TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/18 I408 2154579-3

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Veröffentlicht am 18.11.2020
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Entscheidungsdatum

18.11.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch

I408 2154579-2/12E

I408 2154579-3/ 9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch: RAe Dr. LECHENAUER & Dr. SWOZIL gegen die Bescheide des BFA, Regionaldirektion XXXX vom 23.10.2019 und 28.01.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2020 zu Recht erkannt:

A)

Beide Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Nach illegaler Einreise stellte der Beschwerdeführer am 27.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der am 04.04.2017 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Diese Entscheidung erwuchs nach Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht am 05.04.2019, I413 2154579-1/18E, am 08.04.2019 in Rechtskraft.

Sowohl die vom Beschwerdeführer eingebrachte Verfassungsgerichtshofbeschwerde als auch eine a.o Revision an den Verwaltungsgerichtshof blieb erfolglos.

Der Beschwerdeführer leistete der Rückkehrentscheidung keine Folge und verblieb weiterhin im Bundesgebiet.

Zum ersten Verfahren:

1.       Am 28.08.2010 wurde dem Beschwerdeführer mit Mandatsbescheid aufgetragen bis zu seiner Ausreise durchgehend Unterkunft in der Betreuungseinrichtung in XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen 3 Tage nachzukommen.

2.       Diese Aufforderung bekämpfte der Beschwerdeführer und erhob mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 12.09.2019 das Rechtsmittel der Vorstellung.

3.       Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 23.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer neuerlich die o.a. Unterkunftnahme aufgetragen (Spruchpunkt I.) und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen (Spruchpunkt II.)

4.       Mit Beschwerdeschriftsatz vom 15.11.2019 beantragte der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter, das Bundesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden und in Stattgabe der Beschwerde den angefochtenen Bescheid zu beheben, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zum zweiten Verfahren:

5.       Daneben stellte der Beschwerdeführer am 13.11.2019 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“, der mit Bescheid vom 28.01.2020 gemäß § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen wurde.

6.       Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 05.02.2020 und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden und in Stattgabe der Beschwerde diesen Bescheid beheben und eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in eventu die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.09.2020 wurden beide Rechtssachen dem erkennenden Richter zugewiesen.

Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 29.10.2020 übermittelte die Rechtsvertretung am 27.10.2020 einen ergänzenden Schriftsatz.

An der mündlichen Verhandlung am 29.10.2020, in der beide Verfahren miteinander verbunden wurden, nahm der Beschwerdeführer alleine teil und die Entscheidung wurde mündlich verkündet.

Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 11.11.2020 beantragte der Beschwerdeführer die Übermittlung des Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der XXXX -jährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger des Iraks und stammt aus Basra. Er hält sich seit Mai 2015 durchgehend in Österreich auf und leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.

Mit seinem Antrag auf internationalen Schutz, eine Aufenthaltsberechtigung zu erhalten, scheiterte er und die dazu ergangene Rückkehrentscheidung erwuchs am 08.04.2019 in Rechtskraft.

Diese Rückkehrentscheidung wurde vom Beschwerdeführer nie akzeptiert und er leistete ihr keine Folge. Vielmehr begann er Mai 2019 begann neue Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die zwischenzeitlich nicht mehr besteht. Er verfügt weiterhin über kein Beschäftigungsverhältnis und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Trotz Kenntnis der auferlegten Unterkunftnahme bis zu einer Ausreise wechselte er noch im September 2019 seinen Wohnsitz in einen anderen Ort und stellte am 13.11.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens“.

Aktivitäten in Bezug auf eine Ausreise und Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wurden von ihm bisher keine gesetzt.

Der ihm aufgetragenen Wohnsitznahme kam er erst am 02.12.2019 nach, wurde daraus am 20.12.2019 irrtümlich entlassen (OZ4) und ist dort wieder seit 04.03.2020 durchgehend aufhältig.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der beiden Verwaltungs- und Gerichtsakten, dem Gerichtsakt zu I413 2154579 und eingeholten Abfragen aus ZMR, Strafregister, GVS und AJ-WEB. Zudem wurde der entscheidungsrelevante Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 29.10.2020 erörtert.

