TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/10 W220 1415863-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2020
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Entscheidungsdatum

10.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W220 1415863-3/6E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Nepal, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2017, Zahl: 800341302-161295432, zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nepals, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , am 20.04.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des vormals zuständigen Bundesasylamtes vom 29.09.2010, Zl.: 10 03.413-BAW, abgewiesen wurde; unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nepal ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.03.2012, Zahl: C10 415863-1/2011/4E, zugestellt am 18.04.2012, als unbegründet abgewiesen.

In weiterer Folge wurde die nepalesische Botschaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer unter den von diesem angegebenen Identitätsdaten XXXX , geboren am XXXX , ersucht und die beantragte Ausstellung regelmäßig urgiert.

Am 26.09.2016 stellte der Beschwerdeführer unter der Identität XXXX , geboren am XXXX , den gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. In der schriftlichen Antragsbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sich seit dem Jahr 2010 durchgehend im Bundesgebiet befinde, sich einen großen Freundeskreis in Österreich aufgebaut habe, regelmäßig in ein Fitnesscenter gehe und über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 verfüge. Der Beschwerdeführer hätte zudem die Möglichkeit, nach Erteilung eines Aufenthaltstitels in einem Supermarkt erwerbstätig zu sein und wäre dadurch in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu sichern. In Nepal habe er keine Existenzgrundlage mehr und niemanden, der ihm beim Aufbau einer neuen Existenzgrundlage behilflich sein könne. Hinsichtlich seines Geburtsdatums sei dem Beschwerdeführer ein Fehler unterlaufen; er habe das bisher angegebene Geburtsdatum aus dem nepalesischen Kalender übersetzt, dabei jedoch lediglich die Jahreszahl und nicht auch den Monat und Tag übersetzt, weshalb das Geburtsdatum nun richtiggestellt würde. Beigelegt wurden dem Antrag bzw. der schriftlichen Antragsbegründung ein mit der Erteilung einer Arbeitsbewilligung aufschiebend bedingter Arbeitsvorvertrag, ein Empfehlungsschreiben, eine Mitgliedschaftsanmeldung bei einem Fitnesscenter, ein ÖSD Zertifikat A2 und ein Schreiben, wonach die Mutter des Beschwerdeführers infolge eines Erdbebens wohnungslos geworden sei.

Mit Schreiben vom 27.09.2016, dem vormaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 30.09.2016, forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer zur Vorlage seines aktuellen Reisepasses im Original und in Kopie auf. Der Beschwerdeführer habe die erforderlichen Beweismittel bisher nicht vorgelegt und könne seiner Antragstellung noch nicht entsprochen werden. Gemäß § 52 Abs. 3 FPG habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen würde. Dem Beschwerdeführer würde dafür eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eingeräumt; bei ungenütztem Verstreichen dieser Frist sei das Verfahren nach der Aktenlage fortzuführen.

Mit Schreiben vom 14.10.2016 erstatte der Beschwerdeführer durch seinen vormaligen Rechtsvertreter eine Stellungnahme, in welcher vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer derzeit über keinen Reisepass verfüge. Er habe versucht, einen Reisepass zu bekommen, verfüge jedoch derzeit nicht über die dafür erforderlichen Unterlagen und sei aus diesem Grund die Ausstellung eines Reisepasses ausgeschlossen; diese Information habe der Beschwerdeführer von der nepalesischen Botschaft bekommen. Er versuche aus diesem Grund, zunächst eine Geburtsurkunde zu erlangen; sobald er diese erhalten habe, könne er sie vorlegen. Da dem Beschwerdeführer die Ausstellung eines Reisepasses derzeit nachweislich nicht möglich sei, würde gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV der Antrag gestellt, den Mangel der Nichtvorlage eines Reisepasses zu heilen.

