TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/3 W233 1437832-3

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Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §7 Abs4

Spruch

W233 1437832-2/4E

W233 1437832-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

I. vom 27.07.2020, Zahl: 821062601 - 191100404, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunk I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

„Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand vom 05.06.2020 wird gemäß § 33 Ab. 1 VwGVG abgewiesen“.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. vom 27.12.2019, Zahl: 821062601 – 191100404, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste im August 2012 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hat das damalige Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 05.09.2013 sowohl in Bezug auf die beantragte Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten als auch in Bezug auf die beantragte Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und den Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 04.11.2014, GZ W167 1437832-1/6E, die dagegen eingebrachte Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen, dem Beschwerdeführer allerdings den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

In der Folge hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Anträgen des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung bis 04.11.2017 bzw. bis 04.11.2019 entsprochen.

Mit Bescheid vom 27.12.2019, Zl. 821062601 – 191100404 hat das Bundesamt dem Beschwerdeführer den ihm mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2014 zuerkannten Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), ihm seine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten entzogen (Spruchpunkt II.), ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) Schließlich hat das Bundesamt dem Beschwerdeführer eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.). Unter einem wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater von Amts wegen zur Seite gestellt. Dieser Bescheid samt der Verfahrensanordnung wurde dem Beschwerdeführer am 07.01.2020 durch Hinterlegung an seiner Abgabestelle zugestellt.

Mit vom 05.06.2020 datiertem Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer durch seine Vertretung beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sowie einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2019 ein. Unter einem wurde mit diesem Schriftsatz Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.12.2019 erhoben.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete der Beschwerdeführer damit, dass er zwar am 09.01.2020 die Rechtsberatung der Diakonie aufgesucht und für den 20.01.2020 ein Beratungsgespräch vereinbart habe, er allerdings – nachdem die Polizei zu seiner Wohnung gekommen sei - in Panik geraten wäre und deshalb keinen anderen Ausweg gesehen habe, als in ein anderes Land zu flüchten. Er habe Todesangst verspürt und es monatelang nicht gewagt nach Österreich zurückzukehren. In dieser Zeit habe er sich in der Schweiz, Deutschland, Frankreich und Belgien aufgehalten. Es sei evident, dass der Beschwerdeführer weder auffallend sorglos gehandelt habe noch sei es in seiner Macht gelegen, früher Beschwerde zu erheben. Ein Verschulden, dass der Beschwerdeführer zu verantworten habe, sie ihm nicht zuzurechnen. In diesem Zusammenhang wurde der Antrag gestellt ein fachärztliches Gutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass der Beschwerdeführer an einer relevanten Angststörung leide, weshalb er ohne sein Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, die nötigen Schritte zu setzen und eine Beschwerde einzubringen.

Mit Bescheid vom 27.07.2020, Zl. 821062601 - 191100404 wies die belangten Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (Spruchpunkt I.) und erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung nicht zu (Spruchpunkt II.). Zusammenfassend begründete das Bundesamt diese Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer nicht durch ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis verhindert war, die Rechtsmittelfrist einzuhalten.

Mit Schriftsatz vom 14.08.2020 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Nichtgewährung seiner beantragten Wiedereinsetzung und stellte abermals einen Antrag auf aufschiebende Wirkung. Soweit hier wesentlich stützte der Beschwerdeführer seine Beschwerde darauf, dass er als an Angststörungen und Depression Leidender – nachdem er erfahren habe, dass die Polizei zu seiner Wohnung gekommen sei - in Panik geraten sei, weshalb er keinen anderen Grund gesehen habe, in ein anderes Land zu flüchten. Da der Beschwerdeführer sich nicht in Grundversorgung befände, wäre es ihm nicht möglich gewesen einen Arzt aufzusuchen, doch sei es im durch die Mithilfe einer Mitarbeiterin des Integrationshauses gelungen Kontakt zum Psychosozialen Dienst Wien herzustellen, in Zuge dessen ihm im Rahmen eines Telefongesprächs die Medikamente Olanzapin und Mirtazapin verschrieben worden wären.

