TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/14 W280 2227726-1

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Veröffentlicht am 14.09.2020
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Entscheidungsdatum

14.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W280 2227726-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX .10.1980, StA. Kosovo, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM LL.M., MAS LL.M., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .11.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder belangte Behörde) vom XXXX .10.2019 wurde der Beschwerdeführer (BF) unter Hinweis auf die beabsichtigte Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu einer niederschriftlichen Einvernahme geladen. Diese fand am XXXX .10.2010 vor dem BFA statt.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid, dem BF im Wege seines Rechtsvertreters am XXXX .11.2019 zugestellt, wurde dieser gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. (Spruchpunkt II.).

Mit Schriftsatz vom XXXX .12.2019, beim BFA am XXXX .12.2019 eingebracht, erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Darin wurde die Anberaumung und Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, die Abänderung des angefochtenen Bescheides wonach die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in den Kosovo dauerhaft für unzulässig erklärt und das Ausweisungsverfahren eingestellt wird, in eventu die Behebung des Bescheides und neuerlichen Entscheidung durch die belangte Behörde nach Verfahrensergänzung aufgetragen werde, beantragt.

Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA am XXXX .01.2020 vorgelegt und sind am XXXX .01.2020 beim BVwG eingelangt.

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 04.03.2020 wurde die Beschwerdesache einer anderen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angegeben Identität und ist Staatsangehöriger von Kosovo.

In den Jahren 19 XXXX bis 20 XXXX war der BF als Saisonarbeiter in Österreich tätig.

Seit XXXX .05.2015 hält dieser sich durchgehend in Österreich auf und ehelichte am XXXX .08.2015 die in Österreich wohnhafte rumänische Staatsangehörige XXXX , geb. XXXX .06.1980.

Dem BF wurde über seinen Antrag vom XXXX .08.2015 am XXXX .10.2015 eine Aufenthaltskarte "Angehöriger einer EWR-Bürgerin" ausgestellt. Während seines bisherigen Aufenthalts in Österreich ging dieser in den Zeiträumen vom XXXX .10.2015 bis XXXX .12.2015, vom XXXX .03.2016 bis XXXX .09.2016, vom XXXX .10.2016 bis XXXX .01.2017, vom XXXX .04.2017 bis XXXX .02.2018, vom XXXX .03 2018 bis XXXX .03.2018, vom XXXX .03.2018 bis XXXX .01.2019 sowie ab XXXX .02.2019 bis zum Tag der Entscheidungsfindung Erwerbstätigkeiten nach.

Der Bezug von Überbrückungshilfe durch den BF konnte für die Zeiträume von XXXX .10.2015 bis XXXX .10.2015 und von XXXX .12.2015 bis XXXX .03.2016, jener von Arbeitslosengeld für die Zeiträume von XXXX .01.2017 bis XXXX .04.2017, von XXXX .03.2018 bis XXXX .03.2018 und von XXXX .02.2019 bis XXXX .02.2019 festgestellt werden.

Die Ehe des BF wurde am XXXX .02.2018 einvernehmlich geschieden.

Lose, aber mit regelmäßigen Besuchen verbundene, verwandtschaftliche Beziehungen seitens des BF bestehen zu 5 Cousins bzw. Cousinen, die im Bundesgebiet aufhältig sind.

In Kosovo leben die Eltern sowie zwei Geschwister des BF.

Längere, über den Zeitraum von zwei Wochen Urlaub hinausgehende, Aufenthalte in Kosovo konnten seit XXXX .05.2015 nicht festgestellt werden.

Der BF ist aufrecht sozialversichert und seit XXXX .02.2019 bei der Fa. XXXX GmbH als Arbeiter vollzeitbeschäftigt. Im Juli 2019 bezog der BF einen Bruttolohn von EUR 3.XXXX , im August 2019 einen Bruttolohn von EUR 4. XXXX , sowie im September 2019 einen Bruttolohn von EUR 3. XXXX .

