Entscheidungsdatum
19.10.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W278 2176476-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Dr. XXXX und Dr. XXXX Rechtsanwälte in XXXX , gegen die Anwendung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Abschiebung am 19.10.2017, zu Recht:
A) I. Die Beschwerde wegen der am 19.10.2017 erfolgten Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Serbien wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
III. Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-Aufwandersatzverordnung dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (infolge: BF), eine serbische Staatsangehörige, reiste Ende 2013 mit ihrem zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Sohn rechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 16.12.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 31.08.2015, Zl. 831.846.207, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) den Antrag der BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab und erteilte der BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen die BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Serbien zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Der dagegen eingebrachten Beschwerde erkannte das Bundesverwaltungsgericht (infolge: BVwG) mit Beschluss vom 29.09.2015, G311 2114859-1, die aufschiebende Wirkung zu und wies diese in der Folge mit Erkenntnis vom 25.04.2016, G306 2114859-1, als unbegründet ab.
Die von der BF erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10.08.2017, Ra 2016/20/0105-0106, zurück.
Am 11.10.2017 wurden gegen die BF ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG, gültig ab 17.10.2017 ab 06:00 Uhr, sowie ein Durchsuchungsauftrag erlassen.
Am selben Tag erließ das BFA einen Abschiebeauftrag – Luftweg nach Serbien für den 19.10.2017.
Am 17.10.2017, 08:05 Uhr, wurde die BF festgenommen, in das Polizeianhaltezentrum XXXX eingeliefert und am selben Tag in ein Polizeianhaltezentrum in XXXX überstellt.
Am selben Tag 17.10.2017 wurde der BF die vom BFA verfasste Information über die für 19.10.2017 geplante Abschiebung persönlich übergeben.
Mit Schriftsatz vom 17.10.2017 beantragte die BF die Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 und 4 FPG, übermittelte verschiedene Unterlagen, darunter eine ärztliche Bestätigung über diverse Erkrankungen einschließlich Medikamentenliste, und brachte dazu vor, dass sie an AIDS und Anämie leide und daher nicht reisetauglich sei. Eine Behandlung in Serbien sei nicht möglich und für sie auch nicht zugänglich. Ihr Ehemann sei in Serbien von einer kriminellen Organisation ermordet worden. Zwei Söhne der BF würden rechtmäßig in Österreich leben. In Serbien hätte sie keine Existenz, wohingegen sie in Österreich von ihrer Familie unterstützt werde. Von der Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen sei daher abzusehen und der BF aufgrund tatsächlicher Abschiebungshindernisse eine Duldungskarte zu erteilen.
Am 19.10.2017 wurde die BF nach Serbien abgeschoben.
Mit Schreiben vom 20.10.2017 widerrief das BFA den gegen die BF am 11.10.2017 erlassenen Festnahmeauftrag.
Am 15.11.2017 langte beim BVwG die gegenständliche Beschwerde wegen der Abschiebung der BF ein. Darin führte sie im Wesentlichen aus, dass sie vom BFA nicht zum freiwilligen Verlassen des Bundesgebiets aufgefordert worden sei. Ihre gesamte Familie lebe in Österreich. In Serbien habe sie weder ein Haus noch Einkünfte und auch keine familiären Bindungen. Die vom BVwG zuletzt durchgeführten Ermittlungen seien veraltet und hätte die Behörde daher aktuelle Ermittlungen zum Herkunftsstaat der BF einholen müssen. Sie sei pflegebedürftig und krank und daher auf die Hilfe ihrer Familie angewiesen. Die Behörde habe es unterlassen, medizinische Unterlagen zum aktuellen Gesundheitszustand der BF einzuholen. Ein Zugang zu „menschengerechter“ medizinischer Versorgung sei im Herkunftsstaat nicht gegeben.
Der Verwaltungsakt langte am 24.11.2017 beim BVwG ein.
