TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/7 I408 2136482-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2020
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Entscheidungsdatum

07.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

I408 2136482-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ), geb. am XXXX , StA. Irak, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.11.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte am 12.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung am selben Tag gab er hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, im Irak herrsche seit etwa zwanzig Jahren Krieg, sodass er keine Sicherheit und keine Arbeit habe finden können. Er habe jeden Tag Angst um sein Leben, da überall Leute erschossen werden würden.

2.       Am 24.08.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen und gab hinsichtlich seiner Fluchtgründe zusammengefasst zu Protokoll, er habe traditionell geheiratet und seine Ehefrau sei schwanger gewesen. Der Stamm seiner Ehefrau sei jedoch gegen die Verbindung gewesen, sodass er mit dem Tod bedroht und seine Frau von deren Familie getötet worden sei.

3.       Die belangte Behörde erließ am 13.09.2016 einen abweisenden Bescheid, welcher im Beschwerdeverfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2016, GZ: L507 2136482-1/7E, behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen wurde.

4.       Am 07.06.2017 erfolgte eine neuerliche Einvernahme des Beschwerdeführers, in welcher er im Wesentlichen das Fluchtvorbringen seiner letzten Einvernahme wiederholte.

5.       Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 11.10.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

6.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 08.11.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde.

7.       Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.09.2020 wurde die Rechtssache dem erkennenden Richter zugewiesen.

8.       Am 10.11.2020 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der Fluchtgrund, die aktuelle Lage im Herkunftsstaat und das Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich erörtert wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und seine Identität steht fest. Die Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers konnte nicht festgestellt werden.

Er ist arbeitsfähig und leidet an keinen physischen oder psychischen Erkrankungen, die einer Rückkehr in seinen Heimatstaat entgegenstehen. Strafrechtlich ist er unbescholten.

Der Beschwerdeführer hält sich nach schlepperunterstützter und illegaler Einreise zumindest seit seinem Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.07.2015 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer wuchs bei seiner Familie in XXXX auf, besuchte dort elf Jahre die Schule und absolvierte eine Ausbildung zum Maler. Zuletzt lebte er in Bagdad und verdiente seinen Lebensunterhalt mit einer Lagertätigkeit in einem Supermarkt.

Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine sieben Brüder und drei Schwestern leben nach wie vor im Irak, jedoch besteht derzeit kein aufrechter Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Sorgepflichten. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer weder über familiäre Anknüpfungspunkte noch über maßgebliche private Kontakte.

Er leistet ehrenamtliche Tätigkeiten bei XXXX und hat Deutschkurse auf dem Niveau A1 besucht. Darüber hinaus weist er keine berücksichtigungswürdigen Merkmale einer Integration in beruflicher, sprachlicher oder kultureller Hinsicht auf.

Er geht im österreichischen Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt nach wie vor von Leistungen der staatlichen Grundversorgung – eine Selbsterhaltungsfähigkeit liegt nicht vor.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer geheimen Heirat einer persönlichen und gezielten Verfolgung durch Familienmitglieder seiner damaligen Freundin ausgesetzt war und deshalb den Irak verlassen musste.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung konfrontiert sein und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

Die allgemeine Lage im Irak, und das betrifft auch die Sicherheitslage, hat sich insoweit stabilisiert, dass eine Rückkehr von Personen, die keine besonderen Beeinträchtigungen aufweisen und dort über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen, keine Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte (Schutz auf das Leben) zu befürchten haben. Die Provinz Dhi-Qar, dessen Hauptstadt Nasriyah ist, zählte im zweiten Quartal mit Stand 28.10.2020 insgesamt 58 sicherheitsrelevante Vorfälle - demgegenüber zählte Bagdad im selben Zeitraum 71 sicherheitsrelevante Vorfälle. Auch wenn es noch immer zu Anschlägen, sei es von IS oder Milizen, kommt und die Bevölkerung ihre Unzufriedenheit über die aktuelle politische und wirtschaftliche Situation über Demonstrationen zum Ausdruck bringt, kann daraus nicht von einem völligen Versagen der staatlichen Strukturen oder einer bürgerkriegsähnlichen Lage gesprochen werden. Vielmehr steht der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich Nasriyah, nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung und ist eine Rückkehr für einen gesunden und arbeitsfähigen Mann möglich.

