Entscheidungsdatum
16.11.2020Norm
BFA-VG §9Spruch
W282 2234941-1/12E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 12.11.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien vertreten durch Dr. LECHENAUER & Dr. SWOZIL RAe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.11.2020 zu Recht erkannt:
a)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (BF), ein serbischer Staatsbürger, wurde im Bundegebiet geboren und hält sich seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet und überwiegend in der Stadt Salzburg auf.
2. Der BF wurde seit dem Jahr 2004 viermal strafrechtlich verurteilt. Er wurde im Jahr 2004 wegen schwerer Körperverletzung, im Jahr 2008 wegen Veruntreuung und im Jahr 2011 wegen Diebstahls und der Veruntreuung verurteilt. Aufgrund seiner letzten Verurteilung im Jahr 2020 wegen Unerlaubtem Umgang mit Suchtgift (§ 27 Abs. 1 u 2 SMG), Suchtgifthandel (§ 28 Abs. 1 fünfter Fall, § 28a Abs. 3 SMG) und Betrug (§ 146 StGB) wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge „Bundesamt“), Regionaldirektion Salzburg ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme eingeleitet; dem BF wurde mit Schreiben vom 26.05.2020 schriftlich Parteiengehör gewährt.
3. Mit angefochtenem Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 wurde gegen BF eine Rückerentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), seine Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.), ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).
4. Der BF erhob durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde, dies verbunden mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Weiters wurde ua. beantragt den Bescheid ersatzlos zu beheben.
5. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.09.2020 zur
GZ. W282 234941-1/3Z wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt. Am 12.11.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des BF, seines Rechtvertreters sowie eines Vertreters des Bundesamtes statt. Anlässlich der Verhandlung wurde der BF sowie seine Lebensgefährtin als Zeugin einvernommen, das Erkenntnis wurde im Anschluss mündlich verkündet. Am 13.11.2020 langte der Antrag des Bundesamtes auf schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer (BF) ist serbischer Staatsbürger, er ist gesund und erwerbsfähig.
Der BF wurde ist Bundesgebiet geboren und hält sich seitdem durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist langjährig rechtmäßig niedergelassen. Weiters halten sich seine Eltern, seine Lebensgefährtin und seine Tochter sowie seine Geschwister und weitere Verwandte im Bundesgebiet auf. Der BF lebt seit ungefähr 15 Jahren mit seiner Lebensgefährtin und seiner mj. Tochter zusammen in einem Haushalt in Salzburg. Zuletzt wurde dem BF vom Magistrat der Stadt Salzburg die ab XXXX .2018 unbefristete Niederlassungsbewilligung „Daueraufenthalt-EU“ erteilt, davor hatte er andere Aufenthaltstitel inne.
Der BF verfügt im Hinblick auf seine lange Aufenthaltsdauer über einen großen Freundeskreis und ist in sozialer bzw. gesellschaftlicher Hinsicht gut integriert, wobei die soziale Integration durch seine Straftaten belastet ist. In wirtschaftlicher Hinsicht war der BF in den letzten 20 Jahren bei zahlreichen Arbeitgebern in verschiedenen Beschäftigungen erwerbstätig. Die Beschäftigungen waren teils nur von kürzerer Dauer und wechseln sich seit dem Jahr 2004 mit dem Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ab. Im Jahr 2020 war der BF bis dato 6 Monate geringfügig beschäftigt und ca. 4 Wochen Vollzeit beschäftigt.2019 war der BF von April bis August vollzeit- und ab November teilzeitbeschäftigt. Im Jahr 2018 war er von März bis Jahresende vollzeitbeschäftigt. Für das Jahr 2017 lässt sich eine geringfügige Beschäftigung von Ende August bis Ende Oktober sowie eine Vollzeitbeschäftigung bis April feststellen. Im Jahr 2016 war der BF von April bis Juli als Arbeiter und von Juli bis April des Folgejahres vollzeitbeschäftigt. Zwischen diesen Zeiten bezog der BF Sozialleistungen. Die wirtschaftliche Integration ist daher als nur zum Teil gelungen festzustellen.
