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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des V in T, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995, Zl. 4.331.461/10-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Nigerias, der am 4. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 6. Februar 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 28. Mai 1992, mit dem festgestellt worden war, daß er die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 17. Februar 1992 zu seinen Fluchtgründen angegeben, er habe in seiner Heimat keiner politischen oder religiösen Gruppierung angehört. In seiner Heimat Nigeria sei es in letzter Zeit immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen gekommen. Er sei überzeugter Christ und stamme aus Benin City. Im November 1991 habe in Kano ein religiöses Treffen stattgefunden, zu dem aus allen Teilen des Landes Menschen gekommen seien. Er sei auch anwesend gewesen. Während des Treffens seien die Versammelten von Moslems angegriffen und belästigt worden. Diese seien bewaffnet gewesen, hätten Kirchen zerstört und mehrere Christen getötet. Er selbst habe Glück gehabt, er habe dieser Aktion entkommen und nach Benin City zurückgelangen können. Zu seiner Überraschung sei aber bereits dort bekannt geworden, daß er an der Veranstaltung in Kano beteiligt gewesen sei. Er sei daher am 29. November 1991 von der Polizei zu Hause festgenommen worden. Er sei ins Gefängnis gekommen und habe dort 10 Tage bleiben müssen. Die moslemischen Beamten hätten gedroht, ihn umzubringen, falls er weiter Christ bleibe. Er sei im Gefängnis aber nicht mißhandelt worden. Nach einer Intervention seines Rechtsanwaltes sei er gegen Kaution freigelassen worden. Die Höhe der Kaution sei ihm nicht bekannt. Er sei nach Hause gefahren; in der selben Nacht hätten Moslems versucht, ihn zu töten. Daher habe er beschlossen, zu flüchten. Bei einer eventuellen Rückkehr erwarte ihn mit Sicherheit Gefängnis oder die Todesstrafe, da er u.a. eine Führungspersönlichkeit gewesen sei.
Die Behörde erster Instanz gelangte zur Auffassung, daß der Beschwerdeführer keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen gehabt habe, weshalb sie ohne näheres Eingehen auf die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Fluchtgründe formularmäßig feststellte, daß er nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers, in der er keinen von seiner erstinstanzlichen Vernehmung abweichenden Sachverhalt geltend machte, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 17. März 1993 abgewiesen. Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/0129-6, den Bescheid des Bundesministers für Inneres auf, weil die belangte Behörde zu Unrecht von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 ausgegangen war.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, in welchem sie in Befolgung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes das Asylgesetz (1968) anwendete. Die belangte Behörde begründete ihre Ansicht, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention damit, daß den Konflikten in Nigeria in der Regel Unterschiede ethnischer Natur zugrundelägen, die mit der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Glaubensgemeinschaften verknüpft seien. Der Befürchtung des Beschwerdeführers, auf Grund seiner christlichen Konfession einer religiösen Verfolgung in Nigeria ausgesetzt zu sein, hielt die belangte Behörde entgegen, dies sei kein Umstand, der einen Asylanspruch begründen könne, zumal es in Nigeria keine Staatsreligion gebe. Christen würden in Nigeria auf Grund der Ausübung ihres Glaubens grundsätzlich nicht verfolgt. Sollte es tatsächlich zu einer Bedrohung des Beschwerdeführers seitens Angehöriger des islamischen Glaubens gekommen sei, könne dies nicht als asylbegründende mittelbare staatliche Verfolgung gewertet werden, da dies lediglich Übergriffe von Einzelpersonen seien, die sich nicht als politisch, religiös oder ethnisch motivierte, vom Staat initiierte oder geduldete Verfolgungshandlungen darstellten. Die Verfolgung müsse entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes des Asylwerbers ausgehen oder der betreffende Staat müsse nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. Es könnten auch nur solche Maßnahmen