TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/25 94/15/0235

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §21 Abs1;
BAO §28;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs3 Z3;
EStG 1972 §23;
GewStG §1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des G und des B als ehemalige Gesellschafter der "H und Mitges.", beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 10. Oktober 1994, Zl. 943-2/91, betreffend Nichtfestsetzung von Umsatzteuer und Nichtfeststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1984 und 1986 bis 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Tatsächlicher Betriebsgegenstand der am 26. Mai 1983 gegründeten Personenvereinigung "H und Mitges." in den Streitjahren war die Führung von Buchhaltungen. Gemäß einem an das Finanzamt gerichteten "Fragebogen anläßlich der Aufgabe einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit" vom 21. November 1988 wurde das "Büro für Adressenvermittlungen gewerblicher Adressen" ab 31. Dezember 1988 eingestellt. Der über eine abgabenbehördliche Prüfung bei der Personenvereinigung erstellte Betriebsprüfungsbericht spricht diesbezüglich von einer Betriebsaufgabe zum 31. Dezember 1988, was auch mit den Angaben in der "Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum 1.1.1989" der Personenvereinigung übereinstimmt.

Während es in den erstinstanzlichen, Umsatzsteuer und Gewinnfeststellungen für die Streitjahre betreffenden Abgabenverfahren allein um die Frage ging, ob und inwieweit als Einlagen gebuchte Beträge in Wahrheit steuerpflichtige Betriebseinnahmen sind, warf die belangte Behörde im Berufungsverfahren die Frage auf, ob "aufgrund der

aktenkundigen Betriebsergebnisse" nicht ertrag- und umsatzsteuerlich Liebhaberei anzunehmen sei.

Dem widersprach der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführer mit dem Hinweis darauf, daß bei Gewerbebetrieben eine relativ lange Verlustphase nicht selten sei. Im vorliegenden Fall habe der Zweitbeschwerdeführer immer wieder Rückschläge erlitten, weil seine Klientel hauptsächlich im Gastgewerbe zu finden sei. Nach Einbringung des Betriebes in eine GmbH im Jahr 1991 beginne sich "der Betrieb" nunmehr zu konsolidieren.

Ergänzend hiezu wurde im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ausgeführt, daß der Zweitbeschwerdeführer vor allem für Betriebe der Gastwirtschaft (für sogenannte "Türken-GmbHs") die Buchhaltung geführt habe. Auf Grund dieses Kundenstockes habe "er" mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Die erklärten Verluste in den Jahren 1983 bis 1986 seien vor allem auf Forderungsabschreibungen zurückzuführen. In Fällen, in denen von vornherein festgestanden sei, daß die Tätigkeit nicht bezahlt werden könne, wären die Forderungen überhaupt nicht verbucht worden. Der Zweitbeschwerdeführer habe nach Aufgabe der Mitunternehmerschaft seine berufliche Tätigkeit als Einzelunternehmer in den Jahren 1989 und 1990 fortgeführt. Per 1. Jänner 1991 habe er das Einzelunternehmen in die "T-GmbH" eingebracht, wobei auch diese Kapitalgesellschaft nur Verluste erzielt habe.

Die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommende Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die Tätigkeit der Personenvereinigung in den Streitjahren ertragsteuerlich keine Einkunftsquelle und umsatzsteuerrechtlich keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit darstelle, wird im wesentlichen damit begründet, daß "auf Basis der (ergänze: von der Personenvereinigung) erklärten Betriebsergebnisse" Liebhaberei anzunehmen sei. "Angesichts der Verlusthöhe in den letzten drei Jahren vor der Betriebsaufgabe (jeweils über S 200.000,--), in Anbetracht der steigenden Verlusttendenz und unter Berücksichtigung des Gesamtverlustes von S 1,023.445,--" gebe es keinen plausiblen Grund zur Annahme, daß innerhalb eines noch überschaubaren Zeitraumes ein positives Gesamtergebnis hätte erzielt werden können. Zu diesem Ergebnis gelange man auch dann, wenn man von der Richtigkeit der Betriebsprüfungsergebnisse ausgehe; zwar falle diesfalls das Prüfungsergebnis nicht so drastisch aus, die Diskrepanz zwischen den von der Betriebsprüfung ermittelten Verlusten und dem erklärten Aufwand sei aber doch derart augenfällig und die absolute Höhe des Gesamtverlustes so beträchtlich, daß der von der Betriebsprüfung im Schätzungsweg ermittelte Gewinn des Jahres 1987 (der im übrigen im Wege der Berufungsvorentscheidung in einen Verlust abgeändert worden sei) lediglich einen Zufallsgewinn darstelle.