Der BF verfügt über keine familiären oder anderen Anknüpfungspunkte in Serbien, seine Verwandten leben alle im Bundesgebiet. Der BF hat im Bundesgebiet die Volks- und Hauptschule besucht und spricht Deutsch als seine Muttersprache. Er hat seine Jugend und Kindheit im Bundesgebiet verbracht, er hat sich letztmalig im Jahr 2019 in Serbien aufgehalten, wobei er hierbei eine Hochzeit besucht hat. Davor hat sich der BF zehn Jahre lang nicht in Serbien aufgehalten. In seiner Kindheit hat der BF Serbien zu Urlaubszwecken besucht, diese Besuche endeten als er elf Jahre alt wurde.
2. Zu den strafrechtlichen Verurteilungen:
Der BF ist vierfach vorbestraft
Der BF wurde erstmals im Jahr 2004 straffällig als er von einem Landesgericht als junger Erwachsener wegen schwerer Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt wurde. Diese Strafe wurde 2008 endgültig nachgesehen.
Erneut wurde der BF im Jahr 2008 von einem Bezirksgericht wegen Veruntreuung (§ 133 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 2 Euro, im Nichteinbringungsfall zu einer Freiheitsstrafe von 50 Tagen verurteilt.
Im Jahr 2011 folgte die dritte Verurteilung des BF. Der BF wurde von einem Bezirksgericht des Diebstahls und der Veruntreuung für schuldig befunden (§§ 127, 133 StGB) und mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 5 Euro, im Nichteinbringungsfall zu einer Freiheitsstrafe von 60 Tagen verurteilt.
Die maßgeblich schwerwiegendste Verurteilung des BF erfolgte im Mai 2020. Der BF wurde von einem Landesgericht wegen Unerlaubtem Umgang mit Suchtgift (§ 27 Abs. 1 u 2 SMG), Suchtgifthandel (§ 28 Abs. 1 fünfter Fall, § 28a Abs. 3 SMG) und Betrug (§ 146 StGB) verurteilt. Der BF hatte in einem unbekannten Zeitraum bis November 2019 3,15g Cannabiskraut sowie 12,23g Kokain zum ausschließlichen Eigenkonsum besessen, wobei er die Tat zum persönlichen Gebrauch beging. Weiters wurde er für schuldig verbunden, von Nov. 2018 bis Nov. 2019 dritten Personen insgesamt 390g Kokain, somit eine die fünffache Grenzmenge übersteigende Menge, gewinnbringend verschafft zu haben, wobei er diese Tat überwiegend deshalb beging, um sich die Mittel zum Erwerb von Suchtmittel für seinen eigenen Gebrauch zu beschaffen. Darüber hinaus wurde er wegen Betrugs verurteilt, da er hinsichtlich seines fortgesetzten Leistungsbezugs von Leistungen des AMS seine Einkünfte aus dem Suchtgifthandel verschwieg, wodurch eine Überzahlung von Sozialleistungen iHv 3.706,48 € an ihn erfolgte. Der BF wurde zu einer Freiheitstrafe von 9 Monaten verurteilt, die unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Als mildernd wurde das umfassende reumütige Geständnis des BF und sein langes Wohlverhalten seit der letzten Verurteilung gewertet. Erschwerend wirkte das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und die Vorstrafen des BF.
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen, und durch Einvernahme des BF sowie seiner Lebensgefährtin als Zeugin am heutigen Tage.
Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF und der ihm erteilten Aufenthaltstitel beruhen auf dem Verwaltungsakt des Bundesamtes sowie Auszügen aus dem zentralen Fremdenregister.
Die Feststellungen zu den sozialen und familiären Umständen des BF, sowie dem Aufenthaltsort seiner Verwandten sowie zu seiner familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin und seiner mj. Tochter und seiner Schulbildung basieren auf dem anlässlich der Einvernahme des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindruck, seinen Angaben hierbei sowie auf den Angaben der Zeugin. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration und der Erwerbstätigkeiten des BF beruhen die entsprechenden Feststellungen auf einem eingeholten Auszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger.
Die Feststellungen zur Straffälligkeit des BF ergeben sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug, zusätzlich hinsichtlich der Verurteilung im Jahr 2018 auf der im Verwaltungsakt einliegenden Urteilsabschrift (AS 35) und den Angaben des BF am heutigen Tage hierzu.
Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF waren nicht angezeigt, da die Rückkehrentscheidung behoben wird.
3. rechtlich war zu erwägen:
Zu A)
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.
Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit demnach Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.
