TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/24 I411 2158476-3

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Entscheidungsdatum

24.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I411 2158476-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kamerun, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3, 1170 Wien gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.06.2019, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Kamerun. Er reiste am 16.02.2010 mit einem gültigen Visum in das Österreichische Bundesgebiet ein.

2.       Seine Tante hatte für ihn zuvor am 14.04.2008 bei der Österreichischen Botschaft Abuja einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren gemäß § 35 AsylG gestellt und dabei wahrheitswidrig angegeben, seine Mutter und gesetzliche Vertreterin zu sein. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich beim Beschwerdeführer um einen unmündigen Minderjährigen, der bei seiner eigentlichen Mutter in Duala lebte.

3.       Mit Bescheid vom 09.04.2010, Zl. XXXX , gab das damalige Bundesasylamt diesem Asylantrag statt und erkannte dem Beschwerdeführer gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 den Status eines Asylberechtigten zu – abgeleitet seiner Tante, die ihrerseits wiederum ihren Asylstatus von ihrem bereits in Österreich lebenden, asylberechtigten Ehemann abgeleitet hatte. Diese Entscheidung beruhte auf der irrigen Annahme, dass die Tante des Beschwerdeführers dessen Mutter sei. Für den Beschwerdeführer waren keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht worden.

4.       Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet mehrfach straffällig.

5.       Erst im Dezember 2016 wurde den österreichischen Behörden von Seiten des Jugendamtes XXXX bekanntgegeben, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um den Sohn seiner Tante handle. Seine Mutter habe ihm eine gute Schulbildung in Österreich ermöglichen wollen und seine Tante und sein Onkel haben sie in diesem Vorhaben unterstützt.

6.       Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.04.2019, Zl. I403 2158476-1/24E, wurde festgestellt, dass der Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.04.2010 nie rechtskräftig erlassen worden sei. Die Zustellung des Bescheides sei nämlich lediglich an die Tante des Beschwerdeführers erfolgt, bei der es sich jedoch nicht um seine gesetzliche Vertreterin handle. Darüber hinaus sei der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.04.2008 mangels Vertretungsbefugnis seiner Tante gar nicht rechtswirksam gestellt worden.

7.       Am 08.05.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA; belangte Behörde) zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot statt. Am 28.05.2019 wurde die Mutter seiner am XXXX 2017 geborenen Tochter niederschriftlich einvernommen.

8.       Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 04.06.2019, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt I. erster Teil). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I., zweiter Teil) und gleichzeitig festgestellt, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt II.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

9.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 03.07.2019 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag). Der Beschwerdeführer machte die Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend. Er befinde sich seit 2010 in Österreich, habe einen Pflichtschulabschluss absolviert und sich ehrenamtlich engagiert. Sein gesamter Freundes- und Bekanntenkreis befinde sich in Österreich. Zudem verfüge er über enge familiäre Bindungen in Form seiner eineinhalbjährigen Tochter und auch seit der Inhaftierung des Beschwerdeführers bestehe regelmäßiger Kontakt durch wöchentliche Besuche in der Justizanstalt. Hingegen habe er keinen Kontakt zu seiner in Kamerun lebenden Familie. In Gesamtschau verfüge er über ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet. In seiner Entscheidung habe das BFA insbesondere das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt. Auch die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von sieben Jahren erweise sich als unrechtmäßig, zumal eine nachvollziehbare einzelfallbezogene Gefährdungsprognose im bekämpften Bescheid völlig fehle.

10.      Mit Schriftsatz vom 04.07.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 09.07.2019, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige, am XXXX geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Kamerun und stammt aus Douala. Seine Identität steht fest.

Er kam am 16.02.2010 im Alter von elf Jahren und in Begleitung seiner Tante nach Österreich. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet war er durchgehend behördlich gemeldet.

Einem von seiner Tante für ihn am 14.04.2008 gestellten Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.04.2010, Zl. XXXX stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt; dieser Bescheid wurde allerdings nie rechtskräftig erlassen, weil er an seine Tante zugestellt wurde, bei welcher es sich nicht um die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers handelte. Auch der Asylantrag erwies sich aufgrund der mangelnden Vertretungsbefugnis seiner Tante im Nachhinein als rechtsunwirksam.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und erwerbsfähig.

Er hat bis zu seiner Ausreise mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder in Kamerun zusammengelebt und dort die Schule besucht. Seine Eltern und mehrere Halbgeschwister leben nach wie vor in Kamerun. Bis zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung stand er mit seiner Mutter regelmäßig in telefonischem Kontakt.

In Österreich leben der Onkel, die Tante sowie der Cousin des Beschwerdeführers, wobei zuletzt im Februar 2014 ein gemeinsamer Wohnsitz bestand und der Beschwerdeführer mittlerweile keinen Kontakt mehr zu ihnen hat.

Außerdem ist der Beschwerdeführer Vater einer am XXXX 2017 geborenen Tochter. Er lebte mit seiner Tochter und der Mutter des Kindes bis Juni 2018 in einem gemeinsamen Haushalt. Die Beziehung zur Mutter des Kindes wurde im Jänner 2018 beendet und die Mutter wurde zur Hauptbezugsperson der Tochter. Vor dem Antritt seiner Strafhaft im Juli 2019 besuchte der Beschwerdeführer seine Tochter drei bis vier Mal wöchentlich für mehrere Stunden. Seit Beginn der Haftstrafe hat er seine Tochter, mit Ausnahme eines einzigen Besuches in der Justizanstalt am 30.11.2019, nicht mehr gesehen. Die Mutter seiner Tochter besuchte ihn anfangs noch regelmäßig, zuletzt jedoch im Juni 2020. Der Beschwerdeführer konnte seiner Unterhaltspflicht bislang nicht nachkommen, sodass die Mutter den Lebensunterhalt des gemeinsamen Kindes alleine bestreitet.

Der Beschwerdeführer hat während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet sehr gute Deutschkenntnisse erworben, den Pflichtschulabschluss absolviert, fallweise ehrenamtlich gearbeitet, sich ein soziales Umfeld aufgebaut und Freundschaften geschlossen. Gleichzeitig ist er nicht am Arbeitsmarkt integriert, ging zu keinem Zeitpunkt einer Erwerbstätigkeit nach und gehört keinem Verein und keiner sonstigen integrationsbegründenden Organisation an. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Februar 2019 durchgehend in Strafhaft, voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt ist der 21.05.2021.

