TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/20 W164 2170649-1

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Entscheidungsdatum

20.11.2020

Norm

AlVG §12
AlVG §14
AlVG §7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W164 2170649-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert POROD (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Mag. Kurt RETZER (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , VSNR XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice, AMS 304-Baden, vom 29.05.2017, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 22.08.2017, Zl. RAG/05661/2017, nach einer nicht öffentlichen Beratung vom 16.11.2020 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und Abs 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Zur Vorgeschichte:

Der Beschwerdeführer (im folgenden BF) hat am 31. Juli 2012 bei der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leoben (im Folgenden: AMS) die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt. Im bundeseinheitlichen Antragsformular hat er im Antwortfeld bei Frage 10 "Ich befinde mich in Ausbildung (Schule, Hochschule, Fachschule, Kurs, Lehrgang, Praktikum usw.)" die Antwortoption "nein" angekreuzt. Der damals 21 jährige BF erfüllte zum Antragszeitpunkt die „Jugendanwartschaft“. Vom 2. August bis 13. November 2012 hat der BF aufgrund dieses Antrags Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 28,41 pro Tag bezogen.

Ab 1. Oktober 2012 war der Revisionswerber als ordentlicher Studierender zum Studium " XXXX " an der Montanuniversität Leoben zugelassen. Das aufgenommene Hochschulstudium hat er dem AMS nicht gemeldet.

Am 11. Juli 2013 hat der BF beim AMS neuerlich die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt und im Antragsformular die Frage 10 wiederum wie oben verneint. Aufgrund dieses Antrages bezog der BF von 11. Juli 2013 bis 15. August 2013 Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 28,41 täglich.

Am 3. Oktober 2016 stellte der BF erneut einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Im Zuge der Prüfung dieses Antrages ermittelte das AMS das Bestehen des am 1. Oktober 2012 aufgenommenen Studiums des BF. Das AMS gab dem Antrag vom 3.10.2016 mit Bescheid vom 10.11.2016 mangels Arbeitslosigkeit keine Folge und begründete diese Entscheidung damit, dass der BF, um trotz laufenden Studiums anspruchsberechtigt zu sein, eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsdauer von 52 Wochen innerhalb von zwei Jahren aufweisen müsste. Im Fall des BF würden innerhalb der anzuwendenden Rahmenfrist (24.06.2011 bis 03.10.2016) arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von nur 56 Tagen vorliegen.

Mit einem weiteren Bescheid vom 10. November 2016, widerrief das AMS den Bezug des Arbeitslosengelds für den Zeitraum vom 1. Oktober bis 13. November 2012 und sprach aus, dass der BF zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 1.250,04 verpflichtet sei.

Mit einem dritten Bescheid vom 10. November 2016 widerrief das AMS den Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 11. Juli bis 15. August 2013 und sprach aus, dass der BF zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 1.022,76 verpflichtet sei.

Der BF bekämpfte diese Bescheide nach abweisenden Beschwerdevorentscheidungen zunächst beim Bundesverwaltungsgericht, dies ohne Erfolg. (vgl. Erk. G305 2146114-1/13E vom 08.05.2017, Erkenntnissen G305 2146114-2/13E und G305 2146114-3/13E, beide vom 09.05.2017).

Gegen die beiden letztgenannten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts, G305 2146114-2/13E und G305 2146114-3/13E, beide vom 09.05.2017, beide betreffend Widerruf und Rückforderung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, erhob der BF zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 26. November 2018, E 2018/2017-19, E 1475/2018-8, die Behandlung der Beschwerden ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinen Erkenntnissen Ra 2017/08/0067 und -0068 die letztgenannten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben und zur Begründung folgendes ausgesprochen:

„20 § 24 Abs. 2 AlVG in der Fassung des SVÄG 2017 lautet:

"(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise."

21 § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung des SVÄG 2017 lautet:

"(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 besteht nur, wenn eine solche innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum verfügt wird. Eine Verfügung zur Nachzahlung ist nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Wird eine Nachzahlung beantragt, so ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise."

22 Gemäß § 79 Abs. 159 AlVG sind § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2017 mit 1. Mai 2017 in Kraft getreten und gelten, soweit Anträge auf Berichtigung oder Nachzahlung betroffen sind, für nach Ablauf des 30. April 2017 gestellte Anträge; auf vor dem 1. Mai 2017 gestellte Anträge sind § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 weiterhin in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2017 anzuwenden.