Der BF ist gesund und arbeitsfähig und erweist sich in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten.

Die Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswesen wurde vom BF erfolgreich absolviert. Ebenso werden vom BF fachliche Weiterbildungsmaßnahmen wahrgenommen.

Es konnten keine familiären Bezugspunkte im Bundesgebiet festgestellt werden, soziale Kontakte sind vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der BF getroffen wurden, so beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Die Angaben über den Aufenthaltsort seiner Eltern und Geschwister sowie die bestehenden Kontakte zu den im Bundesgebiet aufhältigen Cousins und Cousinen aus den Angaben des BF gegenüber der belangten Behörde.

Die Daten zur Verehelichung respektive Scheidung des BF gründen in dessen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme sowie dem im Verfahrensakt einliegenden Beschluss des Bezirksgerichtes Wels betreffend die einvernehmliche Ehescheidung

Die Feststellungen betreffend den durchgängigen Aufenthalt in Österreich seit XXXX .05.2015 ergeben sich aus dessen Aussagen vor der belangten Behörde sowie den damit korrelierenden Daten aus dem Zentralen Melderegister sowie dem Auskunftsverfahren AJ-WEB, jene zu den gelegentlichen, das Ausmaß von 2 Wochen Urlaub nicht überschreitenden, Aufenthalte im Herkunftsstaat gründen auf seinen Angaben gegenüber der belangten Behörde.

Die Feststellungen hinsichtlich der vom BF ausgeübten Beschäftigungen und jener Zeiträume, in denen dieser Arbeitslosengeld und Überbrückungshilfe bezogen hat, gründen im Auskunftsverfahren AJ-WEB. Die über den dem BF in den Monaten Juli bis September 2019 gebührenden Bruttolohn auf den von diesem der belangten Behörde im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vorgelegten Entgeltabrechnungen seines Dienstgebers.

Dass der BF gesund und arbeitsfähig ist beruht auf dessen Angaben gegenüber der belangten Behörde. Gegenteilige Anhaltspunkte sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die Feststellungen betreffend die strafrechtliche Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich.

Die bestehenden Kenntnisse der deutschen Sprache ergeben sich formal aus dem im Verfahrensakt einliegenden Zeugnis zur Integrationsprüfung, welche der BF am XXXX .03.2018 mit dem Niveau A2 bestanden hat sowie dem Umstand, dass die Einvernahme vor der belangten Behörde ohne Dolmetscher durchgeführt werden konnte. Die beim BF bestehende Bereitschaft sich weiterzubilden ergibt sich aus den ebenfalls im Verfahrensakt einliegenden Bestätigungen des WIFI über die absolvierte Ausbildung zum Tiefbauer (Modul 1, 273 Lehreinheiten), das Zertifikat über die Teilnahme am Lehrgang AWT-A HAMM Anwendungstechnik, sowie das Kurszeugnis über die Absolvierung eines Erste-Hilfe Grundkurses.

Das Fehlen von familiären Anknüpfungspunkten nach der Ehescheidung ergibt sich aus den Angaben des BF gegenüber der belangten Behörde, ebenso das Bestehen von sozialen Kontakten, wenngleich sich letztere auf dessen Arbeitskollegen beschränken.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 2 Abs. 4 FPG gilt als Fremder, jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt (Z 1 leg. cit.) und als Drittstaatsangehöriger ein Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist (Z 10 leg. cit).

Gemäß § 2 Abs. 4 Zif. 11 FPG gilt als begünstigter Drittstaatsangehöriger unter anderem der Ehegatte eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

§ 55 Abs. 3 NAG 2005 nimmt hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Bezug, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG 2005 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen.

Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG 2005 nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FrPolG 2005 Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer-)Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Ein solches Verfahren nach § 66 FrPolG 2005 einzuleiten ist aber auch der Fremdenpolizeibehörde aus Eigenem - also auch ohne Vorliegen einer darauf abzielenden Mitteilung der Niederlassungsbehörde - nach den Bestimmungen des FrPolG 2005 nicht verwehrt (vgl. E 13. Oktober 2011, 2009/22/0330)" (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005).

Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes bis zum Abschluss des nach § 55 NAG 2005 vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FrPolG 2005 rechtmäßig aufhältig (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274; 15.03.2018, Ra 2017/21/0191).

Der BF ist Staatsangehöriger von Kosovo und hat am XXXX .08.2015 eine in Österreich lebende rumänische Staatsangehörige im Bundesgebiet geheiratet. Die Ehe wurde am XXXX .02.2018 einvernehmlich geschieden.

Demzufolge erwarb der BF mit seiner seinerzeitigen Verehelichung mit einer Unionsbürgerin den Status des begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd. § 2 Abs. 4 Zif. 10 iVm. Zif. 11 FPG und damit ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht, welches mit der Ausfolgung einer Aufenthaltskarte von der zuständigen NAG Behörde dokumentiert wurde. (vgl. VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005: wonach der Aufenthalt des Unionsbürgers in Österreich für die Inanspruchnahme des "Rechtes auf Freizügigkeit" genügt.)

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung sohin dem Grunde nach zu Recht auf § 66 FPG gestützt (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/20/0274).

Gemäß § 31 Abs. 1 Zif 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben oder nach Zif. 2 leg.cit. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind.

EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können gemäß § 66 Abs. 1 FPG ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Bundesamt, wenn ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden soll, insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Zif. 1), für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Zif. 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Zif. 3).

Gemäß § 52 Abs. 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2.

Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3.

Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4.

Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5.

sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a)

die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b)

die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c)

bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.

Der mit "Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers" betitelte § 54 NAG lautet:

"§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt."

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind." (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049)

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:


-         die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),


-         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),


-         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,


-         den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),


-         die Bindungen zum Heimatstaat,


-         die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie


-         auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (Hinweis E vom 28. April 2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (Hinweis E vom 22. Juli 2011, 2009/22/0183). (vgl. VwGH 07.09.2016, Ra 2016/19/0168)

Der Begriff "Privatleben" iSd Art 8 MRK folgt einem breiten Konzept, das keiner vollständigen Definition zugänglich ist. Es umfasst die körperliche und seelische Integrität einer Person (EGMR vom 26. März 1985, X und Y, Nr 8978/80, Tz 22; EGMR vom 20. März 2007, Tysiac, Nr 5410/03, Tz 107). Es kann in manchen Fällen auch Gesichtspunkte der körperlichen und gesellschaftlichen Identität des Einzelnen miteinbeziehen (EGMR vom 7. Februar 2002, Mikulic, Nr 53.176/99, Tz 53). Art 8 MRK schützt auch das Recht auf persönliche Entwicklung sowie das Recht zur Begründung und Entwicklung von Beziehungen zu anderen Menschen und zur Außenwelt ohne Eingriffe von außen (EGMR vom 16. Dezember 1992, Niemietz, Nr 13.710/88, Tz 29; EGMR vom 24. Februar 1998, Botta, Nr 21.439/93, Tz 32), (vgl. VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0066).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

Im vorliegendem Fall wurde die zwischen dem BF und seiner Ehegattin, einer freizügigkeitsbeanspruchenden EWR-Bürgerin, bestehende Ehe nach 2 Jahren, 6 Monaten und 2 Tagen einvernehmlich geschieden.

Die Voraussetzungen für den weiteren Bestand eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes gemäß § 54 Abs. 5 NAG sind – in Ermangelung einer mindestens drei jährigen Dauer der Ehe – nicht erfüllt. Weder wurde seitens des BF das Vorliegen eines Härtefalles vorgebracht, noch ist das Vorliegen eines solchen durch die einvernehmliche Scheidung der Ehe naheliegend.

Es ist der belangten Behörde sohin im Ergebnis beizupflichten, dass dem BF kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich zukommt.

