TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/26 W226 2204948-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W226 2204948-2/2E
W226 2204947-2/2E
W226 2204945-2/2E
W226 2226171-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. am XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2020, Zlen. 1.) 1101391402-200116362, 2.) 1111269905-200116419, 3.) 1171860607-200116389 und 4.) 1249987703-200116405 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde werden gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 9. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die Erstbeschwerdeführerin eingangs an, sie sei mit einem in Österreich zum Aufenthalt berechtigten Mann standesamtlich verheiratet und legte zum Nachweis ihrer Identität einen russischen Inlandsreisepass vor. Ihr Auslandsreisepass befinde sich derzeit in Polen. Zu ihren Fluchtgründen befragt führte die Erstbeschwerdeführerin aus, sie sei vor ihrem jetzigen Mann mit einem Rebellen verheiratet gewesen, der plötzlich untergetaucht sei. Im Dezember XXXX als sie im 7. Monat schwanger gewesen sei, seien Leute vom Militär gekommen und hätten nach ihrem damaligen Mann und Schwiegervater gesucht. Da diese nicht anwesend gewesen sein, seien ihre Schwiegermutter und sie zusammengeschlagen worden. Dadurch habe sie in weiterer Folge ihr Kind verloren. Im Sommer habe sie ihren jetzigen Mann kennen gelernt und sei von ihm schwanger geworden. Ihre Brüder seien der Meinung, dass sie obwohl verheiratet Schande über die Familie gebracht habe und habe sie von ihren Schwägerinnen erfahren, dass ihre Brüder sie deshalb töten wollen. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich zunächst bei ihrer Schwiegermutter versteckt und sei danach nach Österreich geflohen.

2. Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich geboren.

3. Die Drittbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren.

4. Nach Zulassung des Verfahrens gab die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18. Jänner 2018 im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache eingangs an, sie könne der Einvernahme ohne Probleme folgen, sie sei nur etwas nervös, ihre Kinder seien alle gesund. Ihre Muttersprache sei Tschetschenisch, Russisch spreche sie auch und ein wenig Deutsch. Vor der Abreise habe sie bei ihrer Schwiegermutter in deren Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus gewohnt. Sie habe verschiedene Unterkünfte gehabt, weil sie dort nicht habe bleiben können. Sie habe sich in diesen fünf Monaten in verschiedenen Ortschaften aufgehalten, in verschiedenen Dörfern, deshalb könne sie die genaue Adresse ihrer Schwiegermutter nicht mehr genau sagen. Am 03.01.2016 habe ihre Schwiegermutter ein Zugticket gekauft und sei sie von XXXX nach XXXX und von XXXX nach XXXX gereist. Sie sei im 5. Monat schwanger gewesen. Ihr Ehegatte habe sich zu diesem Zeitpunkt in XXXX aufgehalten und habe sie deshalb dann ein Taxi nach XXXX gesucht. Ihr ist bewusst, illegal in Österreich eingereist zu sein, sie habe unbedingt zu ihrem Mann wollen und hätte jede Möglichkeit genutzt, um zu diesem zu kommen.

Ihre Mutter, eine Schwester und ihre beiden Brüder leben in XXXX , ihre zweite Schwester sei verheiratet. Gelegentlich habe sie derzeit Kontakt mit ihrer Mutter. Ihre Schwester dürfe dem Willen der Brüder nach, kein Telefon haben, da sie noch nicht verheiratet sei. Sie selbst verstehe sich mit ihren Brüdern auch nicht sehr gut wegen ihrer Heirat. Das sei ja ihre zweite Ehe. Die erste Ehe sei nicht gut gegangen und habe die Erstbeschwerdeführerin mit 35 wieder in ihr Elternhaus zurückmüssen. Ihren jetzigen Mann kenne sie seit der Schulzeit, er habe sie schon damals geliebt. Sie hätten sich nach der Schule aus den Augen verloren und erst durch eine Mitschülerin wiedergefunden. Mit ihrem Mann habe sie 1 ½ Jahre Kontakt am Telefon gehabt und habe er ihre Vorgeschichte gekannt. Dann habe er ihr einen Heiratsantrag gemacht.

Das Problem mit ihren Brüdern sei erst nach ihrer zweiten Heirat entstanden. Ihr jetziger Mann sei zweimal in XXXX gewesen, um sie zu besuchen. Zweimal hätten sie sich gesehen, und zwar in der Wohnung seiner Mutter. Das gehöre sich einfach nicht und verstoße gegen die tschetschenischen Sitten. Es habe sich dann herausgestellt, dass ihr ihre Brüder nachspioniert und herausgefunden hätten, dass sich die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem nunmehrigen Gatten getroffen habe. Ihre Brüder hätten sie dann töten wollen, da sich das nicht gehört.