des Staates oder der ihm zurechenbaren Organe als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention gewertet werden, die aus einem der dort genannten Gründe erfolgten und ein bestimmtes Ausmaß an Intensität und Qualität überschritten. Die angebliche Ermordung von christlichen Glaubensbrüdern rechtfertige eine Asylgewährung an den Beschwerdeführer nicht, da in einem Verfahren nur solche Umstände berücksichtigt werden könnten, die eine Person unmittelbar beträfen, Ereignisse gegen andere Personen daher nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken könnten. Der Behauptung des Einschreitens der Polizei anläßlich der Auseinandersetzungen in Kano und der in diesem Zusammenhang erfolgten Inhaftierung des Beschwerdeführers in der Dauer von 10 Tagen hielt die belangte Behörde entgegen, die Polizei greife in Nigeria wie anderswo dann ein, wenn es im Rahmen von Veranstaltungen oder aus sonstigen Anlässen zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen oder zu sonstigen Ausschreitungen komme. Dabei schreite die Polizei ohne Ansehen der Person oder deren politische oder religiöse Einstellung deshalb ein, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, er sei in der Haft von moslemischen Beamten mit dem Tod bedroht worden, falls er weiterhin Christ bliebe, führte die belangte Behörde aus, diese Drohung sei insofern asylrechtlich unbeachtlich, als sie nicht dem Heimatstaat des Beschwerdeführers zurechenbar sei, es sich dabei vielmehr um eine von den betreffenden Beamten als Privatpersonen unabhängig von deren Stellung als staatliche Organwalter gesetzte Aktivität handle. Daß es sich um keine staatliche Bedrohung gehandelt habe, zeige schon die Tatsache, daß der Beschwerdeführer bereits 10 Tage nach der Festnahme gegen Kaution entlassen worden sei, ohne daß er etwa dem christlichen Glauben hätte abschwören müssen. Überhaupt sei es in höchstem Maße unwahrscheinlich, daß ihm von staatlicher Seite Todesstrafe drohe, da man ihn in diesem Fall angesichts der bei einer derartigen Strafandrohung enorm hohen Fluchtgefahr wohl kaum gegen Kaution freigelassen hätte. Gegen ein subjektives Schutzbedürfnis spreche auch, daß der Beschwerdeführer mit seinem echten, auf sein Nationale ausgestellten Reisepaß sich der staatlichen Grenzkontrolle im Rahmen der legalen Ausreise aus Nigeria unterzogen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat bereits zutreffend zitiert, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine asylrelevante Verfolgung entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes des Asylwerbers ausgehen oder der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt sein müsse, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. Der Beschwerdeführer hat aber bei Schilderung seiner Fluchtgründe einen Zusammenhang zwischen der von moslemischen Beamten ausgehenden, ihn persönlich treffenden Bedrohung mit dem Tode einerseits und der - auf mangelnden Willen oder mangelnde Möglichkeit zurückzuführenden - Untätigkeit des Heimatstaates des Beschwerdeführers andererseits nicht in ausreichendem Maße hergestellt.
Insbesonders hat der Beschwerdeführer, der in der Haft nicht mißhandelt und in der Folge gegen Kaution freigelassen wurde, nicht behauptet, die von seinen Gefängniswärtern geäußerten Morddrohungen stünden in unmittelbarem faktischen und/oder persönlichem Zusammenhang mit dem seiner Rückkehr in seinen Heimatort folgenden Mordanschlag durch unbekannte Täter. In diesem Falle kann die belangte Behörde aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, der auf den Beschwerdeführer verübte Anschlag sei das Werk Einzelner, dem nicht die Qualifikation einer staatlichen, d.h. vom Staat ausgehenden, gebilligten oder geduldeten Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention zukommt.
An dieser Beurteilung ändert auch nichts, daß das ebenfalls von der belangten Behörde herangezogene Argument, von einem asylrechtlich relevanten Schutzbedürfnis seinem Heimatstaat gegenüber könne im Hinblick auf die legale Ausreise des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden, vom Verwaltungsgerichtshof in vergleichbaren Fällen bereits als nicht stichhältig erkannt wurde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995010632.X00Im RIS seit
20.11.2000