Entscheidungsdatum
15.10.2020Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
W236 2235865-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.09.2020, Zl. 1267659002/200836616, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 Z 6 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, auf zwei Jahre herabgesetzt wird.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, wurde am 21.08.2020 gemäß § 31 Abs. 1 und 1a iVm § 120 Abs. 1a FPG angezeigt, nachdem im Rahmen einer Ausreisekontrolle am Flughafen Wien-Schwechat festgestellt worden war, dass er sich im Bundesgebiet aufgehalten hatte, obwohl sein polnisches Visum D am 21.04.2020 abgelaufen war. Am selben Tag reiste der Beschwerdeführer freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine aus.
2. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.09.2020 wurde der Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über ein polnisches Visum verfügt habe, welches am 21.04.2020 abgelaufen sei; zuzüglich der neunzig Tage habe sich damit ergeben, dass der Beschwerdeführer sich seit 21.07.2020 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, binnen vierzehn Tagen ab Erhalt dieser Verständigung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben und die näher angeführten Fragen betreffend seine Lebensumstände in Österreich und der Ukraine zu beantworten.
3. Am 12.09.2020 reiste der Beschwerdeführer neuerlich in das österreichische Bundesgebiet über Ungarn kommend ein.
4. Am 29.09.2020 wurde der Beschwerdeführer (neuerlich) gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 und Abs. 1a iVm § 120 Abs. 1a FPG angezeigt und festgenommen, nachdem im Rahmen einer Verkehrskontrolle festgestellt worden war, dass er sich (wieder) unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt.
5. Am 30.09.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, der Erlassung der Schubhaft sowie seiner Abschiebung in die Ukraine befragt. Dabei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass er sich nicht legal in Österreich aufhalte. Als er in Belgien gewesen sei, habe seine Frau einen Brief bekommen; er habe diesen vor vier oder fünf Tagen erhalten. Es seien zwei Briefe gewesen; in einem Brief sei es um die Strafe gegangen, den anderen habe er nicht verstanden. Er sei vorgestern mit einem Auto von Belgien nach Österreich gekommen und habe einen Bekannten angerufen, damit dieser ihm den Brief übersetze; dieser Bekannte habe ihn abgeholt. Der Beschwerdeführer habe seinem Bekannten in der Folge bei Gartenarbeiten geholfen; er sei für die Arbeit nicht bezahlt worden bzw. sei auch keine Bezahlung vereinbart gewesen. Er sei am 13.09.2020 über Ungarn in das Schengen-Gebiet eingereist und dann weiter nach Belgien gereist; in Österreich befinde er sich seit Montag. Inklusive des aktuellen Aufenthaltes habe er sich drei oder vier Mal in Österreich befunden. Zweck seiner nunmehrigen Einreise sei die Übersetzung des Briefes gewesen; außerdem habe er sich, da er hier Bekannte habe, um ein Auto umsehen wollen. Er habe in Österreich eine Unterkunft für 20,00 Euro pro Nacht gefunden. Zuletzt habe er in Polen gelebt und gearbeitet; es sei schwer, in der Ukraine eine Arbeit zu finden. In Österreich lebe er von seinem Ersparten; als er eingereist sei, habe er 600,00 Euro besessen, jetzt habe er 100,00 Euro bar und etwa 100,00 Euro am Konto. In Österreich verfüge er über keine legal aufhältigen Familienangehörigen seiner Kernfamilie. Er habe im Bundesgebiet nur Bekannte, pflege darüber hinaus keine Kontakte und spreche kein Deutsch. In der Ukraine würden sein Vater, seine Ehefrau und sein Sohn leben; er habe eine Eigentumswohnung.
6. Mit Mandatsbescheid vom 30.09.2020 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.
7. Mit oben genanntem, gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 30.09.2020, Zl. 1267659002/200836616, wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FGP wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte die belangte Behörde (insbesondere zum verhängten Einreiseverbot) im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer über kein Aufenthaltsrecht im österreichischen Bundesgebiet verfüge. Er habe in Österreich kein schützenswertes Privat- und Familienleben; seine Kernfamilie lebe in der Ukraine. Der Beschwerdeführer führe etwa 110,00 Euro in bar mit, habe zirka 100,00 Euro am Konto und sei im Besitz einer Eigentumswohnung; sonst habe er keine Ersparnisse. Er dürfe in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgehen. Der Beschwerdeführer könne den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen. Er verfüge über zwei gültige ukrainische Reisepässe und verwende diese auch, damit sein unrechtmäßiger Aufenthalt nicht festgestellt werden könne. Aufgrund des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass die Annahme, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle, gerechtfertigt sei.
8. (Nur) gegen Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wurde fristgerecht am 02.10.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, wobei begründend insbesondere ausführt wird, dass der Beschwerdeführer bereit gewesen sei, auf eigene Kosten freiwillig auszureisen. Er habe weder das Ausländerbeschäftigungsgesetz verletzt noch sei er jemals wegen einer Straftat verurteilt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer als mittellos angesehen werde und weshalb der Beschwerdeführer aufgrund dieser Mittellosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle; die geforderte konkrete Beurteilung sei im gegenständlichen Fall lückenhaft und falsch durchgeführt worden. Vom Beschwerdeführer gehe keine Gefahr aus, welche die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von fünf Jahren rechtfertigen würde.