Ihr erster Ehemann habe die Rebellen unterstützt. Weil er dauernd irgendwie untertauchen habe müssen und nach ihm gesucht worden sei, sei die Erstbeschwerdeführerin auch erst ziemlich spät schwanger geworden. Wegen seiner Aktivitäten sei nach ihm gesucht worden und im Dezember, als die Erstbeschwerdeführerin im 7. Monat schwanger gewesen sei, seien Maskierte nach Hause gekommen, hätten ihn gesucht und die Erstbeschwerdeführerin und deren Schwiegermutter geschlagen. Sie habe dabei ihr damaliges Kind verloren. Sie habe dann fast ein Monat lang bis zur Geburt im Krankenhaus bleiben müssen, im 8. Monat sei ein Kaiserschnitt gemacht worden und das Kind tot auf die Welt gebracht. Da ihr Mann nie da gewesen sei, hätten sie ihre Brüder (Familie) wieder nach Hause geholt.

Die Scheidung von ihrem ersten Mann sei ebenso in ihrem Inlandsreisepass vermerkt wie die standesamtliche Eheschließung mit ihrem nunmehrigen Gatten.

Befragt warum ihre Brüder gegenüber der Erstbeschwerdeführerin so streng seien, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, weil ihre erste Ehe kaputtgegangen sei und sie schon XXXX gewesen sei. Die Ehe sei auch kinderlos geblieben und ihre Brüder seien der Meinung gewesen, dass sie schon zu alt für alles sei. Am meisten gestört hätte ihre Brüder, dass sich die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem jetzigen Mann heimlich in der Wohnung seiner Mutter getroffen hätte. In deren Augen sei sie zu freizügig und gehöre sich das für eine Frau einfach nicht. Am 23.08.2015 sei sie zu ihrem Mann geflohen und hätten sie dann am XXXX standesamtlich geheiratet. Ihr Ehemann, XXXX , geboren am XXXX in XXXX , besitze den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“. Befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihr Mann einen russischen Reisepass besitze und einen Antrag auf Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft stellen möchte. Derzeit arbeite er bei einer Baufirma, als Kranfahrer.

Die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin seien in XXXX per Kaiserschnitt zur Welt gekommen, seien gesund und hätten keine eigenen Fluchtgründe.

Nochmals dezidiert nach ihren Fluchtgründen befragt, führte die Beschwerdeführerin aus, es handle sich um keine staatliche Verfolgung, sondern um ein privates Problem. Sie sei vor ihren Brüdern weggelaufen, die sie umbringen wollten. Dies da sie sich vor der Heirat mit ihrem jetzigen Mann getroffen habe und ihre Brüder das als Schande gesehen hätten.

Ihr nunmehriger Ehegatte habe glaublich die Russische Föderation im Jahre 2004 verlassen, nachdem er zuvor Tschetschenien verlassen und dann mit seinem Vater vier Jahre in „Russland“ gelebt habe. 2015 sei er nur wegen der Erstbeschwerdeführerin wieder in die Russische Föderation gereist, um sie nämlich zu holen.

Befragt, weshalb sie ihr Ehemann nicht gleich mitgenommen habe, antwortete die Beschwerdeführerin, sie sei seine zweite Frau. Er sei nur für ein paar Wochen im Sommer gekommen. Seine Mutter und die Erstbeschwerdeführerin hätten gesagt, sie müsse erst alle Papiere vorbereiten. Zusammen hätten sie dann gemeint, es sei besser, wenn er wieder zurückfährt auch wegen der Geschichte mit ihren Brüdern.

Nachgeholt habe ihr Ehegatte sie nicht, da dies wegen seiner Arbeit dann nicht möglich gewesen sei. Es sei alles sehr kompliziert mit den Papieren. Später sei ihr nichts übriggeblieben und habe sie sich selbst auf den Weg machen müssen.

5. Mit in der Folge angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Erst- bis Drittbeschwerdeführerin gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Rückkehr mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

In der Entscheidungsbegründung wurde seitens der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin eine ihr im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Gefährdung nicht habe glaubhaft machen können.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es nicht nachvollziehbar und verständlich sei, dass ihr Mann die Erstbeschwerdeführerin nicht gleich auf legalen Weg mitgenommen bzw. alle erforderlichen Schritte in die Wege geleitet habe. Dass dies aufgrund seiner Arbeit nicht möglich gewesen sei und die Erstbeschwerdeführerin deshalb illegal in Österreich einreisen habe müssen, sei unglaubwürdig. Anzumerken wäre auch, dass die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und ihren minderjährigen Kindern auch in Russland leben könnten und sich dort ihren Lebensunterhalt finanzieren und bestreiten könnten. Eine angebliche Bedrohung durch Familienangehörige sei kein Fluchtgrund iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte auf das Vorliegen von Gefahren, welche die Erteilung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

6. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG vom selben Tag wurde den Beschwerdeführerinnen für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die "ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

7. Mit Schriftsatz vom 1. August 2018 erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerden gegen die genannten Bescheide und fechten diese wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

8. Am XXXX wurde die Viertbeschwerdeführerin in Österreich geboren und wurde für diese ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, welcher mit dem im Spruch genannten Bescheid vollumfänglich abgewiesen und gegen den Beschwerde im Familienverfahren erhoben wurde.

