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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
KFG 1967 §44 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. März 1995, Zl. MA 65 - 8/108/95, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) vom 21. September 1994 wurde die Zulassung eines für den Beschwerdeführer zugelassenen Kraftfahrzeuges zum Verkehr aufgehoben und der Beschwerdeführer gemäß § 44 Abs. 4 KFG 1967 verpflichtet, die Kennzeichentafeln und den Zulassungsschein für dieses Kraftfahrzeug unverzüglich abzuliefern.
Am 15. Dezember 1994 drohte die Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) dem Beschwerdeführer gemäß § 5 VVG 1950 eine Zwangsstrafe von S 5.000,-- an, da er der ihm mit dem Bescheid vom 21. September 1994 auferlegten Verpflichtung bisher nicht vollständig nachgekommen sei, und setzte für die Erfüllung dieser Verpflichtung eine Frist von einer Woche.
Bei der Behörde erster Instanz langte am 24. Jänner 1995 eine Sachverhaltsdarstellung bzw. ein Antrag des Beschwerdeführers ein, worin er erläuterte, daß er sein Kraftfahrzeug in Rumänien an einen sehr glaubwürdigen und anständig wirkenden Studenten verkauft habe, welcher sich verpflichtet bzw. zugesagt habe, die Kennzeichentafeln sofort nach der Ankunft in seiner Heimat dem Beschwerdeführer zu schicken. Eine Kaufvertragsdurchschrift wurde beigelegt. Da der Käufer dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, er in Rumänien nicht mehr auffindbar sei und der Beschwerdeführer die Adresse des Käufers in dessen Heimat verloren habe, sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich, die Kennzeichentafeln abzuliefern.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (Verkehrsamt) vom 27. Jänner 1995 wurde die angedrohte Zwangsstrafe verhängt. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer die Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe von S 6.000,-- angedroht, sollte er seiner Verpflichtung zur Ablieferung des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln nicht innerhalb einer Woche nachkommen.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Verhängung bzw. Androhung der Zwangsstrafe mit der Begründung, der Behörde sei nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich wahrheitsgemäß dargelegt worden, daß die verlangte Leistung nicht erbracht werden könne. Die Leistung sei aus nicht in der Sphäre des Beschwerdeführers liegenden Gründen unmöglich.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß im Spruch der Passus betreffend die Abgabeverpflichtung hinsichtlich des Zulassungsscheines zu entfallen habe. Es habe sich herausgestellt, daß der Zulassungsschein im Verkehrsamt aufliege. Die Angaben des Beschwerdeführers, er habe sein Kraftfahrzeug in Rumänien samt Kennzeichen an einen Ausländer verkauft und diesem aufgetragen, die Kennzeichen nach Ankunft in dessen Heimat nach Österreich zu senden, dann aber diesen Ausländer in Rumänien nicht mehr gefunden und schließlich sogar noch dessen Heimatadresse verloren, muteten extrem unglaubwürdig an. Ein angeblicher, in kaum leserlicher Kopie vorgelegter Kaufvertrag in rumänischer Sprache könne daran nichts ändern. Träfe die Darstellung des Beschwerdeführers zu, so hätte sich nicht nur der angebliche Käufer des Kraftfahrzeuges eines Zoll- und Finanzdeliktes sowie einer Übertretung der rumänischen Verkehrsvorschriften schuldig gemacht (Lenken eines KFZ ohne Zulassungsschein; dieser sei ja im Verkehrsamt in Wien abgegeben worden), sondern es hätte auch der Beschwerdeführer in Rumänien ein Zoll- und Finanzvergehen begangen sowie das österreichische Kraftfahrgesetz übertreten (durch Nichtabmelden des KFZ). Aufgrund dieser "widersprüchlichen Umstände" (in einem im Akt erliegenden Erhebungsbericht sei von einem Verkauf des Kraftfahrzeuges in den IRAK die Rede) sei die behauptete Unmöglichkeit der Abgabe der Kennzeichentafeln als nicht erwiesen anzusehen.
In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG kann eine Berufung gegen eine nach diesem Gesetz erlassene Vollstreckungsverfügung ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die tatsächliche Unmöglichkeit der Erfüllung einer dem Verpflichteten auferlegten unvertretbaren Leistung in einem gegen ihn geführten Vollstreckungsverfahren als Grund für die Unzulässigkeit der Vollstreckung iSd § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG ins Treffen geführt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0015, mwN).
Kern des Beschwerdevorbringens ist, daß dem Beschwerdeführer die verlangte Leistung aus den dargelegten Gründen tatsächlich unmöglich sei. Die belangte Behörde habe sein diesbezügliches Vorbringen zu Unrecht abgetan, den vorgelegten Kaufvertrag ignoriert und in diesem Zusammenhang in unschlüssiger Weise mit der Begehung von strafbaren Handlungen argumentiert.
Die Annahme der belangten Behörde, das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die behauptete Unmöglichkeit der Abgabe der Kennzeichentafeln sei unglaubwürdig, beruht weder auf einer mängelfreien Beweiswürdigung noch auf ausreichenden Ermittlungen. Der Umstand, daß Beschwerdeführer und Käufer bei Zutreffen seines Vorbringens gegen rumänische und österreichische Vorschriften verstoßen hätten, berechtigte die belangte Behörde nicht, allein deshalb schon diesem Vorbringen schlechthin den Glauben zu versagen. Es entspricht der Lebenserfahrung, daß bei Erwerb/Veräußerung eines KFZ einschlägige kraftfahrrechtliche Bestimmungen oft nicht in der gebotenen Weise beachtet werden, zumal diese den Beteiligten häufig nicht in allen Details bekannt sind. Davon abgesehen ist die Annahme der Begehung eines Zoll- und Finanzvergehens in Rumänien mangels näherer Begründung nicht nachvollziehbar. Weiters hat die belangte Behörde nach Lage des Falles naheliegende Möglichkeiten zur Klärung des maßgebenden Sachverhaltes und zur exakteren Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers nicht ausgeschöpft. Es wurde weder vom Beschwerdeführer eine leserliche Kopie des Kaufvertrages abverlangt noch der im besagten Erhebungsbericht vom 6. Dezember 1994 namentlich genannte Versicherungsvertreter über die ihm bekannten Umstände beim Verkauf des Kraftfahrzeuges befragt noch der Beschwerdeführer zwecks Klärung allenfalls noch bestehender Unklarheiten oder Widersprüche vernommen.
Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995110191.X00Im RIS seit
19.03.2001