TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/25 96/01/0638

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §20 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde 1. der M,

2. der mj. E, 3. der mj. K, alle in W, die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Mai 1996, Zl. Gem(Stb)-36928/6-1996/Mah/Ki, betreffend Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Mai 1996 wies die belangte Behörde den Antrag der Erstbeschwerdeführerin, einer iranischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter gleichzeitiger Erstreckung der Verleihung auf die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. Nr. 505/1994 (StbG), ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungs- bzw. Erstreckungsantrages der als Konventionsflüchtlinge anerkannten Beschwerdeführerinnen, von denen die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin unbestritten erst seit 1989 ihren ordentlichen Wohnsitz ununterbrochen in Österreich haben, damit begründet, daß ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Erstbeschwerdeführerin im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG nicht vorliege. Erhebungen hätten ergeben, daß gegen die Erstbeschwerdeführerin nichts vorliege und daß der Lebensunterhalt der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Kinder durch das Einkommen des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin, welcher nicht um die Verleihung der Staatsbürgerschaft angesucht habe, gesichert sei. Die Erstbeschwerdeführerin gehe seit 27. Oktober 1994 keiner Berufstätigkeit mehr nach. Entgegen der Ansicht der Erstbeschwerdeführerin sei zwar im Verwaltungsverfahren von der Möglichkeit einer Einbürgerung die Rede gewesen, wobei auf das Erfordernis des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes hingewiesen worden sei, doch sei eine definitive Zusage nicht erfolgt. Auch sei das freie Ermessen der Behörde nicht auf Grund einer Weisung geübt worden; die einzuhaltende Richtlinie stehe im Einklang mit der in § 11 StbG normierten Verpflichtung der Behörden, sich von Rücksichten auf das allgemeine öffentliche Wohl und auf öffentliche Interessen leiten zu lassen, und mit dem in § 10 Abs. 3 StbG festgelegten Erfordernis des Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für eine vor Ablauf der zehnjährigen Wohnsitzfrist beabsichtigte Verleihung. Eine von der Erstbeschwerdeführerin ins Treffen geführte Anwendung dieser Richtlinie ausschließlich auf Angehörige der Kriegsparteien des Balkankonfliktes widerspräche dem Gleichheitsgrundsatz. Der Versuch, aus der Flüchtlingseigenschaft eine "Härte" zu konstruieren, gehe ins Leere, weil Flüchtlingen eine unbeschränkte Aufenthaltsbewilligung und eine Beschäftigungsgenehmigung zustehe. Die Erstbeschwerdeführerin gestehe zu, daß die Integration der Beschwerdeführerinnen auch ohne den Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft gelungen sei. Diese Integration könne aber nicht als besonders berücksichtigungswürdiger Grund gewertet werden, weil diese als allgemeine Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft anzusehen sei. Diese Auffassung stehe in Übereinstimmung mit der hg. Rechtsprechung. Da die Flüchtlingseigenschaft für sich alleine keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstelle und andere derartige Gründe nicht geltend gemacht worden seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die Beschwerdeführerinnen machen in der Beschwerde geltend, die belangte Behörde sei an ihre im Jahre 1995 gegebene Zusicherung, nach Ablauf des siebenten Aufenthaltsjahres die Staatsbürgerschaft zu verleihen, gebunden. Die Verweigerung der Verleihung beruhe ausschließlich auf einer lediglich in Zeitungsartikeln kolportierten Richtlinie des Landeshauptmannes von Oberösterreich, die den Beschwerdeführerinnen - trotz an die Behörde gerichteter Aufforderung - nicht bekanntgegeben worden sei. Das Abgehen von einer einmal getroffenen Ermessensausübung ohne neue Sachverhaltselemente stelle daher einen Verfahrensmangel dar. Dadurch, daß einer internen Weisung des Landeshauptmannes gefolgt worden sei, während zuständige Behörde die Landesregierung sei, erweise sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides erblicken die Beschwerdeführerinnen darin, daß die belangte Behörde neben der Flüchtlingseigenschaft nicht darauf Bedacht genommen habe, daß die Drittbeschwerdeführerin mittlerweile geboren worden sei, die Zweitbeschwerdeführerin bereits jahrelang die Schule besuche und die Erstbeschwerdeführerin beruflich und familiär völlig integriert sei. Darin seien besonders berücksichtigungswürdige Gründe zu erblicken. Das Abwarten "der goldenen Mitte" zwischen Mindestwartefrist von vier Jahren und der "Höchstdauer" von zehn Jahren sei im Hinblick auf die Intentionen des StbG gerechtfertigt gewesen. Eine darüber hinausgehende Verhinderung der Verleihung trotz Vorliegens besonders berücksichtigungswürdiger Gründe entspreche nicht dem § 10 StbG. Für die "geheimgehaltene" Richtlinie fehle eine verfassungsgesetzliche Grundlage, sodaß deren Befolgung rechtswidrig sei.