9. Am 21. Oktober 2019 fand zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher die Erstbeschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsvertreterin zu ihrem Gesundheitszustand, ihrem Leben im Heimatland sowie ihrem Familienleben in Österreich und Alltag befragt wurde. Ihr Ehegatte wurde ebenfalls einvernommen.

10. Mit Erkenntnis vom 27.12.2019, Zl. W147 2204948-1/11E u.a. wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Dabei traf das Bundesverwaltungsgericht – unter anderem – folgende Feststellungen:

„1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Tschetschenen zugehörig, muslimischen Glaubens und stellte am 8. Jänner 2016 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am XXXX heiratete die Erstbeschwerdeführerin den in Österreich zum Aufenthalt berechtigten russischen Staatsangehörigen XXXX vor dem Standesamt in XXXX . Gemeinsames Ziel der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehegatten war ein Familienleben in Österreich. Der Erstbeschwerdeführerin war bewusst, dass sie nicht ohne weiteres eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich erhalten würde, jedoch nicht gewillt, die Dauer eines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens nach dem NAG abzuwarten.

Die Identität der Erstbeschwerdeführerin steht fest und ist sie die Mutter der Beschwerdeführerinnen zu W147 2204947, W147 2204945 und W147 2226171.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder die Beschwerdeführerinnen nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätten. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass diese konkret Gefahr liefen, in ihrem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Die Beschwerdeführerinnen leiden an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, welche einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Die Erstbeschwerdeführerin befindet sich Jänner 2016, die Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen jeweils seit ihrer Geburt durchgehend im Bundesgebiet. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich Grundkenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen und lebt von ihrem Ehegatten.

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Bekanntenkreises, wobei das Bestehen enger Verbindungen nicht hervorgekommen ist. Im Herkunftsstaat lebt die gesamte Familie.

Die Beschwerdeführerinnen leben mit ihrem Ehegatten bzw. ihrem Vater im gemeinsamen Haushalt. Es gibt keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Im Falle der Beschwerdeführerinnen konnten keine nennenswerten Anknüpfungspunkte wirtschaftlicher oder sozialer Natur im Bundesgebiet festgestellt und kann auch vor dem Hintergrund der Aufenthaltsdauer von keiner besonderen Verfestigung im Bundesgebiet gesprochen werden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Den Beschwerdeführerinnen und ihrem Ehegatten bzw. ihrem Vater ist eine Fortführung ihres Familienlebens in der Russischen Föderation möglich.“

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Bundesverwaltungsgericht aus wie folgt:

„Bereits die belangte Behörde kam im gegenständlichen Fall im Rahmen der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ergebnis, dass die Erstbeschwerdeführerin ihr Vorbringen nicht plausibel und glaubhaft darzustellen vermochte.

Dieser Auffassung schließt sich nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung auch das Bundesverwaltungsgericht an, zumal die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte auch in dieser Verhandlung nicht im Stande waren, ein fluchtrelevantes Vorbringen nachvollziehbar zu schildern.

Zunächst ist vorab selbst bei Wahrunterstellung des ursprünglich vorgebrachten Sachverhaltes festzuhalten, dass es der Erstbeschwerdeführerin möglich und auch zumutbar gewesen wäre, im Herkunftsstaat allenfalls durch Niederlassung in einem anderen Landesteil zu leben.

Spätestens im Zuge der Beschwerdeverhandlung stellte sich als ursächlich und Anlass für die Ausreise der Erstbeschwerdeführerin jedoch heraus, dass diese gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Österreich leben wollte. Sie ließ so auch einen neuen Auslandsreisepass ausstellen und versuchte ein Visum für die Reise nach Österreich zu erhalten (Niederschrift vom 21.10.2019, Seite 6). Ihr war somit bewusst, dass sie nicht ohne weiteres eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich erhalten würde. Auch dem Ehegatten war dieser Umstand bewusst:

„R: Wie lange hat es gedauert, dass sie nach muslimischen Ritus geheiratet haben?

Z: Wir haben uns dreimal gesehen, beim dritten Mal haben wir muslimisch geheiratet.

R: Haben Sie die zweimal vorher schon gefragt, ob Ihre Frau nach Österreich will bzw. ob sie kann?

Z: Ob ich sie gefragt habe?

R: Ja.

Z: Nein, aber sie war bereit, dort zu leben, wo ich lebe.

R: Aber Sie haben gewusst, dass es nicht leicht ist?

Z: Das habe ich gewusst. Sie selbst hatte keine Vorstellung davon.

R: Was verdienen Sie im Jahr?

Z: 2500€ bis 3000€ netto im Monat. Ich arbeite als Kranführer.

R: Haben Sie sich jemals erkundigt, wie Sie zu einem Visum für Ihre Gattin kommen?