Auf die Covid-19-Pandemie reagiert auch der Irak mit Ausgangssperren. Das irakische Gesundheitssystem gerät ebenfalls an seine Grenzen, ein völliger Zusammenbruch der medizinischen Versorgung kann den in den eingeholten Länderinformationen sowie einer aktuellen Abfrage im Internet aber nicht entnommen werden. Der Beschwerdeführer gehört keiner Covid-19-Risikogruppe an.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahmen vor der belangten Behörde am 24.08.2016 und 07.06.2017, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz des Beschwerdeführers. Darüber hinaus wurden insbesondere die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, seine Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.11.2020 sowie das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak, der EASO Informationsbericht über den Irak mit Stand Oktober 2020, die Erwägungen von UNHCR mit Stand Mai 2019 sowie die Kurzinformation der Staatendokumentation in Bezug auf Covid-19 zum Nahen Osten vom 14.08.2020 berücksichtigt. Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Datenbank der Sozialversicherungsträger sowie dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, seinem Familienstand, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seinem gesundheitlichen Zustand und seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Schulbildung und Berufserfahrung im Irak beruhen auf den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es war eine Negativfeststellung hinsichtlich seiner Religionszugehörigkeit zu treffen, weil der Beschwerdeführer zwar in seiner Erstbefragung am 12.07.2015 und in seinen beiden niederschriftlichen Einvernahmen am 24.08.2016 und 07.06.2017 jeweils zu Protokoll gab, schiitischer Moslem zu sein, wohingegen er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 10.11.2020 erstmals erklärte, dieses Faktum sei falsch protokolliert worden und er bekenne sich zu keiner Religion. Der Beschwerdeführer bestätigte die Richtigkeit sämtlicher bisheriger Einvernahmen im Anschluss an eine Rückübersetzung mit seiner Unterschrift, sodass seine Glaubenszugehörigkeit in letzter Konsequenz nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seiner Vorlage seines irakischen Reisepasses im Behördenverfahren fest und gründet die Feststellung zu seiner Unbescholtenheit auf dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellungen zu seiner Einreise nach Österreich sowie seinem Aufgriff am 11.07.2015 ergeben sich aus dem vorliegenden Behördenakt in Zusammenschau mit einem ZMR-Auszug.

Der Beschwerdeführer gab im gegenständlichen Verwaltungsverfahren gleichlautend an, aus XXXX zu stammen und anschließend nach Bagdad gezogen zu sein, sodass seinen diesbezüglich glaubhaften Ausführungen zu folgen war. Der derzeit fehlende Kontakt zu seinen im Irak aufhältigen Familienangehörigen ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung am 10.11.2020.

Ein etwaiges berücksichtigungswürdiges Familien- oder Privatleben in Österreich wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht, und es vermag weder eine mit 08.08.2016 datierte Unterstützungserklärung zweier ehrenamtlicher Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe noch die unbestimmte Angabe in der mündlichen Verhandlung, er habe 60 Freunde, eine gegenteilige Feststellung zu begründen.

Seine Aktivitäten in Österreich sind aus den vorgelegten Deutschkursbestätigungen datiert mit 02.03.2017 und 19.05.2017, sowie der mit 04.11.2020 datierten Bestätigung der Caritas ersichtlich. Der Beschwerdeführer legte außerdem eine alte Einstellungszusage datiert mit 07.05.2017 sowie ein Konvolut an Lichtbildern vor, woraus in einer Gesamtschau jedoch keine berücksichtigungswürdige Integration des Beschwerdeführers festgestellt werden konnte. Darüber hinaus legte der Beschwerdeführer keine Deutschprüfung ab, wobei der erkennende Richter sein Bemühen in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2020, sich in der deutschen Sprache auszudrücken, nicht verkennt.