Die "Betriebsergebnisse" der Personenvereinigung wurden im angefochtenen Bescheid wie folgt dargestellt:

Jahr      Umsatz           Aufwand      Einlage    Verlust

     lt. Erkl. lt.BP  Gesamt Betr + Vw  lt. BVE  lt.Erkl. lt.BP

1983       0            80.792  58.818           72.778

1984   7.037  74.537   180.052 131.961 151.953   160.976  93.476

1985   1.540           138.343 113.507    /      124.803

1986  79.979 129.979   306.826 130.625  79.577   214.846 162.884

1987 140.373 344.540   392.324 180.030 278.092   202.907 +11.320

1988 212.400 281.568   490.012 284.426 168.617   247.135 128.295

ges. 441.329 832.164 1,588.349 899.367         1.023.445 570.916

Die Aufgabe des Betriebes der Personenvereinigung zum 31. Dezember 1988 sei zumindest als Änderung der Bewirtschaftungsart zu werten. Da im damit abgeschlossenen Beobachtungszeitraum keine steuerlich relevanten (gemeinschaftlichen) Einkünfte erzielt worden seien, habe eine Gewinnfeststellung zu unterbleiben bzw. seien die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte mit Null festzustellen. Aus demselben Grund sei gemäß § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 die Umsatzsteuer nicht festzusetzen. "Auch eine Kriterienprüfung im Sinne der Liebhabereiverordnung" hätte zu keinem anderen Ergebnis geführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem "Recht, daß das gegenständliche Unternehmen als steuerlich beachtliche Einkommensquelle behandelt wird und somit die allgemeinen steuerlichen Vorschriften angewendet werden", verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerde die Liebhabereiverordnung BGBl. Nr. 322/199 im vorliegenden Fall für anwendbar erachtet, trifft dies nicht zu, weil diese Verordnung außer in Anlaßfällen für die Aufhebung des eine Übergangsbestimmung enthaltenden Artikel II durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1991, V 53/91, Slg. 12943, erst auf Tatbestände anzuwenden ist, die ab ihrem Inkrafttreten (mit dem der Kundmachung der Verordnung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag das ist der 23. Juni 1990) verwirklicht worden sind. Dies bedeutet, daß die Verordnung hinsichtlich der Einkommensteuer ab der Veranlagung 1990 und hinsichtlich der Umsatzsteuer erst auf nach dem 22. Juni 1990 getätigte Umsätze Anwendung findet (vgl. hiezu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 95/14/0052, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Tätigkeit, die das typische Erscheinungsbild eines Gewerbebetriebes aufweist, nur in Ausnahmefällen als Liebhaberei anzusehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 20. November 1996, Zl. 89/13/0259, und vom 30. Jänner 1991, Zl. 90/13/0058). Die Art, in der der Betrieb geführt wird, muß erkennen lassen, daß das betriebliche Geschehen nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet ist. Feststellungen in dieser Richtung machen es erforderlich, die Ursachen für das Entstehen der Verluste zu ergründe und sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite zu analysieren. Ohne Kenntnis jener Besonderheiten, die den vermuteten Voluptuarbetrieb von einem nach wirtschaftlichen Kriterien geführten Betrieb unterscheiden, läßt sich bei einem nach dem äußeren Erscheinungsbild typischen Gewerbebetrieb keine verläßliche Aussage über das (ausnahmsweise) Vorliegen von Liebhaberei machen. So kommt insbesondere der Art des Güter- und Leistungsangebotes, den konkreten Marktchancen und den kostenverursachenden Faktoren Bedeutung zu.

Offenkundig ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, Ausmaß und Dauer der Verluste der Personenvereinigung im gegebenen Ausmaß seien für die rechtliche Beurteilung des von ihr unterhaltenen Betriebes als Liebhaberei bereits allein ausschlaggebend, hat die belangte Behörde keinerlei Feststellungen in der aufgezeigten Richtun getroffen. Ausführungen in der Gegenschrift betreffend im Beschwerdefall fehlendes marktkonformes Verhalten vermögen die insofern fehlende Bescheidbegründung nicht zu ersetzen. Da im Beschwerdefall die für die Personenvereinigung erklärten Verluste hauptsächlich mit Forderungsausfällen begründet worden waren, wäre im besonderen dieses Sachverhaltselement zu erforschen gewesen, was jedoch unterblieben ist.

Auf Grund des oben Gesagten mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994150235.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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