Z: Ich möchte, dass sie ein Visum bekommt. Ich war schon einmal beim Magistrat. Ich habe damals verstanden, dass sich das dort womöglich verzögert und es nur über ein Gericht, so wie hier, gelingen kann. Sie hat eine Weiße Karte. Sie hat um Asyl angesucht und ich habe verstanden, dass sie mit der Weißen Karte nicht mehr zum Magistrat gehen kann.“

Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte waren jedoch nicht willens, die Dauer eines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens nach dem NAG abzuwarten und reiste die Erstbeschwerdeführerin illegal in das Bundesgebiet ein und brachte sodann den verfahrensgegenständlichen Antrag ein. Auch davon war der Ehegatte der Beschwerdeführerin in Kenntnis (Niederschrift vom 21.10.2019, Seite 14).

Insbesondere aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Beschwerdeverhandlung kommt der erkennende Richter zu dem Schluss, dass der Wunsch eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich der wahre und einzige Grund der Ausreise der Erstbeschwerdeführerin aus ihrem Herkunftsstaat war und die behauptete Bedrohung durch ihre Brüder lediglich als konstruierte Fluchtgeschichte zu werten ist. Lediglich am Rande ist in diesem Zusammenhang der belangten Behörde insoweit zuzustimmen, dass der Bedrohung durch Brüder insoweit keine Asylrelevanz zukommt, da die Russische Föderation dahingehend sowohl schutzfähig als auch schutzwillig wäre, sofern eine Anzeige erstattet würde.

Die gesunde Erstbeschwerdeführerin konnte im Übrigen auch in keiner Weise darlegen, dass sie und ihre Kinder im Falle einer allfälligen Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten könnten. Im Herkunftsstaat halten sich unverändert zahlreiche Angehörige der Beschwerdeführerinnen (sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits) auf und ist von einer möglichen Arbeitsaufnahme der Erstbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat auszugehen, weswegen eine Versorgung in der Heimat gesichert sein wird.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin.

Die Feststellungen zu den sozialen Anknüpfungspunkten der Erstbeschwerdeführerin im Bundesgebiet und zur Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit beruhen auf den Angaben in der mündlichen Verhandlung. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung bis 8. Februar 2019 ist aus einem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem ersichtlich.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin in Österreich ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellung zur möglichen Fortsetzung eines Familienlebens in der Russischen Föderation ergibt sich aus dem Umstand, dass der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin ebenfalls Staatsangehöriger der Russischen Föderation ist, sie dort besuchte und vor dem Standesamt ehelichte. Innerhalb des Familienverbandes wird Russisch gesprochen, die minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen leben auf Grund ihres Alters bei ihren Eltern und besuchen weder Kindergarten noch Schule; eine Sozialisierung in der Russischen Föderation im Familienverband ist daher auch unter diesem Blickwinkel möglich.“

Die Rückkehrentscheidung wurde durch das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:

„Bei der Beurteilung der Rechtskonformität von behördlichen Eingriffen ist nach ständiger Rechtsprechung des EGMR und VfGH auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme ist (nur) dann gegeben, wenn ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Betroffenen auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Inland einerseits und dem staatlichen Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden wird. Der Ermessensspielraum der zuständigen Behörde und die damit verbundene Verpflichtung, allenfalls von einer Aufenthaltsbeendigung Abstand zu nehmen, variiert nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind Beginn, Dauer und Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts, wobei bezüglich der Dauer vom EGMR keine fixen zeitlichen Vorgaben gemacht werden, zu berücksichtigen; das Ausmaß der Integration im Aufenthaltsstaat, die sich in intensiven Bindungen zu Dritten, in der Selbsterhaltungsfähigkeit, Schul- und Berufsausbildung, in der Teilnahme am sozialen Leben und der tatsächlichen beruflichen Beschäftigung; Bindung zum Heimatstaat; die strafrechtliche Unbescholtenheit bzw bei strafrechtlichen Verurteilungen auch die Schwere der Delikte und die Perspektive einer Besserung/Resozialisierung des Betroffenen bzw die durch die Aufenthaltsbeendigung erzielbare Abwehr neuerlicher Tatbegehungen; Verstöße gegen das Einwanderungsrecht.

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern beispielsweise auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Die Beziehung der Beschwerdeführerinnen zu ihrem Ehegatten bzw. Vater fällt jedenfalls in den Schutzbereich des Art 8 EMRK und ist als gewichtiges Interesse der Beschwerdeführerinnen an einem Verbleib in Österreich zu bewerten.

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beschwerdeführerinnen in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügen, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl Thym, EuGRZ 2006, 541). Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht und im Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/01/0479 argumentiert, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [... ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", ist im Fall der Erstbeschwerdeführerin, die sich seit Jänner 2016 in Österreich aufhält, vom Bestehen eines Privatlebens auszugehen, wobei eine nachhaltige Integration oder enge soziale Anknüpfungspunkte der Erstbeschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht hervorgekommen sind (dazu gleich unten). Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

Im vorliegenden Fall fällt die gemäß Art 8 Abs 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das die Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen hat, zu Lasten der Beschwerdeführerinnen aus:

Die Beschwerdeführerinnen leben mit ihrem Ehegatten bzw. Vater in einem gemeinsamen Haushalt. Davon abgesehen haben sie keine Angehörigen im Bundesgebiet, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des Art. 8 EMRK besteht. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung bedeutet in jedem Fall einen schwerwiegenden Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerinnen.