Der Beschwerdeführer wurde mehrmals rechtskräftig verurteilt:

-        Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX vom 23.09.2015 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 12 dritter Fall StGB, § 15 StGB §§ 127, 130 erster Fall StGB, sowie des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB als Jugendlicher zu einer bedingten Freiheitsstrafe in einer Dauer von 6 Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

-        Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 04.07.2016 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB, des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. 1 1. Fall StGB und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in einer Dauer von 18 Monaten, davon 15 Monate bedingt unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit, rechtskräftig verurteilt.

-        Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 25.01.2017 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls, teilweise durch Einbruch, nach den §§ 127, 129 Abs. 1 Ziffer 1, 130 Abs. 2 2. Fall, 15 StGB, teils als Beitragstäter nach § 12 3. Fall StGB und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt unter Setzung von einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Dieses Urteil erwuchs mit Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes XXXX vom 19.09.2017 zu XXXX in Rechtskraft.
Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer
I.         im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Mittätern teils  durch Einbruch, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung  unrechtmäßig zu bereichern, teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht hat,  wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von  Diebstählen auch durch Einbruch längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges  fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, mehr als zwei solcher Taten begangen hat  
[…]
C./         Am 03.12.2016 in XXXX Berechtigten des Jugendzentrums D.B. durch  Einsteigen in das Gebäude nach Aufbrechen eines Fensters eine Packung Kinder  Bueno im Wert von EUR 23,00, zwei Pokale im Wert von EUR 30,00 und zwei  Adventkalender im Wert von EUR 40,00.
D./         Am 03.12.2016 in XXXX Berechtigten des Jugendzentrums E. durch Einsteigen  in das Gebäude nach Aufbrechen eines Fensters eine Playstation 4 Konsole im Wert  von EUR 394,11.
E./         Am 03.12.2016 in XXXX berechtigten des Jugendzentrums E. durch  nochmaliges Einsteigen in das Gebäude durch das aufgebrochene Fenster einen  Fernseher der Marke Philips in unbekanntem Wert.
F./         Am 06.12.2016 in XXXX aus unversperrten PKWs
1.         M.R., wobei es mangels Beute beim Versuch blieb
2.         V.G. ein weißes Lederetui mit zwei Brillen, eine Halskette mit Anhänger, ein Navigationssystem der Marke Garmin in unbekanntem Wert
3.         M.L. ein Mobiltelefon in unbekanntem Wert
4.         M.Z., wobei es mangels Beute beim Versuch blieb
5.         vier weiteren unbekannten Opfern, wobei es mangels Beute beim Versuch blieb,
II.         in der Nacht auf den 03.12.2016 in XXXX im bewussten und gewollten  Zusammenwirken mit weiteren Mittätern als unmittelbare Täter ein Fahrzeug, das  zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung des Berechtigten  in Gebrauch genommen hat, und zwar einen Kleinbus der Marke Ford Transit der A.T.  mit einem im unversperrten Fahrzeug befindlichen Schlüssel, indem sie gemeinsam  zu den Tatorten laut Fakten I.C. bis I.E. fuhren.
Bei der Strafbemessung mildernd berücksichtigt wurde das umfassende Geständnis,          der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die teilweise  Sicherstellung der Diebesbeute sowie die untergeordnete Rolle des  Beschwerdeführers; erschwerend hingegen das Zusammentreffen von einem  Verbrechen und einem Vergehen, die Tatbegehung innerhalb zwei offener, teils  schon verlängerter Probezeiten, die Tatbegehung im äußerst raschen Rückfall nach  der letzten Verurteilung und nach Vollzug einer Strafhaft, sowie die Tatbegehung in  Gemeinschaft.

-        Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 31.07.2018 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verurteilt.
Grund für diese Verurteilung war, dass der Beschwerdeführer
A./         am 06.04.2018 in XXXX
1.         den Führerschein des T.B., somit einen amtlichen Ausweis, der für   einen anderen ausgestellt war, durch Vorlage gegenüber dem Angestellten   der H.P. GmbH C.P. und dem Angestellten der W.D. Auto AG H.G. als    Legitimation für eine Probefahrt im Rechtsverkehr gebraucht hat, als wäre er   für ihn ausgestellt
2.         nachgenannte Kennzeichentafeln, somit Urkunden, über die er nicht   verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt hat, zu verhindern, dass sie im   Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Zuweisung   der Kennzeichen zu den jeweiligen Fahrzeugen, gebraucht werden, und zwar
a) das einem Fahrzeug des R.L. zugewiesene Kennzeichen XXXX sowie
b) das einem Fahrzeug der M.E. zugewiesene Kennzeichen XXXX ;
B./         am 27.03.2017 in XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit vier   weiteren abgesondert verfolgten Personen als unmittelbare Täter fremde   bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,00 nicht übersteigendem Wert,    nämlich insgesamt sieben Paar Schuhe und zwei einzelne Schuhe im    Gesamtwert von EUR 1.114,95 zum Nachteil des J.N., D.K., S.I., V.T., J.H., N.F.   und M.H. mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich oder einen Dritten durch   deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
C./         in XXXX seine damalige Lebensgefährtin V.K. vorsätzlich am Körper    verletzt hat
1. zu einem näher nicht bekannten Zeitpunkt im September 2017 durch            Versetzen eines Trittes gegen den rechten Unterschenkel (ca. 5 cm lange   Rissquetschwunde),
2. am 15.01.2018 durch Versetzen eines Schlages mit der flachen Hand ins           Gesicht (Hämatom unter der linken Augenbraue.
Erschwerungsgründe bei der Strafbemessung waren das Zusammentreffen von          mehreren Vergehen, die Tatbegehungen innerhalb offener Probezeiten, drei auf  derselben Neigung beruhende Vorstrafen und teilweise die Tatbegehung in  Gesellschaft; als Milderungsgründe wurden das reumütige Geständnis und die  Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres berücksichtigt.