In der angeschlossenen schriftlichen Stellungnahme führte das BFA aus, dass eine Schubhaft niemals verhängt worden sei. Die BF sei nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern habe sich durchgehend in Grundversorgung befunden. Bei der Trennung von den in Österreich verbliebenen Familienangehörigen könne es sich auch bloß um eine temporäre Trennung handeln, weil die BF als serbische Staatsangehörige mit einem biometrischen Reisepass zur legalen Einreise und zum Verbleib in Österreich bis zu drei Monaten befugt sei oder sich bei der NAG-Behörde um einen Aufenthaltstitel bemühen könne. Mit der HIV-Infektion der BF und deren Behandelbarkeit in Serbien hätten sich alle Instanzen auseinandergesetzt und habe zuletzt auch der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Erkrankung der BF noch nicht ausgebrochen sei und alle serbischen Staatsangehörigen ungeachtet ihrer Ethnie Zugang zu teils kostenloser medizinischer Versorgung und immunsuppressiven Medikamenten zur Behandlung von HIV hätten.
2. Feststellungen:
Die BF heißt XXXX , ist am XXXX in XXXX , Serbien, geboren und serbische Staatsangehörige. Ihre Identität steht fest.
Sie reiste über Ungarn nach Österreich ein und stellte am 16.12.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des BFA vom 31.08.2015, Zl. 831.846.207, zur Gänze abgewiesen wurde. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Der Bescheid wurde der BF gemeinsam mit einer Verfahrensanordnung, mit welcher die BF über die Verpflichtung zur Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgesprächs bis 15.09.2015 belehrt wurde und einer Verfahrensanordnung hinsichtlich des ihr zur Seite gestellten Rechtsberaters, jeweils einschließlich Übersetzungen in ihrer Muttersprache, am 02.09.2015 zugestellt. Zum verpflichtenden Rückkehrberatungsgespräch ist die BF nicht erschienen.
Der gegen den Bescheid eingebrachten Beschwerde erkannte das BVwG mit Beschluss vom 29.09.2015, G311 2114859-1, die aufschiebende Wirkung zu und wies diese mit Erkenntnis vom 25.04.2016, G306 2114859-1, als unbegründet ab. Das Erkenntnis wurde der BF sowie dem BFA in der Folge ordnungsgemäß zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.
Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10.08.2017, Ra 2016/20/0105 bis 0106, zurück.
Am 17.10.2017 wurde die BF in ihrer Wohnung festgenommen und gleichzeitig über die für 19.10.2017 geplante Abschiebung informiert. Die BF war zum damaligen Zeitpunkt haftfähig, wobei regelmäßige ärztliche Kontrollen, insbesondere ihres Blutdrucks, sowie eine psychiatrische/psychologische Betreuung angeordnet wurden.
Am 19.10.2017 wurde die BF auf dem Luftweg nach Serbien abgeschoben. Der Flug wurde von einem Arzt begleitet.
Die BF litt zum Zeitpunkt der Abschiebung an HIV, Fibromyalgie, arterieller Hypertonie, und Thrombozytopenie und war flugtauglich. Sie verfügte über einen gültigen serbischen Reisepass und hatte keinen Aufenthaltstitel in Österreich.
3. Beweiswürdigung:
Die Identität der BF, ihr Geburtsort und ihre Staatsangehörigkeit ergeben sich aus der im Verwaltungsakt erliegenden Kopie ihres Reisepasses mit der Nr. XXXX (vgl. AS 33).
Die Feststellungen zur Einreise der BF beruhen auf ihren Angaben in der Erstbefragung vom 17.12.2013 (vgl. AS 17 ff), jene zum bisherigen Verfahren ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten des Asyl- und Maßnahmenbeschwerdeverfahrens, sowie den hg. Gerichtsakten im Beschwerdeverfahren über den Asylantrag der BF (vgl. G306 2114859-1). Die ordnungsgemäß erfolgten Zustellungen des Bescheides einschließlich der beigefügten Verfahrensanordnungen sowie des Erkenntnisses ergeben sich aus den im Akt erliegenden Zustellnachweisen (vgl. AS 305, 387 ff). Die Feststellung, wonach die BF zum verpflichtenden Rückkehrberatungsgespräch nicht erschienen ist, geht aus dem Schreiben des Vereins für Menschenrechte Österreich vom 17.11.2017 hervor (vgl. Gerichtsakt ihres Sohnes, W278 2176475-1).
