TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 I421 2237331-1

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
NAG §53a Abs1

Spruch

I421 2237331-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ungarn, vertreten durch RA Mag. Laszlo SZABO, Claudiaplatz 2, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schreiben vom 07.02.2020 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) seitens des Landesgerichtes XXXX darüber informiert, dass über den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) mit selbigem Tag die Untersuchungshaft verhängt worden sei.

2.       Dem BF wurde daraufhin seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 10.02.2020 mitgeteilt, dass beabsichtig werde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wobei ihm eine 14-tägige Frist ab Zustellung des Schreibens zur Abgabe einer Stellungnahme (Parteiengehör) gewährt wurde. Dieses Schreiben wurde vom BF am 11.02.2020 in der Justizanstalt persönlich übernommen, eine Stellungnahme langte nicht ein.

3.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit selbigem Tag, wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG zu einer unbedingt verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.

4.       Am 03.09.2020 wurde der BF vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

5.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , Zl. XXXX wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot für die Dauer von acht Jahren erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

6.       Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine Rechtsvertretung mit E-Mail vom 23.11.2020, beim BFA eingelangt am selbigen Tag, rechtzeitig vollumfänglich Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass weder das Aufenthaltsverbot noch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gerechtfertigt sei, zumal der BF aufgrund seines aktuellen Verbüßens seiner Freiheitsstrafe gar keine aktuelle Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könne. Aus demselben Grunde sei auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung und die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes verfehlt. Strafgerichtliche Verurteilungen dürften bei EU-Bürgern ausdrücklich nicht für die Begründung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen herangezogen werden. Außer der Verurteilung liege nichts vor, was eine zur Aufenthaltsbeendigung erforderliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit indizieren würde, zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig lange.

7.       Mit Schriftsatz vom 27.11.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 30.11.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige, geschiedene BF ist ungarischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht. Er ist Vater eines Kindes.

Seit 07.10.2015 ist der BF durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet melderechtlich erfasst. Zuvor war der BF in den Zeiträumen vom 01.07.2013 bis 16.10.2013, vom 01.01.2014 bis 20.10.2014 und vom 18.12.2014 bis 07.10.2015 mit Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet. Ab dem 19.02.2014 verfügte der BF über eine unbefristete Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer). Seit 06.02.2020 ist der BF in der Justizanstalt XXXX aufhältig.

Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, ist jedoch selbst cannabissüchtig. In Ungarn schloss der BF das Gymnasium mit Matura ab, bevor er im Anschluss eine Ausbildung zum Zahntechniker absolvierte. Der BF ist arbeitsfähig und ging auch seit dem 21.05.2012 im Bundesgebiet regelmäßig Erwerbstätigkeiten nach, wobei er zwischenzeitig immer wieder für kurze Zeiträume Arbeitslosengeld bezogen hat. Zuletzt war der BF im Zeitraum vom 17.07.2017 bis zum 18.02.2020 als Arbeiter sozialversicherungsrechtlich gemeldet, wobei er bis zu seiner Inhaftierung ein Einkommen in Höhe von EUR 1.550,-- erzielte. Der BF hat Schulden in Höhe von ca. EUR 18.000.

In Österreich lebt die Ex-Frau des BF sowie dessen gemeinsamer Sohn, beide ebenfalls ungarische Staatsangehörige. Seit 29.10.2018 ist der BF mit seiner Ex-Frau und dem gemeinsamen Sohn nicht mehr an derselben Wohnadresse melderechtlich erfasst. Einmal im Monat besucht die Ex-Frau den BF, jedoch ohne den Sohn, mit welchem der BF ausschließlich telefonischen Kontakt pflegt. In Ungarn leben die Eltern des BF sowie dessen Geschwister bzw. Halbgeschwister, auch zu diesen steht der BF in Kontakt. Zudem leben in Ungarn noch Bekannte des BF, auch im Bundesgebiet verfügt er über soziale Kontakte. Der BF spricht Ungarisch auf Muttersprachniveau, zudem weiters gut Deutsch.

