TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W236 2235893-1

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W236 2235893-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Moldawien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2020, Zl. 1269435608/200948791, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Moldawiens, reiste laut eigenen Angaben zuletzt am 21.09.2020 im Besitz seines biometrischen moldawischen Reisepasses über Ungarn kommend mit dem Autobus in das österreichische Bundesgebiet ein.

2. Am 02.10.2020 wurde der Beschwerdeführer in einem Geschäft in Wien wegen des Verdachts der Schwarzarbeit von der Finanzpolizei angehalten, in weiterer Folge von der Polizei festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum Hernals gebracht.

3. Im Zuge seiner Einvernahme vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Klärung seines Aufenthaltsstatus am 03.10.2020 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen. Auf entsprechenden Vorhalt führte er aus, dass sein Aufenthalt in Österreich legal sei, da er sich hier noch nicht länger als drei Monate aufhalte. Ein Visum habe er nicht, da er ein solches nur brauche, wenn er arbeiten wollte. Er sei am 21.09.2020 mit dem Autobus über die Ukraine und Ungarn nach Österreich eingereist. Er habe hier seine Freundin besucht, mit der er seit fünf Jahren eine Beziehung führe. Diese sei rumänische Staatsbürgerin. Er wolle sich hier niederlassen und habe von seiner Freundin hier Deutsch lernen wollen. Er sei hier keiner Schwarzarbeit nachgegangen, sondern habe sich nur in diesem Geschäft befunden, weil seine Freundin dort arbeite. Er sei bei seiner Freundin untergekommen und werde am 05.10.2020 zu Meldeamt gehen und sich melden. Das sei der erste Termin gewesen, den er bekommen habe. In Moldawien leben seine Eltern und Geschwister. Er arbeite auch im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern mit. Bei seiner Einreise habe er über Barmittel in der Höhe von ca. € 200,00 verfügt. Bei seiner Festnahme habe er noch € 132,00 gehabt, die Polizei habe ihm jedoch € 100,00 abgenommen. Er sei ledig und habe keine Kinder. Er wolle freiwillig ausreisen.

4. Mit dem o.a. Bescheid vom 03.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Moldawien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FGP wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich über kein schützenswertes Privat- und Familienleben verfüge. Er sei bei der Schwarzarbeit betreten worden, in Österreich nicht behördlich gemeldet und besitze keinen Aufenthaltstitel. Er befinde sich daher illegal im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer habe seinen Lebensunterhalt durch unrechtmäßige Erwerbstätigkeiten sichern müssen, weswegen er als mittellos anzusehen sei. Er sei ledig und habe keine Obsorgeverpflichtungen. Seine Familienangehörigen leben in Moldawien. In Österreich habe er bis auf eine Freundin keine Angehörigen. Er gehe keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, befinde sich in keiner Ausbildung und habe keine Integrationsmaßnahmen gesetzt. Die Aufnahme von Schwarzarbeit stelle eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Die Missachtung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen stelle einen schwerwiegenden Missbrauch der bestehenden sichtvermerkfreien Einreise dar. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass er ohne Aufenthaltstitel nicht arbeiten dürfe. Er habe somit wissentlich gegen die Einwanderungsvorschriften verstoßen. Aufgrund der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers und seiner illegalen Beschäftigung sei die Verhängung des Einreiseverbots geboten gewesen. Die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sei aberkannt worden, da die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.

5. Nach Übernahme des Bescheides wurde der Beschwerdeführer am 03.10.2020 aus der Anhaltung im Polizeianhaltezentrum Hernals entlassen.