-        Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 11.03.2019 zu XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt.
Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 11.08.2018 in XXXX
A./ den J.S. vorsätzlich am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt hat und          dadurch eine an sich schwere Körperverletzung und jedenfalls länger als 24 Tage  dauernde Gesundheitsschädigung herbeigeführt hat, indem er ihm zwei wuchtige  Faustschläge in das Gesicht versetzte, wodurch dieser multiple Brüche am rechten  Oberkiefer und einen Bruch des rechten Jochbeins, jeweils samt Hämatomen, sowie  ein Brillenhämatom erlitt.
B./ den J.P. vorsätzlich am Körper verletzt hat, indem er ihm einen Faustschlag ins          Gesicht im Bereich des rechten Auges versetzte, wodurch er eine blutende Wunde  am Augenlid und ein Monokelhämatom erlitt.
Bei der Strafbemessung mildernd wirkte sich das reumütige Geständnis und das Alter          unter 21 Jahren aus; erschwerend hingegen die einschlägigen Vorstrafen, sowie die  Tatwiederholung.

Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 16.06.2020 zu XXXX wurde die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers zum Zwei-Drittel-Stichtag am 22.08.2020 abgelehnt.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

1.2. Zur Lage in Kamerun:

1.2.1. Kurzinformation vom 22.07.2020: Update zur Sicherheitslage

Mit der Verschärfung der Angriffe von Boko Haram im Norden, einem gewalttätigen Konflikt im englischsprachigen Westen und der zentralafrikanischen Flüchtlingskrise sieht sich Kamerun mit drei verschiedenen Notlagen konfrontiert. Im zweiten Jahr in Folge steht das Land an erster Stelle auf der Liste der am meisten vernachlässigten Krisenherde weltweit (MO 3.7.2020; vgl. DS 19.6.2020).

Die ursprünglich aus Nigeria stammende islamische Boko Haram hat die Covid-19-Pandemie zum Anlass genommen, ihre Aktivitäten im Vierländereck zwischen Nigeria, dem Niger, dem Tschad und Kamerun zu verstärken (DS 19.6.2020). Sie hat Kamerun öffentlich mit Angriffen und weiteren Entführungen gedroht, da Kamerun in den regionalen Kampf gegen Boko Haram verwickelt ist (HRW 4.6.2020). Die Wahrscheinlichkeit terroristischer Anschläge ist insbesondere in der Region des hohen Nordens gegeben. Als gefährdet gelten Restaurants, Bars, Märkte, Hotels, Einkaufszentren und Gotteshäuser. Die Terrorgruppen Boko Haram und der Islamische Staat Westafrika (ISWA) sind in dieser Region aktiv. Auch in der Region Adamawa (Kamerun) gab es in der Vergangenheit Geiselnahmen und schwere Schießereien. In Nordkamerun besteht zudem ein erhöhtes Entführungsrisiko (HRW 4.6.2020).

Am 30.5.2020 kam es bei einem Angriff auf Entwicklungshelfer durch bewaffnete Separatisten in der Nord-West Region des Landes auch zu Entführungen. Am selben Tag entführten Separatisten auch sieben Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes der Kameruner Baptistenkonvention, einer auf Glauben basierenden gemeinnützigen Organisation im Nordwesten. Sie wurden zwei Tage später wieder freigelassen (HRW 4.6.2020). Die Angriffe gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen unterbrechen die Bereitstellung lebensrettender Hilfe und Dienstleistungen für Menschen in Not (BBC 10.5.2020).

Die anglophonen Regionen Kameruns sind mit einer ernsten humanitären Krise konfrontiert. Über 650.000 Menschen sind IDPs und 1,8 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter 1,4 Millionen Menschen, die keinen zuverlässigen Zugang zu Nahrungsmitteln haben (HRW 4.6.2020).

Am 2.6.2020 explodierte ein improvisierter Sprengsatz im Damas-Viertel von Yaoundé. Es kam zu Fahrzeugkontrollen und Hausdurchsuchungen. In diesem Gebiet kommt es zu einer verstärkten Polizei- und Militärpräsenz. Am 20.6.2020, wurden erneut zwei improvisierte Sprengsätze in den Vierteln Melen und Emana in Yaoundé gezündet. Die Polizei- und Sicherheitsbehörden verstärkten ihre Präsenz in diesen Vierteln, einschließlich der Durchführung von Fahrzeugkontrollen (FCO 15.7.2020). Da es auch am 7.3.2020 zu einem Angriff auf eine Ortschaft namens Galim (Westliche Region Kameruns) kam, empfiehlt das französische Außenministerium, das Grenzgebiet zwischen den nordwestlichen/südwestlichen Provinzen aber auch die Provinzen Nordwest (rot auf der Sicherheitskarte) und die Südwest, sowie den Rest des Landes zu meiden (FD 17.7.2020).

Angesichts der Corona-Krise rief UN-Generalsekretär António Guterres Anfang April 2020 zu einem weltweiten Waffenstillstand auf. Für einigen Wochen hat sich die Zahl der Attacken in den zwei anglophonen Regionen des Landes deutlich verringert. Dort kämpfen seit 2016 verschiedene separatistische Bewegungen gegen Regierungstruppen für einen eigenen Staat. Dies liegt wahrscheinlich nur zum Teil daran, dass das öffentliche Leben durch Covid-19 auch in diesen Regionen größtenteils zum Erliegen gekommen ist. Bereits seit einigen Monaten häufen sich die Hinweise, dass die separatistischen Gruppen nach fast vier Jahren bewaffneten Kämpfen militärisch stark geschwächt sind und die Separatisten zunehmend in verschiedene Gruppierungen zerfallen (Vorwärts.de 7.5.2020). Trotz der einseitigen Forderung am 29.3.2020 der separatistischen Gruppen, der Southern Cameroons Defence Forces (SCDF), nach einem Waffenstillstand aufgrund von Covid-19, haben die Kämpfe in den anglophonen Regionen nicht nachgelassen (HRW 4.6.2020; vgl. Vorwärts.de 7.5.2020; BBC 10.5.2020). Allerdings hat die kamerunische Regierung nicht zum Waffenstillstand aufgerufen (BBC 10.5.2020; vgl. Vorwärts.de 7.5.2020). Etwa 300 Regierungstruppen führten Ende Juni 2020 eine sechstägige Operation gegen die Separatisten durch. Das Militär gab an, 15 Kämpfer getötet und zwei ihrer Militärlager im Nordwesten zerstört zu haben (BBC 10.5.2020).