Der Strafregisterauszug der Republik Österreich weist zur Person des BF eine Verurteilung auf:

01) LG XXXX XXXX vom XXXX RK XXXX

§§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG

§§ 28a (1) 2. Fall, 28a (1) 3. Fall SMG

§§ 28a (1) 5. Fall, 28a (4) Z 3 SMG

Datum der (letzten) Tat 05.02.2020

Freiheitsstrafe 3 Jahre

Dabei wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , für schuldig befunden, zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum Mai 2018 bis zur Festnahme am 05.02.2020 in XXXX , XXXX , XXXX und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift A) ausschließlich für den eigenen Gebrauch erworben und besessen zu haben, und zwar durch den Erwerb einer Menge von rund 300 Gramm Amphetamin in mehreren Teilhandlungen vom abgesondert verfolgten XXXX und einer Menge ca. 350 Gramm THC-haltiges Cannabiskraut vom abgesondert verfolgten XXXX und deren Besitz bis zum eigenen Konsum; B) in einer die Grenzmenge (§28b SMG) übersteigenden Menge eingeführt sowie anderen überlassen zu haben, wobei er die Tat zu Punkt B.2. in Bezug auf Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge beging, und zwar 1. durch die Ausfuhr einer Gesamtmenge von ca. 2.000 Gramm THC-haltigem Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt an Delta-9-THC von zumindest 0,55% (11 Gramm reines Delta-9-THC entsprechend 0,55 Grenzmengen) und einem solchen an THCA von zumindest 7,2% (144 Gramm reines THCA entsprechend 3,6 Grenzmengen) aus Ungarn und deren Einfuhr in mehreren Teilhandlungen über die Grenzübergang XXXX nach Österreich; 2. Durch die Überlassung einer Menge von ca. 2.700 Gramm Amphetamin mit einem gerichtsnotorisch unterdurchschnittlichen Reinsubstanzgehalt von 10% (270 Gramm reines Amphetamin entsprechend 27 Grenzmengen) und einer Teilmenge der zu Punkt B.1. genannten Suchtgiftqualität im Umfang von zumindest 1.650 Gramm THC-haltigem Cannabiskraut mit einem Reinsubstanzgehalt an Delta-9-THC von zumindest 0,55% (9,07 Gramm reines Delta-9-THC entsprechend 0,45 Grenzmengen) und einem solchen an THCA von zumindest 7,2% (118,8 Gramm reines THCA entsprechend 2,97 Grenzmengen) in zahllosen Teilhandlungen an die abgesondert verfolgten XXXX (500 Gramm Amphetamin und 300 Gramm Cannabiskraut), XXXX (300 Gramm Amphetamin und 200 Gramm Cannabiskraut), XXXX (400 Gramm Amphetamin und zumindest 200 Gramm Cannabiskraut), XXXX (500 Gramm Amphetamin und 200 Gramm Cannabiskraut), XXXX (500 Gramm Amphetamin und zumindest 150 Gramm Cannabiskraut), XXXX (500 Gramm Amphetamin und 100 Gramm Cannabiskraut), XXXX (100 Gramm Cannabiskraut), XXXX (zumindest 200 Gramm Cannabiskraut) und XXXX (200 Gramm Cannabiskraut). Der Angeklagte hat hiedurch begangen zu A) die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG, zu B) 1. das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und zu B) 2. das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, weswegen er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren verurteilt wurde. Mildernd wurde die Unbescholtenheit, die Gewöhnung an Suchtmittel sowie das vollinhaltlich reumütige Geständnis gewertet, erschwerend hingegen das Zusammentreffen von einem Verbrechen und zwei Vergehen sowie der lange Tatzeitraum.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Zum Sachverhalt:

Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem unbestrittenen Akteninhalt sowie den Angaben des BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde und in der Beschwerde. Ergänzend dazu wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Zentralen Fremdenregister (IZR) sowie ein Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF eingeholt.

Da der belangten Behörde der Original-Reisepass des BF, XXXX , vorgelegt wurde, steht dessen Identität, das Geburtsdatum sowie die Staatsangehörigkeit eindeutig fest (AS 167 ff). Hinsichtlich des Familienstandes hat der BF vor der belangten Behörde glaubhaft vorgebracht, geschieden zu sein und mit seiner Ex-Frau einen gemeinsamen Sohn zu haben (Protokoll vom 03.09.2020, AS 90), wobei auch die von ihm angeführten Personalien zu entsprechenden korrespondierenden Suchergebnissen im Zentralen Melderegister führten.

