TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/25 94/15/0083

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §18 Abs1 Z4;
EStG 1988 §18 Abs6;
GewStG §6 Abs2 idF 1988/403;
GewStG §6 Abs3;
KStG 1988 §8 Abs4 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der I GmbH in T, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VIIa, vom 27. September 1993, Zl. 6/4 - 4291/92-08, betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1989 sowie Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1990 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde am 12. Juli 1989 in das Firmenbuch eingetragen; sie nahm ihren Geschäftsbetrieb am 1. August 1989 auf.

Der Niederschrift über die gemäß § 151 BAO durchgeführte, den Zeitraum von August 1989 bis September 1990 betreffende Prüfung der Umsatzsteuervoranmeldungen ist folgendes zu entnehmen:

Eine laufend geführte Buchhaltung könne nicht vorgelegt werden. Bis Juni 1990 seien die Voranmeldungen anhand eines Kassa- und Bankbuches sowie der Ausgangs- und Eingangsrechnungen vorgenommen worden. Ab Juli 1990 würden auch die bisherigen Grundaufzeichnungen nicht mehr geführt und weder Voranmeldungen vorgenommen noch Vorauszahlungen geleistet. Im Zuge der Prüfung seien die Umsatzsteuerbeträge der Monate August und September 1989 auf der Grundlage der Ausgangsfakturen und Eingangsrechnungen neu berechnet worden.

Mit Bescheiden vom 25. November 1991 wurden gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft für das Jahr 1989 (u.a.) Körperschaftsteuer mit S 72.000,-- und Gewerbesteuer mit S 36.936,-- festgesetzt; der Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. der Gewinn aus Gewerbebetrieb wurden mit S 240.000,-- festgestellt.

Mit Bescheiden vom 8. April 1992 wurden gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft für das Jahr 1990 (u.a.) Körperschaftsteuer mit S 279.000,-- und Gewerbesteuer mit S 138.942,-- festgesetzt; der Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. der Gewinn aus Gewerbebetrieb wurden mit S 930.000,-- festgestellt.

Begründend wurde jeweils dargelegt, die Besteuerungsgrundlagen seien gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt worden, weil keine Steuererklärungen abgegeben worden seien.

Mit Schriftsatz vom 28. Juni 1992 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft, die Verfahren betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer des Jahres 1989 wieder aufzunehmen. Es sei zutreffend, daß die Gesellschaft trotz wiederholter Aufforderung keine Steuererklärungen für die Jahre 1989 und 1990 abgegeben habe. Die Behörde habe daher von ihrem Recht zur Schätzung Gebrauch machen können. Der nunmehr bestellte steuerliche Vertreter habe nach Vorlage aller Belege und Unterlagen durch den Geschäftsführer "beide Jahre aufgebucht und die Bilanzen erstellt". Die vom Finanzamt geschätzten Zahlen wichen wesentlich "von den richtigen Zahlen laut Bilanz 1989" ab. So betrage die Umsatzsteuerzahllast laut Bilanz S 146.827,--, geschätzt hingegen S 169.750,--; dem Verlust laut Bilanz von S 466.392,-- stehe ein geschätzter Gewinn von S 240.000,-- gegenüber.

Mit Schriftsatz vom 28. Juni 1992 erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für das Jahr 1990. Sie brachte vor, aus der unter einem vorgelegten Bilanz für das Jahr 1990 und den Steuererklärungen sei ersichtlich, daß "die geschätzten Zahlen bei allen Abgaben wesentlich von den richtigen Zahlen laut Bilanz abwichen": Umsatz laut Bilanz S 5,002.000,-- (geschätzt S 4,650.000,--); Vorsteuer laut Bilanz S 411.200,-- (geschätzt S 300.000,--); Gewinn S 206.262,-- (geschätzt S 930.000,--).

Mit Bescheid vom 15. Juli 1992 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989 ab. Begründend wurde dargelegt, es liege keine der in § 303 Abs. 1 BAO aufgezählten Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag einer Partei vor.

