TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/18 W213 2172779-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2020
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Entscheidungsdatum

18.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W213 2172779-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch, RA Mag. Dr. Helmut BLUM, 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle weist, vom 26.08.2020, GZ. 1091172304-200658432, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 1.2 VwGVG i.V.m. § 68 Abs. 1 AVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er begründete diesen im Wesentlichen damit, er sei im Iran wegen seiner Tattoos und seines „Styles“ diskriminiert und geschlagen worden. Außerdem sei er im Iran zum Christentum konvertiert und habe seine (neue) Religion dort nicht ausüben können. Er sei ausspioniert worden und die Polizei habe nach ihm gesucht. Er befürchte, im Falle der Rückkehr in den Iran hingerichtet zu werden.

I.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen für nicht glaubhaft. Mit Bescheid vom 27.09.2017, Zl. 1091172304/151548125, wies es den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt III) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV). Gegen die Spruchpunkte I, II und III erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

I.3. Dieses wies mit Erkenntnis vom 07.03.2019 GZ. L527 2172779-1/15 E, die Beschwerde als unbegründet ab, wobei die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B- VG nicht zugelassen wurde.

In der Begründung wurde zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nämlich nicht verfolgt worden sei und er diesen auch nicht aus wohlbegründeter Furcht vor einer Verfolgung im oben genannten Sinn verlassen habe. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wäre der Beschwerdeführer auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer derartigen Verfolgung(sgefahr) ausgesetzt.

Eine Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG 2005 wegen einer echten inneren Konversion zum Christentum scheide im Falle des Beschwerdeführers jedenfalls aus, weil sich dieser, wie festgestellt, nicht aus echter innerer Überzeugung zum Christentum hingewandt habe.

Durch die von ihm tatsächlich ausgeübten christlichen Aktivitäten und die bloß formale Zuwendung zum Christentum ohne innere Überzeugung (Scheinkonversion) drohe dem Beschwerdeführer, sollten (weitere) Angehörige, das soziale Umfeld oder die Behörden im Herkunftsstaat davon Kenntnis erlangen oder haben, im gegebenen Fall und im Lichte der Lage im Herkunftsstaat, wie das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls begründet festgestellt habe, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung iSd des § 3 Abs 1 AslyG. Auch ein allenfalls unterstellter Glaubensabfall vermöge gegenständlich keine asylrelevante Verfolgung(sgefahr) bzw. wohlbegründete Furcht vor einer solchen zu begründen.

Ferner drohe dem Beschwerdeführer auch wegen seiner Tätowierungen und seines Aussehens (für sich genommen und allenfalls in Kombination mit seinen religiösen Aktivitäten, der Hinwendung zum Christentum ohne innere Überzeugung oder einem womöglich unterstellten Glaubensabfall) in seinem Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG. Eine Verfolgung(sgefahr) aus anderen als den genannten Gründen habe der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet und sei auch nicht festzustellen gewesen.

Zur Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer keine der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfüllt sei. Namentlich bestünde im Falle der Rückführung keine ernsthafte Gefahr einer Inhaftnahme, die allgemeine Sicherheitslage sei nicht besonders prekär und es seien keine besonderen Gefährdungsmomente hinzugetreten, der Beschwerdeführer leide nicht an einer schweren oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung und er hätte Zugang zu medizinischer Grundversorgung in seinem Herkunftsstaat, schließlich würde ihm nicht jegliche Lebensgrundlage fehlen. Die allgemeine Sicherheitslage im Herkunftsstaat sei nicht so beschaffen, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein, oder dass für jeden Zurückkehrenden die ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt anzunehmen wäre. Besondere Gefährdungsmomente, die es – anders als für die dortige Bevölkerung im Allgemeinen – wahrscheinlich erscheinen ließen, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat bzw. konkret in Teheran in besonderem Maße von den dort stattfindenden Gewaltakten bedroht wäre, gebe es nicht.

I.4. Der Beschwerdeführer begab sich in weiterer Folge nach Deutschland und wurde im Zuge eines Dublin-Verfahrens nach Österreich überstellt. Hier stellte er am 29.07.2020 im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er an einigen Demonstrationen von Shah-Befürwortern in Hamburg und Wien teilgenommen habe. Er habe dies auch in den sozialen Medien publik gemacht. Er habe gegen das Mullah-Regime für die Rückkehr des Kronprinzen demonstriert und müsse dafür mit der Todesstrafe rechnen. Der Beschwerdeführer bekräftigte dieses Vorbringen im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde. Er legte in weiterer Folge einen Datenträger vor, um seine Teilnahme an den von ihm ins Treffen geführten Demonstrationen zu beweisen.

