TE OGH 2020/11/30 5Ob92/20w

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen wohnrechtlichen Außerstreitsachen der jeweiligen Antragsteller(-innen) 1. E***** S*****, 2. M***** K*****, 3. B***** S*****, 4. H***** R*****, alle vertreten durch Mag. Elke Hanel-Torsch, Mietervereinigung Österreichs, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, jeweils gegen die Antragsgegnerin G***** regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Garzon, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 6 WGG iVm § 14 WGG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der 1.-Antragstellerin, des 3.-Antragsstellers und des 4.-Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. März 2020, GZ 39 R 8/20w-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]             1. Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der Angemessenheit des Entgelts gemäß § 22 Abs 1 Z 6 WGG iVm § 14 WGG. Die Antragsgegnerin schreibt den Antragsteller(-innen) seit 2015 iSd § 14 Abs 7 WGG einen Betrag in Höhe der letzten Annuität eines bereits getilgten Darlehens zur verstärkten Tilgung eines noch aushaftenden Kommunaldarlehens weiterhin vor. Strittig ist, ob mit diesen sogenannten Auslaufannuitäten (vgl 5 Ob 154/01k) auch die Annuitätensprünge des noch aushaftenden Darlehens abzudecken sind oder die Annuitätensprünge zusätzlich überwälzt werden dürfen.

Rechtliche Beurteilung

[2]             2.1. Nach § 14 Abs 1 WGG ist das angemessene Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraums unter Bedachtnahme auf § 13 WGG nach den Verteilungsbestimmungen des § 16 WGG zu berechnen. Bei dieser Berechnung dürfen (unter anderem) die Kosten zur Refinanzierung von Bau- und Grundkosten angerechnet werden (§ 14 Abs 1 Z 1–4 WGG). Sofern die Baulichkeit nicht aus Eigenmitteln finanziert wurde und deswegen die Absetzung für Abnützung maßgeblich ist, sind dies die Tilgung der Fremdmittel einschließlich der Darlehen aus öffentlichen Mitteln und die angemessene Verzinsung der Fremdmittel einschließlich der Darlehen aus öffentlichen Mitteln (§ 14 Abs 1 Z 1 und Z 2 WGG). In der Praxis – so auch hier – bestehen die Refinanzierungskosten regelmäßig in der Entrichtung einer Annuität, die Tilgung und Verzinsung iSv Z 1 und 2 enthält (Oberhammer/Scholz-Berger, Überlegungen zur Sachgerechtigkeit der Entgeltbildung im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, wobl 2019, 286 [287]).

[3]             2.2. Die Entgeltbestandteile in der Aufzählung des § 14 Abs 1 Z 1 bis 9 WGG sind veränderlich. § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG normiert eine Neufestsetzung des Entgelts, die sich aus einer Änderung der Berechnungsgrundlagen für die einzelnen Entgeltkomponenten des § 14 Abs 1 WGG (Zinssatzänderungen, Tilgung von Finanzierungsmitteln, Wegfall von Zuschüssen etc) ergibt (RIS-Justiz RS0116817, RS0119207).

[4]            2.3. Nach § 14 Abs 7 WGG können Beträge gemäß § 14 Abs 1 Z 1 und 2 WGG die nicht mehr zur Verzinsung und Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden, unverändert der Berechnung des Entgelts zugrunde gelegt werden. Diese Beträge sind 1. zur verstärkten Tilgung anderer noch aushaftender Fremdmittel, soweit Vertragsbestimmungen dem nicht entgegenstehen, 2. weiters zur verstärkten Tilgung von noch aushaftenden Darlehen aus öffentlichen Mitteln, 2a. [seit der WGG-Novelle 2019] im Übrigen für die (verstärkte) Tilgung der von der Bauvereinigung unter besonderer Beachtung der Grundsätze des § 23 WGG zur Deckung von Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen getätigten Eigenmitteleinsätze zu verwenden, 3. sodann für fünf Jahre den nicht verbrauchten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen nach § 14 Abs 1 Z 5 WGG und 4. danach den Rücklagen zuzuführen. Fallen daher die Ausgaben für Tilgung und Verzinsung von Fremdmitteln (zB wegen Tilgung einzelner Darlehen) weg, so können die ihnen entsprechenden Beträge weiterhin eingehoben und zur verstärkten Tilgung anderer aushaftender Fremdmittel und (danach) anderer Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden (Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 WGG § 14 Rz 8; Rudnigger in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht3 § 14 WGG Rz 15).

[5]             2.4. Nach vollständiger Tilgung der Fremd- und Eigenmittel gemäß § 14 Abs 7 Z 1 bis 2a WGG darf die Summe der sich aus § 14 Abs 7 in Verbindung mit § 14 Abs 1 Z 1 bis 3 WGG ergebenden Entgeltsbestandteile je Quadratmeter der Nutzfläche und Monat nicht höher sein als – der zu valorierende Betrag von – 1,75 Euro (§ 14 Abs 7a Satz 1 WGG idF der WGG-Novelle 2016). Bis zur WGG-Novelle 2016 betrug der (wertgesicherte) Höchstbetrag 70 % des Richtwerts für das Burgenland. Die Bestimmung des § 14 Abs 7a WGG begrenzt somit die nach § 14 Abs 7 WGG zulässigerweise zu verlangenden Auslaufannuitäten nach vollständiger Rückzahlung aller Fremdmittel einschließlich Darlehen aus öffentlichen Mitteln (Oberhammer/Scholz-Berger, Überlegungen zur Sachgerechtigkeit der Entgeltbildung im Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, wobl 2019, 286 [288]; Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht23 WGG § 14 Rz 8).