9. Der Beschwerdeführer wurde am 04.10.2020 aus dem Stande der Schubhaft auf dem Luftweg in die Ukraine abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer wurde am 21.08.2020 gemäß § 31 Abs. 1 und 1a iVm § 120 Abs. 1a FPG angezeigt, nachdem im Rahmen einer Ausreisekontrolle am Flughafen Wien-Schwechat festgestellt worden war, dass er sich im Bundesgebiet aufgehalten hatte, obwohl sein polnisches Visum D am 21.04.2020 abgelaufen war. Am selben Tag reiste der Beschwerdeführer freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine aus. Am 12.09.2020 reiste der Beschwerdeführer neuerlich in das österreichische Bundesgebiet über Ungarn kommend ein. Am 29.09.2020 wurde der Beschwerdeführer (neuerlich) gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 und Abs. 1a iVm § 120 Abs. 1a FPG angezeigt und festgenommen, nachdem im Rahmen einer Verkehrskontrolle festgestellt worden war, dass er sich (wieder) im Bundesgebiet aufhielt, ohne dazu über eine Berechtigung zu verfügen.
Mit Bescheid vom 30.09.2020 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FGP wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Gegen diesen Bescheid wurde im Umfang des Spruchpunktes betreffend die Verhängung eines Einreiseverbotes am 02.10.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben; die übrigen Spruchpunkte blieben unangefochten.
Der Beschwerdeführer wurde am 04.10.2020 aus dem Stande der Schubhaft in die Ukraine abgeschoben; er hat sich seiner Abschiebung nicht widersetzt.
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine und führt die im Spruch ersichtlichen Personalien. Seine Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht; er ist in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er verfügte zuletzt über ein polnisches Visum D; seit Ablauf des Gültigkeitsdatums dieses Visums am 21.04.2020 verfügt er in der Europäischen Union in keinem Mitgliedstaat über eine Aufenthaltsberechtigung. Der Beschwerdeführer besitzt zwei gültige ukrainische Reisepässe, wobei er im Verkehr mit den österreichischen Behörden im Rahmen der oben angeführten Anzeige sowie seiner darauffolgenden Ausreise in die Ukraine am 21.08.2020 den Reisepass mit der Nummer XXXX , gültig von 15.04.2015 bis 15.04.2025, und im Rahmen der Anzeige und Festnahme am 29.09.2020 den Reisepass mit der Nummer XXXX , gültig von 21.12.2018 bis 21.12.2028, verwendete.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich lose Bekannte, abgesehen davon jedoch keine familiären, privaten oder engen sozialen Anknüpfungspunkte. Er beherrscht die deutsche Sprache nicht. Er ist in Österreich nicht meldebehördlich gemeldet und hat keinen gesicherten Wohnsitz. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich weder über die Möglichkeit, einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch über sonstige Mittel zur Finanzierung seines Unterhalts im österreichischen Bundesgebiet. Bei seiner Festnahme am 29.09.2020 verfügte er insgesamt über etwa 200,00 Euro. Er bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.
In der Ukraine leben der Vater, die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat die letzten zwei Jahre in Polen, wo ihm mehrfach Visa zu Arbeitszwecken ausgestellt wurden, gearbeitet; zuvor war er in der Ukraine als Fensterbauer tätig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers gründen auf dem in Kopie im Akt befindlichen ukrainischen Reisepass des Beschwerdeführers mit der Nummer XXXX . Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Verwaltungsakt noch wurde dies vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme oder in der Beschwerde vorgebracht. Die Feststellungen zum letzten polnischen Visum des Beschwerdeführers sowie der seit dessen Ablauf nicht mehr bestehenden Aufenthaltsberechtigung eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union ergeben sich aus den Anzeigen der Landespolizeidirektion XXXX vom 21.08.2020 (AS 2) und vom 29.09.2020 (AS 75 und 77) in Verbindung mit den Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.09.2020 (AS 89). Die Feststellungen zur Verwendung von zwei gültigen ukrainischen Reisepässen durch den Beschwerdeführer ergeben sich ebenfalls aus den Anzeigen der Landespolizeidirektion XXXX vom 21.08.2020 (AS 1) und vom 29.09.2020 (AS 77) in Verbindung mit dem Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 29.09.2020 (AS 25) und wurden bereits im angefochtenen Bescheid berücksichtigt; Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.