I.5. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr bekämpften Bescheid, dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hatte:

„I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 29.07.2020 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 29.07.2020 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs.1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.

IV. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI. l Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBI. l Nr 100/2005(FPG) idgF, erlassen.

V. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Iran zulässig ist.

VI. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise.

VII. Gemäß § 53 Absatz 1 IVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBI. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“

Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensgangs im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nicht auf seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren gestützt habe. Er habe im neuerlichen Asylverfahren keine neuen glaubhaften Gründe vorgebracht bzw. habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Dem Beschwerdeführer werde zwar insofern Glauben geschenkt, dass er bei Kundgebungen und Demonstrationen in den letzten Monaten teilgenommen habe, jedoch nicht, dass er deshalb von den iranischen Behörden verfolgt werden würde. Wie er selbst angegeben habe, sei er bisher noch nie von den Behörden belangt worden. Es habe daher kein im Vergleich zu den Feststellungen des Erstverfahrens neuer, asylrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, stehe die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses vom 07.03.2019, GZ. L527 2172779-1/15E, dem neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten iSd § 3 AsylG, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 AsylG entgegen.

I.6. Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen anwaltlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass keine entschiedene Sache vorliege, da er seinen neuen Asylantrag auf einen geänderten Sachverhalt, nämlich seine exilpolitische Tätigkeit und die Teilnahme an Demonstrationen in Deutschland und Österreich, gestützt habe.

Er habe bei seiner Folge-Asylantragstellung und der Einvernahme vor dem BFA angegeben, dass er an Demonstrationen, die von Shah-Befürwortern in Wien und Hamburg organisiert worden seien, teilgenommen habe. Diesbezüglich seien auch Videos angefertigt worden, welche er auch der Behörde übermittelt habe. Wie dem belangten Bescheid zu entnehmen sei, sei er auf den Videos auch abgebildet und seine Person eindeutig erkennbar. Jene Videos kursierten in sozialen Medien. Es könne daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die iranischen Behörden in Kenntnis von seiner politischen Aktivität im Ausland seien.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme es bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von "Rückkehrern", die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, in Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Betätigung in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten könnte.

Zur Beantwortung dieser Frage seien zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, einerseits, ob der Asylwerber auffällig "regimekritisch" in Erscheinung getreten sei, andererseits, ob er aus der Sicht der Behörden des Herkunftsstaates als Gefahr für das Regime eingeschätzt werden könnte.

Eine Möglichkeit, aufgrund der Kumulierung seiner Teilnahmen an Demonstrationen in bereits zwei Ländern in Verbindung mit deren Publikmachung in sozialen Medien, in das Blickfeld der iranischen Behörden zu gelangen und im Rückkehrfall asylrelevanter Gefährdung ausgesetzt zu sein, sei im Lichte der Judikatur und auch der einschlägigen Länderfeststellungen nicht unwahrscheinlich.

Dem Beschwerdeführer drohe im Falle einer Rückkehr asylrelevante Verfolgung aus Gründen der Religion und seiner tatsächlichen bzw. unterstellten politischen Gesinnung. Da sich die iranische Staatsgewalt über das gesamte Territorium erstrecke und die von ihr ausgehenden Verfolgungsmaßnahmen landesweit unterschiedslos praktiziert würden, stelle sich die Frage einer inländischen Flucht - respektive Schutzalternative nicht.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde, hätten sich die Umstände seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung geändert und der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Antrag neue Gründe vorgebracht und auch glaubhaft in der Einvernahme dargelegt, dass er aufgrund seiner religiösen Glaubensrichtung aus der Masse hervorsteche, und vor allem durch die Teilnahme an den Demonstrationen, in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten sei und ihm im Falle einer Rückkehr die Todesstrafe drohe.

Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte sein Asylantrag nicht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden dürfen, sondern hätte er zugelassen und inhaltlich geprüft werden müssen.

Im Hinblick darauf, dass er sich seit fast 5 Jahren - mit Ausnahme eines kurzen Aufenthalts in Deutschland - in Österreich aufhalte und hier über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis verfüge, sei jedenfalls auch ein schützenswertes Privatleben in Österreich gegeben und hätte auch aus diesem Grund eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, sondern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden müssen. Auch lägen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von 2 Jahren in keinster Weise vor. Er sei in Österreich unbescholten und habe sich stets an die Gesetze gehalten. Allein die Tatsache, dass er zwei Asylanträge gestellt habe und er keine Nachweise über eine legale Beschäftigung vorweisen könne, rechtfertige nicht die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von zwei Jahren. Der sofortige Vollzug des angefochtenen Bescheides wäre für in mit unverhältnismäßigen Nachteilen verbunden. Ihm drohe, die Abschiebung in den Iran. Öffentliche Interessen stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in keiner Weise entgegen, sodass er ausdrücklich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantrage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige, ledige Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 13.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Wesentlichen damit, er sei im Iran wegen seiner Tattoos und seines „Styles“ diskriminiert und geschlagen worden. Außerdem sei er im Iran zum Christentum konvertiert und habe seine (neue) Religion dort nicht ausüben können. Er sei ausspioniert worden und die Polizei habe nach ihm gesucht. Er befürchte, im Falle der Rückkehr in den Iran hingerichtet zu werden.