Denn statt in einen Dialog mit den Separatisten zu treten, will Präsident Biya das Problem mit militärischen Mitteln lösen. Erst im Feber 2020 tötete die Armee im Dorf Ngarbuh 23 Zivilisten, darunter 15 Kinder und zwei schwangere Frauen. Das Massaker löste einen derartigen internationalen Aufschrei aus, dass sich Yaoundé gezwungen sah, eine Untersuchung einzuleiten. Sie machte tatsächlich drei Soldaten für die Ermordung der Frauen und Kinder verantwortlich: Sie müssen jetzt mit einer Mordanklage rechnen. Der Bürgerkrieg geht unterdessen weiter: Seit April 2020 nehmen die Kämpfe wieder zu, sämtliche humanitären Flüge in die Unruheprovinzen wurden gestoppt (DS 19.6.2020). Zuletzt hat sich ein Regierungsvertreter mit mehreren anglophonen Separatistenführern getroffen, um nach einer friedlichen Lösung für den Konflikt zu suchen (BBC 4.7.2020).

Im Jahr 2019 kam es an mehreren Orten in den Regionen Nordwest und Südwest zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen den kamerunischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen. Einschränkungen wie nächtliche Ausgangssperren und ein Verbot öffentlicher Versammlungen, die bereits im Jahr 2017 verhängt wurden, bleiben bestehen. Es besteht weiterhin ein hohes Risiko von Gewaltverbrechen, insbesondere nachts (HRW 4.6.2020).

Zudem gibt es Berichte über Kriminalität, darunter durch größere bewaffnete Banden und Straßenräuber, die Reisende anhalten, Geiseln nehmen und Zahlungen fordern, insbesondere im Osten Kameruns nahe der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Häufig kommt es zu Gewalttätigkeiten in der Zentralafrikanischen Republik, die über die Grenze nach Kamerun ausstrahlen. Auch nigerianische Militäroperationen in den nigerianischen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa können sich über die Grenze hinweg in Kamerun auswirken (HRW 4.6.2020).

Kameruns Militär gibt an, die Sicherheit auf der wichtigen Handelsstraße zwischen Westkamerun und Nigeria wiederhergestellt zu haben. Das Militär habe im Juni 2020 mindestens 13 Separatisten getötet, welche die Straße zwischen Bamenda und Enugu, die täglich von mehreren hundert Lastwagen aus beiden Ländern befahren wird, zwei Monate lang blockiert und illegale Mautgebühren gefordert hatten. Die Rebellen machen dafür hingegen andere bewaffnete Gruppen verantwortlich (VOA 18.6.2020).

1.2.2. Kurzinformation vom 11.2.2020: Parlaments- und Kommunalwahlen in angespannter Atmosphäre

Im Kamerun fanden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag, den 9.2.2020 Parlaments- und Kommunalwahlen statt (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020; JA 9.2.2020). Das Land wird von gewaltsamen Konflikten geplagt - im englischsprachigen Westen von Separatisten und im Norden durch Dschihadisten (JA 9.2.2020). In den vergangenen Monaten verüben die islamistische Terrorgruppe Boko Haram immer wieder Anschläge in Kamerun (JA 9.2.2020; vgl. DW 9.2.2020; RW 30.1.2020).

Die große landesweit aktive Oppositionspartei Mouvement pour la Renaissance du Cameroun (MRC) sowie die Separatisten in den beiden englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen (BAMF 10.2.2020; vgl. DW 9.2.2020). Die militante Separatistengruppe Ambazonia Defence Force (ADF) befahl der Bevölkerung eine Ausgangssperre für den Zeitraum 7. bis 12.2.2020 und drohte zudem jeden als Feind anzusehen und so zu behandeln, der ihre Anordnung nicht befolge (BAMF 10.2.2020; vgl. TNH 6.2.2020). Die Wahlbeteiligung blieb niedrig (JA 9.2.2020).

Die anhaltende Gewalt behinderte die Wahlen. In der Stadt Kumba und anderen Teilen des Landes mussten die Menschen wegen Unruhen und Schusswechseln zu Hause bleiben. An anderen Orten war der Wahlgang demnach nur durch eine starke Militärpräsenz möglich (DW 9.2.2020).

Aufgrund der Unruhen war die zunächst für 2018 angesetzte Abstimmung zwei Mal verschoben worden (BAMF 10.2.2020; vgl. DF 9.2.2020). Im November 2019 setzte Präsident Paul Biya ein Datum für die Wahlen fest, was zu beispielloser Gewalt, Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen in den beiden westlichen Regionen führte - die von den Separatisten gemeinsam als Südkamerun oder Republik Ambazonien bezeichnet werden. Die Separatisten haben die sonntäglichen Wahlen für illegal erklärt und ihre Operationen intensiviert (THN 6.2.2020). Berichten zufolge haben Separatisten im Dezember 2019 40 Kandidaten der Partei Social Democratic Front (SDF) entführt, da diese eine Abspaltung der anglophonen Regionen von Kamerun ablehnt (BAMF 10.2.2020; vgl. THN 6.2.2020) und ließen die Entführten erst nach den Wahlen wieder laufen. Dies hatte zur Folge, dass etliche Kandidaten der SDF ihre Kandidaturen zurückzogen (BAMF 10.2.2020). Im Jänner 2020 steckten Separatisten ein Wahlbüro der Regierungspartei in Brand. Humanitäre Organisationen wurden aufgefordert, ihre Aktivitäten auszusetzen (TNH 6.2.2020), bzw. wurden sie beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten (AI 6.2.2020). Aber auch die Sicherheitskräfte der Regierung, haben unrechtmäßig Zivilisten getötet, Häuser niedergebrannt und willkürlich Menschen verhaftet und gefoltert, die im Verdacht stehen, Verbindungen zu den verschiedenen separatistischen Gruppen zu haben (AI 6.2.2020;vgl. TNH 6.2.2020). Kämpfe, aber auch die von beiden Seiten begangenen Missbräuche und Verbrechen haben nach Angaben von NGOs seit 2017 mehr als 3.000 Todesopfer gefordert und mehr als 700.000 Menschen zur Flucht gezwungen (JA 9.2.2020). Die Gewalt führt zu einem Anstieg der Zahl an Vertriebenen (AI 6.2.2020; vgl. RW 30.1.2020). Es kommt zu schweren Menschenrechtsverletzungen (AI 6.2.2020). Mit der Präsenz islamistischer Gruppen in der Region, kommt es zur Plünderung von Ernten und zu Viehraub, was sich negativ auf die Lebensgrundlage der Bevölkerung auswirkt. Die humanitäre Hilfe wird aufgrund der Gewalt unterbrochen und einige Menschen sind akuter Ernährungsunsicherheit ausgesetzt (RW 30.1.2020).

