TE OGH 2020/12/15 14Os47/20y

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Veröffentlicht am 15.12.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2020 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Nikolic in der Strafsache gegen ***** D***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten D*****, ***** G***** und E***** M***** gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 24. Juli 2019, GZ 21 Hv 65/19f-275, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden, teils aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A/I/1, A/II/1/a, A/II/2, A/IV, B/I, B/II (soweit sich dieser auf B/I/1 bezieht), C/I/1, C/II (soweit sich dieser auf C/I/1/b bezieht), D/I und D/II (soweit sich dieser auf D/I/2 bezieht) sowie in der Subsumtion der von C/II und D/II erfassten Taten (auch) nach § 307 Abs 2 erster Fall StGB, weiters in den zu § 302 Abs 1 StGB gebildeten Subsumtionseinheiten, demgemäß auch in sämtlichen Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) sowie der G***** betreffende Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO und der Beschluss nach § 265 Abs 1 StPO hinsichtlich Ed***** M***** aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihren die aufgehobenen Teile des Urteils betreffenden Rechtsmitteln werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden zurückgewiesen.

Den Angeklagten D*****, G***** und E***** M***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier relevant – ***** D***** (richtig:) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A/I und E), mehrerer Verbrechen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (A/II/2), mehrerer Vergehen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 StGB (A/II/1 und 2) sowie jeweils eines Vergehens der Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB (A/III) und der Vorteilsannahme zur Beeinflussung nach § 306 Abs 1 StGB (A/IV), ***** G***** (zu B/I [teils iVm § 15 StGB]), Ed***** M***** (zu C/I [teils iVm § 15 StGB]) und E***** M***** (zu D/I) jeweils eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und mehrerer Vergehen der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB (B/II, C/II und D/II), die beiden Letztgenannten auch mehrerer Verbrechen der Bestechung nach § 307 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (C/II und D/II), Ed***** M***** schließlich auch eines Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (C/III) schuldig erkannt.

[2]            Danach haben in V*****

***** D*****

A/I/ als Polizeibeamter seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dadurch

1/ die Staaten Österreich (a und bb) und Schweiz (ba und bc) an deren Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, und zwar

a/ des G*****, indem er am 14. Oktober 2018 über dessen Ersuchen in der zentralen Datenanwendung des BM.I dienstlich nicht gerechtfertigte Abfragen dahingehend tätigte, ob gegen G***** ein Haftbefehl und ein Waffenverbot bestehe, „und ihm das Ergebnis dieser Abfragen mitteilte“;

b/ des Ed***** M*****, indem er

ba/ am 3. Februar 2018 unter dem falschen Vorwand, die Polizeiinspektion F***** kontrolliere den Genannten, eine dienstlich nicht gerechtfertigte Anfrage an das Polizeikooperationszentrum Österreich-Schweiz-Liechtenstein richtete, „und das Ergebnis dieser Anfrage Ed***** M***** mitteilte“;

bb/ es nach dem 3. Februar 2018 unterließ, die zuständige Polizeidienststelle in Wien und das Landesgericht F***** wegen bestehender Ausschreibungen des Ed***** M***** im SIS und im EKIS über dessen – ihm zuvor vom Polizeikooperationszentrum mitgeteilten (ba) – Wohnort in Wien in Kenntnis zu setzen;

bc/ im September 2018 unter dem falschen Vorwand einer dienstlichen Rechtfertigung bei der Kantonspolizei S***** anrief und sich über den Stand des in der Schweiz anhängigen Strafverfahrens gegen Ed***** M***** wegen Körperverletzung an A***** De***** erkundigte und „das Ergebnis dieser Anfrage Ed***** M***** mitteilte“;

2/ folgende Personen an deren Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu schädigen, indem er „deren Daten“ in verschiedenen (im angefochtenen Urteil [bloß] unter Verwendung von Abkürzungen einzeln angeführten) Datenbanken der zentralen Datenanwendung des BM.I ohne dienstliche Rechtfertigung ermittelte, und zwar

a/ am 21. Juni, 9. und 14. August 2018 ***** Dr*****, „wobei er das Ergebnis dieser Abfrage nicht weitergab“;

b/ am 9. und am 10. Juni 2018 ***** R*****, „wobei er das Ergebnis an Ed***** M***** weitergab“;

c/ am 21. September 2018 ***** T*****, „wobei er das Ergebnis an Ed***** M***** weitergab“;

II/ als Polizeibeamter, mithin als Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für sich