Mit Beschwerdeergänzung vom 25.08.2020 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er für den 08.09.2020 einen Termin beim Verein Initiative zur Psycho.-soz. therapeutischen und sozial-kulturellen Integration (ESRA) vereinbart habe, um dort eine Gesprächstherapie aufgrund seiner Angststörung und Depression zu beginnen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bescheid vom 27.12.2019, Zl. 821062601 - 191100404 wurde dem Beschwerdeführer am 07.01.2020 durch Hinterlegung an seiner Abgabestelle rechtswirksam zugestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides wurde auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist ab Zustellung verwiesen, welche mit Ablauf des 04.02.2020 endete.

Der Beschwerdeführer hat nach der Zustellung des Bescheides vom 27.12.2019 und während der laufenden Beschwerdefrist am 09.01.2020 die ihm mit Verfahrensanordnung vom 27.12.2019 bekanntgegebene Rechtsberatungsorganisation ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe aufgesucht.

Die Beschwerde samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Schriftsatz vom 05.06.2020 versendet und langten noch am 05.06.2020 bei der belangten Behörde ein.

Beim vom Beschwerdeführer als Auslöser seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand behaupteten Ereignis, nämlich ein ca. 2 Tage nach dem 09.01.2020 stattgefundener Polizeieinsatz an seiner Wohnadresse, aufgrund dessen er in Panik geraten wäre und das österreichische Bundesgebiet verlassen habe, handelt es sich nicht um ein für das Versäumen der Beschwerderist gegen den Bescheid vom 27.12.2019 kausales Ereignis.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Die Feststellung, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Polizeieinsatz ca. 2 Tage nach dem 09.01.2020 nicht kausal für das Versäumen der Beschwerdefrist gegen den Bescheid vom 27.12.2019 war, stützen sich darauf, dass sich in dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt des Beschwerdeführers keine Hinweise auf einen solchen Polizeieinsatz finden. Vielmehr ist in diesem Verwaltungsakt dokumentiert, dass, erst nachdem das zuständigkeitshalber von der Regionaldirektion Steiermark des Bundesamtes geführte Aberkennungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen war, der Akt am 14.02.2020, an die Regionaldirektion Vorarlberg des Bundesamtes abgetreten wurde. Mit Schriftsatz vom 24.03.2020 ersuchte die Landespolizeidirektion Vorarlberg die Polizeiinspektion Rankweil mit Erhebungen zum Aufenthaltsort des Beschwerdeführers. Dem Bericht der Polizeiinspektion Rankweil vom 01.04.2020 ist zu entnehmen, dass eine Erhebung an der der Behörde bekannten Wohnadresse des Beschwerdeführers ergeben habe, dass der Beschwerdeführer seit über einem Monat nicht mehr an seiner Meldeadresse wohnhaft und nach Frankreich verzogen sei. Der vom Beschwerdeführer geschilderte Polizeieinsatz hat daher nicht wie von ihm behauptet ca. 2 Tage nach dem Aufsuchen seiner Rechtsvertretung am 09.01.2020, sondern erst am 01.04.2020 stattgefunden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I.A)

§ 33 VwGVG lautet:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.“

Die belangte Behörde hat zu Recht ihre Zuständigkeit zum Abspruch über diesen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Bescheid angenommen, da dieser Antrag auf Wiedereinsetzung gemeinsam mit der Beschwerde eingebracht wurde (VwGH, 26.09.2018, Ra 2017/17/0015; siehe auch VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).