Der seit 37 Jahren autoritär regierende Präsident Paul Biya will mit der Abstimmung die Dominanz der Einheitspartei Rassemblement Democratique du Peuple Camerounais/Cameroon People Democratic Movement (RDPC/CPDM) festigen (DW 9.2.2020). Das Staatsoberhaupt ist fast sicher, die Wahl wieder zu gewinnen – da die Regierungspartei bereits über eine überwältigende Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt: 148 von 180 Sitzen und sie mit ihrem Vorsprung bei den Wahlen noch weiter ausbauen wird (BAMF 10.2.2020; vgl. JA 9.2.2020). Die Oppositionspartei die Sozialdemokratische Front (SDF), hat derzeit 18 Abgeordnete. Aber die SDF, die eher im englischsprachigen Raum etabliert ist, steht unter dem Druck der Unabhängigkeitsbewegungen, die ihr vorwerfen, eine föderalistische Lösung zu bevorzugen, die Paul Biya ablehnt, und an den Wahlen teilzunehmen (JA 9.2.2010).

1.2.3. Sicherheitslage

Es gibt keine Bürgerkriegsgebiete. Allerdings gibt es seit Ende 2017 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppen in den beiden anglophonen Regionen North West und South West (AA 15.1.2019). Die Konflikte zwischen Staatssicherheitskräften und Separatisten haben sich 2018 in den anglophonen Regionen verschärft (FH 4.2.2019). Für den Großteil des Staatsgebiets Kameruns wird seitens des französischen Außenministeriums bzgl. Reisen nicht abgeraten, allerdings wird zu verstärkter Wachsamkeit aufgerufen (FD 6.5.2019). Die Sicherheitslage bleibt in der gesamten Sahelzone kritisch (EDA 6.5.2019). Abgeraten wird von Reisen in die Grenzgebiete zu Nigeria, dem Tschad und der zentralafrikanischen Republik; in die Provinz Extrême-Nord und den nördlichen Teil der Provinz Nord (FD 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; AA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Reisen in die Provinzen Nord und Adamaoua sollten nur unternommen werden, wenn diese dringend notwendig sind; hier ist das Terrorismusrisiko geringer als in der Provinz Extrême-Nord (FD 6.5.2019; vgl. AA 6.5.2019).

Vor Reisen in die englischsprachigen Regionen Nordwest und Südwest wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (AA 6.5.2019; vgl. BMEIA 6.5.2019; EDA 6.5.2019). Immer wieder kommt es zu politisch bedingten Unruhen, vor allem in Bamenda (EDA 6.5.2019). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen mit Toten und Verletzten dauern in beiden Regionen an (AA 6.5.2019; vgl. EDA 6.5.2019). Gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften sowie bewaffnete Überfälle auf Sicherheitskräfte haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 6.5.2019).

Die prekäre Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik wirkt sich auch auf das Grenzgebiet zu Kamerun aus. Es besteht ein hohes Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie die Gefahr von Entführungen zwecks Lösegelderpressung. Von Reisen in das Grenzgebiet zur Zentralafrikanischen Republik wird abgeraten (EDA 6.5.2019).

Zudem muss aufgrund der allgemein sehr schwierigen Lebensbedingungen der Bevölkerung mit Straßenprotesten gerechnet werden. Ausschreitungen und gewalttätige Zusammenstöße kommen vor. Zum Beispiel sind Ende Januar 2019 bei politischen Protesten in Douala mehrere Personen durch Schüsse verletzt worden (EDA 6.5.2019).

Obwohl die internationale Krisenwahrnehmung sich momentan eher auf die anglophone Region Kameruns fokussiert, wird der Krieg im Norden weiter geführt. Trotz inzwischen veränderter Strategien der Kriegsbeteiligten führten und führen die Aktivitäten von Boko Haram zu einer zunehmenden Destabilisierung der Nordregionen Kameruns (GIZ 4.2019a). Die Kämpfer der terroristischen Gruppierung Boko Haram, sind weiterhin im Grenzgebiet zu Nigeria aktiv. Im ganzen Land besteht das Risiko von Anschlägen (EDA 6.5.2019). Übergriffe auf nordkamerunische Dörfer mit Toten und Entführten sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Die kamerunischen Streitkräfte im Norden wurden verstärkt und es kommt immer wieder zu größeren Gefechten (GIZ 4.2019a).

1.2.4. Allgemeine Menschenrechtslage

2018 wurde Kamerun mit Gewalt und schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert. Das Bewusstsein für Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen ist in der Gesellschaft nur eingeschränkt ausgeprägt, obwohl sich zahlreiche Menschenrechtsorganisationen für eine Sensibilisierung von Bevölkerung und Regierung in diesem Bereich engagieren. Der Justizapparat ist schwerfällig und zeigt wenig Einsatzbereitschaft. Dies gilt auch bei Ermittlungen bezüglich Menschenrechtsverletzungen und beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern (AA 15.1.2019).

Dabei garantiert die Verfassung von 1996 die Grundrechte im Sinne der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Banjul Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981). Außerdem ist Kamerun an folgende Menschenrechtsabkommen gebunden:

•        Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1966, ratifiziert 1971);

•        Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966, ratifiziert 1984);

•        Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966, ratifiziert 1984);

•        Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979, ratifiziert 1994); und Fakultativprotokoll (ratifiziert 2005);

•        Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989, ratifiziert 1993);

•        Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1984, ratifiziert 1986); (AA 15.1.2019).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme im Land sind Folter und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte, vor allem von Häftlingen; Mangel an fairen und schnellen Gerichtsverfahren und lebensbedrohliche Haftbedingungen. Andere bedeutende Menschenrechtsmissachtungen sind willkürliche Festnahmen, überlange Untersuchungshaft und Verstöße gegen die Privatsphäre. Die Regierung belästigt Journalisten und Separatisten und schränkt die Bewegungs-, Meinungs- und Pressefreiheit ein (USDOS 13.3.2019).