23 Das in Revision gezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wurde nicht mündlich verkündet, sondern schriftlich erlassen. Die Erkenntniswirkungen sind erst mit der Zustellung (Ausfolgung) der Erledigung nach dem 9. Mai 2017 eingetreten (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 86 zu § 29 VwGVG). Der Entscheidungszeitpunkt liegt sohin nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten Novelle.

24 Bei der Beurteilung, ob ein Wideruf einer zuerkannten Leistung nach § 24 Abs. 2 AlVG zulässig ist und ob eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen iSd § 25 Abs. 6 AlVG durchgesetzt werden kann, ist nach dem im Verwaltungsverfahren geltenden allgemeinen Grundsatz das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden (VwGH 4.5.1977, 898/75, VwSlg. 9315 A/1977). Die inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufes des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG wäre hingegen - entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung - nach der Rechtslage zu prüfen, die im Zeitraum der Gewährung der Leistung gegolten hat (VwGH 26.5.2004, 2001/08/0124 ua).

25 Nach § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2017 ist ein Widerruf nur zulässig und besteht eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen nur dann, wenn der Widerruf bzw. die Rückzahlungsverpflichtung mit erstinstanzlich erlassenem Bescheid innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum ausgesprochen wird. Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme eines Rückforderungsgrundes durch das AMS kommt es nicht an (vgl. Julcher in Pfeil, AlVG-Komm § 24 AlVG Rz 12 und § 25 AlVG Rz 46).

26 Als Leistungszeitraum iSd § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG ist der (Kalender-)Monat (bzw. der Teil eines Monats) zu verstehen, für den ein Anspruch auf Leistung besteht bzw. für den eine solche bezogen wird (vgl. VwGH 14.11.2018, Ra 2018/08/0088). Die letzten vor den Verfügungen von Widerruf und Rückforderung liegenden Leistungszeiträume erstreckten sich vom 1. bis 13. November 2012 (Ra 2017/08/0067) bzw. vom 1. bis 15. August 2013 (Ra 2017/08/0068). Die erstinstanzlichen Widerrufs- und Rückforderungsbescheide ergingen an den Revisionswerber am 14. November 2016, sohin mehr als drei Jahre nach dem Ende der genannten Leistungszeiträume. § 24 Abs. 2 AlVG und § 25 Abs. 6 AlVG stehen somit einem Widerruf und einer Rückforderung für die genannten und für alle früheren Leistungszeiträume entgegen.“

Zum hier anhängigen Verfahren:

Mit 08.02.2017 beantragte der BF erneut die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Das AMS hat diesem Antrag mit Bescheid vom 29.05.2017 keine Folge gegeben und zur Begründung ausgeführt, der BF habe sich mit Semesterbeginn 01.10.2012 zum Studium an der Montanuniversität Leoben angemeldet. Um trotz des laufenden Studiums anspruchsberechtigt zu sein, wäre eine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsdauer von 52 Wochen innerhalb von zwei Jahren erforderlich. Im Fall des BF erstrecke sich die gesetzliche Rahmenfrist auf die Zeit von 25.11.2011 bis 08.02.2017. Der BF habe in dieser Zeit nur 56 Tage an arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen aufzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen Folgendes vor:

1)       Das AMS sei rechtswidriger Weise davon ausgegangen, dass der verfahrensgegenständliche Antrag vom 08.02.2017 auf eine erstmalige Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld gerichtet wäre. Der BF hielt dem entgegen, dass er von 02.08.2012 bis 13.11.2012 und von 11.07.2013 bis 15.08.2013 zu Recht Arbeitslosengeld bezogen habe. Seit der erstmaligen Inanspruchnahme habe er keine neue Anwartschaft erlangen können. Es liege eine wiederholte Geltendmachung des erstmals am 02.08.2012 geltend gemachten Anspruchs auf Arbeitslosengeld vor. Es sei § 12 Abs 4 zweiter Satz AlVG anzuwenden.

2)       Der BF sei Werkstudent gewesen. Er sei während seiner Ausbildung zumindest geringfügig beschäftigt gewesen, so auch zum Zeitpunkt der Antragstellung vom 08.02.2017. Es gelte die Gegenausnahmeregelung des § 12 Abs 6 lit a AlVG.

3)       Die innerhalb der Rahmenfrist liegende Beschäftigung des BF bei der Firma XXXX (17.10.2011 bis 31.07.2012) sei nicht berücksichtigt worden. Der BF räumte ungeachtet dessen ein, dass er keine neue Anwartschaft erwerben konnte. Jedoch sei von einem Fortbezug iSd § 19 Abs 1 AlVG auszugehen.