3.1. Rechtsgrundlagen:
Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:
„(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“
Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:
„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:
„(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;
8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder
9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“
§ 9 Abs. 4 BFA-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 56/2018 lautete wie folgt:
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
3.2 Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids (Rückkehrentscheidung):
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die folgenden Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423): Erstens die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, zweitens das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, drittens die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, viertens der Grad der Integration, fünftens die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, sechstens die strafgerichtliche Unbescholtenheit, siebentens Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, achtens die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und schließlich neuntens die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187).
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.
Unter „Privatleben“ im Sinne von Art. 8 EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Nr. 60654/00, Sisojeva ua gg. Lettland).
Gegenständlich hat das Beweisverfahren unzweifelhaft ergeben, dass der BF mit seiner Lebensgefährtin und seiner Tochter, mit denen er in einem gemeinsamen Haushalt lebt, ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK führt.
Bis zum Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FrÄG 2018) mit BGBl. I Nr. 56/2018 verhinderte § 9 Abs. 4 BFA-VG die Erlassung von Rückehrentscheidungen ggü. Fremden, die in Österreich geboren und langjährig rechtmäßig aufhältig waren. § 9 Abs. 4 leg. cit. wurde mit dieser Novelle aufgehoben und trat am 31.08.2018 außer Kraft.
Auf Basis nach der Aufhebung dieser Bestimmung resultierenden Rechtslage, in Bezug auf Fälle, in denen vor 31.08.2018 eine Rückkehrentscheidung unzulässig gewesen wäre, erging bereits Judikatur des VwGH:
„Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, betreffend Vergewaltigung; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel)“ VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238, VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207)
Demnach ist bei Vorliegen solcher besonders verwerflicheren Straftaten, bzw. bei Vorliegen einer qualifiziert gravierenden Straffälligkeit auch bei einem – aufgrund der langen Aufenthaltsdauer – sehr großem Interesse des Fremden im Bundesgebiet zu bleiben eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn von diesem eine entsprechend große Gefährdung ausgeht.
Vice-Versa ist aber aufgrund dieser Judikatur auch zu entnehmen, dass ggü. einem Fremden, der bis 31.08.2018 in den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 4 BFA-VG vor dem FrÄG 2018 gefallen wäre, eine Rückkehrentscheidung unzulässig ist, wenn dieser zwar straffällig geworden ist, die Beurteilung dieser Straffälligkeit – also der Delikte und der näheren Tatumstände – jedoch den Begriff der geforderten „gravierenden Straffälligkeit“ nicht erfüllt. In diesem Fall erübrigt sich aus Sicht des Verwaltungsgerichts auch eine tiefgehende Prüfung der anderen Determinanten des § 9 Abs. 2 BFA-VG, da bereits mangels Verwirklichung dieser gravierenden bzw. schweren Straffälligkeit die Interessensabwägung des § 9 Abs. 2 leg. cit. – aufgrund des langen rechtmäßigen Aufenthalts – zu Gunsten des Fremden auszugehen hat.
Auch wenn keine in Detail gehende Auseinandersetzung für die Anwendbarkeit des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG mehr notwendig ist (VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ist in diesem Fall klar, dass diese Bestimmung auf den BF anzuwenden gewesen wäre. Der BF ist seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und war vor Verwirklichung des ggst. Sachverhalts auch hier unbefristet niedergelassen.
Im zweiten Schritt ist somit zu prüfen, ob die BF begangenen Straftaten ihrer Art nach oder aufgrund der Tatumstände eine „schwere“ bzw. „gravierende“ Straffälligkeit begründen. Generell ist hierzu festzuhalten, dass sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichts eine „gravierende“ Straffälligkeit nicht zwangsweise nur aus der Begehung von qualitativ „schweren“ Straftaten, wie die in obiger Judikatur genannten Delikte des § 53 Abs. 3 Z 6 bis 8 FPG, durch grenzüberschreitenden Drogenschmuggel oder durch Vergewaltigung ergeben kann. Vielmehr erscheint es auch möglich, dass sich aus einer hohen Quantität an Verurteilungen wegen (im Vergleich zu den zuvor erwähnten) „minderschweren“ Straftaten, insbesondere bei oftmaliger Begehung von Delikten gegen dasselbe Rechtsgut bzw. Wiederholungstaten, eine „gravierende Straffälligkeit“ iSd der oben wiedergegebenen gesetzgeberischen Überlegungen zur Aufhebung von § 9 Abs. 4 BFA-VG ergibt, wenn diese zusätzlich von einer für den Fremden negativen Zukunfts- bzw. Gefährdungsprognose begleitet wird. Die vom VwGH im obigen Judikat angesprochene „spezifische Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen“ entsteht dabei durch die hohe Wahrscheinlichkeit für weitere entsprechende Tatbegehungen durch den Fremden, durch gleichzeitiges Vorliegen einer geringen Wahrscheinlichkeit für eine zukünftig erfolgreiche soziale, wirtschaftliche und vor allem rechtschaffene Integration des Fremden, auch wenn dieser bereits lange im Bundesgebiet aufhältig ist.