Mit gegenständlich angefochtenem, oben zitiertem Bescheid vom 08.02.2017, Zahl: 800341302-161295432, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt II.). Für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zunächst im Rahmen der Darlegung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behauptung des Beschwerdeführers, ihm sei bei der Umrechnung seines Geburtsdatums ein Fehler unterlaufen, nicht darüber hinwegtäuschen könne, dass er sich während seines Asylverfahrens offensichtlich einer Verfahrensidentität bedient habe. Der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, dass er jemals bei seiner Vertretungsbehörde vorstellig geworden wäre, um ein Ersatzdokument zu erlangen. Der Beschwerdeführer sei zur Vorlage eines gültigen Reisedokumentes aufgefordert worden; dazu habe er behauptet, über keine Dokumente zu verfügen und habe den Antrag gestellt, den Mangel der Nichtvorlage eines Reisepasses zu heilen. Der Beschwerdeführer sei beharrlich seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Es habe sich oft gezeigt, dass Dokumente aus taktischen Gründen versteckt gehalten würden. Im Rahmen der Feststellungen wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Nepal sei; seine Identität stehe mangels Vorlage von Identitätsdokumenten nicht fest. Der Beschwerdeführer halte sich seit Bestätigung der Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.03.2012 unrechtmäßig in Österreich auf. Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nachweislich zur Vorlage eines gültigen Reisedokumentes und seiner Geburtsurkunde aufgefordert worden sei; dieser Aufforderung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Gemäß § 54 Abs. 4 AslyG 2005 gelte die vom Beschwerdeführer beantragte Aufenthaltsberechtigung als Identitätsdokument. Aufgrund der Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer sich im Zuge seiner Asylantragstellung einer Verfahrensidentität bediene, die nicht geklärt sei, könne von der Vorlage eines Reisepasses nicht abgesehen werden. Zu Spruchpunkt II. wurde zusammengefasst dargelegt, dass die öffentlichen Interessen an Ordnung und Sicherheit die privaten Interessen des Beschwerdeführers überwiegen würden; der beantragte Aufenthaltstitel sei daher nicht zu erteilen und würde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass er sich seit 2010 in Österreich befinde und nach Erlassung der Ausweisung seine Bindungen zum Bundesgebiet maßgeblich intensiviert habe. Der Beschwerdeführer habe zahlreiche Integrationsleistungen erbracht; in Nepal hätte der Beschwerdeführer keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei aufgrund seiner umfassenden sozialen Integration unzulässig. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt; eine Zurückweisung sei daher unzulässig. Die Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses sei jedenfalls geboten; die Behörde hätte dem Antrag auf Heilung des Mangels stattgeben müssen und sei der Bescheid auch aus diesem Grund rechtswidrig.

Mit Schreiben vom 18.04.2018 erstattete der Beschwerdeführer ergänzend zur Beschwerde eine Stellungnahme, in welcher insbesondere dargetan wurde, dass er seine Bindungen zum Bundesgebiet weiter intensiviert habe, zwischenzeitlich über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und über ein regelmäßiges Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit verfüge. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer ehrenamtlich beim Österreichischen Roten Kreuz tätig und nehme an Aktivitäten der Non-Resident Nepali Association teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Nepals, führt derzeit den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX ; seine Identität steht nicht fest.

Am 26.09.2016 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Mit Schreiben vom 27.09.2016, dem vormaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 30.09.2016, forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer zur Vorlage seines aktuellen Reisepasses im Original und in Kopie auf. Der Beschwerdeführer wurde nicht darüber belehrt, dass im Fall einer fehlenden Mitwirkungspflicht sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen sei.

Mit Schreiben vom 14.10.2016 stellte der Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 einen Antrag auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses.

Mit gegenständlich angefochtenem, oben zitiertem Bescheid vom 08.02.2017, Zahl: 800341302-161295432, wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Nepal zulässig sei (Spruchpunkt II.). Für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt II.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses nicht erledigt.


2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Namen, zum Geburtsdatum und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im gegenständlichen Verfahren (AS 145) sowie den Angaben im Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (AS 74). Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokumentes nicht fest.

Die Feststellung zur Stellung des gegenständlichen Antrags ergibt sich aus dem Akteninhalt (AS 145ff).

Die Feststellung zur Aufforderung des Beschwerdeführers zur Vorlage eines aktuellen Reisepasses durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ergibt sich aus dem Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2016 (AS 170ff). Dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer nicht darüber belehrt hat, dass im Fall einer fehlenden Mitwirkungspflicht sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen sei, ergibt sich ebenfalls aus diesem Schreiben (AS 170ff). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hielt lediglich fest, dass der Beschwerdeführer die erforderlichen Beweismittel nicht vorgelegt habe und aufgrund der Aktenlage seiner „Antragstellung noch nicht entsprochen“ werden könne, und verwies darauf, dass gemäß § 52 Abs. 3 FPG das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem eine Rückkehrentscheidung zu erlassen habe, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen würde; dem Beschwerdeführer würde dafür eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eingeräumt und sei bei ungenütztem Verstreichen dieser Frist „das Verfahren nach Aktenlage“ fortzuführen.

Die Feststellung zum Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses ergibt sich aus der seitens des vormaligen Rechtsvertreters des Beschwerdeführers erstatteten Stellungnahme vom 14.10.2016 (AS 174).

Die Feststellungen zum gegenständlich angefochtenem Bescheid ergeben sich aus dem Akteninhalt (AS 194ff).

Dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses nicht erledigt hat, ergibt sich aus dem gegenständlich angefochtenen Bescheid (AS 194ff). Zunächst lässt sich aus dem angefochtenen Bescheid entnehmen, dass über den Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses, welchem nicht stattgegeben wurde, nicht in Form der Zurückweisung oder Abweisung in einem eigenen Spruchpunkt des verfahrensabschließenden Bescheides abgesprochen wurde (AS 194f). Auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich jedenfalls nicht unzweifelhaft, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses zurück- oder abgewiesen werden sollte: Der Antrag des Beschwerdeführers wurde zunächst im Rahmen der Wiedergabe des Verfahrensganges erwähnt, ohne auf dessen Begründung einzugehen (AS 197). Ebenfalls im Verfahrensgang wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer seine richtige Identität der Behörde vorenthalten habe und dass zahlreiche „gleich gelagerte Fälle von Landsleuten aus Nepal“ zeigen würden, dass sich diese im Asylverfahren immer einer Verfahrensidentität bedienen würden; es habe sich schon sehr oft gezeigt, dass im Fall einer freiwilligen Rückkehr die richtige Identität bekannt gegeben und ein gültiges Dokument vorgelegt würde (AS 197f). Dass konkret auch im Fall des Beschwerdeführers davon ausgegangen würde, dass dieser tatsächlich über einen gültigen Reisepass verfüge, wurde dabei nicht begründet. Sofern – ebenfalls im Verfahrensgang – weiters festgehalten wurde, dass der Beschwerdeführer selbst nicht nachgewiesen habe, dass er jemals bei seiner Vertretungsbehörde vorstellig geworden wäre, um ein „Ersatzdokument“ zu erlangen (AS 197), ist darauf hinzuweisen, dass dabei das in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 14.10.2016 im Zuge der Stellung des Antrages auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses erstattete Vorbringen nicht berücksichtigt wurde. In der rechtlichen Begründung schließlich wurden § 8 Abs. 1 AsylG-DV 2005 sowie § 58 Abs. 11 AsylG 2005 wiedergegeben und festgehalten, dass der Beschwerdeführer der Aufforderung der Vorlage eines gültigen Reisedokumentes und seiner Geburtsurkunde nicht nachgekommen sei; die Bestimmungen des § 4 AsylG-DV 2005 bzw. der Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses wurden nicht erwähnt (AS 199f). Die in der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wonach von der Vorlage eines Reisepasses nicht abgesehen werden könne, da sich der Beschwerdeführer im Zuge seiner „Asylantragstellung“ der „Möglichkeit“ einer Verfahrensidentität bedient habe, die in keiner Weise geklärt sei, stellt schließlich keine inhaltliche Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses dar. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich insgesamt mit dem Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses nicht konkret und nachvollziehbar begründet auseinandergesetzt und ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid – auch in einer Gesamtbetrachtung – jedenfalls nicht unzweifelhaft, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses zurück- oder abgewiesen werden sollte.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.

3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1 leg. cit.) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2 leg. cit.). Liegt nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg. cit. – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder

3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß § 4 Abs. 2 AsylG-DV 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und äußerster Rahmen seiner Prüfbefugnis ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des bei ihm angefochtenen Bescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH 29.01.2020, Ra 2018/08/0234, Rn 23, mwN). Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, ist Sache eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 04.07.2019, Ra 2017/06/0210, Rz 17, mwN). Das Verwaltungsgericht darf daher in Fällen, in denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag eines Fremden auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nach § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen hat, keine inhaltliche Entscheidung treffen; vielmehr kommt nur die Bestätigung der Zurückweisung oder aber deren ersatzlose Behebung in Betracht (VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134).

„Sache“ im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist daher im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

3.2.2. Der Beschwerdeführer hat dem in § 8 AsylG-DV normierten Erfordernis der Vorlage eines gültigen Reisedokuments nicht entsprochen. Er hat im Verfahren vor der Behörde zu keinem Zeitpunkt einen gültigen Reisepass vorgelegt. Indem der Beschwerdeführer keinen gültigen Reisepass vorgelegt hat, ist er damit seiner gesetzlich normierten Mitwirkungspflicht im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten trotz diesbezüglich nachweislicher Aufforderung nicht ausreichend nachgekommen (vgl. VwGH 14.04.2016, Ra 2016/21/0077). Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren nicht im Sinne des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 ausreichend mitgewirkt.

Der Beschwerdeführer hat allerdings einen Antrag auf Heilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 gestellt, welcher – wie beweiswürdigend dargelegt – mit dem angefochtenen Bescheid nicht erledigt wurde. Weder wurde im verfahrensabschließenden Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt über den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 abgesprochen noch ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 zurück- oder abgewiesen werden sollte.

Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über den Antrag des Beschwerdeführers auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 nicht abgesprochen hat, sind die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgenommene Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 und die darauf aufbauenden Spruchpunkte rechtswidrig. Eine Nachholung der Entscheidung über den Heilungsantrag durch das Bundesverwaltungsgericht kommt ebenso wenig in Betracht wie eine inhaltliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, weshalb nur die Behebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG möglich ist (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).

Darauf hinzuweisen ist überdies, dass, wie beweiswürdigend aufgezeigt, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer nicht im Sinn des § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 belehrt hat, dass im Fall einer fehlenden Mitwirkungspflicht sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen sei; die ungeachtet dessen mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 und die darauf aufbauenden Spruchpunkte erweisen sich daher auch aus diesem Grund als rechtswidrig.

3.2.3. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Der Sachverhalt ist auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt; Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente liegen nicht vor. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht beantragt.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Behebung der Entscheidung Entscheidungspflicht Heilung Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Rechtswidrigkeit Reisedokument Rückkehrentscheidung behoben Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W220.1415863.3.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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