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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §138 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des mj. K S in W, vertreten durch die Mutter B S in W, diese vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 7. November 1996, Zl. MA 61/III-S 14/96, betreffend Feststellung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mutter des Beschwerdeführers, eine thailändische Staatsangehörige, hat am 31. März 1988 den österreichischen Staatsbürger A S geheiratet. Der Beschwerdeführer ist am 4. März 1994 geboren. Am 25. Jänner 1995 wurde für ihn aufgrund der gemäß § 138 Abs. 1 ABGB vermuteten ehelichen Abstammung ein Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt. Mit dem seit 1. September 1995 rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 11. Juli 1995, AZ. 1 C 129/95 g, wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht der Ehe seiner Mutter mit A S entstammt. Am 22. September 1995 hat ein anderer österreichischer Staatsbürger die Vaterschaft zum Beschwerdeführer anerkannt.
Nachdem die belangte Behörde den Beschwerdeführer aufgefordert hatte, seinen Staatsbürgerschaftsnachweis abzuliefern, beantragte dieser am 12. April 1996 die Feststellung, daß er nach wie vor österreichischer Staatsbürger sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesen Antrag abgewiesen und von Amts wegen festgestellt, daß der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft weder durch Abstammung gemäß § 7 Abs. 1 oder Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) noch auf andere Art erworben hat und somit nicht österreichischer Staatsbürger ist.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß durch das Ehelichkeitsbestreitungsurteil feststehe, daß der Beschwerdeführer ein uneheliches Kind sei. Als solches hätte er gemäß § 7 Abs. 3 StbG die Staatsbürgerschaft nur dann mit der Geburt erworben, wenn seine Mutter in diesem Zeitpunkt österreichische Staatsbürgerin gewesen wäre, was jedoch nicht der Fall sei.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, daß in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft gemäß § 42 Abs. 3 StbG ein Feststellungsbescheid vom Amts wegen erlassen werden kann, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht. Das öffentliche Interesse an der amtswegigen Feststellung ergibt sich im vorliegenden Fall schon aus dem Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob eine bestimmte Person Staatsangehöriger ist oder nicht. Ebenso hat der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse daran, zu wissen, ob er österreichischer Staatsbürger ist, und somit an der von ihm begehrten Feststellung seiner Staatsbürgerschaft.
Gemäß § 7 Abs. 1 lit. a StbG erwerben eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist. Gemäß dem Abs. 3 dieser Bestimmung erwerben uneheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn ihre Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist.
Gemäß § 138 Abs. 1 ABGB wird vermutet, daß ein Kind, das nach der Eheschließung und vor Ablauf des dreihundertzweiten Tages nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe seiner Mutter geboren wird, ehelich ist. Diese Vermutung kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden, mit der festgestellt wird, daß das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt.
Das Urteil, mit dem einer Klage auf Bestreitung der ehelichen Geburt stattgegeben wird, beseitigt die Rechtsvermutung der Ehelichkeit mit allseitiger Wirkung ex tunc (Fasching, Lehrbuch des österreischischen Zivilprozeßrechts, Wien 1984, RZ. 2368 ff; SZ. 34/24). Im vorliegenden Fall wurde somit durch das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus, mit dem festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer nicht der Ehe seiner Mutter mit A S entstammt, die