Hinsichtlich der melderechtlichen Erfassung samt Aufenthalt des BF in der Justizanstalt XXXX gilt es, auf den Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF zu verweisen. Aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister konnte entnommen werden, dass der BF ab dem 19.02.2014 über eine unbefristete Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer) verfügte.

Die Feststellung zum Nichtvorliegen lebensbedrohlicher Erkrankungen konnte aufgrund der Ausführungen des BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde getroffen werden, in dessen Rahmen er ausgeführt hat, gesund zu sein und weder ärztliche noch medikamentöse Behandlung zu benötigen (Protokoll vom 03.09.2020, AS 89). Die Feststellung zur Cannabissucht des BF konnte dem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX entnommen werden (AS 81). Hinsichtlich der Schul- und Ausbildung des BF ist auf die glaubhaften Ausführungen des BF vor der belangten Behörde zu verweisen (Protokoll vom 03.09.2020, AS 89), welche auch in den Entscheidungsgründen des Urteils des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX ihre Deckung finden (AS 79). Zumal der BF bis zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung für die Dauer von knapp zweieinhalb Jahren durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachzugehen vermochte, war die Feststellung hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des BF zu treffen, welche auch durch dessen Haftfähigkeit indiziert wird und der BF zudem auch entsprechend seinen eigenen glaubhaften Ausführungen in der Küche der Justizanstalt als Koch eingesetzt wird (Protokoll vom 03.09.2020, AS 91). Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit samt kurzzeitigen Arbeitslosengeldbezügen im Bundesgebiet basieren auf einem Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des BF, die Feststellungen zum Einkommen wurden dem Strafurteil entnommen (AS 79). Vor der belangten Behörde gab der BF selber zu Protokoll, verschuldet zu sein (Protokoll vom 03.09.2020, AS 91). Die entsprechende Schuldenhöhe basiert auf den Entscheidungsgründen des Strafurteils (AS 79).

Der BF führte vor der belangten Behörde glaubhaft aus, dass seine Ex-Frau sowie der gemeinsame Sohn im Bundesgebiet leben würden (Protokoll vom 03.09.2020, AS 90), was auch in den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister zur Person der Ex-Frau und des Sohnes seine Deckung findet, aus welchen einerseits auch die ungarische Staatsangehörigkeit der beiden hervorgeht, andererseits auch, dass der BF und seine Ex-Frau samt Sohn seit 29.10.2018 nicht mehr an derselben Wohnadresse gemeldet sind. Auch der Umstand, dass die Ex-Frau den BF einmal im Monat ohne den gemeinsamen Sohn besucht, zu welchen der BF entsprechend eigenen Angaben ausschließlich in telefonischem Kontakt steht, stellt sich für den erkennenden Richter als glaubhaft dar (Protokoll vom 03.09.2020, AS 90). Hinsichtlich der in Ungarn lebenden Eltern und Geschwister bzw. Halbgeschwister samt Kontakt zu denselben gilt es, ebenso auf die Ausführungen des BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme zu verweisen, zudem hinsichtlich der Bekannten in Ungarn (Protokoll vom 03.09.2020, AS 90). Der Umstand, dass der BF im Bundesgebiet über soziale Kontakte verfügt, ergibt sich aus den glaubhaften Ausführungen des BF (Protokoll vom 03.09.2020, AS 92) und ist in Anbetracht der Aufenthaltsdauer des BF in Österreich nachvollziehbar. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde konnte festgestellt werden, dass der BF gut Deutsch spricht (Protokoll vom 03.09.2020, AS 91), die Feststellung zu den Kenntnissen in der ungarischen Sprache auf Muttersprachniveau basieren auf den eigenen Ausführungen des BF (Protokoll vom 03.09.2020, AS 89).

Die strafrechtliche Verurteilung des BF gründet auf einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich. Hinsichtlich der Gründe der Verurteilung samt Milderungs- und Erschwernisgründe wird auf die Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom XXXX verwiesen (AS 73 ff).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 8 FPG gilt als EWR-Bürger ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Aufgrund der ungarischen Staatsangehörigkeit ist der BF EWR-Bürger und folglich Fremder iSd. soeben angeführten Bestimmungen.

