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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. August 1996, Zl. MA 61/IV-B 129/95, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. August 1996 den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 und 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), abgewiesen hat.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des als Konventionsflüchtling anerkannten Beschwerdeführers, der unbestritten erst seit 1988 seinen ordentlichen Wohnsitz ununterbrochen in Österreich hat, damit begründet, daß ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG nicht vorliege. Er sei mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und von Beruf Arbeiter. Er sei mehrere Jahre bei der "Gemeinde Wien" als Saisonarbeiter beschäftigt gewesen und habe dazwischen Krankengeld oder Arbeitslosenunterstützung bezogen. Seit Juli 1996 sei er als Gebäudereiniger tätig. Der Beschwerdeführer könne seit seiner Wohnsitznahme lediglich 44 Monate an versicherungspflichtiger Tätigkeit nachweisen. Er übe keinen Mangelberuf aus; die Flüchtlingseigenschaft stelle keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für eine vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft dar. Der Beschwerdeführer erfülle weder die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG (zehnjähriger Wohnsitz in Österreich) "noch die nach Z. 3 leg.cit. (mindestens vierjähriger Wohnsitz in Österreich)". Doch auch im Fall des Vorliegens einer entsprechenden Wohnsitzdauer wäre seitens der belangten Behörde im Hinblick auf die mangelnde Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt eine Übung des in § 11 StbG eingeräumten Ermessens zugunsten des Beschwerdeführers nicht beabsichtigt.
Der Beschwerdeführer führt zur Darlegung des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes aus, in seinem Fall spreche nicht nur seine Anerkennung als Flüchtling, sondern neben seiner langjährigen Integration in den Arbeitsmarkt auch seine familiäre Situation für ein Vorgehen im Sinne des § 10 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 StbG. Seine - kurdische - Gattin und seine beiden Töchter seien im Besitz entsprechender Aufenthaltsberechtigungen, sodaß sein Fall nicht mit der Situation verglichen werden könne, die dem von der belangten Behörde zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung herangezogenen hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1987, Zl. 87/01/0002, zugrunde gelegen sei. Der Beschwerdeführer könne auf eine fast vierjährige Integration in den Arbeitsmarkt verweisen und erfülle somit schon insoweit die im Gesetz vorgesehene vierjährige Wartezeit. Bei einer Globalbetrachtung seines Ansuchens und im Zusammenhang damit, daß er sich mit 19. Oktober 1998 bereits zehn Jahre durchgehend in Österreich aufhalte und somit ohnehin fast die zehnjährige Wartezeit gemäß § 10 Abs. 1 StbG erfülle, hätte die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, daß ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliege. In Ausführung der Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde sei angesichts der Erledigung seines Verleihungsansuchens erst nach mehr als vier Jahren (Einbringung des Verleihungsantrages am 2. Juli 1992) ihrer Pflicht zur entsprechend raschen Erledigung eines begründeten Antrages nicht nachgekommen.
Gemäß § 10 Abs. 3 StbG kann bei Verleihung der Staatsbürgerschaft von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 (seit zehn Jahren ununterbrochener Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik) abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt, oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Oktober 1996, Zl. 96/01/0573, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung.
Die belangte Behörde befindet sich zunächst mit ihrer Rechtsanschauung, die ins Treffen geführte Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers stelle für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund dar, auf dem Boden der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. für viele andere z.B. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0251, mit weiteren Judikaturhinweisen). Erst im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 11 zweiter Satz StbG ist "gegebenenfalls besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention ist" (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/01/0089, mit weiteren Judikaturhinweisen). Diese Ermessensübung kann erst dann einsetzen, wenn alle Verleihungsvoraussetzungen im Sinne des § 10 StbG - somit bei einer das Ausmaß von zehn Jahren unterschreitenden Aufenthaltsdauer auch das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes - gegeben sind. Liegt aber ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund nicht vor, kann auch die in § 11 zweiter Satz StbG verankerte Bedachtnahme auf die Flüchtlingseigenschaft eines Verleihungswerbers nicht dazu führen, daß in Ausübung des freien Ermessens von der angeführten Verleihungsvoraussetzung abgesehen werden könnte. Dies schließt aber nicht die Verpflichtung der Behörde aus, daß auf das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft in Fällen, in denen alle Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG - somit auch in Fällen des § 10 Abs. 3 leg. cit. - gegeben sind, besonders Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1997, Zl. 96/01/0513).
Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie die ins Treffen geführte Absicherung der Existenz des Beschwerdeführers nicht als besonders berücksichtigungswürdigen Grund gewertet hat, weil die Sicherung des Lebensunterhaltes - in der Regel durch eine unselbständige Erwerbstätigkeit - gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG eine zwingende Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellt. Auch hat der Beschwerdeführer selbst nicht behauptet, daß eine der von ihm ausgeübten Tätigkeiten etwa in einen Bereich fiele, für den in Österreich ein akuter Mangel an Arbeitskräften verzeichnet würde. Wieso die Ausübung von versicherungspflichtigen Tätigkeiten während eines Zeitraumes von etwa acht Jahren im Ausmaß von lediglich etwa 44 Monaten einen besonderen berücksichtigungswürdigen Grund darstellen soll, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.
In welcher Hinsicht aus den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten familiären Verhältnissen bzw. den Aufenthaltsberechtigungen seiner Familienangehörigen das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für die vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft abzuleiten wäre, kann der Beschwerde nicht entnommen werden.
Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Argumente können nicht als hinreichend dafür angesehen werden, daß die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, von dem Erfordernis der in § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG normierten zehnjährigen Wohnsitzdauer abzusehen.
Soweit der Beschwerdeführer die lange Dauer des von der belangten Behörde durchgeführten Verfahrens als Verfahrensmangel rügt, zeigt er nicht auf, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Vermeidung dieses vermeintlichen Mangels hätte gelangen können, sodaß dessen Relevanz nicht dargetan ist (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 250 angeführte Judikatur).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997010111.X00Im RIS seit
20.11.2000