TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/20 W247 2210786-1

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Entscheidungsdatum

20.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W247 2210786-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 34 Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der minderjährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am XXXX in XXXX geboren und stellte durch seine Mutter XXXX , geb. XXXX , als gesetzliche Vertreterin, am 23.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dem Vater des BF, XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, wurde mit Bescheid vom 08.01.2007, Zl. XXXX , gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 25.10.2018, Zl. XXXX , wies das Bundesamt den Antrag des mit „ XXXX “ bezeichneten BF auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.) Die Frist für die freiwilige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

4. Mit Verfahrensanordnung vom 30.10.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

5. Gegen diesen Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde vom 19.11.2018.

6. Die Beschwerdevorlage vom 30.11.2018 und der Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht am 06.11.2018 ein.

7. Mit Bescheid des BFA vom 27.11.2018, Zl. XXXX , wurde der Bescheid des BFA vom 25.10.2018, Zl. XXXX gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahingehend berichtigt, dass der Nachname des BF von „ XXXX “ auf „ XXXX “ geändert wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der minderjährige BF ist am XXXX in Österreich ( XXXX ) geboren. Er ist russischer Staatsangehöriger und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe.

2. Der BF ist der Sohn von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation und XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation.

3. Der BF hat am 23.07.2018 durch seine Mutter XXXX , geb. XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

4. Dem Vater des BF, XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, wurde mit Bescheid vom 08.01.2007, Zl. XXXX , gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:

1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsaktes des BFA betreffend den Vater des BF.

2.Zur Person des BF:

Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum und der Staatsangehörigkeit des BF, sowie zu seinem Vater ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsaktes des BFA betreffend den Vater des BF.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)   Stattgabe der Beschwerde:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gilt ein Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1) dieser nicht straffällig geworden ist;

3) gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 sind die Bestimmungen dieses Abschnitts nicht anzuwenden auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Gemäß § 2 Abs. 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

In seinem Erkenntnis vom 29.04.2019, Ra 2018/20/0031, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgeführt:

„Mit den hier maßgeblichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem in § 34 AsylG 2005 verwendeten Begriff des Familienangehörigen hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2018, Ra 2018/14/0040 bis 0044, umfassend auseinandergesetzt, sodass gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden kann.

In der genannten Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass der in § 34 AsylG 2005 verwendete Begriff des Familienangehörigen - anders als etwa bei der Anwendung des § 35 AsylG 2005, der in seinem Abs. 5 festlegt, wer nach dieser Bestimmung als Familienangehöriger anzusehen ist - im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen ist. Weiters ist aus dem Blickwinkel des Kindes, das die Eigenschaft als Familienangehöriger von seinen Eltern ableiten möchte, auf den Zeitpunkt der Antragstellung - bezogen auf den von ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz - abzustellen. Es muss, um als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu gelten, in diesem Zeitpunkt minderjährig und ledig sein. Dem Eintritt der Volljährigkeit vor dem Entscheidungszeitpunkt kommt in diesem Fall keine Bedeutung zu. Für die Anwendung des § 34 AsylG 2005 ist es hinreichend, dass (und solange) zumindest ein Fall des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 gegeben ist.

§ 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 sieht vor, dass die Bestimmungen über das Familienverfahren nicht auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, anzuwenden sind, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind. Nach den Materialien (der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009) zu § 34 Abs. 6 AsylG 2005 (RV 330 BlgNR 24. GP, 24) soll damit „verhindert werden, dass es zu sogenannten ‚Ketten-Familienverfahren' und damit über verschiedenste Familienverhältnisse vermittelte Gewährungen von Asyl oder subsidiären Schutz kommt, ohne dass oftmals noch irgendein relevanter familiärer Bezug zum ursprünglichen Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten besteht". Weiters führen die Materialien zu § 34 Abs. 6 AsylG 2005 aus:

„Die Bestimmung des § 34 Abs. 6 Z 2 soll allerdings nicht gelten, wenn es sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges unverheiratetes Kind handelt. Diese können daher ihren Status nach § 34 auch dann von ihren Eltern ableiten, wenn diese ihren Status bereits nach § 34 erhalten haben. Das Kind selbst ist dann aber wiederum keine taugliche Bezugsperson mehr. Die Kette endet daher jedenfalls bei diesem."

Auch wenn in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 nicht ausdrücklich auf den „Zeitpunkt der Antragstellung" hingewiesen wird, ergeben sich aus den angeführten Erläuterungen keine Hinweise darauf, dass der Begriff „Familienangehöriger" innerhalb des § 34 AsylG 2005 unterschiedlich ist und insbesondere der in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 verwendete Begriff des "minderjährigen ledigen Kindes" als „Familienangehöriger" nicht im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen wäre.“

Im Hinblick auf den BF bedeutet dies:

Dem Vater des BF, XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, wurde mit Bescheid vom 08.01.2007, Zl. XXXX , gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der BF ist der minderjährige (und ledige) Sohn und damit Familienangehöriger seines Vaters XXXX alias XXXX , geb. XXXX , dem bereits mit Bescheid vom 08.01.2007 der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sodass die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vorliegen und die Bestimmungen des Familienverfahrens umfänglich anzuwenden sind.

Gegen den Vater des BF, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

Dem BF ist daher im Weg des Familienverfahrens in Ableitung von seinem Vater der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einer Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status der Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dieser Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am 23.07.2018 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 („Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügt der BF nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft Minderjährigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W247.2210786.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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