinen maßgeblich geänderten Sachverhalt vorgebracht. Er beziehe sich auf bereits geltend gemachte „Sachverhaltskreise“. Diese seien bereits im Vorverfahren hinreichend gewürdigt worden. Daher habe sich eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes nicht ergeben. Nach Durchführung einer Interessenabwägung iSd Art. 8 EMRK führte das BFA aus, dass dieVoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht vorlägen und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF zulässig sei. Eine Gefährdung iSd § 50 Abs. 1 FPG erkannte das BFA nicht. Im Falle einer Entscheidung nach § 68 AVG bestehe eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht.

Dagegen erhob der BF innerhalb offener Frist durch XXXX gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin macht er im Wesentlichen geltend, er habe, entgegen den Ausführungen des BFA, sehr wohl einen neuen Sachverhalt vorgebracht. Es handle sich nicht um die „Asylgründe“ aus dem Vorverfahren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative könne der BF nicht in Anspruch nehmen.

In der Beschwerde wird der Antrag gestellt, der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid des BFA dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf internationalen Schutz zugelassen werde sowie, in eventu, den bekämpften Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Mit Schreiben vom 02.02.2017 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Mit hg. Beschluss vom 13.02.2017, XXXX wurde der Beschwerde gem. § 17 Abs. 1 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben vom 04.11.2020 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangaldesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 23.11.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

Mit Schreiben vom 05.11.2020 erklärte das BFA die Abstandnahme von der Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung.

Am 23.11.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Eingangs befragt, ob der BD an Krankheiten oder einem Gebrechen leidet, bejahte dies der BF und gab an, dass er Tabletten gegen Cholesterien und Tabletten gegen den Husten nehme.

Kontakt habe er zu seiner Familie, den Eltern und Geschwistern, die in Bangladesch leben, alle ein bis zwei Monate. Der Vater habe einen kleinen Handel, es ginge ihnen finanziell mittelmäßig.

In Österreich würde seine verheiratete Schwester leben. Im Rahmen der Verhandlung konnte festgestellt werden, dass eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache möglich, der Sprachwortschatz ausreichend ist. Der BF weist einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 auf.

Der BF hat keine Kinder und lebt auch in keiner Beziehung.
Er fühle sich „derzeit etwas gelangweilt“. Er sei im Fitnesscenter angemeldet, gehe in die Bücherei und fahre mit dem Rad. Er kümmere sich um sich selbst und gehe beten, manchmal verbringe er Zeit mit den vier Personen, die ihm ein Empfehlungsschreiben mitgegeben haben. Der BF habe bengalische Freunde – und einige österreichische.

Derzeit arbeite er nicht, er habe aber eine Einstellungszusage als Küchengehilfe. Nachgefragt, gab der BF an Koch werden zu wollen. Letztlich stellte sich heraus, dass der BF sich nicht erkundigt habe, welche Ausbildung man brauche, um Koch zu werden, sondern dass er lediglich eine Küchenhilfe sein möchte.

Der BF lebt von der Grundversorgung (€ 365) und zahlt € 150 an Miete für eine Wohnung. Er brauche ca € 400 bis € 450 und borge sich Geld vom Schwager. Um die Schulden zu begleichen würde der Vater Vermögen verkaufen. Der Vater würde den BF finanziell unterstützen, soweit es möglich sei, aber der Vater sei bereits sehr alt geworden und nicht mehr berufstätig.

Der BF habe Sorgen ob seiner Zukunft und könne deshalb schlecht schlafen. Gefragt, wie sich der BF seine Zukunft vorstelle, machte dieser keine konkrete Angabe, außer dass seine Schwester und sein Schwager in Österreich leben; er habe hier viele Jahre verbracht und es gefiele ihm gut. „Wenn Sie Mitleid mit mir haben, bitte ich Sie mir den Aufenthalt zu genehmigen“, war der Schlusssatz seiner Zukunftsperspektive.

Dem BF war in der Verhandlung vor dem BVwG bewusst, dass

-        sein Asylantrag vom Juli 2011 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.05.2012 rechtskräftig abgelehnt wurde; die Behandlung einer Beschwerde wurde vom VfGH abgelehnt.

-        der Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte vom 17.07.2013 rechtskräftig abgelehnt wurde; eine Beschwerde dagegen zurückgezogen.