1/ von G***** sich versprechen lassen, und zwar jeweils einen (der Höhe nach nicht festgestellten) Bargeldbetrag

a/ am 2. November 2018 für die zu B/I/1 beschriebene, letztlich nicht ausgeführte Handlung;

b/ am 14. November 2018 für die zu A/I/1/a beschriebene Handlung;

2/ von Ed***** M***** gefordert sowie von diesem und E***** M***** angenommen, „und zwar insgesamt rund EUR 13.000,00 (CHF 15.000,00) in Teilbeträgen für die unter A./I./1./b./ beschriebenen strafbaren Handlungen, wobei er die Tat teilweise in Bezug auf einen EUR 3.000,00 übersteigenden Wert des Vorteils beging“;

III/ am 8. Mai 2018 einen anderen, nämlich V***** De*****, der das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, mithin eine mit Strafe bedrohte Handlung, begangen hatte, (zu ergänzen [US 20]) absichtlich der Verfolgung durch das Landesgericht Feldkirch ganz oder zum Teil zu entziehen versucht, indem er dem Belastungszeugen ***** S***** mit Nachdruck nahelegte, sich im gegen V***** De***** geführten Verfahren dieses Landesgerichts im Rahmen der Hauptverhandlung „der Aussage zu entschlagen“;

IV/ als Polizeibeamter, mithin als Amtsträger, mit dem Vorsatz, sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, für sich einen Vorteil, nämlich 5.000 Euro, gefordert (US 23) und einen ungebührlichen Vorteil, nämlich 1.000 Euro, angenommen „und sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger im Zusammenhang mit dem Aufenthaltstitel des ***** B***** in Österreich verwendet“;

E/ als Polizeibeamter mit dem Vorsatz, dadurch ***** Gu***** an deren Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG) „und den Staat in dessen konkreten Rechten auf Einhebung der gesetzlich vorgesehenen Gebühr für die Erteilung einer Auskunft über den/die Zulassungsbesitzer/in in der Höhe von 14,30 EUR für das Ansuchen und einem Euro für die Auskunftserteilung sowie in dessen Vermögen“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er am 23. Oktober 2018 in der zentralen Zulassungsevidenz (vgl § 47 Abs 4 KFG) Daten von Gu***** nach Bekanntgabe eines Kfz-Kennzeichens ohne dienstliche Notwendigkeit ermittelte, „das Ergebnis dieser Abfrage ***** H***** mitteilte und die gesetzlich vorgesehene Gebühr weder einhob noch abführte“ (vgl aber 17 Os 18/14x und 14 Os 76/18k);

B/ G*****

I/ D*****, mithin einen Beamten, wissentlich zu bestimmen versucht (1) oder dazu bestimmt (2), seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, und zwar

1/ mit dem Vorsatz, dadurch eine unbekannt gebliebene Person an deren Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu schädigen, indem er D***** am 2. November 2018 ersuchte, „Amtshandlungen zum Verbleib dieser Person ohne dienstliche Rechtfertigung und ohne entsprechenden Auftrag durchzuführen“;

2/ mit dem Vorsatz, dadurch den Bund an dessen Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, indem er D***** am 14. November 2018 um die zu A/I/1/a beschriebene Handlung ersuchte;

II/ D*****, mithin einem Amtsträger, für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich für die zu I/1 und 2 beschriebenen Handlungen, jeweils einen Vorteil (nicht festgestellten Wertes) angeboten und versprochen;

C/ Ed***** M*****

I/ D*****, mithin einen Beamten, wissentlich bestimmt (1 sowie 2/b und c) oder zu bestimmen versucht (2/a), seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, und zwar

1/ 2018 „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit seiner Ehegattin E***** M*****“, wobei er mit dem Vorsatz handelte, dadurch die Staaten Österreich (b) und Schweiz (a und c) an deren Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, indem er und seine Frau D***** baten, „sich als Polizeibeamter für Ed***** M***** einzusetzen und für ihn tätig zu werden“ und damit sinngemäß um Vornahme nachstehender Handlungen ersuchten, nämlich

a/ der zu A/I/1/b/ba beschriebenen;

b/ der zu A/I/1/b/bb beschriebenen;

c/ der zu A/I/1/b/bc beschriebenen;