Mit Bescheid vom 20. Juli 1992 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf. In den neuen Sachbescheiden wurde der Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. der Gewinn aus Gewerbebetrieb mit S 0,-- festgestellt und die Körperschaft- sowie Gewerbesteuer jeweils mit S 0,-- festgesetzt. Begründend wurde dargelegt, die mit der Berufung vorgelegte Bilanz und die gleichzeitig eingebrachten Steuererklärungen ließen erkennen, daß die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu überhöhten Steuervorschreibungen geführt habe. Es sei daher gerechtfertigt, die Verfahren von Amts wegen wieder aufzunehmen. Der nachträglich erstellten Bilanz käme nur eine beeinträchtigte Aussagekraft zu, weil keine laufende Buchhaltung geführt worden sei. Es werde daher der Schluß gezogen, daß im Jahr 1989 zwar kein Gewinn erwirtschaftet worden, die Höhe eines allfälligen Verlustes aber nicht genau feststellbar sei. Die Besteuerungsgrundlagen der Körperschaft- und der Gewerbesteuer würden daher mit S 0,-- geschätzt.

Der Berufung gegen den Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1990 gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 20. Juli 1992 teilweise statt. Ausgehend von einer Feststellung des Gesamtbetrages der Einkünfte bzw. des Gewinnes aus Gewerbebetrieb mit S 185.003,-- und von Sonderausgaben von S 7.200,-- setzte es die Körperschaftsteuer mit S 53.340,-- und die Gewerbesteuer (nach Hinzurechnung eines Betrages von S 140.000,-- gemäß § 7 Z. 6 GewStG auf der Grundlage eines Gewerbeertrages von

S 325.003,--) mit S 48.555,-- fest. Begründend wurde dargelegt, ein Verlustvortrag könne nicht gewährt werden, weil die Höhe eines allfälligen Verlustes im Jahr 1989 infolge der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht feststellbar sei.

Gegen den Bescheid vom 20. Juli 1992 betreffend die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989 erhob die beschwerdeführende Gesellschaft hinsichtlich der neuen Sachbescheide mit Schriftsatz vom 20. August 1992 Berufung. Sie legte begründend u.a. dar, der Auffassung des Finanzamtes, der nachträglich erstellten Bilanz für das Jahr 1989 käme nur eine beeinträchtigte Aussagekraft zu, sei entgegenzuhalten, daß die ebenfalls nachträglich erstellte Bilanz für das Jahr 1990, die einen Gewinn ausweise, sehr wohl anerkannt werde. Hingegen werde dem in der Bilanz für das Jahr 1989 ausgewiesenen Verlust im Ergebnis ein Betrag von mehr als 400.000,-- hinzugeschätzt, ohne Ermittlungen anzustellen oder diese Schätzung zu begründen. Der Verlust im Jahr 1989 sei als Folge des Konkurses des früheren Einzelunternehmens des Gesellschafter-Geschäftsführers entstanden. Der Gewinn des Jahres 1990 sei auf eine Verbesserung der Geschäftslage zurückzuführen. Die Behörde habe nicht geprüft, ob ein Verlust genau feststellbar sei.

Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte weiters die Entscheidung über ihre Berufung gegen den Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1990 durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Begründend verwies sie insbesondere auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Begriff der "ordnungsmäßigen Buchführung" im § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972. Sie vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen des Verlustabzuges in den Folgejahren seien gegeben, weil die Höhe des im Jahr 1989 entstandenen Verlustes anhand der materiell richtigen Unterlagen nachvollzogen werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung betreffend die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989 - dem Wortlaut des Spruches zufolge "im Ergebnis" - Folge und änderte die Bescheide dahin ab, daß die Körperschaft- und Gewerbesteuer (auf der Grundlage der Feststellung eines Verlustes von S 456.392,-- bzw. S 408.059,--) jeweils mit S 0,-- festgesetzt wurde.

