Entscheidungsdatum
19.11.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W165 2192468-1/2E
W165 2192469-1/2E
W165 2192470-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Riyadh vom 26.02.2018, GZ: Riyadh-ÖB/KONS/0037/2018, aufgrund der Vorlageanträge von 1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Saudi-Arabien, 2.) XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, und 3.) XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , geb. XXXX , alle Beschwerdeführer vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft, Goldschmiedgasse 8, 1010 Wien, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Riyadh vom 06.12.2017, GZ: Riyadh-ÖB/KONS/0034/2017, beschlossen:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide werden behoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung neuerlicher Entscheidungen zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehörige Saudi-Arabiens (Erstbeschwerdeführer, im Folgenden: BF1) bzw. Syriens (Zweit- und Drittbeschwerdeführer, im Folgenden: BF2 und BF3), brachten am 13.07.2015 bei der Österreichischen Botschaft Riyadh (im Folgenden: ÖB Riyadh), Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 (im Folgenden AsylG), ein.
Als Bezugsperson wurde die (angebliche) Ehegattin des BF1 und (angebliche) Mutter der BF2 und BF3 angegeben, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2015, Zl.: 1048533309-140299346-BMI/BFA, nach Asylantragstellung am 18.12.2014, der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Bei den BF2 und BF3 handelt es sich nicht um die leiblichen Kinder des BF1, sondern sollen diese einer früheren Ehe der Bezugsperson entstammen.
Den Anträgen waren diverse Unterlagen in Kopie angeschlossen, wie Reisepasskopien der BF; der Asylbescheid des BFA betreffend die Bezugsperson vom 12.06.2015; Geburtsurkunden der BF2 und BF3 vom 22.01.2015; ein Auszug aus dem syrischen Familieneintrag vom 22.01.2015; eine Heiratsurkunde eines syrischen Scharia-Gerichtes vom 22.01.2015, derzufolge der BF1 und die durch ihren Vater vertretene Bezugsperson am 26.02.2013 im Scharia-Gericht in Damaskus erschienen und die Ehe geschlossen hätten („Heute, am Dienstag den 26. Februar 2013, erschienen vor uns im Scharia-Gericht in Damaskus St. 5, die o. g. Parteien, um die Ehe zu schließen“.)
Die Bezugsperson gab in ihrer Erstbefragung in ihrem Asylverfahren am 20.12.2014 unter namentlicher Nennung und Angabe des Geburtsdatums des BF1 diesen als ihren Ehemann und unter Angabe des Geburtsjahres des BF2 und des BF3 (2008) die BF2 und BF3 als ihre Söhne an. Hinsichtlich des BF3 wurde ein anderer Vorname ( XXXX ) als im gegenständlichen Verfahren und als in den im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Urkunden ausgewiesen ist, angegeben. Sowohl hinsichtlich des BF2 als auch des BF3 wurde als Familiennamen der Familienname des angeblichen (nunmehrigen) Ehemannes (BF1) in „verkürzter“ Form ( XXXX statt XXXX ) angegeben. Sie habe ihre Söhne bei Bekannten in Istanbul gelassen. Aus Angst, dass ihr oder ihren Söhnen etwas zustoßen könnte, habe sie das Land verlassen. Sie habe seit zwei Monaten nichts mehr von ihrem Ehemann gehört.
In ihrer Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA am 02.06.2015 gab die Bezugsperson zu Protokoll, dass sie seit ca. acht Jahren verheiratet sei und nicht wisse, ob ihr Mann noch lebe. Sie habe seit acht Monaten nichts von ihm gehört. Sie habe Syrien verlassen, als sie im ersten Monat schwanger gewesen sei. Ihre Kinder würden bei Bekannten in Istanbul, Türkei leben. Die Bezugsperson nannte die Namen der Kinder, wobei als deren Familienname, anders als in der Erstbefragung, nicht der Familienname des BF1, sondern der von den BF2 und BF3 im gegenständlichen Verfahren geführte Familienname XXXX (offenkundig der Familienname des 1. Ehemannes und angeblichen leiblichen Vaters der Kinder), genannt wurde. Die Bezugsperson legte Kopien der Reisepässe des BF2 und BF3 vor, in denen - wie auch in den Geburtsurkunden des BF2 und des BF3 - dieser Familienname geführt wird.