Es ist verfahrensgegenständlich aber zu berücksichtigen, dass der BF sich seit XXXX .05.2015 – sohin bereits seit ca. 5 Jahren und 4 Monaten durchgehend im Bundesgebiet aufhält, erwerbstätig sowie sozialversichert war und ist und sich soziale Kontakte aufgebaut hat. Bis auf die Nichtmeldung seiner Scheidung von seiner freizügigkeitsberechtigten Ehefrau sind keine verwaltungsrechtlichen Verstöße bekannt.

Durch die Ablegung der Integrationsprüfung, bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz auf Niveau A2 und zu Werte- und Orientierungswissen, wird der Wille des BF dokumentiert sich in Österreich dauerhaft aufhalten zu wollen. Dies spiegelt sich auch in der Absolvierung von fachlichen Weiterbildungsmaßnahmen wieder.

Die nahezu durchgehende Erwerbstätigkeit des BF in Österreich von insgesamt 1.596 Kalendertagen (Stand 10.09.2020), dem lediglich der Bezug von Überbrückungshilfe im zeitlichen Ausmaß von 100 Kalendertagen bzw. der Bezug von Arbeitslosengeld von 95 Kalendertagen gegenübersteht, zeigen, dass der BF willens ist seinen Lebensunterhalt durch Arbeit selbst zu finanzieren. Insbesondere seine langjährige bei insgesamt zwei Arbeitgebern in der Baubranche zurückgelegte Beschäftigung und das von ihm bezogene, relativ hohe Arbeitsentgelt lassen darauf schließen, dass der BF auch weiterhin selbsterhaltungsfähig sein wird.

Wenn der BF auch kein Familienleben im Bundesgebiet aufweist, so verfügt dieser jedoch über ein, wie die belangte Behörde im bekämpften Bescheid selbst einräumt, nicht unerhebliches Privatleben.

Dass sich die sozialen Kontakte, abseits der losen, jedoch regelmäßigen Kontakte zu seinen im Bundesgebiet lebenden Cousins und Cousinen, überwiegend auf den Freundes- und Bekanntenkreis aus dem Arbeitsumfeld gründen, ist vor dem Hintergrund des Berufsumfeldes, das – wie die belangte Behörde ebenfalls konstatiert, mit hohen Überstundenleistungen verbunden ist - zu sehen und dementsprechend nicht übermäßig zu bewerten.

Die bestehenden Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, die sich formal auf gelegentliche, das Ausmaß von 2 Wochen Urlaub nicht übersteigende Zeiträume, reduzieren, sind vor dem Hintergrund, dass die Eltern und zwei Geschwister des BF in Kosovo leben, zu sehen und erreichen kein Ausmaß, das sich bei der Gegenüberstellung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen, relativierend auswirken würde.

Vor dem Hintergrund, dass dem BF sein ihm nach den Bestimmungen des NAG zustehendes Aufenthaltsrecht bei Fortbestand der Ehe um den Zeitraum von weiteren sechs Monaten erhalten geblieben wäre, dem Bestehen eines nicht unerheblichen und schützenswerten Privatlebens, der wirtschaftlichen und finanziellen Verfestigung im Bundesgebiet, der erworbenen Sprachkenntnisse, seines - abgesehen von der unterbliebenen Meldung der erfolgten Ehescheidung – Wohlverhaltens und des über fünfjährigen Aufenthaltes in Österreich, erweist sich eine Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet daher als unverhältnismäßig.

Mit Spruchpunkt II. des im Spruch angeführten Bescheides wurde ausgesprochen, dass gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt werde.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung, und damit einhergehend auch für die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes, gegenständlich nicht vorliegen, war der Bescheid auch hinsichtlich Spruchpunkt II. zu beheben.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde weder behauptet noch ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes Anhaltspunkte hierfür. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer Aufenthaltsrecht Ausweisung aufgehoben Ausweisung nicht rechtmäßig Behebung der Entscheidung Deutschkenntnisse Durchsetzungsaufschub Integration Privatleben Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W280.2227726.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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