Der Bescheid vom 27.12.2019, Zl. 821062601 - 191100404 wurde dem Beschwerdeführer am 07.01.2020 durch Hinterlegung an seiner Abgabestelle rechtswirksam zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach mit Ablauf des 04.02.2020, weshalb die mit Schriftsatz vom 05.06.2020 eingebrachte Beschwerde verspätet erfolgte. Mit dieser Beschwerde wurde unter einem der Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer zwar noch am 09.01.2020 die ihm bekannt gegeben Rechtsberatungsorganisation aufgesucht habe, er allerdings – nachdem er davon erfahren hätte, dass die Polizei zu ihm nach Hause gekommen wäre – in Panik geraten wäre und das Land verlassen habe. Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages führt der Beschwerdeführer aus, dass er am 27.05.2020 die Rechtsberatung der Diakonie aufgesucht habe und erst dort erstmals von der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand erfahren habe. Der mit 05.06.2020 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag sei daher fristgerecht erfolgt.

Mit der Frage der fristgerechten Einbringung eines Antrags auf Wiedereinsetzung hat sich der VwGH in seiner Entscheidung vom 28.01.2016, Ra 2015/16/0083, auseinandergesetzt. Aus diesem Rechtsatz ist abzuleiten, dass jenes Ereignis, das die Fristeinhaltung verhindert hat, dann wegfällt, sobald der Wiedereinsetzungswerber den Wegfall dieses Ereignisses bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können und müssen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde am 05.06.2020 eingebracht. Dem Antrag ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer aufgrund von ihm behaupteter psychischer Probleme das österreichische Bundesgebiet ca. 2 Tage nachdem er am 09.01.2020 einen Termin mit seiner Rechtsberatung wahrgenommen hatte, verlassen habe und nach seiner Rückkehr in das österreichische Bundesgebiet am 27.05.2020 neuerliche seine Rechtsberatung aufgesucht habe. Somit ist das Hindernis am 27.05.2020 weggefallen und erweist sich der Antrag auf Wiedereinsetzung als rechtzeitig eingebracht.

Jedenfalls vermögen die beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vom 27.07.2020, dass die Behörde nicht inhaltlich in die Sache eintrete, da der Sachverhalt feststehe, kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Auch die Ausführung, dass der Beschwerdeführer in voller Kenntnis über die ordnungsgemäße Zustellung des Bescheides bzw. der Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde gewesen sei, ist nicht geeignet die Rechtzeitigkeit der Einbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in Zweifel zu ziehen.

Als Ereignis im Sinne des § 71 AVG bzw. § 33 VwGVG ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person ebenso durch eine alltägliche Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewalteinwendungen von außen. Unvorhergesehen ist aber ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. VwGH 26.08.1998, 96/09/0093).

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des „unabwendbaren“ erfasst jenes des „unvorhergesehenen“ Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. VwGH 15.09.2005, 2004/07/0135).

Zudem hält der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung fest, dass ein zur Wiedereinsetzung führendes Ereignis nur dann vorliege, wenn es sich um ein Geschehen handelt, das für das Versäumen der Frist kausal war. Somit trifft einen Wiedereinsetzungswerber die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was als Grundlage ein entsprechend begründetes Antragsvorbringen voraussetzt. Diese Nachweispflicht bezieht sich auch auf die Darlegung, dass der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) die ihm im Zusammenhang mit der Einhaltung der versäumten Frist gebotene Sorgfaltspflicht nicht außer Acht gelassen hat und dass ihm nicht mehr als bloß ein minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis zur Last liegt (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0119 mwN).

Im vorliegenden Fall bringt der Beschwerdeführer vor, dass er – nachdem er von Nachbarn erfahren habe, dass ca. 2 Tage nach seinem Termin bei seiner Rechtsberatungsorganisation am 09.01.2020 die Polizei zu seiner Wohnung gekommen wäre – in Panik geraten wäre und Österreich in Todesangst verlassen hätte. Aufgrund seiner Angststörung und seiner Depression sei er von der rechtzeitigen Erhebung einer Beschwerde gehindert gewesen.