Gemäß § 10 Abs. 3 StbG kann bei Verleihung der Staatsbürgerschaft von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 (seit zehn Jahren ununterbrochener Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik) abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Oktober 1996, Zl. 96/01/0573, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung.

Die belangte Behörde befindet sich zunächst mit ihrer Rechtsanschauung, die ins Treffen geführte Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerinnen stelle für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund dar, auf dem Boden der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. für viele andere z.B. das Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0251, mit weiteren Judikaturhinweisen). Erst im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 11 zweiter Satz StbG ist "gegebenenfalls besonders darauf Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention ist" (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 96/01/0089, mit weiteren Judikaturhinweisen). Diese Ermessensübung kann erst dann einsetzen, wenn alle Verleihungsvoraussetzungen im Sinne des § 10 StbG - somit bei einer das Ausmaß von zehn Jahren unterschreitenden Aufenthaltsdauer auch das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes - gegeben sind. Liegt aber ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund nicht vor, kann auch die in § 11 zweiter Satz StbG verankerte Bedachtnahme auf die Flüchtlingseigenschaft eines Verleihungswerbers nicht dazu führen, daß in Ausübung des freien Ermessens von der angeführten Verleihungsvoraussetzung abgesehen werden könnte. Dies schließt aber nicht die Verpflichtung der Behörde aus, daß auf das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft in Fällen, in denen alle Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG - somit auch in Fällen des § 10 Abs. 3 leg. cit. - gegeben sind, besonders Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1997, Zl. 96/01/0513).

Der belangten Behörde ist beizupflichten wenn sie die ins Treffen geführte gesellschaftliche Integration der Beschwerdeführerinnen und die Absicherung ihrer Existenz nicht als besonders berücksichtigungswürdigen Grund gewertet hat, weil die Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG eine zwingende Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellt; auch die soziale Integration kann nicht als besonders berücksichtigungswürdiger Grund angesehen werden.

In welcher Hinsicht aus der Geburt der Drittbeschwerdeführerin oder aus dem Schulbesuch der Zweitbeschwerdeführerin das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für die vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft abzuleiten wäre, kann der Beschwerde nicht entnommen werden.

Auch die geltend gemachte Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerinnen in Österreich kann angesichts des Umstandes, daß für die Erfüllung der in § 10 Abs. 1 StbG normierten zehnjährigen Wohnsitzdauer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - hinsichtlich der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin - noch mehr als zwei Jahre fehlten, nicht als besonders berücksichtigungswürdiger Grund angesehen werden.

Es ergibt sich somit, daß die in § 10 Abs. 3 StbG geforderten Voraussetzungen für eine vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Beschwerdeführerinnen nicht vorlagen. Daraus folgt, daß die belangte Behörde im Beschwerdefall gar nicht zu einer Ermessensentscheidung gemäß § 11 StbG gelangen konnte. Die von den Beschwerdeführerinnen ins Treffen geführte, von der belangten Behörde angeblich angewendete interne Richtlinie für die Ermessensübung konnte somit gar nicht zum Tragen kommen. Die gegen diese Richtlinie bzw. deren Anwendung gerichteten Beschwerdeausführungen gehen daher ins Leere. Auch von einer nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen auf Grund der Anwendung dieser Richtlinie gegebenen Unzuständigkeit der belangten Behörde kann nicht die Rede sein.

Soweit sich die Beschwerdeführerinnen auf die Nichteinhaltung einer ihnen angeblich von einem Organwalter der belangten Behörde gegebenen Zusage, nach siebenjähriger Aufenthaltsdauer die Staatsbürgerschaft zu verleihen, beziehen, machen sie damit keine vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechtsverletzung geltend. Daß den Beschwerdeführerinnen aber die Verleihung der Staatsbürgerschaft durch einen gemäß § 20 Abs. 1 StbG ergangenen Bescheid zugesichert worden wäre, haben sie selbst nicht behauptet und ist solches den Verwaltungsakten auch nicht zu entnehmen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010638.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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