In einer Einvernahme als Zeugin im verfahrensgegenständlichen Einreiseverfahren vor dem BFA am 19.11.2015 gab die Bezugsperson an, dass es sich bei ihren Kindern um die Kinder des im Krieg 2011 verstorbenen Ehemannes handle. Dieser, der erste Ehemann, wurde in der Einvernahme am 19.11.2015 erstmals erwähnt. Ihr Ehemann sei nach ihrer Flucht nach Saudi-Arabien gereist. Die Ehe mit ihrem (nunmehrigen) Ehegatten sei am 26.02.2013 standesamtlich in Syrien, Damaskus, geschlossen worden. Bei der Trauung sei ihr Vater anwesend gewesen.
Mit E-Mail an die ÖB Riyadh vom 06.04.2017 teilte der Rechtsvertreter der BF mit, dass die BF2 und BF3 keine Aufenthaltsberechtigung für Saudi-Arabien hätten und sich illegal dort aufhalten würden. Dies insbesondere aus dem Grund, dass deren Mutter keine Aufenthaltsberechtigung in Saudi-Arabien habe und deren „Stiefvater“ (BF1) nicht obsorgeberechtigt sei.
Am 19.04.2017 richtete der BF1 ein Schreiben an die ÖB Riyadh, worin zusammengefasst vorgebracht wurde, dass seine Ehegattin Zwillinge habe und der Ehemann der Bezugsperson und Vater der Kinder durch Ereignisse in Syrien verstorben sei. Der BF1 habe mit der Bezugsperson durch einen Ehevertrag die Ehe geschlossen. Als saudischem Staatsangehörigen würden ihm die Gesetze eine Eheschließung mit Ausländerinnen bzw. die Eintragung der Ehe verbieten, weshalb die Ehe bei den zuständigen saudischen Behörden nicht eingetragen werden habe können. Seine Ehefrau habe hierauf Saudi-Arabien verlassen müssen, da ihre Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen sei und sei nach Österreich eingereist, wo sie Asyl erhalten habe. Seine Ehefrau habe ihre Kinder zwei Mal in Saudi-Arabien besucht und habe der BF1 mit seiner Frau während dieser Zeit zwei namentlich genannte gemeinsame Kinder bekommen, die in Österreich registriert worden seien. Er würde somit mit den Kindern seiner Ehegattin alleine in Saudi-Arabien leben, seine Ehegattin würde mit ihren gemeinsamen leiblichen Kindern alleine in Österreich leben. Er könne für die Kinder seiner Ehegattin nichts tun, da es sich nicht um seine leiblichen Kinder handle und er auch keinen Gerichtsbeschluss über deren Obsorge habe.
Mit E-Mail vom 06.07.2017 übermittelte der Rechtsvertreter der BF eine weitere Stellungnahme an die ÖB Riyadh: Der BF1 und die Bezugsperson hätten am 26.02.2013 in Riyad, Saudi-Arabien die Ehe geschlossen. Diese Eheschließung sei in Syrien (Damaskus) am 22.01.2015 beim Scharia-Gericht zivilrechtlich bestätigt und eine Heiratsurkunde ausgestellt worden. Dieser sei zu entnehmen, dass der Ehemann (BF1) bei der Bestätigung der Ehe in Syrien nicht anwesend gewesen sei, da die in Riyadh islamisch geschlossene Ehe beim syrischen Gericht bzw. den syrischen Behörden nur nachgetragen worden sei. Der BF1 sei niemals in Syrien gewesen, da die in Saudi-Arabien geschlossene Ehe in Syrien lediglich eingetragen bzw. registriert worden sei. Die Bezugsperson habe in ihrer Einvernahme angegeben, dass die Ehe in Syrien geschlossen worden sei, da nur die eingetragene zivilrechtliche Ehe und nicht die islamisch geschlossene Ehe von der österreichischen Behörde anerkannt werde. Dadurch seien Missverständnisse entstanden. Die BF2 und BF3 seien mit Touristen- bzw. Besuchsvisa vom 15.06.2009, gültig für 30 Tage, nach Saudi-Arabien eingereist, die bereits abgelaufen seien. Sie würden sich illegal in Saudi-Arabien aufhalten und keine Schule besuchen dürfen. Der BF1 könne die Kinder nicht adoptieren, da Adoption im saudischen bzw. islamischen Recht nicht erlaubt sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass die gesamte Familie der Bezugsperson (Vater, Mutter, Geschwister) in Österreich lebe.