Die Feststellungen zur mangelnden Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Österreich sowie zum Leistungserhalt der staatlichen Grundversorgung gründen auf einem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem sowie der Einsichtnahme in die Datenbank der Sozialversicherungsträger.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Im Rahmen seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe im Wesentlichen an, dass er aufgrund des Krieges im Irak geflohen sei. Er hab keine Arbeit finden können und aufgrund der Sicherheitslage jeden Tag Angst um sein Leben gehabt.

In der späteren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer zusammengefasst vorgebracht, dass er seit Mitte des Jahres 2007 im Geheimen eine Liebesbeziehung geführt habe. Nach einer traditionellen Verehelichung im März 2012 sei seine Freundin kurze Zeit später schwanger gewesen, woraufhin er von Familienmitgliedern seiner Frau bedroht und seine Frau getötet worden sei.

Im angefochtenen Bescheid kam die belangte Behörde zum Schluss, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei und dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer im Irak eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung musste sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde anschließen und deren Beweiswürdigung dahingehend zustimmen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers den genannten Anforderungen in folgenden Punkten nicht entsprach bzw. eine Asylrelevanz nicht zu begründen vermochte:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Ersteinvernahme hinsichtlich seines Fluchtgrundes lediglich die allgemeine Sicherheitslage im Irak sowie wirtschaftliche Gründe anführte. Erst im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme ergänzte und steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen um die Todesdrohung durch die Familie seiner damaligen Freundin und hielt seine diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aufrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. VwGH 14.6.2017, Ra 2017/18/0001). Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof insofern aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0546; 21.11.2019, Ra 2019/14/0429).

Dem erkennenden Gericht erschließt sich nicht, weshalb der Beschwerdeführer ein derart relevantes Ereignis – eine konkrete Todesdrohung gegen seine Person samt Tötung seiner Frau sowie seines ungeborenen Kindes - in der Erstbefragung vollkommen unerwähnt ließ. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber bei Antragstellung jedenfalls bemüht ist zur Untermauerung einer bestehenden Verfolgungsgefahr sämtliche gravierenden Vorfälle im Herkunftsstaat– wenn auch nur kurz umrissen – zur Sprache zu bringen. Sein Vorgehen begründete der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde zunächst damit, dass er in der Erstbefragung keine bestätigenden Dokumente gehabt hätte und diese erst fünfzehn Tage zuvor erhalten hätte. In seinen vorgelegten Dokumenten war jedoch kein Schriftstück enthalten, welches den Tod seine Frau bestätigte. Dem vorgelegten Hinrichtungsbefehl datiert vom 15.02.2013 (AS 309) war zudem die Glaubhaftigkeit abzusprechen, da jedenfalls nicht klar hervorgeht, weshalb der Beschwerdeführer diesen erst im laufenden Behördenverfahren vorlegte, obwohl er nach dessen Ausstellung noch über zwei Jahre im Irak aufhältig war und einen solchen Befehl wohl schon früher von seiner Familie erhalten hätte – schließlich habe damals noch ein aufrechter Kontakt bestanden und der Beschwerdeführer bei seinen Brüdern gelebt. In einem anderen übersetzten Dokument (AS 279) erklärte der Beschwerdeführer jedoch, er habe gedacht, er müsse wieder in den Irak, sofern er von seinem tatsächlichen Problem spreche. Die völlige Nichterwähnung dieses Sachverhaltes bei der ersten sich bietenden Möglichkeit sowie die unterschiedlichen Rechtfertigungen des Unterlassens begünstigen somit bereits eingangs die Annahme der mangelnden Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens.