Die Festnahme stützt sich auf den Aktenvermerk der Landespolizeidirektion XXXX vom 17.10.2017 (vgl. AS 679), die Information über den beabsichtigten Abschiebetermin beruht auf dem Schreiben des BFA vom 11.10.2017, dessen Erhalt die BF mit ihrer Unterschrift sowohl auf dem Schreiben als auch auf dem beigefügten Zustellschein bestätigte (vgl. AS 615, 617).
Die Haftfähigkeit der BF sowie die angeordneten Begleitmaßnahmen ergeben sich aus dem Protokoll der polizeiamtsärztlichen Untersuchung vom 17.10.2017.
Die Abschiebung ergibt sich aus dem Bericht des Bundesministeriums für Inneres vom 20.10.2017 (vgl. AS 661 ff) in Verbindung mit dem im Akt erliegenden Auszug aus der Anhaltedatei.
Der Gesundheitszustand der BF zum Zeitpunkt der Abschiebung beruht auf dem polizeiamtsärztlichen Gutachten in Zusammenhalt mit der Amtsbescheinigung, jeweils vom 18.10.2017. Eine derartige Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, aufgrund der die Abschiebung mit einer Gefahr für das Leben der BF verbunden gewesen wäre, konnte weder den vorgelegten medizinischen Unterlagen entnommen werden, noch wurde eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes von der BF behauptet. Die in der ärztlichen Bestätigung der BF enthaltene Feststellung, wonach diese derzeit nicht reisetauglich sei, wurde bereits am 25.09.2017 – sohin vor der letzten amtsärztlichen Untersuchung am 18.10.2017 – getroffen und bezieht sich nicht auf eine dauerhafte Reiseuntauglichkeit, sodass auch diese der zum Zeitpunkt der Abschiebung bestandenen Flugtauglichkeit der BF nicht entgegensteht.
Die Feststellungen zum Reisepass und zum Fehlen eines Aufenthaltstitels stützen sich auf die Aktenlage.
Aus dem Vorbringen der BF in ihrer Beschwerde ergibt sich kein den getroffenen Feststellungen entgegenstehender Sachverhalt, weshalb diese der gegenständlichen Entscheidung unstrittig zugrunde gelegt werden konnte.
4. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
4.1. Zur Abweisung der Beschwerde:
Vorweg ist festzuhalten, dass die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels allein dessen Unzulässigkeit nicht begründen kann. Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe sind ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/15/0005, Rn. 20).
Im vorliegenden Fall bezeichnete die BF das eingebrachte Rechtsmittel ausdrücklich als „Schubhaftbeschwerde“. Die BF führte in ihrer Beschwerde allerdings selbst aus, dass sie nie einen Schubhaftbescheid bekommen habe und ist dem Akteninhalt ebenso wenig zu entnehmen, dass sie jemals in Schubhaft angehalten worden wäre, sodass ein Abspruch über eine allenfalls verhängte Schubhaft schon deshalb nicht in Betracht kommt. Sowohl aus der Bezeichnung des Beschwerdegegenstandes auf der ersten Seite des Schriftsatzes („wegen: Abschiebung 19.10.2017“) als auch aus dem am Ende des Schriftsatzes gestellten Antrag (die BF begehrte ausdrücklich die Feststellung, dass die Abschiebung nach Serbien rechtswidrig gewesen sei) ist ersichtlich, dass sich die Beschwerde gegen die erfolgte Abschiebung wendet.
Die von der BF eingebrachte Beschwerde ist daher als Maßnahmenbeschwerde gegen die am 19.10.2017 erfolgte Abschiebung zu werten.
Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA und gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG.
Die Abschiebung, gegen die sich die gegenständliche Beschwerde (wie soeben erörtert) richtet, ist im 7. Hauptstück des FPG geregelt, weshalb das BVwG jedenfalls für die Entscheidung zuständig ist.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist auf den Zeitpunkt ihres Vollzugs abzustellen (vgl. VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089, mwN).
