Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die
Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, wegen Eintragung einer Wort-Bild-Marke, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 20. August 2020, GZ 33 R 43/20s-4, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie lautet:
„Die Wort-Bild-Marke 'DER STANDARD' gemäß dem Antrag zu AM 52145/2018 ist in das Markenregister für folgende Klassen einzutragen:
16: Druckschriften, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Fotografien;
35: Verbreitung von Werbeanzeigen; Vermietung von Werbeflächen in Computernetzwerken und elektronischen Kommunikationsmedien; Vermittlung und elektronische Verwaltung von Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements; Zusammenstellen und Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Ermittlungen und Nachforschungen in Geschäftsangelegenheiten über Computernetzwerke und Computerdatenbanken; Erstellen von Statistiken; Verbraucherberatung; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Presseartikeln;
38: Sammeln und Liefern von Pressemeldungen; Nachrichten- und Bildübermittlung und -übertragung mittels Computernetzwerken und elektronischen Kommunikations-
medien; elektronische Anzeigenvermittlung; Bereitstellen von Internet-Chatrooms; Bereitstellen von Telekommunikations-
kanälen für Teleshopping-Dienste;
41: Online-Publikation elektronischer Zeitschriften.“
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin beantragte am 25. 10. 2018 die Eintragung der Word-Bild-Marke
[
2] für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, 38 und 41.
[3] Die Rechtsabteilung des Patentamts stellte zu diesem Antrag gemäß § 20 Abs 3 MSchG fest, dass das angemeldete Zeichen unter der Voraussetzung des § 4 Abs 2 MSchG registrierbar sei.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Bei Wortmarken komme grundsätzlich nur frei erfundenen, keiner Sprache angehörenden Phantasiewörtern oder Zeichen Unterscheidungskraft zu, die zwar dem allgemeinen Sprachgebrauch angehörten, jedoch mit der Ware, für die sie bestimmt seien, in keinem Zusammenhang stünden. Zudem seien beschreibende Wortverbindungen sowie auch Wortverbindungen, die geeignet seien, von anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Bezeichnung eines Merkmals ihrer Waren- oder Dienstleistungen verwendet zu werden, von der Eintragung ausgeschlossen. Das in Rede stehende Zeichen werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als werbemäßige Anpreisung im Hinblick auf die vom Anbieter ausgewählte Produktqualität und/oder ihre Wirkungsweise und damit als Beschreibung einer Qualität/Eigenschaft aufgefasst. Durch das Voranstellen des Artikels „Der“ bekomme das für sich genommen nicht nur anpreisende Wort „Standard“ einen Charakter, bei dem keine besonderen Gedankenoperationen nötig seien, um dieses als anpreisend zu verstehen. Die Bedeutung des erwähnten Wortes entferne sich durch die Betonung des Artikels ausreichend stark von der Möglichkeit, als „gewöhnlich“ im Gegensatz zu „besonders“ oder „Richtschnur“ oder „anzustrebendes Niveau“ verstanden zu werden. Die Behauptung, etwas sei „der Standard“, werde daher dahin verstanden, dass sich das Produkt gegenüber der Konkurrenz positiv und fast alternativlos abhebe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin, der auf die Eintragung der in Rede stehenden Marke – ohne Nachweis der Verkehrsgeltung – abzielt.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von den Rechtsprechungsgrundsätzen zur Unterscheidungskraft eines Zeichens abgewichen ist. Dementsprechend ist das Rechtsmittel auch berechtigt.
[7] Die Antragstellerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, dass das in Rede stehende Zeichen unterscheidungskräftig und daher auch ohne Verkehrsgeltung registrierbar sei. Die beteiligten Verkehrskreise könnten nicht ohne weitere Denkarbeit vom Zeichen auf die Herstellung, Beschaffenheit oder Bestimmung der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen schließen und keinen direkten Bezug dazu herstellen.
[8] Diesen Ausführungen ist im Ergebnis zuzustimmen:
[9] 1.1 Nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG sind Zeichen von der Registrierung ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben. Nach der Rechtsprechung kommt einer Marke Unterscheidungskraft dann zu, wenn sie in der Lage ist, ihre Hauptfunktion zu erfüllen und daher unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der bezeichneten Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann (RIS-Justiz RS0118396; EuGH C-398/08, Audi). Die Beurteilung, ob das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft vorliegt, erfolgt anhand der konkret beanspruchten Waren und/oder Dienstleistungen. Die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit geprüft werden. Abzustellen ist auf den Gesamteindruck der beteiligten Verkehrskreise, die sich in der Regel nach dem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher bestimmen (RS0079038; RS0114366; EuGH C-104/01, Orange).
[10] Die Tatsache allein, dass eine Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, begründet noch nicht das Fehlen der Unterscheidungskraft. Aus diesem Grund ist einer Marke auch dann Unterscheidungskraft zuzuerkennen, wenn sie – über ihre Werbefunktion hinaus – von den beteiligten Verkehrskreisen auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betreffenden Waren oder Dienstleistungen aufgefasst werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Marke eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweist, wenn sie ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert oder wenn sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess über die Werbebotschaft auslöst (vgl EuGH C-398/08 P, Audi).