I.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 27.09.2017, Zl. 1091172304/151548125, diesen Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt III) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV). Gegen die Spruchpunkte I, II und III erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

I.3. Dieses wies mit Erkenntnis vom 07.03.2019 GZ. L527 2172779-1/15 E, die Beschwerde als unbegründet ab, wobei die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B- VG nicht zugelassen wurde.

In der Begründung wurde zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nämlich nicht verfolgt worden sei und er diesen auch nicht aus wohlbegründeter Furcht vor einer Verfolgung im oben genannten Sinn verlassen habe. Im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wäre der Beschwerdeführer auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer derartigen Verfolgung(sgefahr) ausgesetzt.

Eine Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG 2005 wegen einer echten inneren Konversion zum Christentum scheide im Falle des Beschwerdeführers jedenfalls aus, weil sich dieser, wie festgestellt, nicht aus echter innerer Überzeugung zum Christentum hingewandt habe.

Durch die von ihm tatsächlich ausgeübten christlichen Aktivitäten und die bloß formale Zuwendung zum Christentum ohne innere Überzeugung (Scheinkonversion) drohe dem Beschwerdeführer, sollten (weitere) Angehörige, das soziale Umfeld oder die Behörden im Herkunftsstaat davon Kenntnis erlangen oder haben, im gegebenen Fall und im Lichte der Lage im Herkunftsstaat, wie das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls begründet festgestellt habe, nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung iSd des § 3 Abs 1 AslyG. Auch ein allenfalls unterstellter Glaubensabfall vermöge gegenständlich keine asylrelevante Verfolgung(sgefahr) bzw. wohlbegründete Furcht vor einer solchen zu begründen.

Ferner drohe dem Beschwerdeführer auch wegen seiner Tätowierungen und seines Aussehens (für sich genommen und allenfalls in Kombination mit seinen religiösen Aktivitäten, der Hinwendung zum Christentum ohne innere Überzeugung oder einem womöglich unterstellten Glaubensabfall) in seinem Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Verfolgung iSd § 3 Abs 1 AsylG. Eine Verfolgung(sgefahr) aus anderen als den genannten Gründen habe der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet und sei auch nicht festzustellen gewesen.

Zur Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer keine der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfüllt sei. Namentlich bestünde im Falle der Rückführung keine ernsthafte Gefahr einer Inhaftnahme, die allgemeine Sicherheitslage sei nicht besonders prekär und es seien keine besonderen Gefährdungsmomente hinzugetreten, der Beschwerdeführer leide nicht an einer schweren oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung und er hätte Zugang zu medizinischer Grundversorgung in seinem Herkunftsstaat, schließlich würde ihm nicht jegliche Lebensgrundlage fehlen. Die allgemeine Sicherheitslage im Herkunftsstaat sei nicht so beschaffen, dass jeder dorthin Zurückkehrende der realen Gefahr unterläge, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte ausgesetzt zu sein, oder dass für jeden Zurückkehrenden die ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt anzunehmen wäre. Besondere Gefährdungsmomente, die es – anders als für die dortige Bevölkerung im Allgemeinen – wahrscheinlich erscheinen ließen, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat bzw. konkret in Teheran in besonderem Maße von den dort stattfindenden Gewaltakten bedroht wäre, gebe es nicht.

Der Beschwerdeführer begab sich in weiterer Folge nach Deutschland und wurde im Zuge eines Dublin-Verfahrens nach Österreich überstellt. Hier stellte er am 29.07.2020 im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er im Jänner und Februar 2020 an einigen Demonstrationen von Shah-Befürwortern in Hamburg und Wien teilgenommen habe. Er habe dies auch in den sozialen Medien publik gemacht. Er habe gegen das Mullah-Regime für die Rückkehr des Kronprinzen demonstriert und müsse dafür mit der Todesstrafe rechnen. Der Beschwerdeführer bekräftigte dieses Vorbringen im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde. Er legte in weiterer Folge einen Datenträger vor, um seine Teilnahme an den von ihm ins Treffen geführten Demonstrationen zu beweisen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der vom Beschwerdeführer im Vorverfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 13.10.2015 bzw. im gegenständlichen Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 29.07.2020 ergeben sich aus dem hg. Erkenntnis vom 17.03.2019, GZ. L 527 2172779-1/15E, sowie den im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.07.2020 bzw. seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 18.08.2020.