2/ mit dem Vorsatz, dadurch die abgefragten Personen an deren Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG) zu schädigen, indem er D***** um Abfrage polizeiinterner Informationen in verschiedenen Datenbanken der zentralen Datenanwendung des BM.I durch nachstehende Handlungen ersuchte, und zwar

a/ am 25. Oktober 2017 betreffend ***** L*****;

b/ am 9. und am 10. Juni 2018 betreffend ***** R***** (vgl A/I/2/b);

c/ am 21. September 2018 betreffend ***** T***** (vgl A/I/2/c);

II/ D*****, mithin einem Amtsträger, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit seiner Frau E***** M***** für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften, nämlich „für die unter Punkt C./I./1./ beschriebenen Straftaten, im Jahr 2018 rund EUR 13.000,00 (CHF 15.000,00) in mehreren Teilbeträgen gewährt, wobei er die Tat teilweise in Bezug auf einen EUR 3.000,00 übersteigenden Wert des Vorteils beging“;

III/ D***** am 29. September 2018 durch die per Whatsapp-Sprachnachricht wiederholt getätigte Äußerung, er werde ihn töten, mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

D/ E***** M*****

I/ D*****, mithin einen Beamten, „im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ihrem Ehegatten Ed***** M*****“ wissentlich bestimmt, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, dadurch die Staaten Österreich (2) und Schweiz (1 und 3) an deren Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, indem sie und ihr Mann D***** baten, „sich als Polizeibeamter für Ed***** M***** einzusetzen und für ihn tätig zu werden“ und damit sinngemäß um Vornahme nachstehender Handlungen ersuchten, nämlich

1/ der zu A/I/1/b/ba beschriebenen;

2/ der zu A/I/1/b/bb beschriebenen;

3/ der zu A/I/1/b/bc beschriebenen;

II/ D*****, mithin einem Amtsträger, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit ihrem Mann Ed***** M***** für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften, nämlich „für die unter Punkt D./I./ beschriebenen Straftaten, im Jahr 2018 rund EUR 13.000,00 (CHF 15.000,00) in mehreren Teilbeträgen gewährt, wobei sie die Tat teilweise in Bezug auf einen EUR 3.000,00 übersteigenden Wert des Vorteils beging“.

Rechtliche Beurteilung

[3]            Dagegen richten sich von den Angeklagten ***** D***** aus Z 4, 5, 5a und 9 (lit) a, ***** G***** aus Z 5, 9 lit a und b sowie 10 und E***** M***** aus Z 5 und 5a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden, die teilweise berechtigt sind.

[4]       Zum berechtigten Teil der Nichtigkeitsbeschwerden und zu den amtswegigen Maßnahmen:

[5]            Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich, dass das angefochtene Urteil mehrfach Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufweist, die teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden, teils (mangels Geltendmachung) aus deren Anlass von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen waren.

[6]            Liegt einem (Polizei-)Beamten zur Last, Daten in für die dienstliche Aufgabenerfüllung eingerichteten (elektronischen) Datenbanken abgefragt und das Ergebnis jemandem mitgeteilt zu haben, ist unter dem Aspekt von Missbrauch der Amtsgewalt zwischen der Beschaffung von (amtsgeheimen) Informationen und deren Weitergabe zu unterscheiden: Das Ermitteln der Daten erfüllt das Tatbild (zum Begriff vgl Fuchs/Zerbes AT I10 10/48), wenn der Beamte – wie hier – ohne dienstliche Rechtfertigung handelt und solcherart seine (abstrakte) Befugnis (zu hoheitlicher Aufgabenerfüllung) missbraucht (RIS-Justiz RS0095301). Hingegen wird bei der Datenweitergabe nur ausnahmsweise eine tatbildliche Befugnis in Anspruch genommen. Davon abgesehen kommt Missbrauch der Amtsgewalt durch Geheimnisverrat nur dann in Betracht, wenn der Beamte dies auf Grund einer ihn (im Zusammenhang mit einer bestimmten hoheitlichen Maßnahme) konkret treffenden Pflicht zu unterlassen hat. Ansonsten ist Strafbarkeit einer (unzulässigen) Informationsweitergabe primär nach § 310 StGB zu prüfen, welcher Tatbestand bei vorangegangener missbräuchlicher Beschaffung der Information (des Geheimnisses) mit § 302 Abs 1 StGB real konkurrieren kann (RIS-Justiz RS0126993 [T1 und T3]). Verwirklicht die Informationsweitergabe für sich nicht den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt, scheidet ihre Zusammenfassung mit der Informationsbeschaffung im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit unter dem Aspekt des § 302 Abs 1 StGB aus (vgl RIS-Justiz RS0122006; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 89). Missbrauch der Amtsgewalt setzt zudem voraus (arg: „dadurch“), dass die Rechtsschädigung nach dem Vorsatz des Täters gerade durch den Befugnismissbrauch bewirkt werde (RIS-Justiz RS0129143; zum Ganzen Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 86, 121 f und 168 f).

