Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Mag. Ines Schneeberger, Rechtsanwältin in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1200 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Witwenpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. September 2020, GZ 9 Rs 77/20i-10, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Mit Bescheid vom 14. 11. 2019 anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab 10. 3. 2019 und sprach aus, dass die Höhe der Witwenpension 22,57 EUR beträgt.
[2] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte dazu, der Klägerin ab 10. 3. 2019 eine Witwenpension zu gewähren und stellte fest, dass die Witwenpension ab 10. 3. 2019 0,00 EUR zuzüglich 22,57 EUR Höherversicherung beträgt. Das Mehrbegehren auf Zuerkennung einer höheren Witwenpension wurde abgewiesen.
[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.
[4] In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung können die Parteien die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof durch das Gericht nur anregen, dieses aber nicht beantragen (RS0058452 [T3, T7, T10]).
[6] 2.1 Zweck der Witwen-/Witwerpension ist es, den Unterhaltsausfall auszugleichen, der in der Ehe durch den Tod eines Ehegatten entsteht. Der Gesetzgeber macht daher das Ausmaß dieser Pension von dem von den Ehegatten erzielten Einkommen und seiner Verteilung auf die beiden Ehegatten abhängig. Je höher der Anteil des verstorbenen Versicherten am gemeinsamen Haushaltseinkommen war, desto höher ist der Unterhaltsausfall und demnach auch die Witwen-/Witwerpension (10 ObS 132/18m SSV-NF 32/20). Die Bandbreite der Pensionshöhe beträgt – abhängig davon, welche der beiden Ehepartner die höhere Berechnungsgrundlage erworben hat – zwischen 0 % und 60 % der (fiktiven) Pension des/der verstorbenen Versicherten. Durch den variablen Prozentsatz der Pensionsleistung soll eine Überversorgung des hinterbliebenen Ehegatten durch das Zusammentreffen von Eigenpension und Hinterbliebenenpension vermieden werden. Wird aus eigenem Einkommen allein oder zusammen mit einer Witwer-/Witwenpension ein aus Sicht des Gesetzgebers ausreichendes Einkommen erzielt, besteht kein weiterer Unterhaltsbedarf mehr.
[7] 2.2 Im vorliegenden Fall war das Eigeneinkommen der Klägerin im Beobachtungszeitraum (§ 264 Abs 3 ASVG) mehr als doppelt so hoch als das Einkommen ihres verstorbenen Ehegatten. In derartigen Fällen ist davon auszugehen, dass der Hinterbliebene bereits zu Lebzeiten des verstorbenen Ehegatten gegen diesen keinen Geldunterhaltsanspruch hatte und daher nach dessen Tod keinen Unterhaltsausfall erleidet. Der Verfassungsgerichtshof sah es in seinem Erkenntnis vom 27. 4. 2003, G 300/02 ua, als sachlich gerechtfertigt an, dass die Witwen-/Witwerpension bei verhältnismäßig hohem Eigeneinkommen der Witwe/des Witwers zur Gänze entfallen kann (10 ObS 20/17i SSV-NF 31/23). Dies ist nicht – wie die Revisionswerberin meint – einer „altmodischen Vorstellung einer Alleinverdienerehe geschuldet“ sondern beruht auf dem Zweck der Witwen-/Witwerpension den durch den Tod des anderen Ehegatten entstandenen Unterhaltsausfall möglichst auszugleichen. Im Hinblick auf das hohe Eigenpensionseinkommen der Klägerin muss dieser Versorgungszweck nicht erfüllt werden (10 ObS 92/20g).
[8] 3.1 In § 264 Abs 5 ASVG werden die Einkünfte, die für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage und den Vergleich heranzuziehen sind, taxativ aufgezählt. Im Vordergrund steht das Erwerbseinkommen. Hingegen sind Einkommen aus Vermögen, Einkommen aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne nicht erfasst (Neumayr in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm § 264 ASVG [91. Lfg] Rz 27; Sonntag in Sonntag, ASVG11 § 264 Rz 12).
[9] 3.2 Dagegen, dass diese Einkünfte nicht zu den für die Ermittlung des der Berechnungsgrundlage in § 264 Abs 5 ASVG genannten Einkünften gezählt werden und daher bei der Berechnung der Witwenpension nicht zu berücksichtigen sind, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Gesetzgeber kommt ein weiter Spielraum zu, was er als Einkommen für die Ermittlung der Hinterbliebenenpension relevantes Einkommen bezeichnet (VfGH 27. 6. 2003, G 300/02). Es steht ihm daher frei, innerhalb der von der Verfassung gezogenen Grenzen einen eigenständigen Entgeltbegriff zu normieren und bei der Ermittlung der Hinterbliebenenpension nur Einkommen aus unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit sowie aus allen wiederkehrenden Geldleistungen der Sozialversicherung und aus öffentlichen Bezügen und Renten anzurechnen (RS0121105), nicht aber Privatvorsorgen wie beispielsweise Mieteinkünfte (10 ObS 48/10x SSV-NF 24/39; 10 ObS 126/06m SSV-NF 20/56).
[10] 4.1 In der Revision wird eingeräumt, dass in das Einkommen des verstorbenen Ehegatten neben dessen österreichischer Pensionsleistung auch die aus den Niederlanden zustehende Pension einbezogen wurde (§ 264 Abs 5 Z 5 ASVG). Auch unter Berücksichtigung der niederländischen Pensionsleistung errechnet sich aber der nach § 264 Abs 2 ASVG ermittelte Hundertsatz infolge des hohen Eigeneinkommens der Klägerin mit Null. Inwiefern die Klägerin gegenüber Hinterbliebenen von Verstorbenen mit ausschließlich inländischem Pensionsbezug unsachlich benachteiligt sein sollte, ist nicht zu erkennen.
[11] 4.2 Dass sich für die Klägerin – wie sie vorbringt – auch aus dem niederländischem Recht kein Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente ergibt, kann zu keinem für sie günstigeren Ergebnis führen.
[12] 5. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Textnummer
E130419European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00143.20G.1215.000Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021