6. Gegen den Bescheid vom 03.10.2020 erhob der Beschwerdeführer am 05.10.2020 fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde. Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich lediglich seine Freundin besucht habe, mit der er seit fünf Jahren eine Beziehung führe. Er habe Österreich innerhalb der erlaubten Aufenthaltsdauer von 90 Tagen wieder verlassen wollen. Er habe am 05.10.2020 einen Termin beim Meldeamt bekommen und sein Aufenthalt sei während der ganzen Dauer von ihm selbst finanziert worden. Er habe hier von seiner Verlobten Deutsch lernen wollen, sei zu keiner Zeit illegal beschäftigt gewesen und sei nicht mittellos. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 53 Abs. 2 FPG liege daher nicht vor, weswegen das Einreiseverbot rechtswidrig erlassen worden sei. Der Beschwerdeführer habe über ausreichend Barmittel verfügt, um sich auf längere Sicht ein Leben innerhalb der Europäischen Union finanzieren zu können. Die Summe hätte ausgereicht, um seine Ausreise nach Moldawien und gegebenenfalls den Aufenthalt für einige Tage bis zur Ausreise selbst zu finanzieren. Der Beschwerdeführer sei daher in der Lage gewesen, selbständig auszureisen. Der Tatbestand der illegalen Beschäftigung sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe nie die Absicht gehabt, einer unerlaubten Arbeitstätigkeit nachzugehen. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei daher aus den von der belangten Behörde genannten Umständen nicht ersichtlich. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes in der Dauer von drei Jahren sei daher nicht geboten gewesen.

Beigelegt ist der Beschwerde ein Schreiben der Freundin des Beschwerdeführers vom 05.10.2020, in welcher diese ausführt, dass der Beschwerdeführer sie in jenem Geschäft, in dem sie arbeite, lediglich besucht habe. Sie hätten nach Geschäftsschluss gemeinsam in ihre Wohnung nach Hause gehen wollen. Der Vorwurf, dass sich der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig behördlich gemeldet habe, stimme so nicht. Aufgrund der Corona-Situation sei ein Besuch beim Magistrat ohne Termin nicht möglich. Sie habe am 28.09.2020 telefonisch einen solchen Termin beim Meldeamt für den 05.10.2020 vereinbart. Der Beschwerdeführer sei auch keiner illegalen Arbeit nachgegangen. Die Beamten der Finanzpolizei (4 Personen) hätten sie im Geschäft unter Druck gesetzt und sie gezwungen Aussagen zu tätigen, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ihrem Freund sei vorgeworfen worden, dass er ihr in der Filiale helfe Arbeit zu verrichten, obwohl er nur neben der Kassa gestanden sei. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer jedoch zu keiner Zeit in dieser Filiale eine Tätigkeit verrichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Moldawiens und führt die im Spruch ersichtlichen Personalien. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste am 21.09.2020 legal im Besitz seines biometrischen moldawischen Reisepasses, Nr. XXXX , gültig von XXXX bis 11.06.2022, über Ungarn kommend mit dem Autobus in das österreichische Bundesgebiet ein.

Der Beschwerdeführer hat keinen österreichischen Aufenthaltstitel und verfügt über keine Beschäftigungs- oder sonstige Arbeitsbewilligung. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und weist in Österreich bis dato keine Wohnsitzmeldungen auf.

Der Beschwerdeführer verfügte zum Zeitpunkt seiner Festnahme über Barmittel in der Höhe von € 132,00.

In Moldawien leben die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers. Seinen Lebensunterhalt verdient der Beschwerdeführer durch Mitarbeit im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb in Moldawien.

1.2. Zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 02.10.2020 in einem Geschäft in Wien von der Polizei betreten und in das Polizeianhaltezentrum Hernals verbracht.

Mit Bescheid vom 03.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Moldawien gemäß § 46 FPG zulässig ist. Eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FGP wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

Nach Aushändigung des Bescheides wurde der Beschwerdeführer am 03.10.2020 aus dem Polizeianhaltezentrum entlassen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 05.10.2020 fristgerecht vollinhaltlich Beschwerde.

1.3. Zur Frage der unrechtmäßigen Beschäftigung des Beschwerdeführers in Österreich:

Zweck der Reise des Beschwerdeführers nach Österreich war der Besuch seiner in Wien lebenden Freundin, XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, mit der er seit fünf Jahren eine Beziehung führt. Der Beschwerdeführer nahm bei seiner Freundin in Wien Unterkunft. Der Beschwerdeführer besuchte seine Freundin zuletzt von 21.12.2018 bis 04.01.2019 und von 26.12.2019 bis 28.01.2020 in Österreich.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in einem Geschäft in Wien am 02.10.2020 unerlaubt einer Beschäftigung nachging.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer am 02.10.2020 seine Freundin in jenem Geschäft in Wien besuchte, in welchem diese angestellt ist, und seiner Freundin bei der Bedienung eines Kunden behilflich war. Weder kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer dafür eine Gegenleistung entgegennahm, noch, dass der Beschwerdeführer diese Tätigkeit in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit durchführte.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers und der Besitz eines gültigen biometrischen moldawischen Reisepasses sowie die legale Einreise am 21.09.2020 mit dem Bus über Ungarn kommend ergeben sich aus dem im Akt im Original einliegenden moldawischen Reisepass des Beschwerdeführers und den darin ersichtlichen Grenzkontrollstempeln, mit denen Ein- und Ausreisen in den und aus dem Schengen-Raum dokumentiert wurden, sowie aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 03.10.2020.