Dass der Beschwerdeführer bisher keine Schritte unternommen hat, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, war aufgrund der Aktenlage festzustellen und wurde von ihm auch in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt. Vielmehr brachte er unmissverständlich zum Ausdruck, dass „er in seinen Augen alles unternommen habe, um hier bleiben zu können und er nicht zurückkehren kann bzw. will“.

Der Wohnortwechsel nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus der Abfrage aus dem ZMR, der Beginn seiner Freundschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin aus einem von ihm im Zuge des Verfahrens zu Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK vorgelegten Schreiben seiner Freundin vom 26.09.2019 und das Ende der Beziehung aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass er der Wohnsitznahme erst ab 02.12.2019 und wieder seit 04.03.2020 nachkommt ist, entspricht seinen Angaben, die irrtümliche Entlassung am 20.12.2019 dem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 06.02.2020.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Integrationsschritte werden nicht verkannt, sie fanden aber bereits in der Rückkehrentscheidung nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung im Jänner 2019 ihren Niederschlag und haben sich seither nicht entscheidungsrelevant geändert. Er selbst räumt ein, dass er in keiner Beziehung mehr lebt und keiner geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht. Damit ist er auch nicht selbsterhaltungsfähig.

Es war in der mündlichen Verhandlung erkennbar, dass ihn die Dauer des Verfahrens und die von ihm nicht akzeptierte Rückkehrentscheidung belastet, er deshalb auch in psychiatrischer Behandlung war bzw. ist, die verschriebenen Medikamente aber, weil sie ihm nicht helfen, nicht mehr nimmt. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden nicht vorgebracht, woraus die Feststellung, er leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, resultiert.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zum ersten Verfahren:

Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 57 Abs 1 FPG kann einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, aufgetragen werden, bis zur Ausreise in einem vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs 1 Z 2 vorliegen, ist gemäß § 57 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1.       entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2.       nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat

3.       an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs 2 und 2a nicht mitwirkt;

4.       im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen,

5.       im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

Gegen den Beschwerdeführer liegt eine seit 08.04.2019 rechtskräftig erlassene Rückkehrentscheidung vor und sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht geduldet (§ 46a FPG). Der Frist zur freiwilligen Ausreise - 14 Tage nach Rechtskraft dieser Entscheidung - ist der Beschwerdeführer bisher nicht nachgekommen.

Die Annahme, dass der Beschwerdeführer seine Ausreiseverpflichtung nicht erfüllen wird, zeigte sich 2019 durch seinen Wohnsitzwechsel in einen anderen Ort und der Beginn einer neuen Beziehung im Mai 2019. Gegenständlich hat der Beschwerdeführer sowohl im gegenständlichen Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die Ausreiseverpflichtung nicht akzeptieren zu wollen, was - aufgrund der demonstrativen Aufzählung von bestimmten "Tatsachen" in § 57 Abs 2 FPG als Tatsache genügt, um anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Ausreise weiterhin nicht nachkommen wird.

Der Tatbestand des § 57 Abs 1 Z 2 FPG ist daher im vorliegenden Fall erfüllt.

Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Dem öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anderes kann bezüglich der Ausreise eines nicht aufenthaltsberechtigten Fremden gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zu § 57 FPG (EB zum FRÄG 2017, GP XXV IA 2285/A) ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat).

Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000,

2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage gerechtfertigt ist.

Der Beschwerdeführer hatte zudem seinen Lebensmittelpunkt 2019 zweimal geändert, zuletzt am 25.09.2019, sodass ein Eingriff trotz Bestehens von sozialen Kontakten, wie zB zu einer Freundin, die er erst einige Monate zuvor kennenlernte, im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen gerechtfertigt war. So ist aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich, dass der Beschwerdeführer der Wohnsitzauflage erst verspätet nachgekommen ist. Zudem wiegt die beharrliche Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung auch nach Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten. Überdies muss sich der Beschwerdeführer aufgrund der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung und der verstrichenen Frist für die freiwillige Ausreise dessen bewusst sein, dass er seinen aktuellen Lebensmittelpunkt nicht aufrechterhalten wird können. Im gesamten Verfahren sind überdies keine Hinweise zu Tage getreten, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in der gegenständlichen Betreuungseinrichtung untergebracht werden könnte. Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers ist im gesamten Bundesgebiet gewährleistet.