[7]            Davon ausgehend entbehren die Schuldsprüche zu A/I/1/a, b/ba und bc – insoweit von D***** im Ergebnis zutreffend geltend macht ([teils der Sache nach] Z 9 lit a) – sowie zu B/I/2, C/I/1/a und c sowie D/I/1 und 3 einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage. Dass der Täter jeweils mit dem Vorsatz gehandelt habe, der Staat werde bereits durch die Abfrage der Datenbanken an seinem Recht auf Strafverfolgung geschädigt, wurde (auf Basis der bisherigen Aktenlage: zu Recht) nicht festgestellt (vgl US 15, 16 und 21). Andererseits enthält das Urteil keine Konstatierungen dazu, dass D***** (auch) bei der jeweiligen Informationsweitergabe eine ihm (abstrakt) zukommende Befugnis (fehl-)gebraucht oder eine ihn (im Zusammenhang mit einem anderen Amtsgeschäft) konkret treffende Pflicht verletzt habe, weshalb durch dieses Verhalten der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt nicht begründet wurde. Amtswegige Aufhebung der betroffenen Schuldsprüche war die Folge. Da eine Erfüllung sämtlicher (insbesondere auch subjektiver) Merkmale des (insoweit grundsätzlich in Betracht kommenden) Tatbestands der Verletzung des Amtsgeheimnisses auf Basis des Urteilssachverhalts nicht beurteilt werden kann, kam eine Entscheidung in der Sache durch den Obersten Gerichtshof nicht in Betracht.

[8]            Zum Schuldspruch A/I/1/b/bb fehlen Feststellungen zur Wissentlichkeit des D*****, durch das vorgeworfene Unterlassen einer Verständigung von „SIRENE Wien“ und des Landesgerichts Feldkirch seine Befugnis zu missbrauchen (vgl US 14 f).

[9]            Hinsichtlich der Angeklagten Ed***** und E***** M***** (Schuldsprüche C/I/1/b und D/I/2) bleibt die Annahme, sie hätten D***** wissentlich auch zu dem vom Schuldspruch A/I/1/b/bb erfassten Unterlassen bestimmt (vgl US 15), ohne Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090). Auch wenn der Bestimmungstäter die in Aussicht genommene strafbare Handlung nicht in allen Einzelheiten kennen muss, hat sich die Bestimmung auf eine ausreichend individualisierte Tat zu beziehen (RIS-Justiz RS0089768; vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 58 f). Dem Urteil ist aber nicht zu entnehmen, wodurch das Ehepaar M***** den Mitangeklagten D***** – abgesehen vom konkretisierten Wunsch, allfällige aktuelle Fahndungsmaßnahmen „Schweizer Behörden“ abzufragen und das Ergebnis mitzuteilen (US 13) – sonst veranlasst hätten, die Strafverfolgung des Ed***** M***** durch ein österreichisches Gericht (insbesondere durch das inkriminierte Unterlassen einer Verständigung bei Fahndungserfolg) befugnismissbräuchlich zu verhindern (US 15).

[10]           Dementsprechend entbehren auch die Schuldsprüche C/II und D/II, soweit sie die Gewährung eines Vorteils (auch) im Gegenzug für das von A/I/1/b/bb erfasste Unterlassen betreffen (vgl US 6 ?„für die unter Punkt C./I./1./ beschriebenen Straftaten“? und US 7 ?„für die unter Punkt D./I./ beschriebenen Straftaten“]), einer ausreichenden Sachverhaltsgrundlage. Insoweit konstatierten die Tatrichter bloß, Ed***** und E***** M***** hätten D***** „in mehreren teilweise“ 3.000 Euro „übersteigenden Teilbeträgen den Betrag von“ 13.000 Euro „für seine pflichtwidrigen Abfragen in der zentralen Datenanwendung des BM.I“, „seine pflichtwidrigen Anrufe bei den Schweizer Behörden“ und seine „Einflussnahme auf A***** De*****“ übergeben (US 16; vgl auch US 32 ?„Abfragen in den Registern, Informationsweitergabe“?). Eine (von Ed***** und E***** M***** gewollte) Verknüpfung mit einem pflichtwidrigen Unterlassen gebotener Verständigung der zuständigen Polizeidienststelle in Wien und des Landesgerichts Feldkirch ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