Zu Spruchteil A):

3.1.    Zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1   Rechtslage

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF lautet:

§ 67 (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) […]

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs 4 aufgehoben durch Art 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

§ 53a (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

[…]

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet wie folgt:

§ 66 (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Da der BF die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 Jahren iSd. § 53a NAG erfüllt, zumal dieser seit 18.12.2014 im Bundesgebiet durchgehend aufhältig und melderechtlich erfasst ist, kommt für ihn der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135; VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228, VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181), nämlich, dass sein Aufenthalt eine „schwerwiegende“ Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, zur Anwendung.

Nach der Rechtsprechung ist bei der Beurteilung, ob der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, im jeweiligen Einzelfall eine Gefährdungsprognose erforderlich, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist. Bei dieser Einzelfallprüfung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und in Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar (vgl. VwGH 07.10.2020, Ra 2019/20/0358). Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.

Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Bei der nach § 67 Abs 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen können (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305) (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367).

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX zu XXXX vom XXXX , rechtskräftig seit XXXX , wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.

Gerade Suchtgiftdelinquenz stellt – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014), zumal die Grundinteressen der Gesellschaft durch ein derartiges Verhalten gravierend beeinträchtigt werden.

Im Strafurteil wird dabei deutlich, dass der BF über einen langen Tatzeitraum, nämlich zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Mai 2018 bis zur Festnahme am 05.02.2020, dem Verkauf von Suchtmitteln nachgegangen ist. Neben dem Umstand, dass der BF dadurch ein nicht unbeachtliches Einkommen zusätzlich zu seiner eigentlichen, legalen Erwerbstätigkeit lukrieren konnte, lässt sich auch darauf schließen, dass der BF – wäre keine Festnahme erfolgt – wohl sein Handeln weiter fortgesetzt hätte. Das Verhalten des BF lässt auch insbesondere darauf schließen, dass er dazu neigt, seiner finanziellen Situation bzw. der Begleichung seiner Schulden durch die Vornahme von strafbaren Handlungen zu begegnen. Obgleich nicht verkannt wird, dass der BF auch selber cannabissüchtig ist, zeigt er mit diesem Verhalten ein Persönlichkeitsbild, welches von einer hohen kriminellen Energie geprägt ist. Trotz des Wissens, dass der Verkauf von Suchtmittel eine große Gefahr für eine größere Anzahl von Menschen darstellt, hat er diesen fortgesetzt und negative körperliche und seelische Folgen der Drogenkonsumenten über eine lange Zeit hinweg in Kauf genommen hat. Wenngleich der BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme ausgeführt hat, er könne (künftig) mehrere Jobs annehmen, um seine Schulden zu begleichen, so gilt es festzuhalten, dass dem BF diese legale Möglichkeit bereits schon zum Zeitpunkt, zu dem sich der BF dazu entschieden hat, in Zusammenhang mit Suchtmitteldelinquenz ein strafrechtlich relevantes Verhalten zu setzten, zur Verfügung gestanden wäre, er sich dessen ungeachtet jedoch für einen nicht legalen Weg entschieden hat. Ein Gesinnungswandel des BF kann dadurch nicht erblickt werden und ist gegenwärtig in Anbetracht der eigenen Cannabisabhängigkeit des BF auch zu befürchten, dass er sich in Freiheit wieder zu entsprechenden strafrechtlich relevanten Handlungen hinreisen lässt.

Ohnedies gilt es hinsichtlich des Gesinnungswandels eines Straftäters festzuhalten, dass ein solcher grundsätzlich erst – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – daran gemessen werden kann, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. B 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014) (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276). Das Beschwerdevorbringen, wonach der BF aufgrund dessen, dass er aktuell seine Freiheitsstrafe verbüße, keine aktuelle Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, geht damit jedenfalls ins Leere. Zudem bedürfe es grundsätzlich im Fall von strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel auch den Abschluss einer Therapie sowie eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens, um einen Wegfall der Gefährdung annehmen zu können (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014). Da sich der BF noch für längere Zeit in Haft befindet, ist auf dieser Grundlage gegenwärtig keinesfalls von einem Gesinnungswandel auszugehen und eine positive Zukunftsprognose zum derzeitigen Zeitpunkt auszuschließen.

Im Verhalten des BF ist damit jedenfalls eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu erblicken, welche ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, selbst unter Miteinbeziehung der Milderungsgründe (Unbescholtenheit, Gewöhnung an Suchtmittel, vollinhaltlich reumütiges Geständnis), wobei es auch die Erschwernisgründe zu berücksichtigen gilt (Zusammentreffen von einem Verbrechen und zwei Vergehen, langer Tatzeitraum). Die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots maßgebliche Gefährdungsannahme in Zusammenschau mit dem Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs 1 letzter Satz FPG ist sohin erfüllt.