Der Stellungnahme vom 06.07.2017 war ein einseitiges Dokument in arabischer Sprache (ohne Übersetzung) beigefügt, bei dem es sich um einen in Saudi-Arabien (Riyadh) islamisch geschlossenen Ehevertrag handeln soll.
Zu den seitens der ÖB Riyadh weitergeleiteten Einreiseanträgen teilte das BFA der ÖB Riyadh mit Schreiben vom 29.08.2017 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die Ehe zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson habe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden, weshalb der Antragsteller kein Familienangehöriger im Sinne des vierten Hauptstücks des AsylG sei (§ 35 Abs. 5). Die Fortsetzung des zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson bestehenden Familienlebens sei in einem anderen Staat als Österreich, nämlich in Saudi-Arabien, möglich. In der der Mitteilung angeschlossenen Stellungnahme vom selben Tag führte das BFA näher aus, dass schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren nicht vorliegen würden, da die Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe. Die Heiratsurkunde des Scharia-Gerichtes Damaskus sei vom 22.01.2015, einem Zeitpunkt, zu dem die Bezugsperson bereits in Österreich um Asyl angesucht hatte. Diese Urkunde solle eine am 26.02.2013 vor einem Scharia-Gericht in Damaskus geschlossene Ehe bestätigen. Die Ehe sei tatsächlich am 26.02.2013 in Riyad, Saudi-Arabien, geschlossen worden. Ein Ehevertrag liege vor. In der Stellungnahme wies das BFA ua auf die vorstehend wiedergegebenen Aussagen der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren und als Zeugin im gegenständlichen Verfahren betreffend ihre Eheschließung und diesbezügliche Ungereimtheiten hin. In Bezug auf die vorgelegte syrische Heiratsurkunde wurden Bedenken geäußert, zumal der BF1 vor der Botschaft angegeben hätte, nie in Syrien geheiratet zu haben und der laut Bezugsperson bei der Trauung in Syrien am 26.02.2013 anwesende Vater der Bezugsperson bereits seit 2012 in Österreich asylberechtigt sei.
Mit Schreiben der ÖB Riyadh vom 11.09.2017 wurde den BF unter Anschluss der Mitteilung und Stellungnahme des BFA vom 29.08.2017 die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.
Mit E-Mail vom 18.11.2017 übermittelte der Rechtsvertreter der BF eine Stellungnahme, in der ausgeführt wurde, dass die Fortsetzung des Familienlebens in Saudi-Arabien nicht möglich sei, da die Bezugsperson dort keine Aufenthaltsberechtigung habe und die Anerkennung der Heiratsurkunde bislang abgewiesen worden sei. Die BF2 und BF3 würden selbst bei Erhalt einer Aufenthaltsberechtigung durch die Bezugsperson keine Aufenthaltsberechtigung in Saudi-Arabien erhalten.
Das BFA hielt nach Erhalt der Stellungnahme der BF vom 18.09.2017 seine negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht.
Mit Bescheiden der ÖB Riyadh vom 06.12.2017 wurden die Einreiseanträge gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG mit der Begründung abgewiesen, dass die Ehe zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb der Antragsteller kein Familienangehöriger im Sinne des 4. Hauptstückes des AsylG sei (§ 35 Abs. 5 AslyG) und die Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat als Österreich, nämlich Saudi-Arabien, möglich sei.