In Abwägung der Bindung des Beschwerdeführers an seinen Wohnort sind in Relation zu dem dargestellten öffentlichen Interesse allfällige Unannehmlichkeiten durch die Aufgabe seines aktuellen Wohnsitzes sowie eine Einschränkung seiner sozialen Kontakte nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen würden. Zudem ist auch beachtlich, dass es seiner damaligen Freundin zumutbar war, den Beschwerdeführer in XXXX besuchen und auf diese Weise die Beziehung aufrecht zu erhalten.

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch dringend geboten.

Das Stellen eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK ändert an dieser Schlussfolgerung und an der Rechtsmäßigkeit der Verfügung eines Wohnsitzauflage nichts.

Zu Spruchpunkt II.:

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet.

Bereits das Behördenhandeln nach § 57 FPG hat schon inhaltlich das Vorliegen einer "Gefahr in Verzug" zur Voraussetzung - beide Konstellationen, in denen es überhaupt zu einer Wohnsitzauflage kommen kann (vgl § 57 Abs 1 Z 1 und Z 2 FPG), begründen nach den Materialen (EB zum FRÄG 2017, GP XXV IA 2285/A) eine "Gefahr in Verzug". Damit wird auch der gesetzlich vorgesehene Erlass eines Mandatsbescheids begründet, sodass im Hinblick auf die Voraussetzungen für den Erlass eines (gefahrenpolizeilichen) Mandatsbescheids der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch im Vorstellungsbescheid nicht zu beanstanden ist. Der oben ersichtlichen Interessenabwägung folgend überwiegen zudem die öffentlichen Interessen am vorzeitigen Vollzug des angefochtenen Bescheides, weshalb das Vorgehen nach § 13 Abs 2 VwGVG nicht zu beanstanden war.

Zum zweiten Verfahren:

Nach § 58 Abs 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Die Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist jener wegen entschiedener Sache nachgebildet, sodass die diesbezüglichen (zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten) Grundsätze herangezogen werden können. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann bzw. eine andere Entscheidung zumindest möglich ist. Die Behörde hat daher eine Prognose anzustellen, in deren Rahmen die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach jener Wertung zu beurteilen ist, die das geänderte Sachverhaltselement seinerzeit erfahren hat. Dabei sind die nach Art. 8 MRK relevanten Umstände einzubeziehen, indem zu beurteilen ist, ob es als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen nun eine andere Beurteilung geboten sein könnte (VwGH 26.06.2020, Ra 2017/22/0183).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 hat eine Interessenabwägung iSd Art. 8 MRK zu unterbleiben und das Verwaltungsgericht hat bloß die Richtigkeit der in erster Instanz ausgesprochenen Zurückweisung zu prüfen (vgl. VwGH 2013/22/0362).

Das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wurde im Zuge der mit ho. Erkenntnis vom 05.04.2019, I413 2154579-1/18E, bestätigten Rückkehrentscheidung geprüft. Unabhängig davon, dass sich seit dieser Entscheidung keine entscheidungsrelevanten Änderungen ergeben haben, stellen bei einer kurzen Zeitspanne von bis etwa zwei Jahren verbesserte Sprachkenntnisse oder allfällige Einstellungszusagen keine maßgeblichen Sachverhaltsänderungen dar (VwGH vom 27.1.2015, Ra 2014/22/0094). Auch eine erst nach der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung eingegangene und bis zur Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK erst sechs Monate bestehende neue Beziehung weist keine solche Bedeutung auf, welche eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK rechtfertigen würde.

Die erfolgte Zurückweisung war damit nicht zu beanstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung entschiedene Sache Folgeantrag Privat- und Familienleben Prognose wesentliche Sachverhaltsänderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2154579.3.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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