-        der verfahrensgegenständliche Folgeantrag vom 02.08.2016 mit Bescheid des BFA vom 15.01.2017 negativ beschieden worden sei.

Dennoch glaube er, dass gegen ihn ein Haftbefehl in Bangladesch bestünde und er getötet werden würde, wenn er nach Bangladesch zurückkehre. Er hoffe daher, dass er hier in Österreich bleiben könne.

Der sehr engagierte Rechtsvertreter des BF versuchte sodann die „depressive Stimmung“ des BF hervorzuheben. Der BF meinte, er würde gerne die Eltern sehen, aber es ginge eben nicht. Er würde hier eine Zeit verbringen, „die nicht rpoduktiv“ sei. Es sei „eine verschwendete Zeit, wenn ich darüber nachdenke, kann ich nachts nicht schlafen“. Seine depressive Stimmung äußere sich dahingehend, dass der BF „die Lust, etwas zu tun, verliere“. Er sei deshalb beim Hausarzt gewesen, der ihm geraten habe, dass er mit einer Behandlung oder der Einnahme von Antidepressiva etwas warten solle. Er habe aber „demnächst“ einen Termin.

Nach seinem Folgeantrag befragt gab der BF an, dass er zwar hier sei, aber die politische Lage in Bangladesch „sehr grauenhaft“ sei. Es würde in Bangladesch ein Verfahren gegen ihn laufen, er werde als Täter beschuldigt, er werde von der Polizei gesucht.

Die Anzeige wegen einer Demonstration und der Haftbefehl würde aus 2016 stammen, einem Zeitpunkt, in dem der BF bereits in Österreich gewesen sei. Es sei eine falsche Anzeige. Gefragt, wie sich der BF dagegen gewehrt habe, meinte dieser, sein Vater sei zu Gericht gegangen, um die Unschuld des BF zu beweisen. Allerdings sei dies aufgrund der Politik und der Korruption nicht möglich.

Gefragt, weshalb den BF jemand fünf Jahre nachdem er das Land verlassen habe, anzeigen sollte, meinte der BF, er sei kein großer oder hoher Führer gewesen, er sei nur Unterstützer gewesen. Sie hätten versucht, dass er die Partei verlassen und zu ihnen gehen sollte. Als sie sahen, dass es so nicht läuft, hätten sie ihm immer wieder geschadet.

Gefragt, von wann bis wann der BF politisch aktiv war, meinte dieser, er sein von 2009 bis 2010 „Mitglied der BNP“ gewesen. Eine politische Funktion hatte er nicht inne, er war „normaler Arbeiter“.

Nach den Ausführungen zum Länderbericht und den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Bangladesch (und vergleichend dazu Österreich) verwies der Vertreter des BF nochmals auf die bisherigen Stellungnahmen. Der BF leide an einem depressiven Zustandsbild, das sich weiterhin verschlechtere. Die Krankheit bestünde über einen längeren Zeitraum und sei eine Behandlung (Kombination aus Psychotherapie und Medikamente) erforderlich; aus den Länderberichten ginge hervor, dass längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten wären. Für den BF wäre eine fachgerechte medizinische Behandlung nicht gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch, seine Identität steht nicht fest. Der BF hat in Österreich eine Schwester und einen Schwager. Er ist in Österreich unbescholten.

Der BF lebt von der Grundversorgung und zahlt € 150 an Miete.

Der BF hat bengalische und österreichische Freunde. Seine Deutschkenntnisse befinden sich auf dem Niveau B1. Der BF geht keiner Arbeit nach und fühlt sich gelangweilt.

Der BF ist sich bewußt, dass

-        sein Asylantrag vom Juli 2011 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 31.05.2012 rechtskräftig abgelehnt wurde; der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung einer Beschwerde abgelehnt;

-        der Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte vom 17.07.2013 rechtskräftig abgelehnt wurde; eine Beschwerde dagegen wurde vom BF zurückgezogen;

-        der verfahrensgegenständliche Folgeantrag vom 02.08.2016 mit Bescheid des BFA vom 15.01.2017 negativ beschieden wurde.