Gegen die Bescheide richten sich die am 28.12.2017 fristgerecht eingebrachten gleichlautenden Beschwerden, worin im Wesentlichen wie im Verfahren vorgebracht wurde. Der BF2 und der BF3 seien eheliche Kinder der Bezugsperson aus erster Ehe. Es sei richtig, dass der BF1 und die Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat (Syrien) gemeinsam gelebt hätten.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 26.02.2018 wies die ÖB Riyadh die Beschwerden unter Darstellung des Verfahrensganges und mit bisheriger Begründung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.
Am 12.03.2018 wurden Vorlageanträge gemäß § 15 VwGVG bei der ÖB Riyadh eingebracht, worin auf das vollinhaltlich aufrechterhaltene Beschwerdevorbringen verwiesen wurde.
Mit Schreiben des BM Für Inneres vom 12.04.2018, beim BVwG eingelangt am 16.04.2018, wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt werden zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.
Beim BF1 soll es sich um den (zweiten) und nunmehrigen Ehegatten der Bezugsperson handeln. Bei den BF2 und BF3 soll es sich um die leiblichen Kinder der Bezugsperson aus einer früheren Ehe handeln.
Auf Grundlage der vorhandenen Aktenlage können weder die behauptete Familienangehörigeneigenschaft der BF2 und BF3 zur Bezugsperson (leibliche Kinder) noch die behauptete Familienangehörigeneigenschaft des BF1 zur Bezugsperson (Ehegatteneigenschaft) festgestellt werden.
Dem BF1 kommt für die vorgeblichen Kinder der Bezugsperson (BF2 und BF3) keine Obsorgeberechtigung zu.
Die vorgelegte Heiratsurkunde des syrischen Scharia-Gerichtes weist zahlreiche Ungereimtheiten auf. Ua soll die Bezugsperson bei der Eheschließung vor dem Scharia-Gericht am 26.02.2013 von ihrem Vater vertreten worden sein. Der Vater der Bezugsperson war zum Zeitpunkt der Eheschließung seiner Tochter laut IZR-Auszug bereits in Österreich asylberechtigt.
Darüber hinaus werden folgende Feststellungen zur syrischen Eherechtslage getroffen:
Gemäß Art. 1 syrisches Personalstatutgesetz, Gesetz Nr. 59 vom 17.09.1953, geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31.12.1975 (sPSG), ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau, die zu heiraten ihm gesetzlich erlaubt ist, zum Zwecke der Gründung einer Lebensgemeinschaft und der Zeugung von Nachkommen. Gemäß Art. 8 Abs. 1 sPSG ist beim Abschluss des Ehevertrages die Stellvertretung zulässig (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Ordner XVIII, Syrien-Tunesien, S. 11f). Die Eheschließung zwischen Muslimen kann von jedem bekannten Imam oder einem Scharia-Gelehrten durchgeführt werden. Damit ein Eintrag der Eheschließung ins Familienbuch erfolgen kann, muss eine Registrierung bzw. Anmeldung oder staatliche Anerkennung der Eheschließung erfolgen. Eheschließungen, die von einer religiösen Stelle vollzogen wurden, müssen bei den Behörden für zivilrechtliche Angelegenheiten registriert werden, um staatlich anerkannt zu sein. Wurde die Hochzeit vor einem Scharia-Gericht durchführt, besteht die Möglichkeit, das vom Scharia-Gericht erhaltene Zertifikat an die Behörde zu schicken und die Ehe auf diese Weise zu registrieren. Erst durch die Registrierung durch die Behörde wird die Ehe staatlich anerkannt.