[6]             3.1. Die Antragsteller vertreten – zusammengefasst – den Standpunkt, die Verwendungsregelung des § 14 Abs 7 WGG umfasse auch die Annuitätensprünge des noch offenen, verstärkt zu tilgenden Darlehens. Diese seien durch die Beträge zur verstärkten Tilgung abzudecken und dürften den Mietern oder Nutzungsberechtigten nicht zusätzlich verrechnet werden. Die Anordnung des § 14 Abs 7 WGG, die nicht mehr zur Verzinsung und Tilgung von Fremdmitteln einschließlich von Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendeten Beträge könnten „unverändert der Berechnung des Entgelts zugrunde gelegt“ werden, sei nämlich dahin zu verstehen, dass das die letzte noch offene Rate enthaltende Entgelt unverändert weiter vorgeschrieben werden dürfe. Der Gesetzgeber sehe also eine Obergrenze in Höhe der letzten Gesamtannuität vor: nur der dieser entsprechende Betrag dürfe eben „unverändert der Berechnung des Entgelts“ zugrunde gelegt und den Mietern weiter vorgeschrieben werden. „Unverändert“ hätten also die Annuitätenzahlungen als Gesamtheit zu sein und nicht die einzelnen Teilkomponenten.

[7]            3.2. Diese Auslegung steht im Widerspruch zum klaren Wortlaut des Gesetzes. § 14 Abs 7 WGG bezieht sich ausdrücklich (nur) auf jene Beträge gemäß § 14 Abs 1 Z 1 und 2 WGG, die nicht mehr zur Verzinsung und Tilgung verwendet werden. Der Gesetzgeber hat dabei bewusst zwischen diesen Beträgen und anderen Entgeltkomponenten, insbesondere den Beträgen zur Tilgung anderer Fremdmittel differenziert. Das ergibt sich schon aus der Verwendungsregel des § 14 Abs 7 Z 1 und 2 WGG, wonach diese Beträge zur verstärkten Tilgung anderer noch aushaftender Fremdmittel und Darlehen aus öffentlichen Mitteln heranzuziehen sind, aber auch aus § 14 Abs 7a WGG, der die nach § 14 Abs 7 WGG zulässigerweise zu verlangenden Auslaufannuitäten nach vollständiger Rückzahlung aller Fremdmittel einschließlich Darlehen aus öffentlichen Mitteln begrenzt. Nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes ist somit unzweifelhaft, dass die Entgeltkomponenten gemäß § 14 Abs 1 Z 1 und 2 WGG, die für die Verzinsung und Tilgung noch offen aushaftender Fremdmittel einschließlich von Darlehen aus öffentlichen Mitteln verwendet werden, weiterhin veränderlich sind. Eine Änderung der Berechnungsgrundlagen, wie eben etwa einem Annuitätensprung, rechtfertigt die Neufestsetzung dieser einzelnen Entgeltkomponente.

[8]            3.3. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber normiert § 14 Abs 7 WGG daher keine Obergrenze für die gesamten auf die Refinanzierung der Grund- und Baukosten entfallenden Entgeltkomponeneten. Auch deren teleologischen Erwägungen zu dem im § 23 Abs 1 WGG normierten Gebot zur Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit und/oder das auf das dem WGG inhärente Kostendeckungsprinzip rechtfertigen eine solche Auslegung nicht. Das WGG ordnet in seinen Entgeltbildungsbestimmungen der §§ 13 und 14 WGG zwar grundsätzlich die Mietzinsbildung nach dem Kostendeckungsprinzip an. Es kennt allerdings echte Ausnahmen von diesem Kostendeckungsprinzip (5 Ob 72/18a). Eine solche vom Gesetzgeber statuierte Ausnahme ist auch die nach § 14 Abs 7 WGG bestehende und mit einer Verwendungsregelung verknüpfte Möglichkeit der Verrechnung einer Auslaufannuität (Würth/Zingher/Kovanyi/ Etzersdorfer, Miet- und Wohnrecht²³ § 14 Rz 1; Ortbauer, Die Auslaufannuität im WGG, Wohnen & Recht 2015, 75).

[9]             4. Wenn eine Norm – wie § 14 Abs 7 WGG hier – eine klare Regelung trifft, sodass im Auslegungsweg ein anderes Ergebnis als das des Rekursgerichts nicht ernstlich in Betracht kommt, liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor, wenn zu einer konkreten Fallgestaltung ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt (RS0042656; RS0102181). Der Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.

Textnummer

E130425

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00092.20W.1130.000

Im RIS seit

28.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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