Zwar erfüllt eine krankheitsbedingte Säumnis die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Judikat vom 25.04.2018 festhält (VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0057), „wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderen Licht - nämlich als bloß minderer Grad des Versehens - zu beurteilen ist (VwGH, 22.07.2004, 2004/20/0122, mwN). Für die Wiedereinsetzung reicht es nicht aus, wenn die Partei gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst zu setzen. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen - im Besonderen durch Beauftragung eines Vertreters - entgegen zu wirken (VwGH, 29.11.2007, 2007/21/0308) bzw ihr auch insofern nur ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten vorgeworfen werden könnte.“

Wie bereits oben ausgeführt muss ein für die Versäumung der Frist kausales Ereignis vorliegen. Gerade dieser Kausalzusammenhang fehlt aber im konkreten Fall des Beschwerdeführers, denn wie festgestellt und in der Beweiswürdigung aufgezeigt, fand ein solcher Polizeieinsatz zwei Tage nach dem Aufsuchen der Rechtsberatungsorganisation nicht statt.

Darüber hinaus ist dem Beschwerdeführer vorzuhalten, dass er am 09.01.2020 seine ihm mit Verfahrensanordnung bekannt gegebene Rechtvertretungsorganisation aufgesucht hat. Wenn auch anlässlich dieses Besuchs erst für den 20.01.2020 ein Beschwerdegespräch vereinbart worden ist, so ist dennoch davon auszugehen, dass sowohl dem Beschwerdeführer als auch der Rechtsvertretungsorganisation somit bewusst war, dass die Rechtsmittelfrist gegen den Bescheid vom 29.12.2019 noch bis Ablauf des 04.02.2020 läuft. Zudem tritt auch nichtvertretene Parteien bei der Wahrnehmung von Fristen eine erhöhte Sorgfaltspflicht (vgl. VwGH, 25.09.2018, Ra 2016/05/0018).

Somit kann im Fall des Beschwerdeführers auch nicht von einem nur minderen Grad des Versehens ausgegangen werden. Denn der Beschwerdeführer hätte auch nach seinem behaupteten Verlassen des österreichischen Bundesgebietes während der noch laufenden Beschwerdefrist durch die Beauftragung eines Vertreters, z.B. jener Rechtsberatungsorganisation die er am 09.01.2020 aufsuchte, zur Einbringung einer Beschwerde der Fristversäumung entgegenwirken können.

Die vom Beschwerdeführer geschilderten Umstände stellen allein schon mangels fehlender Kausalität weder ein unabwendbares noch ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG dar.

Die Beschwerde gegen den den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand abweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 27.07.2020 ist damit abzuweisen.

Das Bundesamt hätte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand jedoch auf die Rechtsgrundlage des § 33 Abs. 1 VwGVG abweisen und nicht zurückweisen müssen, weil dieser Antrag rechtzeitig eingebracht wurde. Die Abweisung der Beschwerde hat daher unter einer entsprechenden Maßgabe zu erfolgen.

3.2. Zu Spruchpunkt II.A.:

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

§ 32 AVG bestimmt:

„5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.“

Der Bescheid vom 27.12.2019 mit welchem dem Beschwerdeführer ua. sein Status als subsidiär Schutzberechtigter aberkannt wurde, wurde ihm am 07.01.2020 rechtswirksam durch Hinterlegung an seiner Abgabestelle zugestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides wurde auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist ab Zustellung verwiesen, welche mit 04.02.2020 endete.

Die Beschwerde samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Schriftsatz vom 05.06.2020 bei der belangten Behörde eingebracht. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen diese Fristversäumnis wurde nicht gewehrt, die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Die Beschwerde vom 05.06.2020 gegen den Bescheid vom 27.12.2019, Zl. 821062601 - 191100404, erweist sich somit als verspätet und ist zurückzuweisen.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

3.4. Zu den Spruchpunkten I.B und II.B zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Hinterlegung Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung Zustellung durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W233.1437832.3.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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