Dass der Beschwerdeführer keinen österreichischen Aufenthaltstitel und keine Arbeitsbewilligung hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt (Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister [IZR]) und aus den Angaben des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zu seiner nicht vorhandenen Wohnsitzmeldung in Österreich ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister am 09.10.2020 und jener in das Zentrale Melderegister am 12.10.2020.

Die Feststellungen zu den Barmitteln des Beschwerdeführers, seinen verwandtschaftlichen Verhältnissen in Moldawien und seiner Erwerbstätigkeit gründen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.10.2020.

2.2. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.3. Zu den Feststellungen der unrechtmäßigen Beschäftigung des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Reisezweck des Beschwerdeführers nach Österreich, zu seiner in Österreich lebenden Freundin und zur Unterkunftnahme bei seiner Freundin ergeben sich aus den übereinstimmenden, plausiblen und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und seiner Freundin. Die Feststellungen über die vorangegangenen Besuche des Beschwerdeführers in Österreich in den Jahren 2018 und 2019 ergeben sich aus den entsprechenden Ein- und Ausreisestempeln von Wien-Schwechat in seinem Reisepass.

Die Feststellungen betreffend das Nichtvorliegen der von der belangten Behörde angenommenen unerlaubten Beschäftigung im Bundesgebiet ergibt sich aus den in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers gegenüber der ermittelnden als auch belangten Behörde, die insbesondere mit jenen seiner Freundin übereinstimmen. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Freundin gaben übereinstimmend an, dass der Beschwerdeführer diese am 02.10.2020 lediglich in jenem Geschäft in Wien, in welchem seine Freundin angestellt ist, mit der Absicht besuchte, nach Ladenschluss den Heimweg gemeinsam anzutreten. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass die Amtshandlung laut Anzeigeprotokoll der Landespolizeidirektion Wien am 02.10.2020 von 18:45 Uhr bis 18:58 Uhr vonstattenging, auch nicht unglaubhaft. Der Beschwerdeführer und seine Freundin konnten mit ihren übereinstimmenden Angaben glaubhaft machen, dass der Beschwerdeführer im Zuge dieses Besuchs seiner Freundin lediglich half für eine Kundschaft Handtücher aus dem Lagerraum zu holen. Eine Beschäftigung in diesem Geschäft strebte der Beschwerdeführer hingegen niemals an, vielmehr sei dieser laut Angaben seiner Freundin lediglich neben der Kasse gestanden. Weder der Beschwerdeführer noch seine Freundin gaben an, dass der Beschwerdeführer für seine Hilfstätigkeit, die offenbar lediglich ein Freundschaftsdienst an seiner Freundin war, in irgendeiner Weise eine finanzielle oder sonstige Gegenleistung entgegengenommen hätte. Die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Freundin deuten in Summe somit ausschließlich auf eine kurze und einmalige Unterstützung seitens Beschwerdeführers bei der Bedienung einer Kundschaft hin, um seiner Freundin kurz vor Ladenschluss die Arbeit zu erleichtern. Auf Grundlage all dieser Angaben des Beschwerdeführers und seiner Freundin konnte die Feststellung ergehen, dass der Beschwerdeführer keiner unerlaubten Beschäftigung nachging.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ, § 2 Abs. 4 Z 6 FPG) können sich sichtvermerksfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen.

Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung, VO (EU) 2018/1806, vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 Schengener Grenzkodex werden die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen bei der Einreise und bei der Ausreise systematisch abgestempelt.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Moldawien und als solcher Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er war als Inhaber eines gültigen biometrischen moldawischen Reisepasses nach Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II der Visumpflicht-Verordnung (EU) 2018/1806 (EU-Visum-Verordnung) für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengener Vertragsstaaten, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, von der Visumpflicht befreit.

