TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/27 I401 2170128-1

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Entscheidungsdatum

27.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

I401 2170128-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, XXXX , vom 28.08.2017, Zahl: XXXX ,

I. beschlossen:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird wegen der Zurücknahme der Beschwerde bezüglich der Spruchpunkte I., II. und III. erster Satz des angefochtenen Bescheides eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. zu Recht erkannt:

C)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. zweiter und dritter Satz sowie Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und werden diese ersatzlos behoben.

D)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Zu Spruchpunkt I. A) - Zurücknahme der Beschwerde:

Mit Bescheid vom 18.08.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, XXXX (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) den Antrag des Beschwerdeführers vom 06.06.2017 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I. und II.) sowie erteilte es ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (gemeint offenbar: „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. erster Satz).

Per E-Mail vom 26.11.2020 nahm der Beschwerdeführer die (auch) gegen die Spruchpunkte I., II. und III. erster Satz des angefochtenen Bescheides erhobene Beschwerde vom 01.09.2017 zurück.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.

Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).

Bei der Zurückziehung der Beschwerde handelt es sich um eine von der Partei vorzunehmende Prozesshandlung, die bewirkt, dass diese einer meritorischen Erledigung nicht mehr zugeführt werden darf. Die Rechtsmittelinstanz verliert - sofern die Zurücknahme noch vor Erlassung ihrer Entscheidung erfolgt - die funktionelle Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Manz Kommentar, Rz 74 zu § 63 mwN).

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (VwGH 22.11.2005, Zl. 2005/05/0320, u.v.a.).

Per E-Mail vom 26.11.2020 nahm der durch den Verein Menschenrechte Österreich vertretene Beschwerdeführer die erhobene Beschwerde vom 01.09.2017 hinsichtlich der Spruchpunkte I. (den Status des Asylberechtigten betreffend) und II. (den Status des subsidiär Schutzberechtigten betreffend) sowie III. erster Satz (den Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG betreffend) des angefochtenen Bescheides zurück.

Auf Grund des unmissverständlich formulierten Parteiwillens ist der Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht die Grundlage entzogen und war daher das diesbezügliche Beschwerdeverfahren einzustellen.

Zu Spruchpunkt II. C):

1. Mit Bescheid vom 11.12.2015 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.10.2015, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen ihn gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Italien zulässig ist (Spruchpunkt II.).

Mit Erkenntnis vom 29.02.2016, W185 2118948-1/5E, wies das Bundesverwaltungsgericht die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 30.06.2016, E 724/2016, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 28.09.2016, Ra 2016/20/0070, wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurück.

2. Neben den zurückgenommenen Spruchpunkten erließ das Bundesamt mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III. zweiter und dritter Satz) sowie setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft dieser Entscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde vom 01.09.2017.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsbürger. Er ist strafrechtlich unbescholten. Seitdem er sich im Bundesgebiet aufhält, ging er keiner der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nach. Er bezog bis 31.12.2019 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Am 03.01.2020 heiratete er A F, die nunmehr den Familiennamen des Beschwerdeführers führt und eine polnische Staatsbürgerin ist sowie von 12.12.2005 bis 20.09.2020 (mit Unterbrechungen, in denen sie Arbeitslosengeld, Kinderbetreuungsgeld und bedarfsorientierte Mindestsicherung bezog) als Arbeiterin beschäftigt war. Bereits am 11.10.2017 wurde der gemeinsame Sohn XXXX geboren. Dem Beschwerdeführer wurde am 03.03.2020 eine bis 03.03.2026 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers ausgestellt. Er hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er ist begünstigter Drittstaatsangehöriger.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den erstinstanzlichen Akt des Bundesamtes und die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts. Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seine Unbescholtenheit, die Geburt seines Sohnes XXXX und die Eheschließung mit einer polnischen Staatsbürgerin, der Bezug von Leistungen der staatlichen Grundversorgung und die Ausstellung der befristeten Aufenthaltskarte ergeben sich aus dem in Kopie vorliegenden nigerianischen Reisepass, den aktuellen Auszügen aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, der vom Beschwerdeführer vorgelegten Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX vom 03.01.2020, der Geburtsurkunde des Standesamtes XXXX vom 18.10.2017, dem Versicherungsdatenauszug und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Rückkehrentscheidung, zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria und zur Frist für die freiwillige Ausreise:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger:

„der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.“

§ 52 FPG (in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019) normiert (auszugsweise):

„(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.“

Der mit „Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers“ überschriebene § 54 NAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017) normiert in seinem Abs. 1:

„Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.“

Während des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ehelichte der Beschwerdeführer eine polnische Staatsbürgerin bzw. EWR-Bürgerin, die von ihrem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht hat. Er ist somit begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG. Ihm wurde von der zuständigen Niederlassungsbehörde eine bis 03.03.2026 gültige Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG ausgestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seinem Erkenntnis vom 15.03.2018, Ra 2018/21/0014, die Rechtsansicht, dass gegen begünstigte Drittstaatsangehörige eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden kann (vgl. VwGH vom 31.08.2017, Ra 2017/21/0133). Das ordnet das Gesetz zwar ausdrücklich nur für die Konstellation des § 52 Abs. 2 FPG - siehe den letzten Satz dieses Absatzes - an, die generelle Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ergibt sich aber schon daraus, dass die mit § 52 FrPolG 2005 umgesetzte Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) auf begünstigte Drittstaatsangehörige nach ihrem Art. 2 Abs. 3 nicht anzuwenden ist (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0179).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung des Beschwerdeführers gemäß § 52 FPG erweist sich daher aufgrund seiner Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger (mit unionsrechtlichem Aufenthaltsrecht) als unzulässig.

Der Beschwerde war somit Folge zu geben und der Spruchpunkt III. zweiter Satz sowie die darauf aufbauenden Spruchpunkte III. dritter Satz und IV. ersatzlos zu beheben.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchpunkt B) und D) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Rückkehrentscheidung bei Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel begünstigte Drittstaatsangehörige Ehe ersatzlose Behebung Rückkehrentscheidung behoben Verfahrenseinstellung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I401.2170128.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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