1.2.5. Grundversorgung

Hinsichtlich des Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln liegt Kamerun weit unterhalb seiner Möglichkeiten. Die bäuerliche Landwirtschaft wird vernachlässigt (GIZ 4.2019b). Trotzdem kann die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln als gesichert angesehen werden. Allerdings besteht ein Verteilungsproblem, das insbesondere in den drei nördlichen Provinzen zu Lebensmittelengpässen führt. Nach Angaben vom September 2018 waren über 3,26 Mio. Kameruner, davon 1,81 Mio. Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen; vielmehr werden Notlagen in der Regel von funktionierenden sozialen Netzen (Großfamilie) aufgefangen. Eine längere Abwesenheit gefährdet diese sozialen Netze. In ganz Kamerun gibt es karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen (AA 15.1.2019). Die Idee, die soziale Absicherung der Bevölkerung hinsichtlich Gesundheits-, Altersversorgung etc. als staatliche Grundaufgabe aufzufassen, hat sich in Kamerun noch nicht wirklich eingebürgert. Zwar existiert eine Caisse Nationale de la Prévoyance Sociale (CNPS), die ihre Leistungen wie Rentenzahlung, Verletztengeld, Invalidenrente etc. aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen finanziert, aber die Mehrheit der Kameruner hat zu dieser öffentlichen Sozialversicherung keinen Zugang, weil viele entweder ohne Arbeitsvertrag, auf selbstständiger Basis und im informellen Sektors arbeiten oder aber arbeitslos sind. Zudem herrscht allgemein großes Misstrauen, ob man, trotz regelmäßiger Beitragszahlung, wirklich im Alter oder in einer Notlage von einer Leistung profitieren wird. Außerdem ist die Einrichtung immer wieder von größeren und kleineren Skandalen betroffen, was das Vertrauen ins System auch nicht fördert. Arbeitslosen- und Krankenversicherungsleistungen sowie Krankengeld werden von der CNPS nicht übernommen. Staatsbeamte dagegen sind über ihren Arbeitgeber versichert. Für sie existiert sogar eine staatliche Krankenversicherung; allerdings gibt es auch hier Probleme, sobald Gelder ausgezahlt werden sollen (GIZ 4.2019c). Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 2015 geschätzte 38,4 Milliarden US-Dollar, pro Kopf ca. 1.545 US-Dollar (AA 21.3.2019b). Dennoch müssen 25 % der Kameruner mit weniger als 1,90 US-Dollar auskommen. Bei den Armutsindikatoren wie die landesspezifische durchschnittlichen Schuljahre (12,2), die Lebenserwartung (58,6) oder die Müttersterblichkeit (569 Sterbefälle auf 100.000 Geburten), dürfen die großen regionalen Unterschiede nicht vergessen werden. Bei der aktuellen (2018) statistischen Fortschreibung der Human Development Indizes und Indikatoren erreicht Kamerun beim Gender Inequality Index Rang 141 von 160, beim HDIRanking 151 von 189 (GIZ 4.2019b). Zwar ist Kamerun nicht so stark vom Erdöl abhängig wie andere afrikanische Ölexporteure, trotzdem wirkt sich der Ölpreiseinbruch auch auf die Wirtschaft Kameruns aus. Aufgrund der Außenfinanzierung staatlicher Infrastrukturgroßprojekte steigt die Außenverschuldung stark an und beträgt (2017) ca. 30 % des BIP (GIZ 4.2019b). Kamerun will bis 2035 den Status eines demokratischen und in seiner Diversität geeinten Schwellenlandes erreichen. Dieses langfristige Entwicklungskonzept „Vision 2035“ beinhaltet eine Erhöhung des Wirtschaftswachstums, die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens, Förderung von Investitionen und eine Senkung des Bevölkerungswachstums auf 2 %. Laut der Strategie für Wachstum und Beschäftigung soll die Wirtschaft zwischen 2010 und 2020 um durchschnittlich mindestens 5,5 % im Jahr wachsen, um Arbeitslosigkeit und Armut zu reduzieren. Weiterer Schwerpunkt ist die Verbesserung der Infrastruktur, insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Kommunikation. Außerdem haben die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft und die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse besondere Bedeutung. Makroökonomisch wurden in den letzten Jahren Fortschritte erzielt: Kamerun erreichte 2017 ein Wirtschaftswachstum von ca. 3,2 % 2018 lag das Wachstum bei 4 %. Neben der Öl- und Gasförderung und den Infrastrukturinvestitionen ist der tertiäre Sektor eine treibende Kraft. Das derzeitige Wirtschaftswachstum reicht nicht aus, um Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen und die Armutsrate von circa 30 % nachhaltig zu senken (AA 21.3.2019b). Insbesondere der primäre und tertiäre Sektor tragen derzeit zum Wachstum bei. Rohöl, Holz und landwirtschaftliche Produkte sind die wichtigsten Exportprodukte. Einnahmen aus der Ölförderung konnte Kamerun zuletzt wieder steigern. In der Landwirtschaft wurde die Produktion von Schlüsselprodukten (Kakao, Kaffee, Bananen, Rohkautschuk) durch erleichterten Zugang zu Finanzierung, Ausbildung und Forschung gesteigert. In der Folge erwartet die Regierung künftig weitere Produktionssteigerungen. Weitere Impulse für das Wirtschaftswachstum kommen aus dem sekundären Sektor und basieren auf der beginnenden Umsetzung der Investitionsprogramme zur Verbesserung der Infrastruktur (AA 21.3.2019b). Seriösen Vermutungen zufolge erwirtschaftet der informelle Sektor Kameruns mehr als der formelle. Besonders im urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von weit über 50 %) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Besonders für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 75 % der Bevölkerung legen ihr Geld in informellen Sparvereinen (Tontines) an, die auch ein System sozialer Absicherung darstellen (GIZ 4.2019b).

