Entscheidungsdatum
06.11.2020Norm
BFA-VG §9Spruch
W282 2226440-1/10E
Im Namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RAST & MUSLIU Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019, Zl. XXXX wegen Erlassung einer Ausweisung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2020 zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (BF), eine serbische Staatsbürgerin, hat am XXXX .2016 einen im Bundesgebiet freizügigkeitsberechtigten ungarischen Staatsbürger geheiratet und ist in Folge im Juni 2016 nach Österreich übersiedelt. Seitdem hält sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Am 27.06.2020 teilte die BF der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien (MA 35) mit, dass ihre Ehe mit ihrem Ex-Mann mit Urteil eines serbischen Gerichtes mit Wirksamkeit zum XXXX .2019 geschieden worden sei. Da die Ehe bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens nicht drei Jahre lang bestanden hatte, befasste die MA 35 das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge „Bundesamt“) mit der Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung. Die BF wurde hierzu am im Oktober 2019 vor dem Bundesamt einvernommen. Die BF erwähnte hierbei nichts von einer Spielsucht ihres Ex-Gatten.
2. Mit angefochtenem Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2019 wurde die BF gem. § 66 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, die Ehe der BF habe nicht drei Jahre bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens bestanden, weswegen ihr Aufenthaltsrecht nach § 54 NAG nicht erhalten geblieben sei. Auch eine Abwägung nach § 9 BFA-VG führe nicht zur Unzulässigkeit der Aufenthaltsbeendigung.
3. Dagegen erhob die BF im Wege ihre Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde und führte dabei nach einer kurzen Sachverhaltsdarstellung im Wesentlichen aus, eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG sei unzulässig, weil die BF die Aufrechterhaltung der Ehe mit ihrem Ex-Gatten nicht zumutbar gewesen sei, da dieser spielsüchtig gewesen sei. Es liege ein Härtefall iSd § 54 NAG vor. Weiters sei die BF durchgehend berufstätig gewesen und werde von ihren Arbeitgebern sehr geschätzt. Die Tochter der BF lebe mit der BF in einer Wohnung auch der Sohn der BF verbringe viel Zeit bei ihr.
4. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 11.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
5. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.06.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G310 abgenommen und der Gerichtsabteilung W282 neu zugewiesen.
6. Der nunmehr neue Rechtsvertreter (RV) der BF erstattete am 28.10.2020 eine Stellungnahme und Urkundenvorlage mit der Lohnzettel der BF sowie ihrer Kinder und weitere Unterlagen vorgelegt wurden.
7. Am 30.10.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, bei der die BF, ihre Tochter und ihr Sohn in Anwesenheit des Rechtsvertreters der BF einvernommen wurden. Das Bundesamt blieb dieser Verhandlung entschuldigt fern. Bei der Verhandlung wurden zahlreiche Unterstützungsschreiben für die BF sowie ein Zwischendienstzeugnis ihres derzeitigen Arbeitgebers vorgelegt. Die Verkündung des Erkenntnisses unterblieb gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG aufgrund noch anzustellender komplexer Überlegungen zum Bestehen eines Familienlebens.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin (BF) ist serbische Staatsangehörige. Sie ist gesund und erwerbsfähig, sie ist im Inland strafrechtlich unbescholten.
Die BF hat bis Ende Juni 2016 in der Serbien gelebt, wo sie aufgewachsen ist, ihre Kindheit und Jugend verbracht hat und auch bereits erwerbstätig war. Die BF hat am XXXX .2016 einen im Bundesgebiet freizügigkeitsberechtigten ungarischen Staatsbürger geheiratet und ist in Folge im Juni 2016 nach Österreich übersiedelt. Seitdem hält sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf. Ihr wurde aufgrund dieser Ehe eine Aufenthaltskarte als Angehörige eines EWR Bürgers, gültig von XXXX .2016 bis XXXX .2021 ausgestellt.
