Entscheidungsdatum
16.11.2020Norm
AVG §68 Abs1Spruch
I408 2222053-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch RA Mag. Kurt KULAC, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Feststellungen:
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.04.2016 erstmals einen Antrag auf internationale Schutz. Dabei gab er an, aus Libyen zu stammen, am XXXX in Tripolis geboren zu sein und aufgrund familiärer Probleme und wegen des Krieges geflohen zu sein.
Am 27.04.2016 tauchte der Beschwerdeführer unter und kehrte erst am 25.05.2016 in die Betreuungsstelle zurück.
Im Erstverfahren wurden sowohl die Minderjährigkeit als auch die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel gezogen und entsprechende Untersuchungen und Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Sein Alter wurde darauf XXXX berichtigt und über eine forensische Befunderhebung zu den Sprachkompetenzen und Landeskenntnissen am 04.07.2017 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit in einem der Maghreb-Länder hauptsozialisiert wurde und mit ebensolcher Sicherheit konnte eine Hauptsozialisierung in Libyen ausgeschlossen werden. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit stammt er aus Algerien. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde Identität und Herkunftsstaat des Beschwerdeführers angepasst.
Vom 23.05.2018 bis zum 13.06.2019 tauchte der Beschwerdeführer neuerlich unter.
Erst als er am 23.06.2019 in Untersuchungshaft genommen wurde, erhielt das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wieder Zugriff auf ihn und wies mit Bescheid des vom 02.07.2019, seinen Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Aufgrund seiner zu diesem Zeitpunkt bekannten Straffälligkeiten wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, es wurde ihm keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 16.08.2019, I406 2222053-1/5E als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erwuchs damit in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer, der in Österreich drei strafgerichtliche Verurteilungen aufweist, war bis 31.07.2020 in Strafhaft und im Abschluss daran in Schubhaft genommen.
Aus der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 20.08.2020 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag. Diesen begründete er damit, dass er nicht aus Libyen, sondern aus Palästina stamme. Im Alter von drei Jahren sei er mit seiner Familie nach Syrien gezogen und hätte wegen des Krieges Syrien dann verlassen.
Am 23.09.2020 sowie am 30.09.2020 wurde der Beschwerdeführer dazu von Organen der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Als Beweis für sein nunmehriges Vorbringen legte Kopien eines Schulzeugnisses und einer Geburtsurkunde aus Syrien vor, weigerte sich aber trotz Aufforderung in beiden Einvernahmen arabisch zu sprechen. Er war auch nicht in der Lage, die vorgelegten Unterlagen in Original vorzulegen oder glaubhaft darzulegen, warum dies nicht möglich ist.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 08.10.2020 wurde der Antrag auf sowohl in Bezug auf den Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Mit fristgerecht eingebrachtem Beschwerdeschriftsatz seines Rechtsvertreters erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Beschwerde und Behördenakt wurden der Gerichtsabteilung am 09.11.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt die behördlichen Verwaltungsakte, der Angaben des Beschwerdeführers in den beiden Verfahren und den vom Gericht eingeholten Abfragen aus ZMR, GVS, AJ-WEB Auskunftsverfahren und Strafregister. Es sind keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten bzw. in der Beschwerde vorgebracht worden.
Aus dem Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer bereits bei der Abweisung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz bzw. bei der damit verbundenen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot in Haft war und das auch bis zum heutigen Tag ist.
Nur aus nunmehr vorgelegten Kopien, aus denen weder der Inhalt noch der Erhalt in irgendeiner Form zu verifizieren ist, ist kein neuer Sachverhalt zu entnehmen, welcher das Aufrollen eines rechtskräftig entschiedenen Verfahrens bedingen würde.
In der Beschwerde wird diesen Feststellungen nicht entgegengetreten, sondern nur davon ausgegangen, dass die Zurückweisung wegen entschiedener Sache nicht rechtens ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.
Verschiedene "Sachen" iSd § 68 Abs 1 AVG liegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Eine neue Sachentscheidung ist auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor dem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft der über den Erstantrag absprechenden Entscheidung entgegen. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).
Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheids dem neuerlichen Antrag entgegen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl auch VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307). Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen (VwGH 25.02.2016, Ra 2015/19/0267). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089).
Das BVwG muss somit prüfen, ob die belangte Behörde auf Grund des zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307). Die Prüfung der Zulässigkeit des Folgeantrags wegen geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist (VwGH 24.06.2014, Ra 2014/19/0018).
Da sich die Rechtslage noch das Begehren des Beschwerdeführers seit der Abweisung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz geändert hat und die von ihm nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe bereits vor dem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ist der Folgeantrag zurückzuweisen, zumal auch dem neuen Vorbringen kein glaubhafter Kern zuerkannt werden kann.
Da der verfahrenseinleitende Antrag von der belangten Behörde zu Recht hinsichtlich des Spruchpunktes I. zurückzuweisen war und die Beschwerde hinsichtlich der weiteren Spruchpunkte insgesamt aufgrund der obigen Ausführungen abzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG bzw § 24 Abs 2 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Altersfeststellung entschiedene Sache Folgeantrag glaubhafter Kern Identität Identität der Sache res iudicata Staatsangehörigkeit Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung StrafhaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2222053.2.00Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021