Zum Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Fall zunächst darauf zu verweisen, dass entsprechend der Judikatur des EGMR die Ausweisung eines Fremden, wenn das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland nicht vertraut werden durfte, nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art 8 EMRK bewirke (EGMR 31.1.2006, Nr 50435/99, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande; vgl auch VwGH vom 19.2.2009, Zl 2008/18/0721). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des EGMR im Fall Useinov gegen die Niederlande (EGMR 11.4.2006, Nr 61292/00) zu verweisen, in der im Fall eines Fremden, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame Kinder hat und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgeführt wird, dass in diesem Fall die Bestimmung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt wird.

Demnach ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Erstbeschwerdeführerin das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründete, zu dem sie mit einem weiteren Verbleib in Österreich nicht rechnen durfte und die Schutzwürdigkeit des Familienlebens der Beschwerdeführerinnen bereits dadurch maßgeblich relativiert wird.

Gerade im konkreten Fall ist noch einmal zu betonen, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte nicht willens waren, die Dauer eines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens nach dem NAG abzuwarten. Vielmehr reiste die Erstbeschwerdeführerin illegal in das Bundesgebiet ein und brachte sodann den verfahrensgegenständlichen Antrag ein, um eben ein gemeinsames Familienleben in Österreich zu begründen.

Es ist vorliegend zumutbar, dass die Beschwerdeführerinnen die Beziehung zu ihrem Gatten bzw. Vater via elektronische Medien und dem Internet vorübergehend aufrechterhalten; bis dahin muss auch eine vorübergehende Trennung ohne die Möglichkeit regelmäßigen persönlichen Kontaktes als zulässiger Eingriff in das Familienleben gesehen werden. Es wird dabei nicht übersehen, dass der Gatte bzw. Vater in Österreich zum Aufenthalt berechtigt ist. Es ist ihm jedoch auch möglich, die Beschwerdeführerinnen in der Russischen Föderation zu besuchen bzw. dort das Familienleben fortzusetzen.

Im gegebenen Zusammenhang ist es den Beschwerdeführerinnen bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw NAG auch nicht verwehrt, neuerlich in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 861) und liegt es an der Erstbeschwerdeführerin und ihrem Gatten, so den eingeschränkten Kontakt als vorübergehend zu gestalten.

Wie beweiswürdigend ausgeführt, war es der Erstbeschwerdeführerin und ihrem Gatten jedenfalls bewusst, dass diese nicht ohne weiteres nach Österreich ziehen können würde und haben sie sich auch über Möglichkeiten der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung erkundigt, in dem sie sich einen Auslandsreisepass ausstellen ließ und plante, um ein Visum anzusuchen. Schlussendlich entschied sich die Erstbeschwerdeführerin jedoch dazu, unter Umgehung dieser aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen in das Bundesgebiet einzureisen und in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der der Erstbeschwerdeführerin ein zumindest vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verschafft hat. Dies kann den Zweit- bis Viertbeschwerdeführerinnen nicht im selben Ausmaß vorgehalten werden.

Den Interessen der Beschwerdeführerinnen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich aus familiären Gründen stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.12.2014, 2012/22/0169; 15.12.2015, 2015/19/0247).

Im Lichte des hier zu beurteilenden öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Umgehung der fremdenrechtlichen Bestimmungen muss ein Eingriff in das Interesse ihrer Familie an der Aufrechterhaltung der persönlichen Beziehung als verhältnismäßig angesehen werden.

Zum Privatleben der Erstbeschwerdeführerin ist auszuführen, dass sie sich insgesamt für einen Zeitraum von rund vier Jahren in Österreich aufgehalten hat, was in Anbetracht der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als verhältnismäßig kurz zu werten ist. Die Erstbeschwerdeführerin hat während dieses Zeitraumes auch keine nachhaltigen Integrationsbemühungen gezeigt. Die Erstbeschwerdeführerin hat im Bundesgebiet weder selbständige noch unselbständige Erwerbstätigkeit verrichtet und konnte keine wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich nachweisen.

In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob den Betroffenen ein "Vorwurf" im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darauf, ob ihnen diese objektiv gelungen ist oder nicht (vgl. VwGH 19.4.2012, Zl 2010/21/0242). Eine berufliche Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt ist sohin nicht zu erkennen und verrichtet die Erstbeschwerdeführerin auch keine ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Auch das Bestehen enger sozialer Bindungen der Beschwerdeführerinnen zu in Österreich aufhältigen Personen ist nicht hervorgekommen. Die Beschwerdeführerinnen verbringen in Österreich den Großteil ihrer Zeit gemeinsam im Kreis der Familie. Besondere integrative Aspekte haben sich im Verfahren nicht ergeben.

Demgegenüber hat die Erstbeschwerdeführerin den Großteil ihres bisherigen Lebens in der Russischen Föderation verbracht. Sie ist in der Russischen Föderation geboren und aufgewachsen, hat dort die Schule besucht und ihre Sozialisation erfahren. Die Beschwerdeführerinnen sprechen sowohl russisch als auch tschetschenisch.

Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder problemlos wieder in die russische bzw. tschetschenische Gesellschaft eingliedern können wir. Die Beschwerdeführerinnen sind jedenfalls mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates und insbesondere auch der tschetschenischen Kultur gut vertraut, sodass nicht von einer Entfremdung ausgegangen werden kann. Der Erstbeschwerdeführerin ist es möglich und zumutbar, in der russischen beziehungsweise tschetschenischen Gesellschaft Fuß zu fassen und sich dort den notwendigen Lebensunterhalt zu sichern.

Das Interesse der Beschwerdeführerinnen an der Aufrechterhaltung ihrer privaten Interessen ist überdies maßgeblich dadurch gemindert, dass sie sich bei allen Integrationsschritten des unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein mussten. Die Beschwerdeführerinnen durften sich hier bisher nur aufgrund ihres Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013; vgl zum unsicheren Aufenthaltsstatus zuletzt auch die Entscheidungen des VwGH vom 27.6.2019, Ra 2019/14/0142 und vom 4.4.2019, Ra 2019/21/0015).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall in einer Gesamtschau schwerer als die Interessen der Beschwerdeführerinnen am Verbleib in Österreich.“

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 30.01.2020 stellte die Erstbeschwerdeführerin für sich und die Kinder einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens.“ Die Erstbeschwerdeführerin gab zur Begründung ihres Antrages im Wesentlichen an, sie befinde ich nunmehr seit 2016 durchgehend in Österreich. Sie habe mit ihrem Ehemann drei gemeinsame Kinder, die hier in Österreich zur Welt gekommen seien. Vor kurzem sei aus irgendeinem Grund ihr Asylansuchen abgelehnt worden und jetzt habe sie Riesenangst vor einer Abschiebung. Es sei leider ab und zu der Fall gewesen, wo Familien durch Abschiebung getrennt worden seien. Der Ehegatte besitze einen Daueraufenthaltstitel, er sei berufstätig und verdiene monatlich von € 2.000,-- bis € 3.000,--. „Da ich auf mein Asylansuchen eine Ablehnung erhalten habe, bitte ich euch um Erhalt eines gleichwerten Daueraufenthaltstitels wie mein Gatte oder eine andere Möglichkeit, hier zu bleiben, damit wir mit unseren drei Kindern zusammenleben können.“

Im ausgefüllten Antragsformular verwies die Erstbeschwerdeführerin darauf, dass sie nur geringe Deutschkenntnisse habe, sie habe einen A1-Kurs besucht. Der Ehegatte sei unterhaltspflichtig für sie und die Kinder, beschäftigt sei sie nicht, da sie als Asylwerberin keine Arbeitserlaubnis habe.

Am 30.01.2020 erging ein Verbesserungsauftrag an die Erstbeschwerdeführerin, worin sie aufgefordert wurde, diverse Urkunden und Nachweise vorzulegen, nämlich insbesonders ein gültiges Reisedokument und Geburtsurkunden. Während des behördlichen Verfahrens teilte die Erstbeschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass sie bezüglich des russischen Reisepasses sich an die russische Vertretungsbehörde in XXXX gewandt habe, den Reisepass werde sie sicher erhalten, die Bearbeitung verzögere sich aufgrund der Corona-Krise. Die Erstbeschwerdeführerin habe Probleme wegen der Versicherung, sie habe schlimme Zahnschmerzen, einige Zähne seien schon gerissen worden und sie benötige eine zahnmedizinische Behandlung, weshalb sie um Bearbeitung des Antrages ersuche.

In weiterer Folge wurde ein aktuell gültiger Reisepass der Erstbeschwerdeführerin, ausgestellt am XXXX in Vorlage gebracht.

2.2. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2020 wurde jeweils der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 idgF zurückgewiesen. Die belangte Behörde begründete diese Entscheidungen dahingehend, dass die Beschwerden nach einer am 21.10.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung durch das BVwG als unbegründet abgewiesen worden seien. In diesem Erkenntnis sei festgehalten worden, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht hervorgekommen seien, den Antragstellerinnen sei mit dem Ehegatten bzw. Vater eine Fortführung des Familienlebens in der Russischen Föderation möglich.