Am XXXX .2019 teilte die BF der MA 35 mit, dass die Ehe mit ihrem Ex-Mann mit Urteil eines serbischen Gerichtes mit Wirksamkeit zum XXXX .2019 geschieden worden sei. Das Scheidungsverfahren ist am XXXX .2019 eingeleitet worden. Das in Folge von der MA 35 befasste Bundesamt hat die BF mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX .2019 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und ihr einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt. Begründet wurde dies vom Bundesamt mit dem Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts der BF. Die BF hat am XXXX .2019 einen
Verlängerungs-/Zweckänderungsantag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot Karte Plus“ bei der MA 35 gestellt.
Im Bundesgebiet halten sich der Ex-Lebensgefährte sowie die zwei volljährigen Kinder der BF auf. Die Tochter der BF wohnt mit der BF in einem Haushalt, hat eine Frisörlehre absolviert und hat mit 03.09.2020 ihre Lehrzeit abgeschlossen. Die Lehrabschlussprüfung hat sie noch nicht absolviert. Sie ist auch als Frisörin erwerbstätig und hat im September 2020 zumindest 883,60 € pro Monat verdient. Die Tochter der BF weist trotz ihrer Volljährigkeit ein außerordentlich enges und intensives emotionales Verhältnis zu ihr Mutter auf. Für die Tochter der BF ist ihre Mutter im Bundesgebiet die einzige maßgeblich emotionale Bezugsperson. Der Sohn der BF lebt beim Ex-Lebensgefährten der BF und verdient als Lehrling ca. 770€ netto pro Monat. Der Sohn der BF hält sich vorwiegend an den Wochenenden bei seiner Mutter auf, die für ihn typische Hausarbeiten erledigt.
Die BF hat sporadisch Kontakt mit ihren Verwandten in ihrem Heimatland.
Die Beschwerdeführerin verfügt über umfangreiche sozialen Kontakte in Österreich und ist insbesondere im Umfeld ihres derzeitigen und ihres bisherigen Arbeitgebers überdurchschnittlich gut sozial und gesellschaftlich integriert. Während ihres Aufenthaltes hat sie an Deutschkursen, zuletzt auf dem Sprachniveau A2, teilgenommen und auch die ÖIF Prüfung auf A2 Niveau absolviert. Die BF hat sich kürzlich für einen Deutschkurs auf B1 Niveau samt Prüfung eingeschrieben.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist die BF ebenfalls gut integriert. Sie war die BF seit 02.11.2016 bis Ende 2019 als Kellnerin erwerbstätig. Hiernach war sie von 01.01.2020 bis 17.03.2020 als Arbeiterin erwerbstätig. Von 18.03.2020 bis 12.05.2020 bezog die BF Arbeitslosengeld. Seit 13.05.2020 ist die BF als Reinigungskraft erwerbstätig und verdient netto rund 1.400€ pro Monat.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen, und durch Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt sowie am heutigen Tag vor dem BVwG. Weiters wurden auch die Tochter und der Sohn der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommen. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF beruht auf der Einsichtnahme in das Strafregister.
Die Feststellungen zur Eheschließung und Scheidung der BF mit bzw. von ihrem Ex-Mann basieren auf dem Verwaltungsakt des Bundesamtes, dort auf der Mitteilung der MA 35 vom 03.07.2019 (AS 21). Die Feststellungen zu den erteilten bzw. beantragen Aufenthaltstiteln ergeben sich aus dem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister.