Die Feststellungen zur den familiären, privaten und sozialen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich, seinen Deutschkenntnissen, der fehlenden meldebehördlichen Meldung bzw. dem nicht vorhandenen gesicherten Wohnsitz des Beschwerdeführers in Österreich, seinen Anknüpfungspunkten in der Ukraine bzw. in Polen, insbesondere im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit, gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 87 bis 91) in Verbindung mit einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister am 09.10.2020. Dem wurde auch im Rahmen der Beschwerdeschrift nicht entgegengetreten; es wurde keine soziale, familiäre oder berufliche Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich behauptet, noch sind maßgebliche Integrationsmerkmale aus dem Verfahren sonst hervorgekommen. Die Feststellungen zur Finanzierung des Unterhalts des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine Aufenthalts- oder Arbeitsbewilligung verfügt in Verbindung mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.09.2020, wonach er „seit Montag“ in Österreich sei und aktuell in Österreich von angespartem Geld lebe, das er mitgebracht habe; bei seiner Einreise habe er 600,00 Euro gehabt, jetzt habe er 100,00 Euro Bargeld und „vielleicht noch 100,00 Euro auf der Karte“, sonstige Ersparnisse habe er (abgesehen von einer Eigentumswohnung) nicht (AS 89 und 91). Diese Feststellungen wurden bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt und in der Beschwerde nicht bestritten.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gründen auf seinen diesbezüglichen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (AS 87 und 89).
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister am 09.10.2020.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:
3.1.1. Gemäß § 53 FPG kann das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG (soweit hier relevant) insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahre erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH Ra 2016/21/0289).
Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt ist noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebietet. Wenn sich das Fehlverhalten darauf beschränkt und ausnahmsweise nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029).
Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist. Dies gilt auch für ein in einem Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erlassenes Einreiseverbot (VwGH 12.07.2019, Ra 2018/14/0282).
3.1.2. Die belangte Behörde erließ über den Beschwerdeführer aufgrund seiner Mittellosigkeit ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren und stützte es auf § 53 Abs. 1 und 2 Z 6 FPG (vgl. dazu die ausführliche Zusammenstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Gesetzesbestimmung im hg. Erkenntnis vom 25. April 2016, Zl. W230 2007105-1/18E). Hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer kein tatsächliches Familienleben in Österreich führe, in Österreich beruflich, sprachlich, sozial und privat nicht integriert sei sowie im Besitz von zwei Reisepässen sei und diese verwende, damit sein unrechtmäßiger Aufenthalt nicht festgestellt werden könne. Eine Begründung über die Länge von fünf Jahren des Einreiseverbotes ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
Die Einschätzung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht nachgewiesen, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, zumal er bei der Festnahme am 29.09.2020 nur über finanzielle Mittel von ca. € 200,00 verfügte, weitere Mittel jedoch nicht nachzuweisen vermochte. Zu Recht würdigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Verkehr mit den österreichischen Behörden verschiedene Reisepässe verwendet hat; die Feststellung der erfolgten Ein- und Ausreisen des Beschwerdeführers in das österreichische Bundesgebiet (etwa im Rahmen des ihm in der Vergangenheit erteilten, inzwischen abgelaufenen polnischen Visums) war dadurch erschwert. Der Beschwerdeführer ist überdies, obwohl er am 21.08.2020 wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet angezeigt wurde und in der Folge aus Österreich ausreiste, bereits im September 2020 neuerlich und unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hielt sich wieder in Österreich auf, ohne über eine Aufenthaltsberechtigung zu verfügen. Aufgrund der aufgezeigten Umstände ist die Annahme der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, gerechtfertigt.
Für die belangte Behörde bestand auch kein Grund, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 53 Abs. 1 FPG (arg: „kann“) von der Erlassung des Einreiseverbotes Abstand zu nehmen, liegt doch die Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG für die Erlassung eines Einreiseverbotes – das Unvermögen, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen – eindeutig vor, sodass eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Einreiseverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) liegen würde.
Was die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers betrifft, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer abgesehen von losen Bekannten über keine Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt und damit in Österreich beruflich, sozial und familiär nicht verankert ist, während er in der Ukraine gearbeitet hat und dort seine Kernfamilie lebt. Der Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Einreiseverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, steht daher nichts entgegen.
Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes mit fünf Jahren als nicht angemessen. Dies aus folgenden Erwägungen:
Der Beschwerdeführer war zuletzt im Besitz eines polnischen Visums und hat in Polen gearbeitet, verfügt somit über Anknüpfungspunkte in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, am 21.08.2020 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist ist und sich auch der seinem neuerlichen unrechtmäßigen Aufenthalt folgenden Abschiebung in die Ukraine nicht widersetzt hat sowie lediglich Mittellosigkeit gegeben war, erscheint die Bemessung des Einreiseverbotes in der nach § 53 Abs. 2 FPG zulässigen Höchstdauer von fünf Jahren nicht geboten.
Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von fünf Jahren steht somit unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Relation.
Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der aufgrund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des Beschwerdeführers getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbotes daher in angemessener Weise auf zwei Jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit stattzugeben.
3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Im Übrigen findet sich in der Beschwerdeschrift ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen, welches im konkreten Fall nicht dazu geeignet ist, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen. Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser insbesondere kein neues Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger für die Vornahme der Interessensabwägung bzw. die Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers beachtlicher Aspekte und wird den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in den entscheidungswesentlichen Aspekten nicht entgegengetreten. Zudem wurde in der Beschwerde auch keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt.
Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Ermessen Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W236.2235865.1.00Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021