Index
32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen des EStG 1998 betreffend die unterschiedlichen Abzinsungssätze für Abfertigungs-, Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen mit einem Rechnungszinsfuß iHv 6% im Vergleich zum Zinssatz für langfristige Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten iHv 3,5%; höherer Rechnungszinsfuß für die dem Sozialkapital zuzurechnenden Jubiläumsgeldrückstellungen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des GesetzgebersRechtssatz
Abweisung der - zulässigen - Hauptanträge des Bundesfinanzgerichts (BFG) auf Aufhebung des §14 Abs6 Z6 und der Wortfolgen ", des Abs. 6 Z 6" in § 14 Abs12 EStG 1988, jeweils idF BGBl I 24/2007 und ", wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen" in §9 Abs1 Z3 EStG 1988 idF BGBl I 71/2003 sowie §9 Abs5 EStG 1988 idF BGBl I 13/2014. Durch die Aufhebung der Z6 in §14 Abs6 EStG 1988 würde für die Bildung von Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen die Abzinsung mit einem Rechnungszinsfuß von 6% beseitigt. Durch die Aufhebung des §9 Abs5 EStG 1988 würde ferner bewirkt, dass die Bewertung von Jubiläumsgeldrückstellungen, Pensionsrückstellungen und anderen langfristigen Rückstellungen nach vergleichbaren Grundsätzen vorzunehmen wäre.
Die mit BGBl I 142/2000 iHv 20% vorgesehene pauschale Abwertung von Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten und in weiterer Folge die mit BGBl I 13/2014 angeordnete Abzinsung mit 3,5% hat der Gesetzgeber gemäß §9 Abs5 EStG 1988 für Rückstellungen iSd Abs1 Z3 angeordnet, und somit nicht für solche Rückstellungen für Abfertigungen, Pensionen und Jubiläumsgelder, die gemäß Abs2 leg cit nach §14 EStG 1988 zu bilden sind.
Eine solche Differenzierung verletzt den Gleichheitssatz schon deshalb nicht, weil es dem Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes freisteht, die Steuer- und Zinseffekte für sachverhaltsmäßig unterschiedliche Gruppen von langfristigen Rückstellungen je nach Einschätzung der Erheblichkeit der Beeinträchtigung von Rückstellungsbildungen für das laufende Steueraufkommen unterschiedlich zu behandeln:
Das Abzinsungsgebot für langfristige Rückstellungen bringt zum Ausdruck, dass - unabhängig davon, ob einer Verpflichtung eine Ungewissheit anhaftet - eine später zu erfüllende Verpflichtung weniger belastend ist als eine zu einem früheren Zeitpunkt zu erfüllende Verpflichtung. Durch die Abzinsung wird die Abzugsfähigkeit des betreffenden Aufwandes nicht verhindert, sondern - sofern die späteren Ausgaben mit dem geschätzten Rückstellungsbetrag übereinstimmen - lediglich in das Jahr der Ausgabe verschoben.
In diesem Zusammenhang übersieht das antragstellende Gericht, dass der Abzinsungssatz im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht nur die Zinseffekte bei der Bewertung zukünftiger Ausgaben berücksichtigt, sondern auch die aus der Rückstellungsbildung resultierende Beeinträchtigung für das laufende Steueraufkommen.
Demgemäß hat der VfGH im Erkenntnis VfSlg 8457/1978 ausgesprochen, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung für künftige Pensionsverpflichtungen ungeachtet einer unternehmensrechtlichen Passivierungspflicht freisteht, derartige künftige Verpflichtungen nicht oder nur teilweise als Betriebsausgaben anzuerkennen und eine Art Mischsystem vorzusehen, in dem ein Teil der Aufwendungen nicht im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt steuerlich anerkannt wird. Dabei erkannte der VfGH eine Regelung als sachgerecht, die - durch Anordnung eines Abzinsungssatzes von 8% und einer Begrenzung mit 80% der Pensionszusage - darauf abzielte, die Abzugsfähigkeit zeitlich vorgezogener Aufwendungen, die das jeweilige Unternehmen erst nach Jahrzehnten tatsächlich belasten, auf Grund der nicht unerheblichen Beeinträchtigung des laufenden Steueraufkommens einzuschränken und auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Dem Gesetzgeber kann daher aber nicht entgegengetreten werden, wenn er vor dem Hintergrund eines in Geltung stehenden - mit Blick auf VfSlg 8457/1978 nicht unsachlich erscheinenden - Abzinsungssatzes für Sozialkapital iHv 6% mit BGBl I 28/1999 für Jubiläumsgeldrückstellungen denselben Rechnungszinsfuß vorgesehen hat und damit zum Ausdruck bringt, dass er die Zins- und Steuereffekte der langfristigen, ebenfalls dem Sozialkapital zuzurechnenden Jubiläumsgeldrückstellungen vergleichbar zu jenen von Pensionsrückstellungen einschätzt. Die unterschiedlichen Zielsetzungen dieser Rückstellungen stehen einer solchen Gleichsetzung nicht entgegen, geht es doch bei der Bildung von Pensionsrückstellungen wie auch von Jubiläumsgeldrückstellungen darum, jenen Aufwand zu ermitteln, der insoweit durch die vor Bilanzstichtag liegenden Zeiträume wirtschaftlich verursacht ist, als sie auf den von Arbeitnehmern bis zu diesem Stichtag erbrachten Leistungen beruhen.
Wenn der Gesetzgeber in weiterer Folge für langfristige Rückstellungen außerhalb des Sozialkapitals zunächst mit BGBl I 142/2000 einen pauschalen Abschlag von 20% und mit BGBl I 13/2014 anstelle des Abschlags eine Abzinsung von 3,5% vorsieht, ergibt sich entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts für den Gesetzgeber keine Verpflichtung, den für Sozialkapital vorgesehenen Rechnungszinsfuß auf 3,5% zu reduzieren. Die Differenz bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes den Effekt von Sozialkapitalrückstellungen auf das laufende Steueraufkommen offensichtlich höher einschätzt als jenen von sonstigen langfristigen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Der Gesetzgeber schließt hiebei den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag nicht von der steuerlichen Wirksamkeit aus, sondern verschiebt die Abzugsfähigkeit insoweit lediglich auf einen späteren Zeitpunkt. Es ist für den VfGH daher nicht zu erkennen, dass eine solche unterschiedliche Behandlung unsachlich wäre.
(Vergleiche auch E v 27.11.2020, G 8/2020 ua: Abweisung der Anträge auf Aufhebung Aufhebung der Wortfolgen "sowie Rückstellungen für Jubiläumsgelder" in §9 Abs2 EStG 1988 idF BGBl I 28/1999 und ", wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen" in §9 Abs1 Z3 EStG 1988 idF BGBl I 71/2003 sowie §14 Abs12 EStG 1988 idF BGBl I 28/1999; sowie E v 27.11.2020 G 323/2020 ua: Abweisung der Anträge auf Aufhebung des §14 Abs6 Z6 EStG 1988 idF BGBl 400, die Wortfolgen ", des Abs6 Z6" in §14 Abs12 EStG 1988 jeweils idF BGBl I 24/2007 und ", wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen" in §9 Abs1 Z3 EStG 1988 idF BGBl I 71/2003 sowie gegen §9 Abs5 EStG 1988 idF BGBl I 13/2014).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rückstellungen (Einkommensteuer), Rechtspolitik, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / GerichtsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:G173.2020Zuletzt aktualisiert am
06.04.2022