Die Feststellungen zu den Familienverhältnissen, den Kontakten zum Heimatstaat, dem Aufenthaltsort der Kinder der BF und zu ihrer Berufstätigkeit beruhen auf den Angaben der BF bei der Einvernahme vor dem Bundesamt und vor dem BVwG, weiters auf den Angaben der Zeugen, sowie auf den vom RV vorgelegten Unterlagen (OZ 6). Zusätzlich wurde hinsichtlich der Berufstätigkeit auch ein Auszug des HV der Sozialversicherungsträger eingeholt. Nicht bestätigt werden konnte der überwiegende Aufenthalt des Sohnes der BF bei ihr. Während in der Beschwerde und in der Stellungnahme vom 28.10.2020 noch behauptetet wurde, auch der Sohn der BF lebe fast ausschließlich bei ihr, gab dieser bei seiner Befragung glaubwürdig an, sich primär nur an den Wochenenden bei seiner Mutter länger aufzuhalten. Sonst komme er vorwiegend zum Essen vorbei oder wenn Hausarbeiten (Wäsche waschen etc.) zu erledigen sind. Weiters hatte die BF schon vor dem Bundesamt abgegeben, dass ihr Sohn bei seinem Vater in Wien XXXX wohnt, zumal ihr Sohn auch nach wie vor dort behördlich gemeldet ist.
Dass die Tochter der BF bei ihr in Wien XXXX wohnt, ergibt sich aus dem diesbezüglichen Auszug aus dem zentralen Melderegister und konnte auch ohne weiteres glaubwürdig in deren Aussage dargelegt werden. In Bezug auf die soziale und emotionale Bindung der Tochter machten sowohl die BF, vor allem aber die Tochter der BF bei ihrer Einvernahme den nachhaltigen und glaubhaften Eindruck, dass zwischen ihnen eine im Hinblick auf die Volljährigkeit der Tochter außergewöhnlich intensive emotionale Bindung besteht. So teilen sich die Tochter und die BF ein Bett in der Wohnung der BF; auch konnte die Tochter glaubhaft machen, dass ihre Mutter die einzige maßgebliche emotionale Bezugsperson im Bundesgebiet für sie ist, da sie zu ihrem Vater kaum Kontakt hat. Weiters erhält die Tochter von ihrer Mutter auch eine kleine gelegentliche finanzielle Unterstützung.
Die Feststellungen zur sozialen, sprachlichen und gesellschaftlichen Integrationsstufe der BF basieren maßgeblich auf dem von der BF im Rahmen ihrer heutigen Einvernahme erlangten persönlichen Eindruck. Weiters konnte aufgrund der zahlreichen vorliegenden Unterstützungserklärungen für die BF, die neben Arbeitskollegen ua. auch von Kunden ihres früheren Arbeitgebers stammen, glaubwürdig eine deutlich überdurchschnittliche soziale bzw. gesellschaftliche Integration nachgewiesen werden.
Die Einvernahme des Ex-Mannes der BF war nicht erforderlich, da dessen Einvernahme zu in der Beschwerde zu einem Beweisthema beantragt wurde, dass aufgrund des Neuerungsverbotes des § 20 BFA-VG nicht Gegenstandes des Beweisverfahrens ist (vgl. hierzu die rechtliche Begründung in Punkt 3.2.).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Ausweisung:
3.1. Rechtsgrundlagen:
Der mit „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 NAG lautet wie folgt:
„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder
5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.
(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.“
Der mit „Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers“ betitelte § 54 NAG lautet wie folgt:
„(1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.
(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.
(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und
1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder
5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.
(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.“
Der mit „Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate“ betitelte § 55 NAG lautet wie folgt:
„(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“
Der mit „Ausweisung“ betitelte § 66 FPG lautet wie folgt:
„(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“
Der mit „Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub“ betitelte § 70 FPG lautet wie folgt:
„(1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.
(Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)
(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
(4) Der Durchsetzungsaufschub ist zu widerrufen, wenn
1. nachträglich Tatsachen bekannt werden, die dessen Versagung gerechtfertigt hätten;
2. die Gründe für die Erteilung weggefallen sind oder
3. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige während seines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Verhalten setzt, das die sofortige Ausreise aus
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
3.2 Zum Neuerungsverbot:
§ 20 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 20. (1) In einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden,
1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes maßgeblich geändert hat;
2. wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war;
3.wenn diese dem Fremden bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren oder
4. wenn der Fremde nicht in der Lage war, diese vorzubringen.