Der Beschwerdeführer reiste entsprechend dem im Reisepass ersichtlichen, zeitlich letzten Einreisestempel am 21.09.2020 legal von der Ukraine nach Ungarn in den Schengen-Raum ein. Der Beschwerdeführer hat demnach zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts jedenfalls nicht überschritten.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, der Beschwerdeführer sei einer gewerblichen Arbeit in Österreich nachgegangen, ohne eine Beschäftigungsbewilligung zu besitzen. Er halte sich somit seit dem ersten Tag der Schwarzarbeit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch der Ansicht, dass sich der Beschwerdeführer nicht in einem bewilligungspflichtigen Arbeitsverhältnis befand, sondern lediglich im Rahmen eines Besuches seiner Freundin in jenem Geschäft in Wien, in welchem diese angestellt ist, diese bei der Bedienung eines Kunden unterstützte und Handtücher aus einem Lagerraum holte. Dabei handelte es sich jedoch lediglich um unentgeltliche Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste, die keine unerlaubte Erwerbstätigkeit darstellen.

Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen (etwa Verwandtschaft, Freundschaft, Nachbarschaft) zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden, wobei der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG in der Rechtsprechung als „fließend“ bezeichnet und ausgeführt wurde, dass eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können (vgl. VwGH 02.07.2010, 2007/09/0267, VwGH 23.10.2017, Ra 2015/08/0135).

So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Juli 1990, Zl. 90/09/0062, ausgesprochen, dass der Umstand der stundenweisen Aushilfe (in der Landwirtschaft und im Gastbetrieb) eines Ausländers, der bei einem Arbeitgeber freies Quartier und freie Kost hat, alleine für sich nicht die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des AuslBG rechtfertigt. Auch die Mithilfe eines Dauergastes im Haushalt oder die Dienste eines Flüchtlings für Quartier und Kost (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0199) oder die Hilfe beim Ausladen eines Fahrzeuges als Erkenntlichkeit für eine Mitfahrgelegenheit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037) kann einen Gefälligkeitsdienst darstellen. Bedenken sind dort angebracht, wo die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll. Wesentlich ist die Freiwilligkeit der Erbringung der Arbeitsleistung insofern, als zu dieser keine rechtliche Verpflichtung bestehen darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 99/09/0148, mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seine Freundin an deren Arbeitsstelle lediglich zum Zwecke besucht, um mit dieser nach Geschäftsschluss gemeinsam dem Heimweg anzutreten. Aus dem Anzeigeprotokoll der Landespolizeidirektion Wien ist ersichtlich, dass die Amtshandlung am 02.10.2020 von 18:45 Uhr bis 18:58 Uhr vonstattenging. Die Angaben des Beschwerdeführers und seiner Freundin, er habe diese lediglich zum Zwecke des gemeinsamen Heimwegs im Geschäft besucht, erscheinen daher nicht unglaubhaft. Es erscheint zudem auch nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer seiner Freundin in dem Geschäft für die Dauer seines kurzfristigen Besuchsaufenthaltes mit der Kundschaft behilflich war und Ware aus einem Lagerraum beischaffte. Obschon diese Hilfsdienste (wie Waren holen und Kunden bedienen) Leistungen sind, die auch typischerweise in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden, geht das Bundesverwaltungsgericht dennoch davon aus, dass es sich bei dieser einmaligen Tätigkeit um einen Gefälligkeitsdienst handelte.

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Fall zwischen dem Beschwerdeführer und der angestellten Verkäuferin, nämlich seiner Freundin, ein Beziehungsverhältnis besteht. Dass der Beschwerdeführer über mehrere Tage, sohin vom Zeitpunkt seiner Ankunft in Österreich am 21.09.2020 bis zu seiner Festnahme am 02.10.2020 unentgeltlich bei dieser in ihrer Wohnung in Wien genächtigt hat, stärkt das Bestehen einer innigen privaten Beziehung zu derselben.