Jede in Syrien abgeschlossene Ehe bedarf demnach der Eintragung in das Zivilregister, um rechtliche Folgen auszulösen. Gemäß Art. 30 des Dekrets No. 26/2007 über den zivilen Status gelten Ehen erst als rechtsgültig und daher durchsetzbar, wenn sie im Zivilregister eingetragen wurden. Im Falle einer außerhalb eines Gerichtes abgeschlossenen Ehe (sogenannte traditionelle Ehe) muss deren Gültigkeit zunächst durch den Richter (in der Regel vor Scharia-Gerichten) bestätigt werden. Die Bestätigung der Gültigkeit der Ehe kann auch rückwirkend erfolgen. Soll eine traditionelle Eheschließung in Syrien staatlich anerkannt werden, müssen auf die Trauung durch einen Scheich oder Imam somit noch zwei weitere Rechtsakte erfolgen: Ein Antrag auf Eheschließung ist vor dem (Scharia)Richter gemeinsam mit einer Reihe von Unterlagen [Art. 40 syrisches Personalstatutgesetz (PSG)] einzureichen. Der Richter führt dann die Trauung durch (Art 43 PSG) oder bestätigt die Richtigkeit einer zuvor erfolgten traditionellen Eheschließung. Laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation sollen auch die Zeugen anwesend sein. Danach muss eine Abschrift der Bestätigung der Eheschließung durch das Gericht innerhalb von zehn Tagen an das zuständige Standesamt weitergeleitet werden, das anschließend die Registrierung der Ehe im Zivilregister vornimmt, wodurch die Ehe Rechtsgültigkeit erlangt (Art. 45 PSG).
Eine (nochmalige) Anwesenheit beider Eheleute bei der nachfolgenden staatlichen Registrierung der traditionell geschlossenen Ehe ist nach syrischem Eherecht nicht erforderlich, da die traditionellen Heiratsdokumente allenfalls auch an die Behörde „gesendet“ werden können, um eine behördliche Registrierung vorzunehmen (vgl. zu all dem die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Syrien Eheschließungen, deren Voraussetzungen und Eheregistrierungen vom 05.05.2017).
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den Akten der ÖB Riyad, den einliegenden Urkunden, den Angaben der BF, den Angaben der Bezugsperson in deren Asylverfahren und ihrer Zeugeneinvernahme im Einreiseverfahren laut den in den Akten auszugsweise einliegenden Erstbefragungs- und Einvernahmeprotokollen des Asylverfahrens und dem Zeugeneinvernahmeprotokoll des gegenständlichen Einreiseverfahrens.
Die Feststellung, dass dem BF1 keine Obsorgeberechtigung für die BF2 und BF3 zukommt, gründet sich auf dessen eigenes diesbezügliches wiederholtes Vorbringen.
Die Feststellungen zum syrischen Eherecht ergeben sich aus der Anfragebeantwortung zur Staatendokumentation, Syrien, Eheschließungen, deren Voraussetzungen und Eheregistrierungen vom 05.05.2017.
Die Zweifel an der Familienangehörigeneigenschaft des BF1 zur Bezugsperson (vorgeblicher Ehegatte) gründen sich auf die in sich widersprüchlichen Angaben der Bezugsperson betreffend die Eheschließung mit dem BF1 und betreffend ihren ersten Ehemann einerseits und die widersprüchlichen Angaben zwischen der Bezugsperson und dem BF1 zur Eheschließung andererseits, sowie Ungereimtheiten in der syrischen Heiratsurkunde.
Zweifel an der leiblichen Mutterschaft der Bezugsperson zu den BF2 und BF3 ergeben sich aus den in ihren Einvernahmen ausgewechselten Vor- und Familiennamen des BF2 und des BF3, dem Umstand, dass ein erster Ehemann und leiblicher Vater dieser Kinder in deren Einvernahmen zunächst keine Erwähnung gefunden hat, wie auch der Tatsache, dass sie ihre Kinder bei Bekannten in der Türkei zurückgelassen habe.