(2) Über die Zulässigkeit des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweise muss nicht entschieden werden, wenn diese für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht maßgeblich sind.
(3) Abs. 1 ist auf Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes auf Grund eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 nicht anzuwenden.“
Das erstmals in der Beschwerde erhobene Vorbringen, es liege ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG aufgrund der Spielsucht des Ex-Mannes der BF vor, ist für das ggst. Beschwerdeverfahren unbeachtlich, da diesem das Neuerungsverbot des § 20 Abs. 1 BFA-VG entgegensteht. Die BF wurde vom Bundesamt im Oktober 2019 einvernommen, ihr wurden auch die entsprechenden Rechtsvorschriften vorgehalten, auch wurde sie von der MA 35 über die Befassung des Bundesamtes informiert. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum die BF dieses Vorbringen nicht bereits vor dem Bundesamt oder bei der MA 35 erstatten hätte können. Psychische Beeinträchtigungen, lagen bei der Einvernahme vor dem Bundesamt lt. der vorliegenden Niederschrift nicht vor; die BF gibt dort an, dass es ihr gut gehe und sie psychisch in der Lage sei, der Einvernahme zu folgen und alle relevanten Angaben zu machen. Daher war die Frage der Spielsucht des Ex-Mannes nicht Gegenstand des Beweisverfahrens und wurde dieser auch nicht einvernommen.
3.3. Zur ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheids:
Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG gilt als begünstigter Drittstaatsangehöriger, der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).
Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. War der Fremde auf Grund einer für ihn nach dem NAG ausgestellten Dokumentation rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, so stellt sich die Erlassung einer auf § 52 Abs. 1 FPG gestützten Rückkehrentscheidung und eines damit nach § 53 FPG verbundenen Einreiseverbotes als nicht zulässig dar. Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG nimmt auch der – die Ausweisung regelnde – § 66 FPG Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer)Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Aus § 55 Abs. 4 NAG geht klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand des § 66 FPG 2005 zu prüfen ist. Diesfalls kommt es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 nicht an (vgl. VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005, mwN).
Der BF wurde hinsichtlich ihrer Eheschließung mit einer freizügigkeitsberechtigten ungarischen Staatsangehörigen am XXXX 2016 eine Aufenthaltskarte (Angehörige eines EWR-Bürgers) mit Gültigkeit bis zum XXXX 2021 ausgestellt.
Kommt die Niederlassungsbehörde bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des Bundesamtes und Information des Betroffenen) zu setzen. Die Frage des Bestehens des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das Bundesamt zu beurteilen (vgl. VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378).
Die belangte Behörde kam gegenständlich zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht der BF nicht mehr vorliegen. Darin ist ihr einleitend zuzustimmen:
Gemäß § 54 Abs. 5 Z 1 NAG bleibt das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 leg. cit. erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet. Das Scheidungsverfahren der BF von ihrem freizügigkeitsberechtigten ungarischen Ehegatten wurde am XXXX .2019 eingeleitet und die Ehe am XXXX .2019 geschieden. In Ermangelung einer mindestens drei Jahre andauernden Ehe bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens sowie mangels Bestehens eines Härtefalls liegen keine Ausnahmetatbestände im Sinne des
§ 54 Abs. 5 NAG vor, weshalb der BF gemäß § 55 NAG kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zukommt.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Gegenständlich ist angesichts des ca. 4 Jahre und 6 Monate dauernden Aufenthalts der BF daher die Erlassung einer Ausweisung dem Grunde nach zulässig.