4)       Auf den BF wäre die Rahmenfristerstreckung gem. § 15 Abs 1 Z 1 AlVG anzuwenden, da der BF zwischen 02.08.2012 und 08.02.2017 abgesehen von den Zeiten seiner Vollbeschäftigung geringfügig beschäftigt gewesen sei. Die von 17.10.2011 bis 31.07.2012 ausgeübte Erwerbstätigkeit des BF bei der Fa. XXXX sei innerhalb dieser Rahmenfrist gelegen und entsprechend zu berücksichtigen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22.08.2017, GZ RAG/05661/2017, hat das AMS diese Beschwerde abgewiesen. Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung die beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (nun Dachverband der Sozialversicherungsträger) aufscheinenden Beschäftigungszeiten des BF zu Grunde und führte aus, der BF habe zum 01.08.2012 die „Jugendanwartschaft“ erfüllt, nicht aber die „große Anwartschaft ohne Einrechnung der Rahmenfristerstreckung ohne Ausbildungszeiten“(§ 12 Abs 4, erster Satz, AlVG).

Das Arbeitslosengeld sei dem BF bis 13.11.2012 – mit diesem Zeitpunkt habe sich der BF abgemeldet - angewiesen worden, da sein zum 01.10.2012 begonnenes Studium dem AMS nicht bekannt gewesen sei.

Da bei der Beantragung vom 11.07.2013 keine neue Anwartschaft gegeben gewesen sei, habe das AMS dem BF in Unkenntnis seiner Ausbildung den vermeintlich restlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld angewiesen.

Bei der Beantragung vom 03.10.2016 sei erneut keine neue Anwartschaft gegeben gewesen, ebenso nicht am 08.02.2017. Der BF habe nur 56 Tage anwartschaftsbegründende Zeiten durch Dienstverhältnisse im Juli und September 2016 erworben.

Unter Einrechnung der Rahmenfristerstreckung gem. § 15 Abs 1 Z 1 AlVG – hier seien anwartschaftsbegründende Zeiten nicht heranzuziehen – würden sich 320 Tage ergeben. Auch damit erfülle der BF aber die Voraussetzung des § 12 Abs 4 AlVG („große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten“) nicht. Das AMS legte die Berechnung dar (Seiten 9 und 10 der Beschwerdevorentscheidung). Der BF habe somit weder zum Antragszeitpunkt, noch zu einem vorangegangenen Zeitpunkt die „große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten“ erfüllt. Die Anwendung des § 12 Abs 4 AlVG komme nicht in Betracht.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht einen Vorlageantrag.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF stellte mit 08.02.2017 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Arbeitslosengeld. Der BF war ab 01.10.2012 ordentlicher Hörer der Montanuniversität Leoben. Zum Antragsdatum 08.02.2017 war er weiterhin ordentlicher Hörer der Montanuniversität Leoben.

Der BF hatte von 01.08.2012 bis 13.11.2012 Arbeitslosengeld bezogen. Das genannte Studium wurde dem AMS erst im Zuge der Antragstellung auf Arbeitslosengeld vom 03.10.2016 bekannt. Mit Bescheid vom 10.11.2016, dem BF zugestellt am 14.11.2016, widerrief das AMS den genannten Arbeitslosengeldbezug und sprach eine Rückforderung des zu Unrecht gewährten Arbeitslosengeldes aus. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.05.2017 wurden dieser Bescheid bestätigt.

Der BF bezog weiters von 11.07.2013 bis 15.08.2013 Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10.11.2016, dem BF zugestellt am 14.11.2016, widerrief das AMS auch diesen Arbeitslosengeldbezug sprach die Rückforderung des zu Unrecht gewährten Arbeitslosengeldes aus. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.05.2017 wurde auch dieser Bescheid bestätigt.

Der BF bekämpfte die eben genannten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vor den Höchstgerichten. Der Verwaltungsgerichtshof hob die genannten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, da die erstinstanzlichen Bescheide betreffend Widerruf bzw. Rückzahlungsverpflichtung dem BF später als drei Jahre nach dem jeweiligen Leistungszeitraum zugestellt wurden. Die in § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG in der anzuwendenden Fassung normierte Frist von drei Jahren sei damit überschritten. Widerruf und Rückforderung seien nicht mehr zulässig gewesen.