Weiters hat die Bezugsperson in ihrer Asylerstbefragung am 20.12.2014 von ihrem nunmehrigen Ehemann (BF1) als Ehemann gesprochen. Ein erster, möglicherweise bereits verstorbener Ehemann, wurde mit keinem Wort erwähnt. Mit ihren späteren Aussagen in der Einvernahme im Asylverfahren am 02.06.2015 könnte demgegenüber ein - weiterhin nicht erwähnter - erster Ehemann angesprochen sein, zumal die Bezugsperson Syrien im ersten Schwangerschaftsmonat ihrer Kinder (BF2 und BF3) verlassen habe und die Kinder plötzlich nicht mehr mit dem Familiennamen ihres nunmehrigen Ehegatten, sondern mit einem anderen Familiennamen - laut Geburtsurkunden der Kinder ihres Vaters - und offenbar ersten Ehemannes der Bezugsperson angegeben wurden. Sie sei seit ca. acht Jahren verheiratet und wisse nicht, ob ihr Mann noch lebe. Sie habe seit acht Monaten nichts mehr von ihm gehört. Gleichzeitig soll es jedoch im Jahr 2013 zu einer Eheschließung mit dem BF1 gekommen sein. Sollte es sich in den Ausführungen der Bezugsperson jedoch um den nunmehrigen Ehemann handeln, zu dessen Verbleib sie am 02.06.2015 keinerlei Information gehabt haben will, müsste die Bezugsperson gleichzeitig damit auch zu Verbleib bzw Schicksal ihrer Kinder keine Informationen mehr gehabt haben, da sich ihre Kinder laut Vorbringen ihres Ehemannes bei diesem in Saudi-Arabien aufgehalten haben sollen. Diesbezüglich wurde seitens der Bezugsperson freilich nichts erwähnt, zumal sie ihre Kinder laut eigener Angabe ohnehin in der Türkei zurückgelassen hat. In ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme im gegenständlichen Einreiseverfahren am 19.11.2015 gab die Bezugsperson schlussendlich an, dass der BF2 und die BF3 die Kinder des im Krieg 2011 verstorbenen Mannes seien, womit überhaupt erstmals ein erster Ehemann erwähnt wurde. Die Angaben der Bezugsperson sind daher insgesamt als unstimmig und in sich widersprüchlich zu bezeichnen.
Schließlich kommt hinzu, dass sämtliche vorgelegten Urkunden erst am 22.01.2015, somit zum Zweck einer beabsichtigten Familienzusammenführung ausgestellt wurden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerden:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragsteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragsteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 16) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten:
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
Form der Eheschließung:
§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 17 und 21) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt:
§ 17 Form der Eheschließung
(1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
§ 21 Mangel der Form
(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch
§ 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.
§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet:
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Die Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken und besteht ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa jüngst VwGH 24.04.2020, Ro 2019/20/0004-5).
Solche, zur Behebung berechtigende gravierende Ermittlungslücken im Sinne des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG liegen fallgegenständlich vor.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und kommt dieser diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des BFA steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Die ÖB Riyadh hat in Bindung an die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA die Einreiseanträge aller BF unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass die Ehe zwischen dem Antragsteller und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb der Antragsteller kein Familienangehöriger im Sinne des vierten Hauptstückes des AsylG sei (§ 35 Abs. 5 AsylG).
Die Behörde hat sohin die Familienangehörigeneigenschaft nicht nur des BF1, sondern auch des BF2 und des BF3 mit der Begründung verneint, dass eine rechtsgültige Ehe des BF1 mit der Bezugsperson im Herkunftsstaat nicht vorliege. Die Behörde leitet die fehlende Familienangehörigeneigenschaft des BF2 und des BF3 in Bezug auf die Bezugsperson somit ebenso von der fehlenden Familienangehörigeneigenschaft des BF1 in Bezug auf die Bezugsperson (fehlende Ehegatteneigenschaft) ab.
Der Umstand, ob eine gültige Ehe im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG vorliegt, ist jedoch lediglich für die Qualifikation von Ehepartnern als Familienangehörige, nicht jedoch für die Rechtstellung von ledigen minderjährigen Kindern anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter maßgebend (vgl. etwa VwGH 28.01.2020, Ra 2018/20/0464, unter Verweis auf VwGH 25.10.2018, Ra 2017/20/0513 und 0514, unter Hinweis auf VfGH 27.11.2017, E 1001-1005/2017, zur vergleichbaren Rechtslage vor BGBl I. Nr. 145/2017).