[11] 1.2 Nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG sind vom Markenschutz – als jedenfalls nicht unterscheidungskräftig – sogenannte beschreibende Zeichen ausgenommen (RS0066456). Eine Marke ist dann beschreibend, wenn die beteiligten Verkehrskreise den Begriffsinhalt sofort erschließen können und darin eine unmittelbare und ohne weitere Schlussfolgerungen erkennbare Aussage über die Art, Beschaffenheit oder sonstige Eigenschaft der Ware oder Dienstleistung erblicken (RS0109431). Dabei müssen die beteiligten Verkehrskreise sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zwischen dem fraglichen Zeichen und den von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen herstellen können (RS0109431; EuGH C-494/08 P, Pranahaus). Enthält das Zeichen demgegenüber nur Andeutungen, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret zu beschreiben, so ist es nicht rein beschreibend und daher auch ohne Verkehrsgeltung geschützt (RS0090799; RS0066456; RS0109431 [T3]). Eine beschreibende Angabe liegt darüber hinaus auch dann nicht vor, wenn ein Zeichen nur einen Zusammenhang mit einem allgemeinen Begriff herstellt, ohne etwas sofort Erfassbares über die Art oder Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung auszusagen (vgl 17 Ob 33/08i).
[12] 1.3 Grundsätzlich wird in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei der Prüfung des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft ein großzügiger Maßstab angelegt (4 Ob 96/19z). Bei der Beurteilung ist noch zu beachten, dass bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend ist, weil sich der Geschäftsverkehr zumeist am prägenden Kennwort orientiert (RS0066779). Bei mehreren Wörtern kommt es auf den prägenden Wortbestandteil an.
[13] 2.1 Bei Anwendung dieser Grundsätze kann dem von der Antragstellerin angemeldeten Zeichen Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden:
[14] Dem Rekursgericht ist zuzustimmen, dass das Wort „Standard“ prägend ist. Die Schriftart ist nicht derart außergewöhnlich und kreativ, dass sie in den Vordergrund treten würde. Das Gleiche gilt für den Artikel „der“. Dadurch mag der Hinweis auf den „Standard“ verstärkt werden. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts verkehrt sich dadurch aber nicht der Bedeutungsinhalt von „gewöhnlich“ auf „alternativlos“ gleichsam ins Gegenteil.
[15] 2.2 Das Wort „Standard“ hat im allgemeinen Sprachgebrauch mehrere Bedeutungen. Zunächst bezeichnet es etwas, was als mustergültig oder modellhaft angesehen wird und wonach sich Anderes richtet; der Begriff wird daher als Richtschnur, Maßstab oder Norm verstanden. Im Zusammenhang mit Qualitätsangaben von Waren oder Dienstleistungen bezeichnet dieser Begriff die im allgemeinen Qualitäts- und Leistungsniveau erreichte Höhe, also das vom Publikum Erwartbare. Dazu gibt es – je nach Kontext – wieder mehrere Abstufungen. Bei einer Fahrzeug- oder Wohnungsausstattung beschreibt der Standard die Grundausrüstung. Bei Vorhandensein technischer Normen (zB Ö-Normen) bezieht sich dieser Begriff auf das Gewünschte. In diesem Zusammenhang gibt es auch Normen, die einen hohen oder den höchsten Stand der Technik wiedergeben. In der Medizin bedeutet „Standard“, dass die Behandlung lege artis erfolgt ist. Der Lebensstandard kann hoch oder niedrig sein. Allgemein ist es erstrebenswert, jeweils einen höheren Standard zu erreichen.
[16] Außerhalb des Bereichs spezifischer, dem Publikum bekannter Normungen ist der Aussagegehalt des in Rede stehenden Begriffs in Bezug auf die Qualität eines Produkts somit keineswegs eindeutig, sondern weist viele unterschiedliche Facetten auf. Dies gilt insbesondere auch für Druckschriften und Zeitungen. Gerade in diesem Bereich bestehen unterschiedliche Qualitätskriterien, die sich entweder auf die Aktualität, die Themenauswahl, die Meinungsvielfalt, die Art der Recherche, die Verlässlichkeit der vermittelten Inhalte, die Lesbarkeit und Verständlichkeit oder die optische Gestaltung und das Layout beziehen können.
[17] Demnach wird durch das in Rede stehende Zeichen beim Publikum keine sofort erschließbare Aussage über ein konkretes Qualitätsmerkmal ausgedrückt. Vielmehr erfordert die Ermittlung des möglichen Bedeutungsinhalts eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich die Aussage auf die Blattqualität an sich oder auf einzelne Kriterien beziehen soll. Ohne weiteren Denkprozess lässt sich aber keine klare Vorstellung zu einer konkreten Qualitätsangabe erschließen. Selbst wenn das Zeichen vom Publikum als werblicher Hinweis aufgefasst werden sollte, besteht keine sofortige gedankliche Verbindung zu einem bestimmten Alleinstellungsmerkmal, das sich eindeutig auf das bezeichnete Produkt beziehen würde.
[18] 2.3 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte auch das Bundespatentgericht. In der Entscheidung zu 29 W (pat) 537/13 wurde ausgeführt, dass das Wort „Standard“ kennzeichnungskräftig sei, weil es offenlasse, welcher Standard gemeint sei. Durch die Verwendung des bestimmten Artikels „der“ werde nur eine Individualisierung des Substantivs bewirkt. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass eine rein beschreibende Angabe über die Qualität des Produkts vorliege.
[19] 3. Zusammenfassend folgt, dass das in Rede stehende Zeichen für die von der Anmeldung betroffenen Waren und Dienstleistungen in den beantragten Klassen nicht beschreibend, sondern insgesamt unterscheidungskräftig ist. Es ist daher auch ohne Verkehrsgeltungsnachweis als Marke in das Markenregister einzutragen, was – in Stattgebung des Revisionsrekurses – anzuordnen war.
Schlagworte
DER STANDARD,Textnummer
E130395European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00198.20A.1222.000Im RIS seit
26.01.2021Zuletzt aktualisiert am
19.07.2021