[11]           Ebenso wenig reichen die Feststellungen für die Subsumtion der zu C/II und D/II inkriminierten Taten nach § 307 Abs 2 erster Fall StGB. Inwieweit konstatierte Teilbeträge von mehr als 3.000 Euro je für sich im Gegenzug für von A/I/1/b/ba oder bc erfasste pflichtwidrige Amtsgeschäfte gezahlt wurden, lassen die Entscheidungsgründe nicht erkennen. Im Übrigen sind Wertbeträge der Vorteile aus mehreren Taten bei gemeinsamer Aburteilung nicht nach § 29 StGB zusammenzurechnen. Eine Zusammenrechnung findet nur dann statt, wenn mehrere Einzelakte zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammenzufassen sind (RIS-Justiz RS0096174; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 307 Rz 30), zu deren Voraussetzungen (vgl RIS-Justiz RS0122006; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 89) das Erstgericht jedoch keine Konstatierungen traf. In einem solchen Fall wäre jedoch nur ein Verbrechen nach § 307 Abs 1 und 2 erster Fall StGB begründet (vgl aber US 8).

[12]           Zu B/I/1 lässt sich – wie der Angeklagte G***** im Ergebnis zutreffend geltend macht (Z 9 lit a) – dem Urteilssachverhalt schon in objektiver Hinsicht nicht mit Bestimmtheit entnehmen, weshalb dessen Wunsch nach „Amtshandlungen“ des D***** auf Fehlgebrauch einer diesem zukommenden Befugnis gerichtet gewesen sei. Den Konstatierungen zufolge ersuchte G***** nämlich, „Nachforschungen über einen vermissten Jungen zu tätigen“, er wolle „nur wissen, ob er lebt“. G***** habe sich deshalb an D***** gewandt, weil er zuvor in dieser Sache erfolglos mit drei Polizeiinspektionen telefoniert habe (US 21 f). Auf dieser Grundlage ist nicht auszuschließen, dass D***** bloß zu einem Tätigwerden im Rahmen der ihn treffenden ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (§ 19 SPG) hätte veranlasst werden sollen. Dem stehen die vorangegangenen erfolglosen Telefonate des G***** mit Polizeiinspektionen ebenso wenig entgegen, wie dessen Angebot eines Vorteils im Gegenzug für die gewünschten Nachforschungen (vgl RIS-Justiz RS0132511 [T1]).

[13]           Damit fehlt aber auch der (rechtlichen) Annahme zu A/II/1/a und (soweit dieser Schuldspruch diese Tat erfasst) B/II, die von D***** und G***** über eine Vorteilsgewährung getroffene Vereinbarung habe sich auf die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts bezogen, die erforderliche Sachverhaltsgrundlage. Feststellungen, die – nicht erfolgte – Schuldsprüche nach § 305 Abs 1 und § 307a Abs 1 StGB tragen könnten, können für sich allein nicht bestehen bleiben (14 Os 10/20g).

[14]           Zu A/II/2 enthält das Urteil keine ausreichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Die Formulierung, D***** habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, „sich bestechen zu lassen“ (US 17), lässt eine Beurteilung, ob sich der Vorsatz dieses Angeklagten auf sämtliche Tatbildelemente bezogen habe, nicht zu (vgl Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 79).

[15]           Zum Schuldspruch wegen Vorteilsannahme zur Beeinflussung (A/IV) reicht die Sachverhaltsgrundlage zu einem Vorsatz des D*****, sich durch den geforderten und angenommenen Vorteil in seiner künftigen Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, ebenfalls nicht aus. Die (konstatierte) Verknüpfung des Vorteils mit vergangener Amtstägigkeit ist vom Tatbestand nämlich nicht erfasst (Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 306 Rz 25). Dem Urteil ist bloß zu entnehmen, D***** habe sich für B***** im Zusammenhang mit dessen Aufenthaltstitel „verwendet“ und danach ein Entgelt „für seine Leistungen“ gefordert und angenommen (US 23). Der lapidare Klammerzusatz, B***** habe 1.000 Euro auch mit Blick auf „den (weiteren) Aufenthaltstitel“ gezahlt, bleibt ohne Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090). Zudem enthält der Urteilssachverhalt keinen ausreichenden Hinweis darauf, welche Tätigkeit D***** „als Amtsträger“ im Zusammenhang mit der Verschaffung eines Aufenthaltstitels für B***** hätte setzen können (vgl Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 306 Rz 22 f). Der bloße Verweis auf § 3 FPG und die „grundsätzliche Zuständigkeit des Erstangeklagten in fremdenpolizeilichen Agenden“ (US 23 und 53) trägt nicht, weil Voraussetzungen, Verfahren und (Behörden-)Zuständigkeit für die (hier in Rede stehende) Erteilung von Aufenthaltstiteln nicht im FPG geregelt sind und die in diesem vorgesehenen Kompetenzen von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit in keinem Zusammenhang stehen.