Gemäß § 35 Abs. 5 AsylG ist Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist.
Allerdings kann, wie vorstehend dargelegt, auf Basis der vorhandenen Aktenlage nicht zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass es sich bei den BF2 und BF3 tatsächlich um die leiblichen Kinder der Bezugsperson handelt. Im fortgesetzten Verfahren wären von der Behörde somit DNA-Abstammungsuntersuchungen des BF2 und des BF3 in Bezug auf die Bezugsperson zu veranlassen. Sollte sich aufgrund des Ergebnisses der DNA-Analysen die leibliche Mutterschaft der Bezugsperson als gesichert erweisen, wäre den Einreiseanträgen des BF2 und des BF3 als Kinder der Bezugsperson in weiterer Folge stattzugeben.
Was den vorgeblichen Ehegatten der Bezugsperson (BF1) betrifft, ist vorweg festzuhalten, dass dieser weder leiblicher Vater noch Adoptivvater noch gesetzlicher Vertreter der BF2 und BF3 ist. So wurde seitens des BF1 wiederholt und ausdrücklich vorgebracht, dass dieser keine Obsorge für die Kinder seiner Ehegattin aus früherer Ehe habe. Die Gestattung der Einreise des BF1 kann daher nicht auf die Kinder der Bezugsperson - sollte sich deren leibliche Abstammung von der Bezugsperson als erwiesen herausstellen - gestützt werden.
Im gegenständlichen Fall wurde eine Heiratsurkunde eines syrischen Scharia-Gerichtes vom 22.01.2015 vorgelegt, derzufolge der BF1 und die Bezugsperson am 26.02.2013 im Scharia-Gericht in Damaskus die Ehe geschlossen hätten. Zu den bereits durch das BFA reklamierten, den BF durch die Botschaft zu Gehör gebrachten Unstimmigkeiten in Bezug auf diese Urkunde, wie ua Vertretung der Bezugsperson bei der Eheschließung durch ihren damals bereits in Österreich asylberechtigten Vater, treten weitere durch das erkennende Gericht geortete Ungereimtheiten hinzu. Laut Reisepasskopie des BF1 lautet dessen vollständiger Name XXXX . Der zweite Vorname des BF1 stimmt somit offenbar mit dem in der Heiratsurkunde als Name seines Vaters aufscheinenden (Vor)namen „ XXXX “ überein. Unter „Vertreter des Ehemannes“ wird jedoch „ XXXX , somit offenkundig der BF1 selbst mit dessen Geburtsort ( XXXX ) und Geburtsjahr ( XXXX ) und dessen (angeblicher) Wohnadresse in Damaskus angeführt. Daraus ist zu schließen, dass der, wenn auch unter der Rubrik „Vertreter des Ehemannes“ geführte BF1, bei der angeblichen Eheschließung am 26. 02.2013 nicht vertreten worden, sondern persönlich anwesend gewesen wäre. Der BF1 hat jedoch dezidiert angegeben, dass er niemals in Syrien gewesen sei und wurde auch in der Stellungnahme des Rechtsvertreters betont, dass der BF1 bei der „Eheschließung“ in Syrien nicht anwesend gewesen sei, zumal es sich hierbei um die bloße Bestätigung einer zu diesem Datum (somit am 26.02.2013), in Saudi-Arabien, Riyadh, islamisch geschlossene Ehe handeln würde. Laut Rechtsvertreter würde die Heiratsurkunde des syrischen Scharia-Gerichtes eine am 26.02.2013 in Saudi-Arabien geschlossene Ehe dartun und die in Saudi-Arabien erfolgte Eheschließung zivilrechtlich bestätigen. Die Heiratsurkunde des Scharia-Gerichtes bietet jedoch keinerlei Hinweis, dass damit eine in Saudi-Arabien geschlossene Ehe bestätigt werden sollte. Vielmehr lautet es darin, dass die o.g. Parteien - laut Urkundeninhalt der BF1 persönlich und die Bezugsperson, vertreten durch ihren damals allerdings bereits in Österreich asylberechtigten Vater, - im Scharia-Gericht in Damaskus erschienen seien, um die Ehe zu schließen. Dass es sich um die Bestätigung einer zu diesem Datum anderswo, nämlich in Saudi-Arabien, islamisch geschlossenen Ehe handeln sollte, kann der Urkunde nicht entnommen werden. Schließlich hat die Bezugsperson in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme selbst ausdrücklich angegeben, dass die Ehe am 26.02.2013 standesamtlich in Syrien, Damaskus, geschlossen worden sei.