Einem Verbesserungsauftrag der Behörde, Reisedokumente und Geburtsurkunden nachzureichen, sei nicht nachgekommen worden. Es würden zweitinstanzlich bestätigte Rückkehrentscheidungen gegen die Antragsteller bestehen, in welchen die persönlichen und familiären Verhältnisse hinsichtlich Art. 8 EMRK umfangreich geprüft worden seien. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert und würde aus der dem Antrag der Erstbeschwerdeführerin beigefügten Begründung und den Beilagen auch nicht hervorgehen, dass eine Änderung stattgefunden hätte. Die gegenständlichen Anträge seien vielmehr ein Versuch, den illegalen Aufenthalt zu prolongieren und ein Bleiberecht zu erzwingen. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen nicht die Norm, sondern die Ausnahme sei. Die Beschwerdeführer hätten sich wie jeder andere zuwanderungswillige Fremde an die geltenden Gesetze zu halten und nach erfolgter Ausreise einen Antrag am österreichischen Konsulat in der Heimat bei den zuständigen NAG-Behörden zu stellen. Eine maßgebliche Sachverhaltsänderung im Sinne des Art. 8 EMRK sei nicht eingetreten und verwies die belangte Behörde darauf, dass nach - wiedergegebener - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Nicht jede Änderung in Bezug auf private und familiäre Anknüpfungspunkte würde die Erforderlichkeit einer neuerlichen meritorischen Prüfung des Antrags bewirken. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Änderung eine nicht nur bloß untergeordnete Tatsachenrelevanz zukomme. Der Judikatur des VwGH sei zu entnehmen, dass durch den nunmehrigen § 58 Abs. 10 AsylG Kettenanträge verhindert werden sollten, welche die Behörde daran hindern würden, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu effektuieren. Da eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliege, sei gemäß § 59 Abs. 5 FPG die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung nicht geboten gewesen.

2.3. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei einleitend diverse Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs wiedergegeben werden. Entgegen der Rechtsansicht der Behörde sei der Antrag gemäß § 55 AsylG zulässig, da neue Sachverhaltselemente seit rechtskräftiger Entscheidung über das Privat- und Familienleben zutage getreten seien.

Die in der Beschwerde nunmehr vorgetragene „Neuerung“ betreffend Familienleben und Privatleben besteht allerdings im Wesentlichen darin, dass die Entscheidung des BVwG vom 27.12.2019 in rechtlicher Hinsicht kritisiert wird, weil aus Sicht der Beschwerdeführer das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Nach allgemeinen Ausführungen betreffend das Kindeswohl wird auf diverse Entscheidungen der Höchstgerichte hingewiesen, in denen das Recht auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen verwiesen wird. Andere Ausführungen betreffend tatsächliche Änderungen des Sachverhaltes, verglichen mit der Entscheidung des BVwG vom 27.12.2019 werden nicht vorgetragen, die gegenständliche Beschwerde besteht somit im Wesentlichen darin, dass die Entscheidung des BVwG vom 27.12.2019 als rechtlich verfehlt angesehen wird. Beigelegt waren der Beschwerde erneut die Übersetzung der Heiratsurkunde der Erstbeschwerdeführerin, eine aktuelle Lohn-/Gehaltsabrechnung betreffend den Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin und ein Nachweis, dass die Erstbeschwerdeführerin im Jahr 2017 einen Kurs „Elementare Sprachverwendung A1+“ sowie im Jahr 2018 einen Sprachkurs „Mama lernt Deutsch“ besucht hat.

Auch ein Mietvertrag betreffend eine Wohnung des Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin wurde nebst Meldebestätigungen in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Gegen die Beschwerdeführerinnen, nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigte Drittstaatsangehörige, wurden zuletzt mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2019 – in Bestätigung von diesbezüglichen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018 und 28.10.2019 – eine Rückkehrentscheidung für rechtmäßig erkannt. Die Beschwerdeführerinnen sind ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

Bereits am 30.01.2020 stellten die Beschwerdeführerinnen einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Die Erstbeschwerdeführerin hat nicht vorgebracht, dass sich im Hinblick auf ihr Privat- und Familienleben seit der Erlassung des oben angeführten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts eine maßgebliche Änderung ergeben hätte. Ihre familiäre und private Situation im Bundesgebiet sowie ihre Bindungen zum Heimatland stellen sich im Wesentlichen als unverändert dar. Die Beschwerdeführerinnen verweisen im gegenständlichen Verfahren erneut auf die im Jahr 2015 geschlossene Ehe der Mutter mit einem in Österreich aufenthaltsberechtigten russischen Staatsbürger sowie die erfolgten Geburten der Kinder im Bundesgebiet.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Da sich die gegenständliche zulässige und rechtzeitige Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zur Entscheidung zuständig.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.6.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.9.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.

Gemäß § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung plus" oder "Aufenthaltsberechtigung") zu erteilen, wenn dies zumindest gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: BFA-VG), zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit; Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.7.2011, 2011/22/0127; VwGH 5.5.2015, Ra 2014/22/0115) liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

3.3. Im gegenständlichen Fall hat sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 58 Abs. 10 AsylG als Grundlage für die Zurückweisung bezogen. Das Bundesverwaltungsgericht war im gegenständlichen Fall dazu berufen, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es liegt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor. In dieser Entscheidung wurde umfassend dargestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr Gatte, der Kindesvater nicht gewillt waren, die Dauer eines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens nach dem NAG abzuwarten.

Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.12.2019, in dem von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerinnen am Verbleib im Bundesgebiet ausgegangen wurde, ist keine Veränderung in Bezug auf das Familienleben und die Integration der Beschwerdeführerinnen eingetreten, die einer Zurückweisung des gegenständlichen Antrags gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegenstünde.