Aus dem der Beschwerde beigelegten Schreiben der Freundin des Beschwerdeführers geht glaubhaft hervor, dass der Beschwerdeführer diese lediglich zum Antritt des gemeinsamen Heimwegs im Geschäft besuchte. Bereits dieser kurze Aufenthalt vor Geschäftsschluss widerspricht dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Im Verfahren finden sich auch keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer für seine Tätigkeiten in irgendeiner Form entlohnt worden wäre. Auch konnte die belangte Behörde nicht dartun, dass der Beschwerdeführer in irgendeinem Verhältnis zum Arbeitgeber seiner Freundin stand oder es mit diesem Absprachen hinsichtlich einer unerlaubten Beschäftigung gegeben hätte. Vielmehr erfolgte die einmalige Unterstützung seiner Freundin bei der Bedienung eines Kunden offenbar freiwillig, ohne dass der Beschwerdeführer hinzu verpflichtet gewesen wäre. Gegenteilige Hinweise haben sich aus dem Akt nicht ergeben.

Zusätzlich muss beachtet werden, dass der Beschwerdeführer nicht gänzlich mittellos ist und nicht unmittelbar auf eine entlohnte Tätigkeit in Österreich angewiesen war. Er hat eine Arbeitsstelle in Moldawien im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern und verfügt dort mit seinen Eltern und Geschwistern auch über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Bei seiner Festnahme verfügte der Beschwerdeführer noch über Barmittel in Höhe von € 132,00. Da er zudem bei seiner Freundin Unterkunft nahm, die ihn überdies mit dem Lebensnotwendigsten versorgte, kann die seitens der belangten Behörde erfolgte Feststellung über die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nicht nachvollzogen werden.

Insgesamt ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht sohin jedenfalls nicht der Eindruck einer wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Arbeitgeber seiner Freundin in einem Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, es läge ein bewilligungspflichtiges Arbeitsverhältnis vor.

Aus den angegebenen Gründen geht das Bundesverwaltungsgericht in einer Gesamtbetrachtung davon aus, dass es sich bei der einmaligen Tätigkeit des Beschwerdeführers in jenem Geschäft, in dem seine Freundin angestellt ist, um einen unentgeltlichen Hilfs- und Gefälligkeitsdienst des Beschwerdeführers gegenüber seiner Freundin handelte, der nicht als eine dem AuslBG unterliegende Beschäftigung zu qualifizieren ist (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0023).

Daraus leitet sich in der Folge ab, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung als rechtmäßig zu qualifizieren war. Damit fehlt jedoch die rechtliche Grundlage für die Entscheidung der belangten Behörde.

3.2. Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 7 AsylG 2005 („Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) von Amts wegen zu prüfen, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG („Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung“; §§ 41 ff FPG) fällt. Aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers war die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht zu prüfen und demzufolge Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben.

Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, ist diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Der Beschwerdeführer fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG. Aufgrund des rechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers findet die Berufung auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG im Bescheid keine Rechtsgrundlage mehr. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte daher nicht zu Recht, weshalb auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides zu beheben war. Dies wirkt sich auch auf die damit – wie dem Wortlaut der Normen entnehmbar – untrennbar im Zusammenhang stehenden Aussprüche nach § 52 Abs. 9 FPG (Abschiebung), § 55 Abs. 4 FPG (Ausreisefrist) und § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) aus, sodass auch die Spruchpunkte III., IV. und V. ebenfalls zu beheben waren.

Wird eine Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasst dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich auch die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche. Das gilt auch für das an die Rückkehrentscheidung anknüpfende Einreiseverbot, zumal es nach der insoweit umgesetzten Richtlinie 2008/115/EG keine von der Rückkehrentscheidung losgelösten Einreiseverbote gibt (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, mwN; diese Entscheidung betraf den Spezialfall der Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung aufgrund der nachträglichen Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts, ist aber nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf einen Fall wie den vorliegenden zu übertragen, in dem eine Rückkehrentscheidung zu Unrecht erging und aufzuheben ist). Dem folgend war auch Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot) zu beheben.

Dafür, dass der Beschwerdeführer durch sein (sonstiges) Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, gab es im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte.

Der Bescheid war daher vollinhaltlich aufzuheben.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.


Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Gefälligkeitsdienst illegale Beschäftigung Mittellosigkeit rechtmäßiger Aufenthalt Rechtsgrundlage Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung behoben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W236.2235893.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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