Die Berufung gegen die Bescheide betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1990 wies die belangte Behörde als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach Darlegung des Verfahrensganges auf folgendes ergänzende Vorbringen des steuerlichen Vertreters der beschwerdeführenden Gesellschaft verwiesen: Daß in der Umsatzsteuererklärung rund S 20.000,-- mehr an Vorsteuern geltend gemacht worden sei als die Betriebsprüfung festgestellt habe, könne durch nachträgliche Buchung von Aufwendungen (z.B. Diäten) erklärt werden. Es könne sich aber auch um Lieferantenskonti handeln. Im übrigen habe der steuerliche Vertreter die beschwerdeführende Gesellschaft erst nach der UVA-Prüfung als Klienten übernommen und könne nicht sagen, welche Belege dem Prüfer zur Verfügung gestanden seien. Das Unterbleiben einer Inventur und der Bilanzierung von halbfertigen Erzeugnissen, Material und Hilfsstoffen sei damit zu erklären, daß zum Bilanzstichtag die Aufträge jeweils beendet gewesen wären und Material sowie Hilfsstoffe sofort aufwandsmindernd verbucht worden seien, da diese jeweils von Auftrag zu Auftrag angeschafft und auch verbraucht worden seien. Nach Darlegung der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die nachträglich erstellten Bilanzen und Umsatzsteuererklärungen hätten keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit, zumal nicht gewährleistet sei, daß bei der Aufbuchung sämtliche Belege vollständig vorhanden gewesen wären. So seien etwa für 1989 Eingangsrechnungen verbucht worden, die dem Prüfer bei der UVA-Prüfung nicht vorgelegen seien. Die darauf bezogenen Darlegungen des steuerlichen Vertreters, wonach die Vorsteuerdifferenz auf nachträglich gebuchte Aufwendungen (ohne Rechnung) zurückzuführen sei, könnten nicht überzeugen; der gesamte Reisekostenaufwand betrage laut Bilanz ca. S 8.000,--. Der Hinweis auf Lieferantenskonti sei im erwähnten Zusammenhang unverständlich. Auch das Nichtvorhandensein jeglichen Materials und jeglicher Hilfsstoffe zum Bilanzstichtag erachte die belangte Behörde im vorliegenden Produktionsbereich (Stahlbau) für unwahrscheinlich. Die Überprüfung der vom steuerlichen Vertreter nachträglich ermittelten Betriebsergebnisse auf ihre Richtigkeit sei mangels ordnungsgemäßer Buchführung nicht möglich. Der Auffassung der beschwerdeführenden Gesellschaft, daß eine Schätzungsbefugnis erst bei Aufdeckung von Unrichtigkeiten gegeben wäre, könne nicht gefolgt werden. Dessen ungeachtet könne davon ausgegangen werden, daß die nachträgliche Ermittlung der Betriebsergebnisse durch den steuerlichen Vertreter unter den gegebenen Möglichkeiten nach bestem Wissen erfolgt sei, weshalb die Behörde keine Bedenken dagegen habe, mangels sonstiger Anhaltspunkte ihrer Schätzung die vom Steuerberater ermittelten Besteuerungsgrundlagen zugrunde zu legen. Die Schätzung des Finanzamtes für das Jahr 1989 sei daher zu revidieren, zumal das Vorbringen der beschwerdeführenden Gesellschaft über die Ursachen des im Jahr 1989 erwirtschafteten Verlustes durchaus nachvollziehbar sei. Daß ein Verlust vorliege, werde somit nicht bezweifelt, wenngleich dieser seiner Höhe nach nicht errechnet bzw. nicht auf seine Richtigkeit hin überprüft werden könne. Das Finanzamt habe nicht erkannt, daß auch das Jahr 1990 betreffend die Schätzungsbefugnis bestehe, sodaß die Veranlagung "nicht erklärungsgemäß, sondern gemäß § 184 BAO" zu erfolgen habe. Für das Jahr 1990 sei der Verlustvortrag gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 bzw. § 6 Abs. 2 GewStG zu versagen, weil es an der in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dargelegten Voraussetzung fehle, daß der Verlust seiner Höhe nach errechnet werden könne und das Ergebnis auch überprüfbar sei. Ein Verlust könne somit nicht abgezogen werden, wenn keine laufende Buchhaltung geführt, sondern erst nach Jahren eine Aufbuchung der dem steuerlichen Vertreter vorgelegten Belege erfolge, weil eine solche Vorgangsweise keine Gewähr biete, daß tatsächlich alle Geschäftsfälle lückenlos verbucht worden seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie die Verletzung des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums geltend machte. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 28. Februar 1994, B 1891/93, ab, wobei er unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 10. Dezember 1992, Slg. 13.295, darlegte, angesichts der Art des angenommenen Buchführungsmangels sei die behauptete Rechtsverletzung als so wenig wahrscheinlich zu erkennen, daß sie unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtsverletzungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Über nachträglichen Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde die Beschwerde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Mai 1994 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die beschwerdeführende Gesellschaft Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde richtet sich der Erklärung nach gegen den angefochtenen, die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und die Festsetzung der Abgaben hinsichtlich der Umsatz-,

Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989 und der Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1990 betreffenden Bescheid seinem gesamten Inhalt nach. Nach der ausdrücklichen Bezeichnung des Beschwerdepunktes wird eine Verletzung im "Recht auf Anerkennung des Verlustvortrages, aber auch im Recht, daß keine Schätzung, sondern eine erklärungsgemäße Veranlagung erfolgt", geltend gemacht.

Die Verletzung im zuletzt genannten Recht durch den die Besteuerung des Jahres 1989 betreffenden Teil des angefochtenen Bescheides sieht die Beschwerde nach den Darlegungen ihrer Gründe im "untrennbaren Zusammenhang mit der negativen Berufungsentscheidung hinsichtlich der Jahresbescheide 1990, da gerade für das Jahr 1989 die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in einem die Verlustvortragsfähigkeit hindernden Ausmaß behauptet wird". Es werde daher "vorsichtshalber auch der Umstand in Beschwerde gezogen, daß die belangte Behörde für 1989 den Gewinn "(gemeint offenbar: den Verlust)" nicht der Erklärung entnommen, sondern mit der Erklärung übereinstimmend geschätzt hat". Die beschwerdeführende Gesellschaft erachte sich "durch die inhaltsgleiche Schätzung beschwert, weil sie zur Grundlage für die Verweigerung des Verlustvortrages genommen wird".

Diese Darlegungen sind nicht geeignet, eine Verletzung im geltend gemachten Recht durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Besteuerung des Jahres 1989 betrifft, aufzuzeigen.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer erfolgte erklärungs- und somit antragsgemäß; die von der Beschwerde angegriffene Annahme der belangten Behörde, der Verlust des Jahres 1989 sei im Schätzungswege zu ermitteln, konnte bei der Festsetzung der Umsatzsteuer schon im Hinblick auf die Besteuerungsgrundlage nicht von Bedeutung sein. Aber auch bei der Festsetzung der Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1989 liegt eine Verletzung im geltend gemachten Recht nicht vor. Die Feststellung der Einkünfte bzw. des Gewerbeertrages und die Festsetzung der Steuern durch den angefochtenen Bescheid erfolgte erklärungs- und somit antragsgemäß. Die Beschwerdeführerin ist insoweit durch den angefochtenen Bescheid mangels einer Abweichung der Entscheidung vom Antrag nicht beschwert. In der in der Begründung des Bescheides dargelegten, nicht zu einem von der Erklärung abweichenden Ergebnis führenden Annahme der belangten Behörde, der Verlust des Jahres 1989 sei durch Schätzung zu ermitteln, liegt schon deshalb keine Rechtsverletzung, weil in der Festsetzung der Steuer für das Verlustjahr - auch unter Bedachtnahme auf das soeben wiedergegebene Begründungselement - keinesfalls eine die Vortragsfähigkeit des Verlustes in den Folgejahren verneinende, die Abgabenbehörde bei der Entscheidung über die Besteuerung der Folgejahre insoweit bindende Entscheidung liegt (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1988, Zl. 88/14/0001, vom 5. Mai 1992, Zl. 92/14/0018, vom 14. April 1994, Zl. 92/15/0169, und vom 20. November 1996, Zl. 94/13/0011, sowie weiters das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1987, Slg. 11495). Eine gesonderte Feststellung über die Vortragsfähigkeit des Verlustes im Sinne des Erkenntnisses vom 15. Dezember 1994, Zl. 92/15/0030, wurde im angefochtenen Bescheid nicht getroffen.