[16]           Aufhebung der von diesen Rechtsfehlern betroffenen Schuldsprüche und Subsumtionen, der nach § 302 Abs 1 StGB gebildeten Subsumtionseinheiten, sämtlicher Strafaussprüche (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und der nach § 265 Abs 1 und nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO (vgl RIS-Justiz RS0100194 ?T15, T18 und T23? zum im weiteren Verfahren zu beachtenden Verschlechterungsverbot) gefassten Beschlüsse war die Folge.

[17]     Mit ihren auf diese Teile des Urteils bezogenen Rechtsmitteln waren die Angeklagten auf die Aufhebung zu verweisen.

[18]           Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D***** im Übrigen:

[19]           Auf die Verfahrensrüge (Z 4) war schon deshalb nicht einzugehen, weil die von ihr kritisierte Abweisung von Beweisanträgen nur für die von der amtswegigen Aufhebung betroffenen Punkte A/I/1/bc und A/II/2 des Schuldspruchs relevant ist. Mit Blick auf das Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 274 S 44) und das Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde sieht sich der Oberste Gerichtshof jedoch zur Klarstellung veranlasst, dass das Gesetz die Abweisung von Beweisanträgen durch den Vorsitzenden allein im Schöffenverfahren nicht vorsieht (§ 238 Abs 1 StPO).

[20]           Der (nominell auch zu Z 9 lit a erhobene) Einwand der Mängelrüge, die zu A/III getroffene Feststellung, der Beschwerdeführer habe es in seinen Vorsatz aufgenommen, dass V***** De***** eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG, begangen habe (US 20), sei undeutlich (Z 5 erster Fall), weil „das Tatbild“ (gemeint ersichtlich: der Tatbestand [vgl zur Unterscheidung Fuchs/Zerbes AT I10 10/48]) ein solches „Wissen“ des Beschwerdeführers nicht verlange, ist unverständlich (vgl im Übrigen § 7 Abs 1 StGB und RIS-Justiz RS0095994).

[21]           Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die Aussage des Zeugen S***** (auch vor der Kriminalpolizei) ohnehin erörtert (US 44 f). Dass dieser im zu A/III relevanten Tatzeitpunkt noch Mitbeschuldigter im (auch) gegen V***** De***** geführten Strafverfahren war, wurde im Übrigen festgestellt (US 19; RIS-Justiz RS0098646 ?T8?).

[22]     Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus dieser Zeugenaussage für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht als die Tatrichter, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0099674).

[23]           Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) baut ihre Argumentation, Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB liege nicht vor, wenn einem „Belastungszeugen (falsch oder richtig) erklärt wird, er müsse keine Aussage machen“, nicht auf der Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS-Justiz RS0099810) auf. Das Erstgericht ging nämlich (mit ausführlicher Begründung) auch davon aus, der Beschwerdeführer habe Druck auf S***** ausgeübt, damit dieser im Strafverfahren gegen V***** De***** „keine Angaben mehr macht“ (US 45). Dass dies keine sozial-inadäquate und damit tatbildliche Handlung sei, legt der Beschwerdeführer nicht dar (vgl im Übrigen Pilnacek/?widerski WK2 StGB § 299 Rz 13 f und 17; Tipold, SbgK § 299 Rz 27; zum deutschen Recht Cramer, MüKo StGB3 § 258 Rz 9 [„Bewirkung der Aussageverweigerung durch Anwendung unerlaubter Mittel wie Druck oder Täuschung“]).

[24]           Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G***** im Übrigen:

[25]           Der Mängelrüge zuwider sind die Feststellungen zu der von B/II getroffenen Vereinbarung über eine Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer gewünschten Abfrage, ob gegen ihn ein Haftbefehl und ein Waffenverbot vorlägen (US 20 f), nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall) begründet. Den Inhalt der ins Treffen geführten (überwachten) Telefongespräche zwischen dem Beschwerdeführer und D***** haben die Tatrichter nämlich ohnehin erörtert (US 46 ff). Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) waren sie nicht verhalten, auf jedes Detail dieser Gespräche im Urteil einzugehen.

