TE Vwgh Beschluss 2020/12/28 Ra 2020/14/0545

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Veröffentlicht am 28.12.2020
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Index

E3R E19104000
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG 2014 §21 Abs3
BFA-VG 2014 §21 Abs6a
32013R0604 Dublin-III

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. August 2020, W240 2234052-1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 17. Juni 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, in der Türkei zum Militär eingezogen zu werden und gegen seinen Bruder, einem Mitglied der kurdischen JPG, kämpfen zu müssen, was er jedoch nicht wolle.

2        Mit Bescheid vom 28. Juli 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisonswerbers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin III-VO Frankreich für die Prüfung des Antrags zuständig sei. Es ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - ohne Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig.

4        Mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 3288/2020-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Daraufhin wurde gegenständliche Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das BVwG habe zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt und übersehen, dass eine vollständige Erhebung des wesentlichen Sachverhaltes nicht gegeben sei. Das BVwG habe es - wie schon das BFA - unterlassen, die Lebensgefährtin bzw. Verlobte des Revisionswerbers zu vernehmen und es sei zu Unrecht von einer geringen Intensität der Beziehung ausgegangen.

9        Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, das BVwG hätte mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) nicht von der Durchführung einer Verhandlung absehen dürfen, übersieht die Revision, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch das vorliegende Dublin-Verfahren zählt - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt. Dass das BVwG von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. dazu VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0250, mit Hinweis auf VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt, und zwar auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände, welche in der vorliegenden Revision angesprochen werden. Daraus ist aber noch keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0082, mwN).

11       Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das BVwG im vorliegenden Fall in vertretbarer Weise angenommen. Die Revision legt mit ihrem Vorbringen nicht dar, dass die Voraussetzungen für die Abstandnahme der mündlichen Verhandlung nicht gegeben gewesen wären.

12       Auch das Unterbleiben der in der Beschwerde beantragten Vernehmung der Lebensgefährtin hat das BVwG vertretbar unter anderem damit begründet, dass selbst bei Bestehen des behaupteten Familienlebens dieses in Kenntnis der Unsicherheit des Aufenthaltes begründet worden sei und nicht länger als höchstens etwa zwei Monate bestehe, sodass auch in diesem Fall - mangels weiterer besonderer Abhängigkeiten - die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegen würden (vgl. zur zulässigen Ablehnung von Beweisanträgen, wenn das Beweisthema als erwiesen angenommen wird oder unerheblich ist, und dem Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in diesem Zusammenhang nur bei grob fehlerhafter Beurteilung VwGH 23.4.2020, Ra 2019/01/0368, Rn 20, mwN).

13       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (etwa VwGH 11.11.2020, Ra 2020/14/0149, mwN).

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140545.L00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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