Weitere Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist, dass ein damit verbundener Eingriff in das Familien- und Privatleben verhältnismäßig sein muss und es eine Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmen gilt.

Zu berücksichtigen gilt es, dass sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet als rechtmäßig gestaltet hat, er mittlerweile etwa sechs Jahre fast durchgehend in Österreich melderechtlich erfasst und er knapp weniger als acht Jahre – mit kurzzeitigen Unterbrechungen – im Bundesgebiet Erwerbstätigkeiten nachgegangen, somit eine berufliche Integration erfolgt ist. Nicht verkannt wird auch, dass der BF in Zusammenhang mit seinen Deutschkenntnissen ein gutes Niveau erreicht hat. Zweifelsohne leben im Bundesgebiet die Ex-Frau sowie der gemeinsame Sohn des BF, zudem verfügt der BF auch über sonstige soziale Kontakte.

Da das Aufenthaltsverbot somit einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF darstellt, gilt es nun abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Aufenthaltsbeendigung unter Berücksichtigung des Gefährdungsmaßstabes des § 66 Abs 1 letzter Satz FPG schwerer wiegt, als sein gegenläufiges persönliches Interesse. Zugunsten des BF gilt es, den rechtmäßigen Aufenthalt, die berufliche Integration sowie das Erlernen der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Hinsichtlich seines Familien- und Privatlebens gilt es festzuhalten, dass zwar der Sohn und die Ex-Frau des BF im Bundesgebiet leben, jedoch seit zumindest 29.10.2018 kein gemeinsames Zusammenleben mehr gegeben ist. Zwar versteht sich der BF noch mit seiner Ex-Frau, was sich auch aus den monatlichen Besuchen ergibt, eine Partnerschaft zwischen den beiden besteht jedoch nicht. Wenn der BF als Grund, weshalb er darum kämpfe, dass er kein Aufenthaltsverbot bekomme, seinen in Österreich lebenden Sohn anführt, so darf nicht verkannt werden, dass die Bindung zu seinem Sohn den BF nicht davon abzuhalten vermochte, im Bundesgebiet über einen langen Tatzeitraum hinweg strafrechtlich relevantes Verhalten in Zusammenhang mit Suchtmitteldelinquenz zu setzen. Berücksichtigenswert erscheint es auch, dass aufgrund dessen infolge der Inhaftierung des BF die Beziehung zum Sohn erhebliche Einbußen erfahren hat, zumal gegenwärtig ausschließlich telefonischer Kontakt besteht, jedoch keine Besuche erfolgen. Auch der Umstand, dass der BF die genaue Wohnadresse des Sohnes und der Ex-Frau vor der belangten Behörde nicht zu nennen vermochte, obgleich deren Umzug im Oktober 2018 erfolgt ist, spricht wenig für eine ausgeprägte Intensität der Beziehung. Hinsichtlich der sonstigen sozialen Kontakte ist auszuführen, dass solche, selbst wenn sie – ob der Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet unstrittig – objektiv vorhanden und für den BF subjektiv von Bedeutung sind, nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben und Familienleben im Sinne der EMRK, insbesondere in Bezug auf die erforderliche Intensität, entsprechen.

Dem Privat- und Familienleben des BF steht hingegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftdelinquenz gegenüber. Der erkennende Richter erachtet gegenständlich aufgrund der oben angeführten Erwägungen den Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF als gerechtfertigt und grundsätzlich verhältnismäßig. Der belangten Behörde ist damit im Ergebnis zuzustimmen, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die persönlichen Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt.

In Ungarn hat der BF auch Bezugspersonen in Form seiner Eltern und Geschwister bzw. Halbgeschwister, zudem spricht er Ungarisch auf Muttersprachniveau. Er wird daher nicht auf unüberwindliche Probleme stoßen und wird es ihm auch gelingen, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Lebensunterhalt zu sichern und die Begleichung seiner Schulden voranzutreiben.