Sieht man einmal davon ab, mangelt es gegenständlich aber ohnehin auch an der für die Rechtsgültigkeit einer syrischen Ehe erforderlichen staatlichen Registrierung durch Eintragung in das Zivilregister (siehe hiezu oben unter 2. Feststellungen). Ein dementsprechendes Dokument ist offenbar nicht vorhanden.
Wenn der BF1 vorbringt, dass er – anders als die vorgelegte syrische Heiratsurkunde darzutun versucht – jedoch ohnehin nicht in Syrien geheiratet habe, zumal er nie in Syrien gewesen sei, sondern zum in der syrischen Heiratsurkunde angegebenen Datum vielmehr eine islamische Hochzeit in Saudi-Arabien erfolgt sein soll, ist Folgendes zu bemerken: Dem Schriftsatz des Rechtsvertreters der BF vom 06.07.2017 war zwar ein einseitiges unübersetztes Schriftstück in arabischer Sprache angeschlossen, bei dem es sich laut Einschreiter um einen am 26.02.2013 zwischen dem BF1 und der Bezugsperson in Riyadh geschlossenen Ehevertrag handeln soll. Laut - allerdings in keiner Weise näher erläuterter - Feststellung des BFA soll ein Ehevertrag über eine in Saudi-Arabien geschlossene Ehe vorliegen. Eine Überprüfung dieser bloßen Feststellung ist dem erkennenden Gericht auf Grundlage der vorhandenen Aktenlage zum einen nicht möglich. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (vgl. VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633). Im Akt finden sich keinerlei Ausführungen, ob und bejahendenfalls, unter welchen Bedingungen in Saudi-Arabien eine gültige Ehe zwischen einem saudi-arabischen Staatsangehörigen und einer syrischen Staatsangehörigen geschlossen werden kann und ob gegenständlich mit einem möglicherweise abgeschlossenen Ehevertrag die einschlägigen Modalitäten für das Zustandekommen einer rechtsgültigen Ehe eingehalten wurden (vgl auch § 16 IPRG, wonach die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen ist, jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung genügt). Es wären daher im fortgesetzten Verfahren hiezu Ermittlungen anzustellen und nachvollziehbare Feststellungen zu treffen.
Sollten die Ermittlungen zu dem Ergebnis führen, dass vor Einreise der Bezugsperson tatsächlich in Saudi-Arabien eine gültige Eheschließung zwischen dem BF1 und der Bezugsperson stattgefunden hat, wäre dem BF1 die Einreise im Hinblick auf seine Familienangehörigeneigenschaft nach § 35 Abs. 5 AsylG zu gestatten.
Sollte auch in Saudi-Arabien keine gültige und somit die Familienangehörigeneigenschaft des BF1 im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG begründende Eheschließung erfolgt sein, wird der Vollständigkeit halber darauf hingewieisen, dass laut Akteninhalt zwei leibliche Kinder des BF1 mit der Bezugsperson in Österreich leben sollen. Die leibliche Vaterschaft des BF1 zu diesen Kindern vorausgesetzt, wäre es dem BF1 möglich, unabhängig von einer bestehenden bzw. eben nicht bestehenden Ehegatteneigenschaft zur Bezugsperson, auf seine leiblichen Kinder als Bezugspersonen gestützte Einreiseanträge zu stellen.
Abschließend weist das Bundesverwaltungsgericht auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11 a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden kann.
Gemäß § 11 a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Ehe Einreisetitel Ermittlungspflicht Familienangehöriger Familienverfahren Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderjährigkeit ordre publicEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W165.2192469.1.00Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021