[26]           Mit den in diesem Zusammenhang getätigten Aussagen des Beschwerdeführers und des Mitangeklagten D***** hat sich das Erstgericht ebenfalls auseinandergesetzt, sie jedoch mit mängelfreier Begründung als unglaubhaft verworfen (US 46 f, 50).

[27]           Die ins Treffen geführten Angaben des Zeugen Dr***** (ON 47 S 7) wiederum standen den Konstatierungen nicht entgegen und waren daher nicht erörterungsbedürftig (RS0098646 ?T8?).

[28]           Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten E***** M***** im Übrigen:

[29]     Die Feststellung, die Beschwerdeführerin sei „dem Milieu zuzuordnen“ (US 13), betrifft keine entscheidende Tatsache und ist daher mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0117499).

[30]           Gleiches gilt für die Konstatierung zu den Gründen, aus denen A***** De***** seine Anzeige gegen Ed***** M***** zurückgezogen habe (US 15 f).

[31]           Der Einwand, für die zu D/II getroffenen Feststellungen lägen keine Beweisergebnisse vor, zeigt keinen Mangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf. Soweit die Rüge ihre Argumentation in diesem Zusammenhang – ohne jedoch Unvollständigkeit deutlich und bestimmt geltend zu machen – auf die Aussagen der Beschwerdeführerin, ihres Mannes und des Mitangeklagten G***** stützt, genügt der Hinweis, dass diese von den Tatrichtern durchwegs erörtert wurden (US 31 ff). Dass die dazu vom Erstgericht dargelegten Erwägungen gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstießen (vgl RIS-Justiz RS0118317), vermag die weitere Mängelrüge (nominell Z 5 vierter Fall), die sich bloß in der Wiedergabe von Urteilspassagen erschöpft, nicht darzulegen.

[32]     Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) wird Nichtigkeit aus Z 5 nicht geltend gemacht (RIS-Justiz RS0102162).

[33]     Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf das Vorbringen der Mängelrüge verweist, missachtet sie den wesensmäßigen Unterschied der Nichtigkeitsgründe und das daraus folgende Gebot zu deren gesonderter Ausführung (RIS-Justiz RS0115902).

[34]     Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in diesem Umfang bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[35]           In Rechtskraft erwachsen somit die Schuldsprüche A/I/2, A/II/1/b, A/III, B/II (soweit sich dieser auf B/I/2 bezieht), C/I/2, (jeweils im Grundtatbestand nach § 307 Abs 1 StGB) C/II (soweit sich dieser auf C/I/1/a und c bezieht) und D/II (soweit sich dieser auf D/I/1 und 3 bezieht), C/III und E.

[36]     Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die Kosten der amtswegigen Maßnahme (RIS-Justiz RS0101558).

[37]           Bleibt zur Stellungnahme der Generalprokuratur mit Blick auf § 290 StPO anzumerken: Der Generalprokuratur ist zuzugestehen, dass das Erstgericht zu A/I/2 und C/I/2 (wie übrigens bereits die Anklage [vgl ON 227 S 3, 6 und 14]) die Daten, welche Gegenstand der inkriminierten Abfragen in – bloß mit (nicht notorischen) Abkürzungen (vgl etwa US 3 [„IAP, PF, PI, KPA, EDE, FI, FR SC, SA“]) bezeichneten – Datenbanken waren, nicht explizit näher konkretisierte (vgl grundsätzlich Nordmeyer in WK2 StGB § 302 Rz 146 mwN). Bei vernetzter Gesamtbetrachtung des Urteils lässt dieses jedoch – unter Einbeziehung der Feststellungen zu A/I/1 (wo es jeweils um die Information über anhängige Strafverfahren und Fahndungsmaßnahmen ging ?US 13 ff?) – mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit (vgl RIS-Justiz RS0117228) einen ausreichenden Sachverhaltsbezug (vgl RIS-Justiz RS0119090) für die Konstatierung, der Vorsatz der Angeklagten habe jeweils die Verletzung „der abgefragten Personen in deren Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG)“ erfasst (US 17 und 19 zu D***** ?A/I/2? und US 18 zu Ed***** M***** ?C/I/2?), erkennen. So wird zunächst ausgeführt, die Abfragen seien durchwegs darauf gerichtet gewesen, „polizeiinterne Informationen“ aus den genannten Datenbanken ohne Zustimmung der Betroffenen zu gewinnen (US 18). Dies wird im Rahmen der Beweiswürdigung dahin konkretisiert, dass es etwa um die Information, „ob gegen“ R***** (A/I/2/b und C/I/2/b) „etwas vorliege“ (US 40) oder „was“ (dem im Tatzeitpunkt bereits festgenommenen) L***** „zur Last gelegt werde“ (US 41), also (zumindest auch) darum ging, ob und gegebenenfalls wegen welcher Vorwürfe gegen die von der Abfrage Betroffenen Strafverfahren geführt wurden, hinsichtlich welcher Information diese jedenfalls Anspruch auf Geheimhaltung (§ 1 DSG) hatten. Dass sich die inkriminierten Abfragen nach dem Willen der Angeklagten ausschließlich auf diesen bereits bekannte, allgemein zugängliche oder sonst nicht geschützte Daten bezogen hätten, ist auf dieser Sachverhaltsgrundlage somit auszuschließen.