Die Erstbeschwerdeführerin hat im gegenständlichen Verfahren neuerlich auf die Ehe mit einem in Österreich aufenthaltsberechtigten russischen Staatsbürger verwiesen. Diese Umstände haben jedoch zum Zeitpunkt der letztmaligen inhaltlichen Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.12.2019 bereits unverändert vorgelegen, sodass die vorgebrachte Bindung zu ihrem Ehemann keine potentiell verfahrensrelevante Neuerung ihres Familien- und Privatlebens darstellt.

Die Beschwerdeführerinnen haben im gegenständlichen Verfahren im Übrigen lediglich auf ihre längere Aufenthaltsdauer verwiesen. Diesen Aspekten kommt jedoch kein maßgebliches Gewicht zu.

So ging der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.01.2015, Ra 2014/22/0094, davon aus, dass weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde, noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstellen. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, § 58 E11; mwN).

Sowohl das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.12.2019 als auch die Behörde in den nunmehr angefochtenen Entscheidungen haben hinreichend deutlich gemacht, dass der Entscheidung primär die Zumutbarkeit der vorübergehenden Trennung für die Dauer des Niederlassungsverfahrens zugrunde gelegt wird.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in der mehrfach wiedergegebenen Entscheidung vom 27.12.2019 umfassend dargestellt, dass gerade im vorliegenden Fall ein massiver Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen vorliegt, da „die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte nicht willens waren, die Dauer eines aufenthaltsrechtlichen Verfahrens nach dem NAG abzuwarten.“ Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte sich nach den Möglichkeiten der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung erkundigt haben, die Erstbeschwerdeführerin sich dann jedoch dazu entschlossen habe, unter Umgehung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen in das Bundesgebiet einzureisen und in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, welcher der Erstbeschwerdeführerin ein zumindest vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verschafft hat.

In der erwähnten Entscheidung vom 27.12.2019 wurde somit primär ausgeführt, dass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen den Interessen der Beschwerdeführerinnen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich aus familiären Gründen gegenüberstehen und diese bei weitem überwiegen.

Diesen Überlegungen schließt sich auch der erkennende Richter umfassend an, da tatsächlich die gewählte Vorgangsweise einen massiven Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen darstellt, zumal die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen jede Regulierung der Zuwanderung ad absurdum führen würde. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass bereits im bisherigen Verfahrensgang die Beschwerdeführer darauf hingewiesen wurden, dass ihnen die Möglichkeit offensteht, wie zahllose andere Fremde auch, einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen, um bei Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen legal in das Bundesgebiet zuwandern zu können.

Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass eine vorübergehende Trennung der Beschwerdeführerinnen vom Ehegatten und Vater einen massiven Eingriff in das Familienleben darstellt, auch ein alleiniger Verweis auf die Möglichkeit der Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte im Wege elektronischer Kommunikationsformen bei den hier vorliegenden Kleinkindern verfehlt wäre (vgl. etwa VwGH vom 22.08.2019, Ra 2019/21/0128).

Zu beachten ist aber, wie dargestellt, dass die Zumutbarkeit der Trennung der beschwerdeführenden Parteien vom Ehegatten bzw. Kindesvater nur bezogen auf die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens – und somit als vorübergehend – zu prüfen ist. Dabei ist zu konstatieren, dass der Ehegatte bzw. Kindesvater zum dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, diesem auch die Möglichkeit offensteht, bis zum erfolgreichen Abschluss des Verfahrens vor der Niederlassungsbehörde, seine Angehörigen im Herkunftsstaat zu besuchen.

Dass angesichts der im Verfahren vorgelegten Unterlagen (Mietvertrag, Bestätigungen über ein ansehnliches Einkommen des Ehegatten bzw. Kindesvaters) ein solches Niederlassungsverfahren hoffnungs- und aussichtslos wäre, kann keinesfalls angenommen werden.

Es ist – wie bereits dargestellt – auch zu berücksichtigen, dass das Familienleben zu seinem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem sich die Beschwerdeführerinnen ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten und hat die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Verhalten versucht, in Bezug auf den Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. dazu sowie zum Durchschlagen eines derartigen Bewusstseins auf die Kinder VwGH vom 13.11.2018, Ra 2018/21/0205 bis 0210, mwN sowie zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt etwa zuletzt VwGH vom 23.01.2020, Ra 2019/22/0044).

Insofern die Beschwerdeführer somit ausschließlich auf das Kindeswohl verweisen und darauf, dass durch das fortschreitende Lebensalter der Kleinkinder bereits ein neuer Sachverhalt entstanden wäre, ist diesen Ausführungen somit nicht Folge zu geben. Die Beschwerdeausführungen gehen auch auf die Überlegungen, wonach die Regelungen des NAG über einen geordneten Familiennachzug umgangen wurden, nicht näher ein (zur Bedeutung von Umgehungsversuchen vgl. auch VwGH vom 07.03.2019, Ra 2019/21/0044 bis 0046).

3.4. Da aufgrund der obigen Erwägungen nicht von einem geänderten Sachverhalt auszugehen ist, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, war die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden.

4. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Beschwerde hat keine neuen Sachverhaltselemente aufgezeigt, welche eine neuerliche Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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