Der mit „Abschiebung“ betitelte § 46 des FPG in der zum Zeitpunkt des Vollzugs geltenden Fassung lautet:
„§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Verfügt der Fremde über kein Reisedokument und kann die Abschiebung nicht ohne ein solches durchgeführt werden, hat das Bundesamt bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde ein Ersatzreisedokument für die Abschiebung einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen auszustellen. § 97 Abs. 1 gilt. Der Fremde hat an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments im erforderlichen Umfang mitzuwirken.
(2a) Die Verpflichtung zur Mitwirkung gemäß Abs. 2 kann auch mit Bescheid auferlegt werden, § 19 Abs. 2 bis 4 AVG gilt sinngemäß. Der Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments bei der zuständigen ausländischen Behörde, verbunden werden (§ 19 AVG).
(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.
(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.
(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.
(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.“
Gemäß § 52 Abs. 8 FPG wird die Rückkehrentscheidung im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht.
Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung kommt es nach § 46 Abs. 1 FPG nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung, sondern auch auf die Erfüllung einer in den Z 1 bis 4 genannten Tatbestandsvoraussetzungen an. Überdies sieht die Bestimmung bei Vorliegen der dort genannten Bedingungen keine unbedingte Abschiebeverpflichtung vor, sondern stellt die Abschiebung in behördliches Ermessen (VwGH 30.08.2011, 2008/21/0020; VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme ist die Behörde nicht auf die vorgebrachten Gründe beschränkt. Eine Abschiebung darf im Fall eines gestellten Antrages auf internationalen Schutz bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht stattfinden (vgl. VwGH 26.06.2014, 2013/21/0253).
Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 31.08.2015, mit welchem das BFA den Antrag der BF auf internationalen Schutz zur Gänze abwies, wurde zwar die aufschiebende Wirkung zuerkannt, doch wies das BVwG die Beschwerde bereits im April 2016 ab und wurde das Erkenntnis der BF ordnungsgemäß zugestellt, sodass die Rückkehrentscheidung zum damaligen Zeitpunkt rechtskräftig wurde und die vierzehntätige Frist zur freiwilligen Ausreise zu laufen begann (vgl. § 55 Abs. 2 FPG). Im Zeitpunkt der Abschiebung bestand daher eine gegen die BF durchsetzbare Rückkehrentscheidung.
Der BF musste die Ausreiseverpflichtung auch bewusst sein, zumal sie bereits mit Verfahrensanordnung vom 01.09.2015 (der BF nachweislich zugestellt am 02.09.2015) – sohin unmittelbar nach Erlassung des erstinstanzlichen Asylbescheides – ausdrücklich auf die erlassene Rückkehrentscheidung hingewiesen wurde und ihr die Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgespräches aufgetragen wurde. Dennoch kam die BF ihrer Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise nicht nach, sondern verblieb trotz der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG über ein Jahr rechtswidrig im Bundesgebiet. § 46 Abs. 1 Z 2 FPG erweist sich daher – entgegen der von der BF in ihrer Beschwerde vertretenen Ansicht – jedenfalls als erfüllt.
Soweit die BF darauf verwies, dass sie zum freiwilligen Verlassen des Bundesgebiets niemals aufgefordert worden sei, ist festzuhalten, dass selbst eine allfällige Verletzung von Informationspflichten des § 58 FPG die Abschiebung nicht mit Rechtswidrigkeit belasten würde.
Die von der BF in ihrer Beschwerde hervorgehobene Beziehung zu ihren in Österreich lebenden Söhnen und ihrer Schwiegertochter belastet ihre Abschiebung ebenso wenig mit Rechtswidrigkeit, zumal ihre familiären Bindungen in Österreich bereits in der durchsetzbaren Rückkehrentscheidung berücksichtigt wurden.