Hierzu ist ausdrücklich festzuhalten, dass es keineswegs das Ziel des Verwaltungsgerichts ist, die Straftaten des BF in irgendeiner Weise zu relativieren, zu beschönigen oder zu verharmlosen. Insbesondere das zuletzt begangene Delikt des Suchtgifthandels wiegt zweifelfrei schwer. Dennoch ist die Straffälligkeit des BF bei Betrachtung der insgesamt vier Vorstrafen noch nicht als „gravierend“ zu qualifizieren. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die letzte Straftat des BF vor jener wegen derer er im Jahr 2020 verurteilt wurde, 9 Jahre zurückliegt. Bei der ersten Straftat des BF im Jahr 2004 handelt es sich weiters um eine Tat als junger Erwachsener. Bei der Verurteilung wg. Suchtgifthandel im Jahr 2020 wurde auch berücksichtigt, dass der BF nicht aus rein gewinnsüchtigen Motiven, sondern überwiegend zur Mittelbeschaffung für seinen eigenen Drogenkonsum gehandelt hat, da er an Suchtgift gewöhnt war. Es steht daher für das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht fest, dass der BF in erheblichem Umfang straffällig geworden ist. Dennoch bleibt diese erhebliche Straffälligkeit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts noch etwas hinter dem Begriff der geforderten „gravierenden“ bzw. „schweren“ Straffälligkeit zurück.
Der BF wurde vom erkennenden Richter diesbezüglich mit Nachdruck auf die Bestimmung des § 52 Abs. 11 FPG hingewiesen, wonach eine derzeitige Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nicht unbeschränkt für die Zukunft wirkt, und dass im Fall, dass er wieder ein Verhalten setzt, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot rechtfertigen würde, eine solche erneut vom Bundesamt gegen ihn erlassen werden kann und wahrscheinlich auch wird. Unter einem solchen „Verhalten“ wäre dabei insbesondere jede neuerliche strafrechtliche Verurteilung zu verstehen.
In Bezug auf die Zukunftsprognose des BF ist festzuhalten, dass dieser seit Mitte Oktober 2020 erwerbstätig ist und der Bezug von Arbeitslosengeld eingestellt ist. Vor allem aber konnte in der heutigen Verhandlung vom der BF auch den glaubhaften persönlichen Eindruck vermitteln, dass ihm seine Familie und seine Tochter sehr viel bedeuten und ihm nun klar sei, dass er im Falle eines weiteren (strafrechtlichen) Fehltritts, seine Familie im bisherigen Sinne verlieren würde. Es kann daher insgesamt von einer moderat positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden.
Somit ist festzuhalten, dass auch Sicht des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Straftaten des BF (gerade noch) keine gravierende bzw. schwere Straffälligkeit iSd der gesetzgeberischen Erläuterungen zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG durch das FrÄG 2018 vorliegt. Entsprechend der oben wiedergegeben Judikatur bleibt daher fallbezogen im Hinblick auf den über 30jährigen rechtmäßigen Aufenthalt des BF, da der BF in Österreich von Geburt an aufgewachsen ist, kein Spielraum für die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung bestehen. Berücksichtigt man den gravierenden Eingriff durch die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot in das schützenswerte Familienleben des BF, dass dieser mit seiner Lebensgefährtin und Tochter führt, sowie das intensive Privatleben mit seinen sonstigen Verwandten, die kaum vorhandenen Bindungen zu seinem Heimatstaat und eine zumindest teilweise erfolgte wirtschaftliche Integration, erweist sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 5 FPG aufgrund Überwiegen der privaten Interessen des BF iSd § 9 Abs. 1 u 2 BFA-VG im gegenständlichen Fall als unzulässig. Die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet vermögen bei dieser objektiven Betrachtung die - aufgrund des seit seiner Geburt andauernden Aufenthalts des BF im Bundesgebiet - sehr großen privaten Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet letztlich nicht zu überwiegen.