1.2.6. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in Yaoundé und Douala im Vergleich zum Landesinneren besser, entspricht jedoch bei weitem nicht dem europäischen Standard. In den Krankenhäusern kommt es immer wieder zu Engpässen bei der Versorgung mit Medikamenten, Verbands- und anderem medizinischen Verbrauchsmaterialien, die generell vom Patienten selbst beschafft werden müssen. Bei Aufnahme in ein Krankenhaus wird ausnahmslos Barzahlung im Voraus verlangt (AA 7.5.2019). In den Städten gibt es Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Die Behandlung chronischer Krankheiten, insbesondere in den Bereichen Innere Medizin und Psychiatrie, wird in den öffentlichen Krankenhäusern der größeren Städte vorgenommen. Für HIV-Infizierte gibt es seit 1997 ein von ausländischen Gebern (WHO/Weltbank, Frankreich, Deutschland) unterstütztes kostenloses staatliches Programm der Heilfürsorge (AA 15.1.2019). Seit den 90er Jahren befindet sich das staatliche Gesundheitssystem Kameruns in der Umstrukturierung. Ziele sind Dezentralisierung, Qualitätskontrolle und die Einbindung der Bevölkerung in Verwaltung und Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen. Allerdings lassen die Ergebnisse der staatlichen Gesundheitspolitik weiterhin zu wünschen übrig. Es herrscht Ärztemangel, und die wenigen verfügbaren Ärzte lassen sich vorwiegend in den städtischen Zentren nieder. Auch unzulängliche Infrastruktur und knappe Arzneimittel sind Missstände, welche die medizinische Versorgungslage Kameruns kennzeichnen. Verschärft wird die Situation durch die Abwanderung von Gesundheitspersonal ins Ausland (GIZ 4.2019c). Nur wenige Kameruner sind krankenversichert, nichtsdestotrotz gibt es Bewegung auf dem Gebiet der Krankenversicherung; es existieren die unterschiedlichsten Modelle (GIZ 4.2019c; vgl. AA 15.1.2019). Für bestimmte Berufsgruppen (z. B. Militär) gibt es staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist möglich. Generell übernimmt die Familie medizinische Behandlungskosten (AA 15.1.2019). Gesundheitsindikatoren wie Lebenserwartung, Kindersterblichkeit oder Müttersterblichkeit liegen leicht unterhalb des afrikanischen Durchschnitts, auffällig sind aber die starken regionalen Unterschiede, in denen sich das Süd-Nord- bzw. das Stadt-Land-Gefälle widerspiegelt. HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose zählen zu den wichtigsten Krankheiten. Insbesondere HIV-Kranke sind nach wie vor Opfer von gesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung. Seit einem großen Cholera-Ausbruch im Mai 2010 scheint sich die Cholera in Kamerun erst einmal festgesetzt zu haben. Hauptursache dieser Krankheit ist Wassermangel, insbesondere der Mangel an sauberem Wasser, und dieser betrifft sowohl Nord- wie Südkamerun, ländliche Gegenden ebenso wie die Städte (GIZ 4.2019c). Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt überwiegend aus Frankreich, Indien und Nigeria; grundsätzlich wird hierdurch ein weites Spektrum abgedeckt. Die gezielte Einfuhr von Medikamenten ist insofern problematisch, da Medikamente ohne französischen und englischen Beipackzettel nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen (AA 15.1.2019).

1.2.7. Rückkehr

Es sind keine Fälle bekannt, in denen kamerunische Staatsangehörige nach ihrer Rückkehr festgenommen oder misshandelt worden sind. Die Regierung geht zwar verstärkt strafrechtlich gegen Oppositionelle in den anglophonen Regionen vor. Es sind bislang jedoch keine Fälle bekannt geworden, dass eine politische Betätigung im Ausland zu einer Strafverfolgung in Kamerun geführt hätte. Eine staatliche Verfolgung allein wegen der Stellung eines Asylantrags erfolgt nicht. In Kamerun ist es möglich, sich einer Verfolgung durch die staatlichen Sicherheitsbehörden zu entziehen. Jedoch könnte nach Personen auch landesweit gefahndet werden, was im Regelfall aber nicht geschieht. Bürger, die auf Veranlassung lokaler Behörden hin verfolgt werden, können dem durch Umzug in die Hauptstadt oder in die Stadt eines entfernten Landesteils Kameruns entgehen (AA 15.1.2019).

Festgestellt wird, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kamerun weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet, noch für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Kamerun mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1      Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Kamerun mit Stand 17.05.2019 (letzte Kurzinformation vom 22.07.2020). Einsicht wurde auch genommen den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zl. I403 2158476-1.

Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister, dem Schengener Informationssystem, dem AJ-WEB und dem Betreuungsinformationssystem wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2      Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der vorgelegten echten Geburtsurkunde unstrittig fest (AS 345).

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und zu seiner durchgehenden behördlichen Meldung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit einer eingeholten zmr-Auskunft und einer Auskunft aus dem zentralen Fremdenregister (izr).

Die Feststellungen zu der mangels Vertretungsbefugnis nicht rechtswirksam erfolgten Asylantragstellung durch die Tante des Beschwerdeführers sowie der unzulässigen Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 09.04.2010 an die Tante des Beschwerdeführers ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt und insbesondere den Ausführungen im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.04.2019, Zl. I403 2158476-1/24E.

Die Feststellungen zu seiner Herkunft, seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Schulbildung, seiner Arbeitsfähigkeit, sowie seiner in Kamerun lebenden Familie gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

Die Feststellungen zu der im Bundesgebiet lebenden Familie des Beschwerdeführers ergeben sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt und einem Abgleich der eingeholten zmr-Auskünfte aller Familienmitglieder. Dass der Beschwerdeführer Vater einer im XXXX 2017 geborenen Tochter ist, wird durch die vorgelegte Geburtsurkunde des Standesamtes XXXX Nr. XXXX vom XXXX bestätigt. Die Häufigkeit des Kontaktes des Beschwerdeführers zu seiner Tochter vor Haftantritt ergibt sich aus den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowie seiner Ex-Freundin gegenüber der belangten Behörde. Aus einer zusätzlich eingeholten Besucherliste der JA XXXX vom 17.11.2020 geht hervor, dass der Beschwerdeführer seine Tochter seit Antritt der Haftstrafe nur einmal kurz gesehen hat und die Mutter des Kindes zuletzt im Juni 2020 zu Besuch kam. Daher konnte den Beschwerdeausführungen, wonach der Beschwerdeführer zweimal wöchentlich von der Kindesmutter mit der Tochter in der Justizanstalt besucht werde, nicht gefolgt werden. Aus den glaubhaften Angaben der Mutter seiner Tochter und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem BFA, sowie dem Umstand der Erwerbslosigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich, dass der Beschwerdeführer bisher seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommen konnte und die Kindesmutter alleine für den Lebensunterhalt der gemeinsamen Tochter aufkommt.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Integration des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers sowie dem Umstand, dass er sich seit seinem zwölften Lebensjahr im Bundesgebiet befindet.