gesetzliche Vermutung der Ehelichkeit des Beschwerdeführers widerlegt und bindend klargestellt, daß der Beschwerdeführer unehelich geboren ist. Aufgrund der unehelichen Geburt des Beschwerdeführer konnte dieser nicht gemäß § 7 Abs. 1 StbG mit der Geburt die Staatsbürgerschaft seines Vaters erwerben. Er hat die österreichische Staatsbürgerschaft auch nicht gemäß § 7 Abs. 3 StbG mit der Geburt erworben, weil seine Mutter keine Österreicherin ist. Der Beschwerdeführer, der die österreichische Staatsbürgerschaft unbestritten auch nicht auf andere Weise erworben hat, galt lediglich von seiner Geburt bis zur Rechtskraft des Bestreitungsurteiles aufgrund der auch für die Staatsbürgerschaftsbehörden bindenden Vermutung der Ehelichkeit als Person, der die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 7 Abs. 1 StbG zukommt, weshalb für ihn auch ein Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt wurde. Da diese Vermutung durch das Bestreitungsurteil widerlegt wurde, hat er die Staatsbürgerschaft rückwirkend verloren und ist nunmehr so zu behandeln, als hätte er sie nie besessen.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Verlust der Staatsbürgerschaft sei in § 26 StbG abschließend geregelt, ist zu entgegnen, daß eine erschöpfende Aufzählung der Verlusttatbestände in dieser Bestimmung zwar den Intentionen des Gesetzgebers entspricht (875 Blg. NR. 10 GP, Seite 4), aber nicht völlig verwirklicht wurde. Diese Bestimmung berücksichtigt insbesondere nur Fälle, in denen der Verlust ex nunc eintritt, trifft aber keine Regelungen für den zurückwirkenden Verlust. Dieser tritt etwa bei der nachträglichen Aufhebung eines Verleihungsbescheides (Wiederaufnahme, Aufhebung durch einen Gerichtshof des öffentlichen Rechts) oder - wie vorliegend - beim ex tunc wirkenden Wegfall einer für den Erwerb ex lege erforderlichen Voraussetzung ein (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft Band II, Seite 295).
Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer müßte im Fall, daß er nicht österreichischer Staatsbürger sei, nach seinem Personalstatut einen anderen Familiennamen tragen, ist zu entgegnen, daß aus der - allenfalls nicht rechtmäßigen - Führung eines bestimmten Familiennamens einer Person nicht auf deren Staatsbürgerschaft geschlossen werden kann.
Da den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kein Anspruch darauf zusteht, daß der Verwaltungsgerichtshof einen Antrag im Sinne des Art. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof stellt (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 152 angeführte
hg. Judikatur), wird der "Antrag", der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof beantragen, das Wort "Eheliche" in § 7 Abs. 1 StbG und den gesamten § 7 Abs. 3 leg. cit als verfassungswidrig aufzuheben, als entsprechende Anregung verstanden. Da die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden, wird dieser Anregung jedoch nicht nähergetreten.
Nach herrschender Ansicht kann aus dem Gleichheitssatz kein Verbot schlechthin jeglicher Ungleichbehandlung abgeleitet werden, sondern nur ein Verbot der unsachlichen Differenzierung. Auch eine unterschiedliche Behandlung aus den im Art. 7 Abs. 1 B-VG aufgezählten Gründen wird als zulässig angesehen, wenn es dafür eine sachliche Rechtfertigung gibt (vgl. für viele Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, RZ 1347 ff). Die Regelung, wonach es für den Erwerb der Staatsbürgerschaft mit der Geburt bei einem ehelichen Kind genügt, wenn ein Elternteil die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, während es bei einem unehelichen Kind nur auf die Staatsbürgerschaft der Mutter ankommt, findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, daß im Geburtszeitpunkt wohl - aufgrund der Vermutung des § 138 Abs. 1 ABGB - der eheliche, im Regelfall jedoch noch nicht der uneheliche Vater, welcher gemäß § 163b ABGB durch Urteil oder Anerkenntnis festgestellt wird, feststeht. Es ist zwar richtig, daß § 7 Abs. 1 StbG auch in Fällen gilt, in denen - ausnahmsweise - dem unehelichen Vater die Obsorge zukommt, doch besteht in derartigen Fällen gemäß § 12 lit. d StbG iVm § 17 Abs. 1 Z. 3 leg. cit ein Rechtsanspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Es sei auch darauf hingewiesen, daß der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen den hier angefochtenen Bescheid gerichteten Beschwerde abgelehnt hat.
Da sich somit die Feststellung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer nicht österreichischer Staatsbürger sei, als frei von Rechtsirrtum erweist, war die unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996011170.X00Im RIS seit
07.06.2001Zuletzt aktualisiert am
15.01.2013