Zum 08.02.2017 erfüllte der BF nicht die „große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten“ (§ 12 Abs 4, erster Satz, AlVG).

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde in Zusammenhalt mit dem Inhalt der Beschwerde. Die Einwendungen des BF richten sich gegen die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides. Der hier wesentliche Sachverhalt ist dem gegenüber unbestritten. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erscheint daher nicht geboten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.

Zu A)

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat, nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund eines Einheitswertes, der kein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erwarten lässt, unterliegt oder auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne des Abs. 1 und 2, wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang – so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt – ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

Gemäß § 12 Abs. 4 AlVG gilt abweichend von Abs. 3 lit. f während einer Ausbildung als arbeitslos, wer eine die Gesamtdauer von drei Monaten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nicht überschreitende Ausbildung macht oder die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 erster Satz mit der Maßgabe erfüllt, dass diese ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 erfüllt werden und für die erstmalige Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung gelten. Bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung genügt die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14.

Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG ist bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.

1)       Der BF behauptet die Anwendbarkeit des § 12 Abs 4, zweiter Satz, AlVG. Er stützt seine Argumentation darauf, dass sein verfahrensgegenständlicher Antrag vom 08.02.2017 eine wiederholte Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während einer Ausbildung bilde.

Dem wird folgendes entgegengehalten:

Eine wiederholte Inanspruchnahme iSd § 12 Abs 4, zweiter Satz, AlVG knüpft nach dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig an die Bedingung, dass ihr eine dem § 12 Abs 4 erster Satz entsprechende erstmalige Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld vorangegangen war.

Der BF hat am 01.10.2012, dem Datum der ersten Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld neben einer Ausbildung, nicht die „große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten“ erfüllt. Er bezog Arbeitslosengeld ohne jemals die Bedingungen des § 12 Abs 4, erster Satz, zweite Fallvariante, AlVG erfüllt zu haben. Da die in § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG normierte Frist ungenutzt verstrichen ist, konnte sein dennoch erlangter Bezug von Arbeitslosengeld nicht mehr wirksam widerrufen werden. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass für den vorliegenden Fall die Erfüllung der „großen Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten“ zum 01.10.2012 zu fingieren wäre. Das gleiche gilt für das von 11.07.2013 bis 15.08.2013 in Anspruch genommene Arbeitslosengeld. Der Antrag auf Arbeitslosengeld vom 3. Oktober 2016 wurde rechtskräftig abgewiesen.

Somit wären vorliegenden Fall die für eine erstmalige Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während einer Ausbildung normierten Bedingungen zu erfüllen gewesen. Da der BF die in § 12 Abs 4 erster Satz AlVG geforderte „große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten“ nicht erfüllt, kommt § 12 Abs 4 AlVG nicht zur Anwendung. Der BF gilt zufolge. § 12 Abs 3 lit f AlVG zum 08.02.2017 als nicht zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigt.

2)       § 12 Abs 6 lit a AlVG lautet:

Als arbeitslos gilt jedoch wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, […]

Diese Gesetzesbestimmung stellt sicher, dass eine geringfügige Beschäftigung dem Status der Arbeitslosigkeit grundsätzlich nicht schadet. Die genannte Gesetzesbestimmung bildet aber gemäß ihrem klaren Wortlaut – anders als § 12 Abs 4 AlVG – keine Gegenausnahme zu § 12 Abs 3 lit f AlVG. Das diesbezügliche Argument des BF kann seiner Beschwerde daher nicht zum Erfolg verhelfen.

3)       Soweit der BF die Berücksichtigung des § 15 Abs 1 Z 1 AlVG bei der Festlegung der Rahmenfrist fordert und auf diesem Weg die Mitberücksichtigung seiner von 17.10.2011 bis 31.07.2012 ausgeübten vollversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit bei der Fa. XXXX geltend macht, wurde bereits im Zuge der Beschwerdevorentscheidung im Detail aufgezeigt, dass auch eine Berücksichtigung der Rahmenfristerstreckung wie vom BF gefordert nicht zur Feststellung einer „großen Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten“ führen würde. Weitere Einwendungen hat der BF dazu nicht gemacht. Das diesbezügliche Vorbringen war daher nicht weiter zu prüfen.

Zusammenfassend ergibt sich: Die belangte Behörde hat den verfahrensgegenständlichen Antrag des BF auf Arbeitslosengeld zu Recht abgewiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Anspruchsvoraussetzungen Anwartschaft Arbeitslosengeld Ausbildung Fristen Studium

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W164.2170649.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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