Die Feststellung zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 16.11.2020, sowie den dem Verwaltungsakt inneliegenden Strafurteilen.

Wie in der rechtlichen Beurteilung zu zeigen sein wird, stellt der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufgrund seines den zahlreichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Verhaltens eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.

Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft ergibt sich aus der vorliegenden Vollzugsinformation (AS 529) in Zusammenschau mit den Wohnsitzmeldungen des Beschwerdeführers in verschiedenen Justizanstalten gemäß zmr.

2.3      Zum Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Kamerun vom 17.05.2019 (letzte Kurzinformation vom 22.07.2020) samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage in Kamerun ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019b): Kamerun - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kamerun-node/wirtschaft/208876, Zugriff 15.4.2019

- AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019): Kamerun: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ KamerunSicherheit_node.html, Zugriff 7.5.2019

- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (15.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457253/4598_1548938209_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2018-15-012019.pdf, Zugriff 15.4.2019

- AI - Amnesty International (6.2.2020): Cameroon: Rise in killings in Anglophone regions ahead of parliamentary elections, https://www.ecoi.net/de/dokument/2024259.html, Zugriff 10.2.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2.2020): Briefing Notes, Zugriff 11.2.2020

- BBC News (10.5.2020): Cameroon's deadly mix of war and coronavirus, https://www.bbc.com/news/world-africa-52551848, Zugriff 15.7.2020

- BBC News (4.7.2020): Government and separatists talk in Cameroon, https://www.bbc.com/news/topics/clm1wxp5p5jt/cameroon, Zugriff 15.7.2020

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.5.2019): Reiseinformation Kamerun, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kamerun/, Zugriff 6.5.2019

- DF - Deutschlandfunk.de (9.2.2020): Gewalt behindert laut epd Parlaments- und Kommunalwahlen, https://www.deutschlandfunk.de/kamerun-gewalt-behindert-laut-epd-parlaments-und.1939.de.html?drn:news_id=1099400, Zugriff 10.2.2020

- DS - der Standard (19.6.2020): Zentralafrikanisches Kamerun ist derzeit mehrfach gebeutelt, https://www.derstandard.at/story/2000118155204/zentralafrikanisches-kamerunist-derzeit-mehrfach-gebeutelt, Zugriff 14.7.2020

- DW - Deutsche Welle (9.2.2020):Kamerun wählt neues Parlament, https://www.dw.com/de/kamerun-w%C3%A4hlt-neues-parlament/a-52309243, Zugriff 10.2.2020

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.5.2019): Kamerun - Reisehinweise, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kamerun/reisehinweise-kamerun.html, Zugriff 6.5.2019

- FCO - The Foreign and Commonwealth Office - GOV.UK - Government of the United Kingdom (15.7.2020): Foreign travel advice – Cameroon, Update to information on local security (‘Summary’ page), https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/cameroon, Zugriff 15.7.2020

- FD - France Diplomatie (6.5.2019): Cameroun - Conseils aux voyageurs – Sécurité,https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/cameroun/#securite, Zugriff 6.5.2019

- FD - France Dipplomatie (17.7.2020): Conseils aux Voyageurs – Cameroun -Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/ cameroun/, Zugriff 17.7.2020

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002609.html, Zugriff 2.4.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Kamerun - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kamerun/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 7.5.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019c): Kamerun – Gesellschaft, https://www.liportal.de/kamerun/gesellschaft / , Zugriff 7.5.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019a): Kamerun - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/kamerun/geschichte-staat/, Zugriff 6.5.2019

- HRW - Human Rights Watch (4.6.2020): Renewed Attacks on Aid Workers in Cameroon, https://www.hrw.org/news/2020/06/04/renewed-attacks-aid-workers-cameroon, Zugriff 17.6.2020

- JA - Jeune Afrique (9.2.2020): Cameroun : journée d’élections législatives et municipales sans suspense mais sous tension, https://www.jeuneafrique.com/893838/politique/cameroun-journee-delections-legislatives-et-municipales-sans-suspense-mais-sous-tension/, Zugriff 10.2.2020

- MO - Der Malteser Orden (3.7.2020): Covid 19: Der Premierminister begrüßt das in Kamerun stationierte medizinische Notfallteam von Malteser International, https://www.orderofmalta.int/de/2020/07/03/covid-19-der-premierminister-begruesst-das-inkamerun-stationierte-medizinische-notfallteam-von-malteser-international/, Zugriff 14.7.2020

- RW - ReliefWeb (30.1.2020): Cameroon: Key Message Update: Recrudescence des exactions de Boko Haram dans l’Extrême-Nord et persistance du conflit dans les régions Anglophones, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Cameroon%20-%20Key%20Message%20Update_%20Thu%2C%202020-01-30.pdf, Zugriff 11.2.2020

- TNH - The New Humanitarian (ehemals: IRIN News) (6.2.2020): Briefing: Cameroon's intensifying conflict and what it means for civilians, http://www.thenewhumanitarian.org/news/2020/02/06/Cameroon-elections-anglophone-separatist-insurgency-Ambazonia, Zugriff 10.2.2020

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Cameroon, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004141.html, Zugriff 10.4.2019

- VOA - Voice of America (18.6.2020): Cameroon: Business Reopens Between Southern Cameroon and Nigeria, https://www.voanews.com/africa/business-reopens-betweensouthern-cameroon-and-nigeria, Zugriff 15.7.2020

- Vorwärts.de (7.5.2020): Kampf gegen die Pandemie - Corona in Kamerun: Das Virus entschärft einen Konflikt, https://www.vorwaerts.de/artikel/corona-kamerun-virusentschaerft-konflikt, Zugriff 14.7.2020

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich insgesamt, dass in Kamerun für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt wird eine nach Kamerun abgeschobene Person, bei der keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I., erster Teil des angefochtenen Bescheides):

Im Spruchpunkt I., erster Teil des angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer ein „Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (gemeint war wohl eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt werde.

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG).

Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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