In Ansehung der zu Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 4 bzw. Abs. 5 FPG ergangenen Judikatur des VwGH (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224, VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067) war jedoch nicht die dauerhafte Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung iSd § 9 Abs. 3 1. Satz BFA-VG iVm der nach § 58 Abs. 2 AsylG 2005 notwendigen Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 auszusprechen; vielmehr ist diesen Fällen die Rückkehrentscheidung samt den darauf aufbauenden Spruchpunkten ersatzlos zu beheben. In Fallkonstellationen der Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 4 bzw. Abs. 5 FPG setzen die letztgenannten Bestimmungen bereits ex-lege das Vorhandensein eines Aufenthaltstitels oder zumindest eines Verlängerungsantrags auf erneute Erteilung eines solchen (§ 24 NAG) und des nachfolgenden Vorgehens der Niederlassungsbehörde nach § 25 NAG voraus. Gegenständlich verfügt der BF unverändert über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“. Die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ist daher weder rechtlich möglich noch geboten. Ein dezidierter Ausspruch darüber, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 5 FPG aufgrund des Nicht-Vorliegens der Anwendungsvoraussetzungen für diese Bestimmung oder aufgrund der Abwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG unzulässig ist, muss nicht erfolgen (erneut: VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067, Rn. 18), zumal eine bestimmte "Prüfreihenfolge" zwischen diesen Bestimmungen nicht besteht (VwGH ebendort, Rn. 19).
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugehen und ohne den entbehrlichen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.
3.3 Zu den übrigen Spruchpunkten
Die übrigen Spruchpunkte II. bis V. des angefochtenen Bescheids (Zulässigkeit der Abschiebung, Einreiseverbot, keine Frist für die freiwillige Ausreise, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) stehen in untrennbarem rechtlichem Zusammenhang mit der zuvor behobenen Rückkehrentscheidung in Spruchpunk I. des angefochtenen Bescheids bzw. bauen auf diesem auf. Somit waren auch diese Spruchpunkte und dahingehend mangels verbleibender Spruchpunkte der gesamte angefochtene Bescheid § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos zu beheben
Zu B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt aus Sicht des Verwaltungsgerichts an konkreter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, welche Kumulierung von Straftaten bzw. ab dem Vorliegen welcher Quantität von bestimmten Delikten iSd gesetzgeberischen Erläuterungen zum aufgehobenen § 9 Abs. 4 BFA-VG durch das FrÄG 2018, von einer „gravierenden“ bzw. „schweren Straffälligkeit“ auszugehen ist. Die bisher hierzu ergangene Judikatur des Höchstgerichts setzt sich insbesondere mit der qualitativen Definition von bestimmten Delikten als „schwer“ bzw. „gravierend“ auseinander (neben den Z 6, 7 und 8 des § 53 Abs. 3 FPG: VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232 (Vergewaltigung), VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207 (grenzüberschreitender Drogenschmuggel), bzw. generell: VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238). Ob und in welcher konkreten Quantität die Kumulierung von Straftaten, die nicht schon per-se als „schwere“ Straftaten zu qualifizieren sind, ebenfalls den Begriff der „gravierenden“ bzw. „schweren“ Straffälligkeit eines Fremden, der bis zum 31.08.2018 unter den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 4 BFA-VG gefallen wäre, erfüllen könnte, ist dieser Rechtsprechung nicht konkret zu entnehmen. Auch ein jüngstes Erkenntnis zu dieser Bestimmung (VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0276) beantwortet diese Frage insoweit nur in Ansätzen, als schon aufgrund der Kumulierung von an sich schweren bzw. brutalen Gewalttaten (wiederholter schwerer Raub) im dort entschiedenen Fall jedenfalls von einer schweren bzw. gravierenden Straffälligkeit auszugehen war.
Schlagworte
Aufenthaltsdauer Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung Familienleben Interessenabwägung Revision zulässig Rückkehrentscheidung behoben Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt ZukunftsprognoseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2234941.1.01Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021