Dennoch verblieb der BF im Bundegebiet.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschieberelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des BF kann ebenso wenig festgestellt werden, wie eine maßgebliche Änderung der vom BF bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe. Den weiteren Fluchtgrund, nämlich die behauptete Anzeige aus dem Jahr 2016 wegen einer Demonstration und in weiterer Folge der angebliche Haftbefehl, bezeichnet der BF als „falsche Anzeige“, weil er sich im Bundesgebiet aufhielt. Sein Vater habe durch einen Gang zu Gericht versucht, dem entgegenzutreten.

Seit dem Abschluss seines ersten Asylverfahren sind keine Umstände eingetreten, wonach dem BF allein aufgrund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren in Bangladesch aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch die Lebensgrundlage entzogen wäre.

Der BF konnte keine politische Verfolgung glaubhaft machen. Der BF war von 2009 bis 2010 Mitglied der BNP. Seit 2011 hielt sich der BF im Bundesgebiet auf.

Der BF leidet an keinen seit den letzten Verfahren aufgetretenen akut lebensbedrohlichen oder im Herkunftsland nicht behandelbaren Krankheiten (Cholesterin; Husten). Auch wenn der Vertreter des BF davon spricht, dass der BF „ein depressives Zustandsbild“ habe, welches sich im Laufe der Zeit verschlechtere, nimmt der BF auf Grund ärztlichen Ratschlages seines Hausarztes keine Depressiva.

Der BF ist grundsätzlich arbeitsfähig. Der BF kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Coronavirus wird festgestellt, dass der BF nicht unter die Risikogruppe der Personen von über 65 fällt. Ein bei einer Überstellung des BF nach Bangladesch vorliegendes „real risk“ einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK ist auch aus diesem Grund nicht erkennbar.

Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Politische Lage:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh/Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB 8.2019) sowie zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien AL und BNP bestimmt (ÖB 8.2019; vgl. AA 21.6.2020, BS 29.4.2020). Klientelismus und Korruption sowie mafiöse Strukturen sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 21.6.2020; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der AL Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde sie für ihre vierte Amtszeit – die dritte Amtszeit in Folge – als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Wahlen und Willensbildungsprozess:

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei wies die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nannte die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und einem harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a). Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (6.3.2020a): Bangladesch – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 1.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        BBC – British Broadcasting Corporation (31.12.2018): Bangladesh election: PM Sheikh Hasina wins landslide in disputed vote, https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

?        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029402/country_report_2020_BGD.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3 by-polls,https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2019/01/27/voting-in-gaibandha-3-by-polls-underway, Zugriff 6.4.2020

?        DT – Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia’s candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019

?        DW – Deutsche Welle (14.2.2019): Bangladesh PM Sheikh Hasina hints at last term as prime minister, https://www.dw.com/en/bangladesh-pm-sheikh-hasina-hints-at-last-term-as-prime-minister/a-47513555, Zugriff 6.4.2020

?        DGVN – Deutsche Gesellschaft für die Vereintern Nationen (2016): EWP – Eine Welt Presse. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, https://nachhaltig-entwickeln.dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Eine_Welt_Presse/20170119_EWP_Arbeitsbedingungen_Nachdruck-web.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2019a): Bangladesch – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 24.3.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020): Bangladesch – Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 24.3.2020

?        Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020

?        Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020

?        HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch, per E-Mail

?        Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

Sicherheitslage:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere der Awami League (AL) und der Bangladesh Nationalist Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende AL hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch der mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nichtstaatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 21.6.2020).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 27.7.2020; vgl. AA 28.7.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 21.6.2020). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah auf religiös motivierte Vorfälle (AA 21.6.2020).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 28.7.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AnAg 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismusrelevanter Gewalt im Land. Im Jahr 2018 waren es 135 solcher Vorfälle und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 15.8.2020 wurden im Jahr 2020 58 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 17.8.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        AnAg – Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

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?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (27.7.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?        SATP – South Asia Terrorism Portal (17.8.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 17.5.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (29.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

Rechtsschutz/Justizwesen:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 21.6.2020).

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Die Einflussnahme der Regierungspartei auf Parlament und Justiz haben deren Unabhängigkeit inzwischen weitgehend beseitigt (AA 21.6.2020).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act“, „Women and Children Repression Prevention Act“, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“-Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sicherheitsbehörden:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat, die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 21.6.2020). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme oh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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