Für den BF besteht weiters auch die Möglichkeit, den Kontakt zu seinen in Österreich lebenden Privatkontakten mittels moderne Kommunikationsmittel (Internet, Telefon) – wie er es bereits jetzt mit seinem Sohn aus dem Stande seiner Strafhaft handhabt – und durch wechselseitige Besuche außerhalb Österreichs aufrecht zu erhalten.

Was die gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, bewegt sich diese innerhalb des dem der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Rahmens, welcher nach § 67 Abs 2 FPG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer bis zu höchstens 10 Jahren als zulässig erachtet. Wenn in der Beschwerde hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes vorgebracht wird, dass diese unverhältnismäßig lange sei, so gilt es diesbezüglich festzuhalten, dass angesichts des bis zu 15-jährigen Strafrahmens „nur“ eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren ausgesprochen wurde. Es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass diese Freiheitsstrafe – trotz Unbescholtenheit des BF – unbedingt verhängt wurde.

Zumal es sich jedoch um die erste strafgerichtliche Verurteilung handelt, das Schöffengericht den zur Verfügung stehenden Strafrahmen „nur“ zu einem Fünftel ausschöpfte und der BF auch familiäre- bzw. private Bindungen, insbesondere in der Person seines Sohnes, aufweist, ist die Dauer des Aufenthaltsverbots auf ein dem Fehlverhalten entsprechendes Maß zu reduzieren. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftat unter Berücksichtigung der konkreten Strafzumessungsgründe ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem rechtskonformen Verhalten zu veranlassen.

Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids war somit auf fünf Jahre herabzusetzen.

Während dieser Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots wird es dem BF möglich sein, seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines Rückfalls zu untermauern, gegebenenfalls auch seine Cannabisabhängigkeit zu bewältigen. Diese Dauer ist ausreichend, aber auch notwendig, um eine nachhaltige Änderung seines Verhaltens und seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten zu bewirken.

3.2.    Zum Nichterteilen eines Durchsetzungsaufschubs und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Dafür genügt es nicht, auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat. Dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich gewesen sind. Dies gilt sinngemäß auch für die unter den (im Wesentlichen) inhaltsgleichen Voraussetzungen gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG 2014 mögliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot. Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FrPolG 2005 hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung des Fremden schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – erforderlich ist (VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat, erweist sich die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich, dies aufgrund des an den Tag gelegten Gesamtverhaltens des BF, welches eine massive Beeinträchtigung der Grundinteressen erkennen lässt. Vor dem Hintergrund, dass die Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht, stehen der beantragten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen (vgl. VwGH 01.04.2019, Ra 2018/19/0643). In Zusammenschau mit dem persönlichen Verhalten des BF, der dadurch gezeigten hohen kriminellen Energie sowie der Inkaufnahme der großen Gefahr für eine größere Anzahl von Menschen und der Inkaufnahme negativer körperlicher und seelischer Folgen der Drogenkonsumenten sowie in Anbetracht auch der eigenen Cannabisabhängigkeit erscheint daher seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist vor diesem Hintergrund korrekturbedürftig, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Zwar kommt bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände, jedoch ist daraus noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht zwingend geboten. Vielmehr ist eine Beschwerdeverhandlung nur dann durchzuführen, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Dabei steht die Regelung des § 21 Abs 7 BFA-VG auch mit Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) im Einklang (VwGH 04.12.2017, Ra 2017/19/0316).

Gegenständlich wurde der maßgebende Sachverhalt seitens der belangten Behörde abschließend ermittelt. Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu der vom BF in Österreich begangenen strafbaren Handlungen und zu seinem Familien- und Privatleben im Bundesgebiet, blieben unbestritten. Tatsächlich blieben alle im angefochtenen Bescheid getroffenen diesbezüglichen Feststellungen unbestritten und beschränkte sich das Beschwerdevorbringen im Wesentlichen unsubstantiiert darauf, dass aufgrund des aktuellen Verbüßens der Haftstrafe der BF keine aktuelle Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle und außer der strafgerichtlichen Verurteilung nichts vorliege, was eine zur Aufenthaltsbeendigung erforderliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit indizieren würde. Unter diesen Umständen hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck zu keinem anderen Ergebnis geführt. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002). Der Vollständigkeit halber gilt es noch anzuführen, dass im Beschwerdevorbringen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde.

Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall EWR-Bürger Gefährdungsprognose Herabsetzung Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben Resozialisierung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchtmitteldelikt Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2237331.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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