Es ist jedoch weiters anzuführen, dass sich der Beschwerdeführer im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahmen bzw. vor dem erkennenden Gericht in Widersprüche verstrickte. So gab er in der Erstbefragung zu Protokoll, er sei ledig und steht dies diametral zu seinen späteren Fluchtbehauptungen. Außerdem erklärte er vor der belangten Behörde am 24.08.2016, er habe im März 2012 geheim geheiratet. In der niederschriftlichen Einvernahme am 07.06.2017 behauptete er jedoch, dass er sich an den Zeitpunkt seiner Hochzeit nicht mehr erinnern könne.

Die Annahme einer konstruierten Fluchtgeschichte manifestiert sich außerdem in dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht direkt nach dem gegenständlichen Vorfall aus dem Irak flüchtete. Stattdessen verbrachte er noch einige Tage in seiner Heimatstadt und lebte dann zunächst sieben Monate bei seinem Zwillingsbruder und anschließend eineinhalb Jahre bei seinem älteren Bruder (AS 327). Er habe anschließend einen Anruf von einem anderen Bruder erhalten, dass die Familie seiner Frau über seinen Aufenthaltsort Bescheid gewusst hätte. Woher die Familie seiner verstorbenen Frau über diese Information verfügte bzw. weshalb sein Bruder darüber Bescheid gewusst habe, wurde vom Beschwerdeführer nicht aufgeklärt. In dem vorgelegten Dokument des Beschwerdeführers (AS 279) erklärte er dahingehend, dass er aufgrund eines Geldmangels nicht sofort aus dem Irak ausreisen konnte und sein Bruder sein Auto verkaufen habe müssen. Dem steht allerdings entgegen, dass seine Familienangehörigen eine Zahlung von 100.000.000 irakischer Dinar an die Familie seiner Ehegattin getätigt hätten und der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung eine gute wirtschaftliche Lage seiner Familie behauptete. Eine finanzielle Notsituation in der Familie kann somit nicht erkannt werden - vielmehr erwähnte der Beschwerdeführer eine derartige Zahlung erst in der niederschriftlichen Befragung am 07.06.2017. Die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht wird in der Regel jedoch nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; dazu auch VwGH 19.10.2000, 98/20/0430). In diesem Zusammenhang ist es weiters nicht ersichtlich, weshalb dieses Geld lediglich zum Schutz seiner Eltern sein solle und nicht die gesamte Familie betreffe, schließlich leben auch noch zahlreiche Geschwister des Beschwerdeführers im Irak. Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Verfolgung mangelt es somit an der geforderten Aktualität und an gleichlautenden Angaben des Beschwerdeführers.

Abschließend ist bezüglich der Todesdrohung darauf hinzuweisen, dass selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich von Familienmitgliedern seiner verstorbenen Ehegattin verfolgt worden ist, die Asylrelevanz auszuschließen wäre. Hintergrund einer derartigen Drohung wäre jedenfalls keine Verfolgung von staatlicher Seite aus Gründen der Religion, Rasse, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Unter richtlinienkonformer Interpretation (d.h. in Hinblick auf Art. 6 der RL 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004) kann eine Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG von nichtstaatlichen Akteuren nur dann ausgehen, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, "erwiesenermaßen" nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Damit besteht für Sie ein erhöhtes Maß an erforderlichem Überzeugungsgrad der Behörde bzw. des Gerichts. Die bloße Glaubhaftmachung im Sinne des Art. 6 der RL 2004/83 EG ist demnach hier als Beweismaß nicht ausreichend, sondern es muss "erwiesen" sein, dass der Staat nicht schutzfähig oder -willig ist (vgl. dazu Asylgerichtshof 09.03.2009, E13 403.433-1/2008).

Aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde ergibt sich nicht, dass dieser auch nur ansatzweise den Versuch unternommen hat, sich unter den Schutz des Staates zu stellen. Eine mangelnde Schutzfähigkeit bzw. -willigkeit kann dem Staat Irak somit im konkreten Fall keinesfalls unterstellt werden und gab der Beschwerdeführer selbst vor der belangten Behörde zu Protokoll, seine zahlreichen Verwandten im Irak seien keiner direkten Verfolgung ausgesetzt. Die angeführte Bedrohung eines anderen Bruders, auf welchen geschossen worden sei, da er den Beschwerdeführer unterstützt und ihm Geld geschickt habe, wird als unglaubwürdig gewertet, schließlich erzählte der Beschwerdeführer den Vorfall ohne Angabe von Details oder näheren Informationen. Außerdem zeigt sich die mangelnde tatsächliche Verfolgungsgefahr durch die bestehende Möglichkeit des Beschwerdeführers einige Zeit weiter im Irak zu leben und schließlich legal auszureisen.

Auch ist für das Bundesverwaltungsgericht angesichts des fehlenden Meldewesens im Irak nicht ersichtlich, weshalb es dem gesunden Beschwerdeführer nicht möglich und zumutbar sein sollte, sich einer angeblichen Verfolgung durch die innerstaatliche Flucht zu entziehen. Es ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, wie die Familie seiner Frau den Beschwerdeführer in einer Millionenstadt im Irak ausfindig machen könnten, schließlich war es ihm bereits einige Zeit nach der eigentlichen Bedrohung möglich, weiter im Irak zu leben. Seinem diesbezüglichen Vorbringen, der Stamm seiner verstorbenen Frau sei groß, wird jedoch nicht gefolgt, schließlich führte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren eine Verfolgung durch die direkte Familie seiner Frau, und nicht durch etwaige andere Stammesmitglieder an.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen einer Übersetzung zugeführt wurden und es sich wohl um Protokolle in einem Strafverfahren gegen seinen Bruder handelt. Eine behördliche Verfolgung des Beschwerdeführers wurde damit jedoch nicht belegt. Darüber hinaus wird die Herkunft dieser Unterlagen als fragwürdig erachtet, einerseits aufgrund der langen Dauer der Übermittlung und andererseits aufgrund des Hinweises des Dolmetschers, dass teils zahlreiche Wiederholungen und Schreibfehler in einem handschriftlichen Schreiben enthalten waren. Zudem gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst an, dieses Verfahren habe nichts mit seiner Flucht zu tun.

Zusammengefasst schließt sich daher das Bundesverwaltungsgericht den tragenden Erwägungen der belangen Behörde an, sodass die Feststellung der mangelnden Asylrelevanz zu treffen war. Der Beschwerdeführer konnte im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründende Furcht glaubhaft machen. Es ergibt sich somit für das Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer bei der Rückkehr in den Irak nicht der Gefahr einer individuellen Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Irak samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht vom 17.03.2020 stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Des Weiteren stützt sich das erkennende Gericht auf den EASO Informationsbericht über die Sicherheitslage im Irak mit Stand Oktober 2020, die Erwägungen von UNHCR mit Stand Mai 2019 sowie in Bezug auf Covid-19 die Kurzinformation der Staatendokumentation zum Nahen Osten vom 14.08.2020.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der dort angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Das aktuelle Länderinformationsblatt wurde dem Beschwerdeführer vorab der mündlichen Verhandlung übermittelt und wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit dem Beschwerdeführer sowie seiner Rechtsvertretung der Inhalt der Länderinformationen erörtert. Weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung wurde dem Inhalt und den Kernaussagen der Länderberichte sowie deren Quellen substantiiert entgegengetreten, sodass an der Richtigkeit und am Zutreffen der Länderfeststellungen keine Zweifel bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

I. Abweisung der Beschwerde:

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung bereits ausführlich dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl in einer Gesamtschau nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2020, Ra 2020/14/0368).