Angesichts des in dieser Hinsicht unstrittigen Sachverhalts konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung daher gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. etwa VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

„Entschiedene Sache“ iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. zB. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235; 06.11.2009, 2008/19/0783). Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050). Bei der Beurteilung der Identität der Sache ist zudem in primär rechtlicher Betrachtungsweise festzuhalten, ob in den entscheidungsrelevanten Fakten eine wesentliche Änderung eingetreten ist (VwGH 24.03.2011, 2007/07/0155). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0066; 25.04.2007, 2004/20/0100, jeweils mwN).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes – nicht bloß von Nebenumständen – kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB. VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2007, 2004/20/0100; 06.11.2009, 2008/19/0783).

Wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, ist eine neue Sachentscheidung auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.04.2007, 2004/20/0100 und 17.09.2008, 2008/23/0684).

Da sich der Antrag auf internationalen Schutz auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, bei den Asylbehörden geltend zu machen, zumal nur sie dem Asylwerber diesen Schutzstatus zuerkennen können. Die zur Rechtslage des § 8 Asylgesetz 1997 ergangene gegenteilige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 09.11.2004, 2004/01/0280, mwN) ist daher im Anwendungsbereich des AsylG 2005 nicht mehr zutreffend. Vielmehr sind für Folgeanträge nach dem AsylG 2005 die Asylbehörden auch dafür zuständig, Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist demnach Sache des gegenständlichen Verfahrens ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage seit der Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz geändert hat. Es hat daher entweder – falls entschiedene Sache vorliegt – das Rechtsmittel abzuweisen oder – falls dies nicht zutrifft – den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Die Rechtsmittelinstanz darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).

Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass sich in Hinblick auf die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die maßgebliche Sach- und Rechtslage zwischen der Rechtskraft der Vergleichsentscheidung vom 10.03.2019 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 26.08.2020 wesentlich geändert hat.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 29.07.2020 im Wesentlichen einen Nachfluchtgrund behauptet, indem er vorbrachte im Jänner und Februar 2020 in Wien bzw. Hamburg an gegen das im Iran herrschende Regime gerichteten Demonstrationen von Anhängern des iranischen Kronprinzen teilgenommen zu haben. Demgegenüber stützte sich sein Antrag auf internationalen Schutz vom 13.10.2015 lediglich. darauf, dass er im Iran wegen seiner Tattoos und seines „Styles“ diskriminiert und geschlagen worden sei. Außerdem sei er im Iran zum Christentum konvertiert und habe seine (neue) Religion dort nicht ausüben können.

Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei um zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte handelt, wobei der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Nachfluchtgrund erst nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz vom 13.10.2015 gesetzt wurde. Angesichts der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel (Videos, die seine Teilnahme an derartigen Demonstrationen glaubhaft erscheinen lassen), kann seinem Vorbringen jedenfalls nicht von vorneherein die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht vom Vorliegen einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG gegangen. Der Beschwerdeführer hat eine exilpolitische Tätigkeit behauptet, was prinzipiell eine Nachfluchtgrund darstellen könnte (Gachowetz, Schmidt, Simma, Urban, Asyl-und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BVA, Wien 2017, Seite 164). Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, das Vorbringen des Beschwerdeführers einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen, wobei vor allem auch zu prüfen gewesen wäre, ob dem verfahrensgegenständlichen Antrag nicht die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Asylgesetz entgegensteht.

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten ist zudem auszuführen, dass bei der Prüfung der Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu berücksichtigten ist, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174).

Wie eingangs dargelegt, beschränkt sich die Überprüfungskompetenz des erkennenden Gerichts im Falle einer zurückweisenden Entscheidung der belangten Behörde wegen entschiedener Sache auf die Frage, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgte. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens behauptete Lageänderung im Herkunftsstaat der Zurückweisung des Folgeantrags dann entgegenstehen würde, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass demnach eine andere Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfolgen könnte (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, mit Hinweis auf 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die belangte Behörde zu Unrecht vom Vorliegen einer entschiedenen Sache ausgegangen ist. Der Beschwerde war daher stattzugeben. Der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige - oben zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung entschiedene Sache ersatzlose Behebung exilpolitische Aktivität Folgeantrag Glaubwürdigkeit Konversion Nachfluchtgründe politische Gesinnung Religion Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W213.2172779.2.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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