Die geltend gemachte Rechtsverletzung liegt in Ansehung des das Jahr 1989 betreffenden Abspruches des angefochtenen Bescheides somit nicht vor; insoweit war die Beschwerde aus den soeben dargelegten Gründen als unbegründet abzuweisen.

Im Zusammenhang mit der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und der Festsetzung der Abgaben betreffend die Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1990 ist ausschließlich die Frage strittig, ob der Verlust des Jahres 1989 gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 (iVm S 8 Abs. 4 Z. 3 KStG 1988 in der Stammfassung) bzw. § 6 Abs. 2 GewStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung bei der Ermittlung des Einkommens bzw. des Gewerbeertrages des Jahres 1990 abzuziehen ist. Dies setzt nach den zitierten Vorschriften u.a. voraus, daß die - gemäß § 124 BAO auch für steuerliche Zwecke buchführungspflichtige - Beschwerdeführerin den Verlust "durch ordnungsmäßige Buchführung" ermittelt hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies nicht, daß eine formell ordnungsmäßige Buchführung Voraussetzung für den Verlustvortrag ist. Vielmehr ist der Verlustvortrag für bilanzierende Steuerpflichtige immer dann zulässig, wenn der Verlust - allenfalls nach Korrektur der Buchführung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung - seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist. Davon kann dann keine Rede sein, wenn die Mängel der Buchführung nach Art und Umfang auf das gesamte Rechenwerk ausstrahlen und dieses somit insgesamt als für eine periodengerechte Gewinnermittlung ungeeignet erscheinen lassen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 14. April 1994, Zl. 92/15/0169, vom 19. September 1993, Zl. 91/14/0172, und vom 12. Dezember 1995, Zl. 92/14/0031).

Ergänzend ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 zu verweisen (vgl. die Erkenntnisse vom 3. März 1987, Slg 11260, vom 10. Dezember 1992, Slg 13295, vom 28. September 1993, Slg 13523, und vom 28. Februar 1994, Slg 13667). Der Verfassungsgerichtshof vertritt die Auffassung, der Verlustvortrag sei immer dann zulässig, wenn der Verlust seiner Höhe nach errechnet werden könne und das Ergebnis auch überprüfbar sei, mag auch eine Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung erforderlich sein. Sei die Richtigstellung von Fehlbuchungen möglich und könne die unterlassene Buchung nachgetragen oder der unterlaufene Mangel durch Schätzung behoben werden, so dürfe einer ihrer Art nach auf periodengerechte Erfassung der Geschäftsvorgänge angelegten Buchführung nicht die Eignung abgesprochen werden, einen vortragsfähigen Verlust auszuweisen. Die pauschale Verwerfung einer durch Schätzung zu ergänzenden Buchführung würde im Ergebnis eine überschießende, durch das Erfordernis ordnungsmäßiger Buchführung nicht mehr zu rechtfertigende und damit gleichheitswidrige Sanktion für die festgestellten Mängel darstellen. Mängel einer ihrer Art nach tauglichen Buchhaltung könnten den Verlustvortrag sachlicherweise nur dann hindern, wenn sie nach Art und Umfang auf das ganze Rechenwerk ausstrahlten und auch nach einer Richtigstellung und Ergänzung (einschließlich allfälliger Sicherheitszuschläge) eine periodengerechte Erfassung der maßgeblichen Daten insgesamt nicht möglich erscheinen ließen. Auch erhebliche Mängel einer Buchhaltung berechtigten nicht zur Versagung des Verlustabzuges, wenn sie durch behördliche Hinzurechnungen ausgeglichen werden könnten und erst durch Schätzung ermittelte Erlöse den anhand des Rechenwerkes ermittelten Verlust nur zu einem kleinen Teil schmälerten.