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Gemäß § 9 BFA-VG ist u.a. eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (vgl. EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Unter „Privatleben“ im Sinne von Art. 8 EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Nr. 60654/00, Sisojeva ua gg. Lettland).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Das Bundesamt ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass gegenständlich kein schützenswertes Familienleben der BF im Bundesgebiet vorliegt. Dies mag bei oberflächlicher Betrachtung und bei Zugrundelegung der Sachverhaltserkenntnisse des Bundesamtes im Hinblick auf die vom EGMR zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätze zutreffen, da beide Kinder der BF bereits volljährig sind und hinsichtlich der Beziehung von erwachsenen Kindern zu ihren Eltern zusätzliche Kriterien erfüllt sein müssen, um von einem schützenswerten Familienleben ausgehen zu können. Das maßgebliche Kriterium des gemeinsamen Haushalts ist beim Sohn der BF nicht gegeben, da dieser selbst angibt sich überwiegend bei seinem Vater aufzuhalten. Seine gelegentlichen Besuche an Wochenenden bzw. dass seine Mutter für ihn Hausarbeiten erledigt, bedingen hierbei jedoch noch keinen gemeinsamen Haushalt, wenngleich aber auch hier eine tiefe emotionale Bindung besteht.
Hinsichtlich der Tochter der BF besteht mit der BF ein gemeinsamer Haushalt was aber für sich genommen unter Volljährigen auch noch nicht für die Annahme eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK ausreicht. Zu einem kleinen Teil besteht bei der Tochter der BF auch eine finanzielle Abhängigkeit von ihrer Mutter, da der monatliche Netto-Verdienst der Tochter mit 883,60 € weniger als 1,- € über dem Ausgleichszulagenrichtsatz des § 293 ASVG (für 2020: 882,78€) liegt. Auf Basis aktueller Mietpreise bzw. der monatlichen Wohnkosten der BF von 550€ kann nicht angenommen werden, dass die Tochter der BF zum Entscheidungszeitpunkt die Wohnkosten bei Außerlandesbringung der BF ohne maßgebliche Gefährdung ihrer Existenzmittel selbstständig aufbringen könnte, weshalb in diesem Fall gerade noch keine Selbsterhaltungsfähigkeit der Tochter anzunehmen ist. Vor allem aber konnte sich der erkennende Richter im Rahmen der Einvernahme sowohl der BF als auch der Tochter einen Eindruck davon verschaffen, dass zwischen beiden im Hinblick auf die Intensität der emotionalen Bindung ein deutlich überdurchschnittliches emotionales Band besteht und die BF die einzige maßgebliche Bezugsperson ihrer Tochter im Bundesgebiet ist. Aufgrund dieses maßgeblichen Eindrucks liegt somit ein seltener Sonderfall vor, in dem aufgrund der oben angeführten Umstände trotz Volljährigkeit der Tochter von einem schützenswerten Familienleben der BF iSd Art. 8 EMRK ausgegangen werden kann.
Weiters ist die BF sehr gut wirtschaftlich integriert, als sie mit Ausnahme von zwei Monaten seit ihrer Einreise durchgehend erwerbstätig war. Die Sprachkenntnisse der BF sind mit dem Niveau A2 im Hinblick auf ihre Aufenthaltsdauer als durchschnittlich zu beurteilen. Es bestehen weiters noch lose Bindungen zum Herkunftsstaat der BF, da die BF noch Verwandte in Serbien hat, mit denen sie gelegentlich Kontakt hat.
In sozialer Hinsicht konnten substanzielle Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens der BF Österreich festgestellt werden. Aufgrund der zahlreichen vorgelegten Unterstützungsschreiben und des diesbezüglichen lobhaften Zwischendienstzeugnis ihres derzeitigen Arbeitgebers ist von einer deutlich überdurchschnittlich gelungenen sozialen und gesellschaftlichen Integration auszugehen.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung der BF konnten im ggst. Verfahren keine erkannt werden; die BF ist im Bundesgebiet strafrechtlich unbescholten.