Vor dem Hintergrund, dass der BF die Verpflichtung zur Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgesprächs bereits mit dem negativen Asylbescheid mitgeteilt wurde und sie dennoch nicht erschienen ist, läuft auch ihr Vorbringen in der Beschwerde, wonach ihr die Behörde nochmals Gelegenheit zur Inanspruchnahme eines solchen Gesprächs hätte geben müssen, um sie auf die bevorstehende Abschiebung vorzubereiten, ins Leere.
Weiters ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein Verbot der Abschiebung vorlag:
Für die Gewährung von Abschiebeschutz ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert. Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen genügen hingegen nicht (vgl. VwGH 27.02.1997, 98/21/0427).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. VwGH 26.06.1997, 95/18/1293; 17.07.1997, 97/18/0336).
Die BF brachte sowohl in ihrem Schriftsatz vom 17.10.2017 als auch in der Beschwerde vor, dass ihre HIV-Infektion einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstehe, weil diese mit einer Gefahr für ihr Leben verbunden wäre. Die BF habe im Herkunftsstaat keinen Zugang zu medizinischer Behandlung und könne diese auch nicht behandelt werden.
Dies steht allerdings einerseits in Widerspruch zum vom BVwG festgestellten und vom Verwaltungsgerichtshof bestätigten Sachverhalt, wonach die Erkrankung noch nicht ausgebrochen ist, HIV-Infektionen in Serbien behandelbar sind und sämtliche Staatsangehörige ungeachtet ihrer Ethnie, sohin auch die der Volksgruppe der Roma zugehörige BF, Zugang zu teilweise auch kostenloser medizinischer Behandlung haben und auch entsprechende Medikamente zur Behandlung von HIV zur Verfügung stehen. Andererseits legt die BF nicht dar, inwiefern sich die Situation in Bezug auf die Behandelbarkeit ihrer Erkrankung in Serbien seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung verändert hat und brachte auch nicht vor, woraus sich eine derartige Änderung der Umstände im Herkunftsstaat ergibt. Schließlich deckt sich das Vorbringen der BF nicht mit den Ergebnissen der amtsärztlichen Untersuchungen vom 17.10.2017 und 18.10.2017, wonach sie zum damaligen Zeitpunkt sowohl haftfähig als auch flugtauglich war.
In Bezug auf die Gegebenheiten im Herkunftsstaat ist zudem festzuhalten, dass Serbien im Zeitpunkt der Abschiebung (ebenso wie Erkenntnis des BVwG vom 25.04.2016 ausgeführt) ein sicherer Herkunftsstaat war (vgl. § 1 Z 6 Herkunftsstaaten-Verordnung idF vom 19.10.2017).
Es kann daher nicht angenommen werden, dass die BF im Zeitpunkt der Abschiebung einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt gewesen wäre, zumal vor ihrer Abschiebung zwei amtsärztliche Untersuchungen durchgeführt wurden und der Flug durchgehend von einem Arzt begleitet wurde. Auch sonst sind keine außergewöhnlichen Umstände hervorgekommen, welche die Abschiebung der BF nach Serbien unzulässig gemacht hätten.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die BF durch die am 19.10.2017 erfolgte Abschiebung nicht in ihren Rechten verletzt wurde, weshalb die dagegen erhobene Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen ist.
4.2. Zum Kostenersatz:
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird. Nach Abs. 7 leg. cit. ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
Gemäß § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung wird die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wie folgt festgesetzt:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
[…]
Der BF gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz, weshalb ihr Antrag abzuweisen ist. Die belangte Behörde ist aufgrund der Beschwerdeabweisung vollständig obsiegende Partei und hat daher Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang, wobei Ersatz des Verhandlungsaufwandes mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht gebührt.
4.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt.
Zu B.) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung Abschiebungshindernis Ausreiseverpflichtung Befehls- und Zwangsgewalt Behandlungsmöglichkeiten gesundheitliche Beeinträchtigung illegaler Aufenthalt Kostentragung Maßnahmenbeschwerde medizinische Versorgung sicherer Herkunftsstaat VolksgruppenzugehörigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2176476.1.00Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021