Wie bereits dargelegt wurde, droht dem Beschwerdeführer im Irak keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer hat im Irak elf Jahre lang die Schule besucht, eine Ausbildung zum Maler absolviert und kann eine Berufserfahrung vorweisen. Überdies ist aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes sowie seiner Arbeitsfähigkeit davon auszugehen, dass er durch die Aufnahme einer Beschäftigung (erneut) in der Lage sein wird, einen wenn auch nur bescheidenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Darüber hinaus hat er nach wie vor zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte im Irak, sodass er zumindest direkt nach seiner Rückkehr auf Unterstützung seiner Kernfamilie zurückgreifen können wird.

Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation im Irak bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde im Irak keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände. Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung in den Irak nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, zumal die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können.

Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für den Irak, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III., erster Satz des angefochtenen Bescheides):

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

3.4.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Satz des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Nachdem der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen war, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt.

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Einreise (spätestens) am 12.07.2015 bereits über fünf Jahre in Österreich aufhältig. Die Aufenthaltsdauer für sich stellt allerdings lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289). Allerdings nimmt das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422).

Der seit Juli 2015 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt jedoch nicht, dass das vorliegende Asylverfahren eine nicht zu unterschätzende Dauer erreichte, dessen Verzögerungen nicht dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind. Trotzdem war sich der Beschwerdeführer zumindest bereits seit der erstmaligen Abweisung seines Asylantrages mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.09.2016 – sohin rund ein Jahr und zwei Monate nach seiner Einreise –seines unsicheren Aufenthaltes bewusst; ein allfälliges Privat- und Familienleben, das erst nach der Abweisung seines Asylantrages entstanden ist, verliert dadurch deutlich an Gewicht.

Der Beschwerdeführer verfügt nach eigenen Angaben über keine familiären Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet und behauptete auch kein außerordentliches Privatleben. Dass ein solches in Österreich grundsätzlich gegeben ist, ergibt sich bereits zweifelsohne aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich, selbst wenn er das Vorliegen von besonders berücksichtigungswürdigen Freundschaften bislang nicht glaubhaft machen konnte. Trotzdem wird das Gewicht seiner privaten Interessen dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war.

Des Weiteren ist im gegenständlichen Fall die Integration des Beschwerdeführers zu beurteilen, wobei miteinzufließen hat, ob und inwieweit der Beschwerdeführer die in Österreich verbrachte Zeit genutzt hat um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Ausgeprägte private und persönliche Interessen oder besondere integrative Schritte, welche über seine ehrenamtlichen Tätigkeiten hinausgehen, hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan. Es ist in der Gesamtschau davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers ein nur geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Insbesondere hat der Beschwerdeführer bislang keine Deutschprüfung positiv abgelegt. Es kann somit keine besondere sprachliche Integration und aufgrund der fehlenden Erwerbstätigkeit auch keine berufliche Integration angenommen werden. Auch wenn die integrativen Bemühungen des Beschwerdeführers für sich genommen die Unzulässigkeit der Ausweisung nicht bewirken konnten, bilden sie dennoch positive Aspekte seines Privatlebens, die als solches zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind.

Hinsichtlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dies nach der Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen darstellt (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), da es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

Demgegenüber verfügt der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, über sprachliche und kulturelle Verbindungen sowie familiäre Anknüpfungspunkte.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008), schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Aufgrund der durchgeführten Interessenabwägung kann die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

3.5.    Zur Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak (Spruchpunkt III., dritter Satz des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 25.09.2019, Ra 2019/19/0399; u.a.).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

3.6.    Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige "besondere Umstände" wurden vom Beschwerdeführer nicht ins Treffen geführt und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

gesteigertes Vorbringen Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mangelnde Asylrelevanz non refoulement öffentliche Interessen Pandemie Privat- und Familienleben private Verfolgung Rückkehrentscheidung Selbsterhaltungsfähigkeit soziale Verhältnisse wirtschaftliche Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2136482.2.01

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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