Legt man diesen Maßstab an den im Beschwerdefall festgestellten Sachverhalt an, so kann die Begründung des angefochtenen Bescheides die Versagung des Verlustvortrages nicht tragen. Zwar wird im angefochtenen Bescheid dargelegt, die nachträglich erstellten Bilanzen hätten keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit, zumal nicht gewährleistet sei, daß bei der Aufbuchung sämtliche Belege vollständig vorhanden gewesen seien. Die Folgerung, daß mangels zeitgerechter (im vorliegenden Fall nicht einmal zeitnaher) Erfassung der Geschäftsfälle das Rechenwerk der beschwerdeführenden Gesellschaft seiner Art nach zur periodengerechten Erfassung der Daten nicht geeignet wäre, hat die belangte Behörde indes selbst nicht gezogen; vertritt sie doch an anderer Stelle - unter Hinweis darauf, daß es das Ziel einer Schätzung sei, der Wahrheit nahezukommen, und sie der Ermittlung derjenigen Besteuerungsgrundlagen dienen solle, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hätten - die Auffassung, es bestünden keine Bedenken dagegen, "mangels sonstiger Anhaltspunkte" der "Schätzung" die vom Steuerberater ermittelten Besteuerungsgrundlagen zugrunde zu legen. Die belangte Behörde hat das Fehlen der zeitgerechten bzw. zeitnahen Erfassung der Geschäftsfälle auch nicht erkennbar zum Anlaß genommen, das Betriebsergebnis des Jahres 1989 mit Schätzungsmethoden zu ermitteln; vielmehr hat sie die Einkünfte bzw. den Gewerbeertrag, ohne auf die Schätzung des Betriebsergebnisses gerichtete Ermittlungsmethoden anzuwenden, der Erklärung des Steuerpflichtigen folgend festgestellt. Aus der Vorgangsweise bei der Feststellung der Einkünfte bzw. des Gewerbeertrages können somit im Beschwerdefall ebenfalls keine Schlüsse auf die Eignung des Rechenwerkes der Gesellschaft zur periodengerechten Erfassung der Daten gezogen werden.

Auch die sonstigen Darlegungen der Bescheidbegründung, nämlich die Hinweise auf die Unvollständigkeit der Eingangsbelege im Zeitpunkt der UVA-Prüfung und das Unterbleiben einer Inventur, könnten die Beurteilung nicht tragen, die Bücher der beschwerdeführenden Gesellschaft ließen die Errechnung und Überprüfung des im Jahr 1989 entstandenen Verlustes nicht zu. Insbesondere hat sich die belangte Behörde im erwähnten Zusammenhang mit der Frage nicht auseinandergesetzt, ob die festgestellten Mängel durch behördliche Hinzurechnungen ausgeglichen werden könnten, die nicht in einem Mißverhältnis zum erklärten Verlust (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1993, Zl. 91/14/0172 mwH, und vom 12. Dezember 1995, Zl. 92/14/0031) stünden.

Anhand der Begründung des angefochtenen Bescheides kann somit nicht abschließend gesagt werden, die im vorliegenden Fall bestehenden Mängel der Buchführung seien so beschaffen, daß sie nach Art und Umfang auf das gesamte Rechenwerk ausstrahlten und auch nach einer Richtigstellung und Ergänzung eine periodengerechte Erfassung der maßgeblichen Daten insgesamt nicht möglich erscheinen ließen.

Der angefochtene Bescheid ist daher im Umfang der Festsetzung von Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1990 und der darauf bezogenen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994150083.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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