Hinsichtlich der Aufenthaltsdauer der BF in Österreich von ca. 4 ½ Jahren ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN). „Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aber stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (siehe das soeben zitierte Erkenntnis; weiters etwa VwGH vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/22/0119, vom 10. Mai 2016, Ra 2015/22/0158, und vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031)“ (VwGH 23.10.2019 Ra 2019/19/0289). Die Aufenthaltsdauer von ca. 4 ½ Jahren der BF ist, da sie sich der relevanten Aufenthaltsdauer von 5 Jahren bereits deutlich annähert, im ggst. Fall aus Sicht des Verwaltungsgerichts als ergebnisneutral zu werten.
Festzuhalten ist weiters, dass eine Ausweisung der BF aus dem Bundesgebiet letztlich zwingend zum Abbruch des festgestellten schützenswerten Familienlebens mit ihrer Tochter führen würde. Gemäß dem zuletzt genannten § 9 Abs. 3 BFA-VG kann sich eine Abwägung zu Gunsten des Fremden insbesondere dann ergeben, wenn ein Familienleben mit einer Person besteht, die im Bundesgebiet weiter rechtmäßig aufenthaltsberechtigt ist. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass z.B. einem dauerhaft niedergelassenen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zukommt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 2012, Zl. 2008/22/0354, oder vom 19. Dezember 2012, Zl. 2009/22/0257). Diese Grundsätze sind auch auf andere Kernfamilienangehörige wie im ggst. Fall die Tochter der BF umzulegen, mit der ein schützenswertes Familienleben besteht. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die Trennung der BF von ihrer Tochter nur eine zeitweise wäre, da sich die BF unter den Bedingungen des visumfreien Aufenthalts (Schengener Grenzkodex) für 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten könnte.
In Summe ergibt sich in diesem speziellen Fall aber aus dem Familienleben der BF in Zusammenhalt mit ihrer sehr guten wirtschaftlichen und deutlich überdurchschnittlichen sozialen bzw. gesellschaftlichen Integration aus Sicht des Verwaltungsgerichts ein (denkbar knappes) Überwiegen der persönlichen Interessen der BF am Verbleib im Bundesgebiet ggü den öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens.
Festzuhalten ist aber auch, dass auf Basis des vor dem Bundesamt vorliegende Sachverhalts, bei dem nicht unmittelbare Hinweise auf den ggst. vorliegenden Sonderfall eines Familienlebens ersichtlich waren, die Entscheidung des Bundesamtes – bei folglicher Nicht-Zugrundelegung eines schützenswerten Familienlebens – nachvollziehbar bzw. vertretbar erscheint. Da im Beschwerdeverfahren durch die Einvernahme der Tochter der BF und dem so gewonnen persönlichen Eindruck von den familiären Verhältnissen der BF ein schützenswertes Familienleben erkannt werden konnte, erweist sich jedoch im ggst. Fall in Summe aus den ausgeführten Gründen iSd § 9 Abs. 2 u. 3 BFA-VG eine Aufenthaltsbeendigung mit knappem Überwiegen als unzulässig.
Da ein Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsverfahren der BF für ihren Aufenthaltstitel nach § 24 NAG vor der zuständigen Niederlassungsbehörde behängt, ist eine spruchförmige Erklärung über die Unzulässigkeit der Ausweisung entbehrlich; nach höchstgerichtlicher Judikatur ist diesfalls lediglich der Bescheid über die Aufenthaltsbeendende Maßnahme ersatzlos zu beheben (ua. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224, VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067).
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher stattzugeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist u.a. begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Da sich die Aufenthaltsbeendigung als unzulässig erweist und Spruchpunkt I. des angefochtenen ersatzlos behoben wird, entzieht dies auch diesem Spruchpunkt die Daseinsberechtigung, weshalb auch dieser ersatzlos zu beheben ist.
In Summe war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG der gesamte angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und waren darüber hinaus primär Tatsachenfragen im Hinblick auf das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens klärungsbedürftig.
Schlagworte
Aufenthaltsdauer Ausweisung aufgehoben Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung Familienleben Integration Interessenabwägung PrivatlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2226440.1.00Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021