[38]     Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein:

[39]           1/ Im Zusammenhang mit den Anklagepunkten A/I/1/b/bb, C/I/1/b und D/I/2 wird im Fall neuerlicher Schuldsprüche eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage zur Frage des Befugnisfehlgebrauchs (in objektiver Hinsicht) zu schaffen sein. Ergibt sich die den Beamten treffende Pflicht zum Handeln (deren Verletzung durch Unterlassen hier inkriminiert wurde) nicht aus im BGBl kundgemachten Rechtsakten (oder solchen der EU), sondern (bloß) aus einer Verwaltungsverordnung (etwa einem Erlass), sind auch dazu konkrete Feststellungen zu treffen, weil insoweit der Grundsatz „iura novit curia“ nicht zum Tragen kommt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 343; vgl 17 Os 56/14k).

[40]     2/ Das Verschlechterungsverbot (§ 16 und § 293 Abs 2 iVm § 290 Abs 2 StPO) betrifft nur den Sanktionsbereich, nicht die Subsumtion der zu A/I, C/I/1 und D/I angeklagten Taten (RIS-Justiz RS0098900; vgl erneut RIS-Justiz RS0126993 [T3]).

[41]           3/ Die Ausführungen zur Qualifikation des § 307 Abs 2 StGB werden auch im Zusammenhang mit dem Anklagepunkt A/II/2 (wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit) zu beachten sein. Die Verwirklichung der Qualifikation nach § 304 Abs 2 erster Fall StGB setzt die Zuordnung einzelner, 3.000 Euro übersteigender Beträge zu bestimmten pflichtwidrigen Amtsgeschäften voraus. Eine Zusammenrechnung mehrerer Vorteile zur Begründung der Qualifikation nach § 304 Abs 2 erster Fall StGB findet hingegen nur statt, wenn die auf diese Vorteile bezogenen Tathandlungen im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzt wurden (RIS-Justiz RS0096174; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 85 f), deren Annahme entsprechende Feststellungen voraussetzt. In einem solchen Fall wird nur ein Verbrechen der Bestechlichkeit nach § 304 Abs 1 und 2 erster Fall StGB begründet.

[42]           4/ Ein Schuldspruch der E***** M***** zu Punkt D/I/1 der Anklage erfordert entsprechend konkrete Feststellungen zu einer von ihr vorgenommenen Bestimmungshandlung. Denn die (allein verwendete) Formulierung, Ed***** M***** habe D***** „in Absprache mit seiner Frau“ zur (zu A/I/1/b/ba inkriminierten) Abfrage aufgefordert (US 13), bringt weder klar zum Ausdruck, dass E***** M***** selbst D***** durch ein bestimmtes Verhalten zur Tatausführung veranlasst habe (vgl RIS-Justiz RS0102168 und ?zur – hier vom Erstgericht angenommenen – Mittäterschaft von Bestimmungstätern? RS0117320 ?T5?; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 50), noch dass sie sich Ed***** M***** als Mittelsperson zur Einwirkung auf D***** bedient habe (RIS-Justiz RS0089581 ?zur „Kettenbestimmung“?).

[43]           5/ Im Fall neuerlicher Schuldsprüche wegen Missbrauchs der Amtsgewalt wird zu jedem Angeklagten eine Subsumtionseinheit nach § 302 Abs 1 StGB zu bilden sein (RIS-Justiz RS0121981), in diese werden auch die in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche (bei D***** zu A/I/2 und E, bei Ed***** M***** zu C/I/2) einzubeziehen sein.

Textnummer

E130403

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00047.20Y.1215.000

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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