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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung über die für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung vornehmlich bei einem Rechtsanwalt oder bei Gericht; keine denkunmögliche oder willkürliche Annahme der Erforderlichkeit der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt als RechtsanwaltsanwärterSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Schreiben vom 15. Februar 1994 stellte Rechtsanwalt Dr. W G H den Antrag, seinem Mitarbeiter Dr. W Z - dem Beschwerdeführer - den Zeitraum vom 17. Mai 1993 bis 27. September 1993, in welchem der Genannte bei ihm rechtsberuflich tätig, aber irrtümlich nicht als Rechtsanwaltsanwärter bei der Rechtsanwaltskammer angemeldet war, sodaß er erst ab 28. September 1993 - dem Tag der nachgeholten Anmeldung - in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen wurde, für die Zeit seiner praktischen Verwendung im Sinne des §2 Abs1 RAO anzurechnen.
1.2. Mit Beschluß vom 17. Mai 1994 wurde dieses Ersuchen von der Abteilung II des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien abgewiesen.
1.3. Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Beschluß vom 12. Juli 1994 keine Folge gegeben.
1.4. Gegen diesen Bescheid erhob Dr. W G H sowohl im eigenen Namen als auch namens des Beschwerdeführers Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK). Mit Bescheid vom 16. Dezember 1994 wurde die Berufung Dris. W G H zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer für Dr. W G H als Rechtsanwaltsanwärter nicht mehr tätig war, und der Berufung des Beschwerdeführers Dr. W Z keine Folge gegeben. Die OBDK begründete den Bescheid im wesentlichen wie folgt:
"Mangels Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter besaß Dr. Z während dieses Zeitraums auch keine Legitimationsurkunde, was zwangsläufig zur Folge hatte, daß der Genannte sich nicht nur gegenüber Klienten, sondern insbesondere auch nicht gegenüber Gerichten oder Behörden auf eine solche berufen konnte und ersichtlich, wäre doch andernfalls das Fehlen sogleich aufgefallen, während dieses Zeitraums den Rechtsanwalt nach außen nie vertreten hat, somit nicht 'rechtsberuflich' tätig gewesen ist.
Die Anrechnung einer anderen als der bei einem Rechtsanwalt als Rechtsanwaltsanwärter (oder bei Gericht) absolvierten praktischen Verwendung sieht das Gesetz nur in den Fällen einer Alternativ- oder Ersatzpraxis iSd §2 Abs1 zweiter Halbsatz RAO vor. Diese Fälle sind dort taxativ aufgezählt; keiner dieser Fälle trifft auf Dr. Z für die Zeit vom 17. Mai 1993 bis zum 26. September 1993 zu."
1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbstätigkeit und der Berufsausbildung sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
2.1. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor:
"... Durch ihre Interpretation des §30 Abs1 RAO kommt sie (gemeint: die OBDK) nämlich zu dem sachlich nicht begründbaren Ergebnis, daß eine hauptberufliche Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt auch nicht als sekundäre Verwendungszeit anrechenbar sein soll, wenn sie nachweisbar für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich war. Damit wird im Ergebnis eine Tätigkeit, die sich zwar - wegen Fehlens der notwendigen Legitimationsurkunde - nicht vor Gerichten oder Behörden abgespielt hat, ansonsten aber zweifellos viel 'anwaltsnäher' war als die Tätigkeit bei einem Wirtschaftsprüfer oder Notar, von der Anrechenbarkeit als auch nur sekundäre Verwendungszeit ausgenommen. Dieses Ergebnis ist offenkundig unsachlich.
...
Hätte die Behörde nicht willkürlich jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen, dann wäre zutage getreten, daß ich im fraglichen Zeitraum mit der Erstellung von Rechtsgutachten, dem Entwurf von Verträgen und Gesellschaftsgründungen zwar intensiv juristisch tätig war, aber ein Auftreten vor Gericht oder Behörden eben zufälligerweise nicht notwendig wurde.
Es ist jedenfalls reine Willkür, wenn die belangte Behörde annimmt, das Fehlen einer Legitimationsurkunde sei ein Beweis dafür, daß ich im fraglichen Zeitraum nicht 'rechtsberuflich' tätig gewesen sei.
...
Es ist sicherlich zuzugeben, daß ein öffentliches Interesse an einer qualifizierten Ausbildung der Anwaltschaft besteht. Der Gesetzgeber handelt aber dann unsachlich und überschießend, wenn er Tätigkeiten, die nachweisbar dem Erwerb einer erforderlichen Praxis dienen, von der Anrechnung in die erforderliche Verwendungszeit ausschließt.
Sofern sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen nachweislich bestehen, ist der Gesetzgeber verhalten, diese kraft Art18 StGG auch anzuerkennen.
...
Art18 StGG schützt auch die Freiheit Jedermanns, sich für den gewählten Beruf auszubilden, wo er will. Damit ist das Recht verbürgt, die Ausbildung an jeder in Betracht kommenden Ausbildungsstätte zu absolvieren, insbesondere auch im Ausland.
§2 Abs3 RAO, der die rechtsberufliche Tätigkeit bei einem ausländischen Rechtsanwalt für auf die praktische Verwendungszeit des Rechtsanwaltsanwärters anwendbar erklärt, verstößt damit gegen Art18 StGG, wenn seine Konsequenz ist, daß eine gleichartige Tätigkeit bei einem inländischen Rechtsanwalt nicht als Ausbildungszeit herangezogen werden kann."
2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich diesen Ausführungen nicht anzuschließen:
2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte bislang gegen §2 Abs1 RAO keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 12337/1990, 12670/1991 und 13560/1993) und sieht sich auch durch das Beschwerdevorbringen nicht veranlaßt, in eine Prüfung der genannten Rechtsvorschrift einzutreten.
2.2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften - der Verfassungsgerichtshof hegt auch gegen §30 Abs1 RAO keine verfassungsrechtlichen Bedenken - kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 13560/1993) nur vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat; eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und der Berufsausbildung läge diesfalls nur vor, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Der Verfassungsgerichtshof kann der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht, daß unter dem Gesetzesbegriff "praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt" in §2 Abs1 RAO nur die Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter verstanden werden kann, der in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter eingetragen ist, weder zufolge Denkunmöglichkeit oder Willkür der Gesetzesauslegung noch deshalb entgegentreten, weil dadurch dem Gesetz ein gegen Art6 oder Art18 StGG verstoßender Inhalt unterstellt würde.
Aber auch die Anrechnung im Sinne einer anderen als der bei einem Rechtsanwalt als Rechtsanwaltsanwärter absolvierten praktischen Verwendung als Fall einer Alternativ- oder Ersatzpraxis im Sinne des §2 Abs1 zweiter Halbsatz RAO ist nicht unvertretbar verneint worden.
Die Auslegung der belangten Behörde unterstellt der Norm auch keinen verfassungswidrigen Inhalt. Ob das Gesetz richtig angewandt wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen (vgl. zB VfSlg. 8309/1978, 10565/1985, 12697/1991 und 13606/1993).
2.3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte Ausbildung, Berufsrecht Rechtsanwälte, Erwerbsausübungsfreiheit, Berufswahl- und BerufsausbildungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B912.1995Dokumentnummer
JFT_10049074_95B00912_00