TE Lvwg Erkenntnis 2020/12/3 LVwG-S-1811/001-2020

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

StVO 1960 §5
StVO 1960 §5a
StVO 1960 §58 Abs1
VStG 1991 §64

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin

HR Mag. Parich-Gabler über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 29.07.2020, Zl. ***, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG) zu Spruchpunkt 2. insofern stattgegeben, als das Straferkenntnis in seinem Strafausspruch zu diesem Spruchpunkt aufgehoben wird. Der anteilige Kostenausspruch zu diesem Spruchpunkt hat zu entfallen.

2.   Der Beschwerde wird des Weiteren betreffend den Ausspruch „Der Beschwerdeführer habe Barauslagen in der Gesamthöhe von 1.032 Euro (Barauslagen für die Blutanalyse und die klinische Untersuchung) zu bezahlen)“, Folge gegeben und das Straferkenntnis und in diesem Ausspruch behoben.

3.   Hinsichtlich Spruchpunkt 1. wird das Beschwerdeverfahren aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde mit Beschluss eingestellt.

4.   Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Zahlungshinweis:

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 880,00 Euro und ist gemäß § 52 Abs 6 VwGVG iVm § 54b Abs 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling (im Folgenden: „belangte Behörde“) vom 29.07.2020, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer zu Spruchpunkt 1. der Übertretung des § 99 Abs 1b iVm § 5 Abs 1 StVO für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 99 Abs 1b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 800 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 168 Stunden) verhängt sowie zu Spruchpunkt 2. der Übertretung des § 58 Abs 1 StVO für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit.a StVO eine Geldstrafe von 220 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 101 Stunden) verhängt.

Dem Beschwerdeführer wurde angelastet, er habe am 10.01.2020, 22:07 Uhr, im Gemeindegebiet ***, ***, als Lenker des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen ***

1.   das angeführte Fahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt,

2.   das Fahrzeug gelenkt, obwohl er sich nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden habe, in der er vermochte, sein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen, da Übermüdung vorgelegen sei.

Im Straferkenntnis wurde ausgesprochen, dass Barauslagen in der Höhe von 792 Euro für die Blutanalyse (Untersuchungskosten E) und 240,08 Euro für die klinische Untersuchung (Honorarnote Polizeiarzt) einzuzahlen sind.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde, in welcher er nicht bestreitet, dass er am 10.01.2020, um 22:07 Uhr, von Organen der Sicherheitspolizei angehalten worden sei, es in weiterer Folge zu einem Bluttest sowie zu einer amtsärztlichen Untersuchung, somit zu der Erstellung eines verkehrspsychologischen Gutachtens gekommen sei. Die Behörde habe sich mit seiner Rechtfertigung nicht ausreichend auseinandergesetzt, die Beschwerde richte sich vor allem gegen die Kostenentscheidung. Eine weitere Cannabiskonsumation habe es seit der Kontrolle nicht mehr gegeben, er habe den Vorfall gebraucht, um ein Bewusstsein im Sinne der verwaltungsstrafrechtlichen Prävention zu bewirken. Er sei Mitte Juli im Zuge einer weiteren Verkehrskontrolle wiederum auf Konsumation von sinnesbeeinträchtigenden Substanzen getestet worden, welche allesamt negativ ausgefallen seien. Er habe im laufenden Verfahren schon hohe Kosten zu tragen gehabt, weswegen ein Strafausmaß in der Höhe von 2.154,08 Euro unter dem Aspekt, dass er umgezogen sei, er dafür eine Kaution in der Höhe von 200 Euro sowie einen monatlichen Mietzins von insgesamt 900 Euro abführen müsse, nicht als rechtmäßig zu Kenntnis nehmen könne. Die Behörde habe die Strafbemessung nicht nachvollziehbar begründet, habe auch nicht konkret dargelegt, welche Bedeutung die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes habe, noch sei er auf die Intensität der Beeinträchtigung durch die Tat eingegangen worden. Eine lose Aufzählung, was die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergeben hätten, würden seines Erachtens nicht ausreichen, ein so hohes Strafausmaß rechtsgültig zu erlassen. Er beantrage die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, das Straferkenntnis aufzuheben und in eventu die Abänderung der Kostenentscheidung des Straferkenntnisses ohne Anberaumung einer mündlichen Verhandlung im Wege einer Beschwerdevorentscheidung, sofern es zu keiner solchen komme, die Beistellung eines Verfahrenshelfers.

3.   Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte in Entsprechung des Parteienantrages eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher Beweis aufgenommen wurde durch Verlesung des Verwaltungsstrafaktes der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Der Verfahrenshilfeantrag wurde bereits mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes zur Zl. LVwG-S-1811/002-2020 vom 16.09.2020 abgewiesen.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens legt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich seiner Entscheidung nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen zu Grunde:

Der Beschwerdeführer lenkte am 10.01.2020 den PKW mit dem Kennzeichen *** in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand. Dies wurde nach einer Anhaltung durch die Beamten der Polizeiinspektion ***, B und C im Rahmen einer Verkehrskontrolle, bei welcher die Polizisten den Verdacht einer Suchtgiftbeeinträchtigung hatten, weswegen der Beschwerdeführer den Polizeiarzt D zu einer klinischen Untersuchung vorgeführt wurde, in deren Rahmen eine Blutabnahme erfolgte, festgestellt. Die klinische Untersuchung ergab, dass der nunmehrige Beschwerdeführer durch Suchtgift und Übermüdung beeinträchtigt war, die Blutanalyse der E BetriebsgmbH (im Folgenden: E) ergab einen THC-Gehalt von 1,9 ng/ml, einen 11-OH-THC-Gehalt von 0,62 ng/ml und einen THC-COOH-Gehalt von 15,9 ng/ml. Aufgrund der im Blut festgestellten Konzentration an THC war aus toxikologischer Sicht das Vorliegen einer straßenverkehrsrelevanten Beeinträchtigung möglich.


Die Honorarnote des Polizeiarztes vom 10.01.2020 über 240,08 Euro und der Gebührennote der E vom 24.01.2020 über 792 Euro wurden der Verwaltungsstrafbehörde seitens der Polizeiinspektion *** übermittelt.

4.   Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Kontrolle in einem nicht fahrtüchtigen und durch Suchtgift und Übermüdung beeinträchtigten Zustand befand, stützt sich auf die klinische Untersuchung des Polizeiamtsarztes D sowie die toxikologische Blutuntersuchung durch die E, die das Ergebnis der klinischen Untersuchung bestätigt. Im Gutachten der E wird festgehalten, dass die im polizeiamtsärztlichen Gutachten festgestellten Beeinträchtigungen aufgrund der im Blut festgestellten Konzentrationen an THC und seiner Stoffwechselprodukte möglich seien.

Der Beschwerdeführer zog seine Beschwerde gegen die zu Spruchpunkt 1. festgesetzte Strafe zurück. Das Beschwerdeverfahren zu Spruchpunkt 1. war somit gemäß § 31 VwGVG einzustellen

5.   Rechtlich folgt dazu:

§ 5 Abs 1 StVO lautet auszugsweise:

Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen (…).

§ 99 Abs 1b StVO lautet:

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 800 Euro bis 3.700 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

§ 5a Abs 2 StVO lautet:

Ist bei einer Untersuchung nach § 5 Abs 2, 4a, 5, 6 oder 8 Z 2 eine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden, so sind die Kosten der Untersuchung vom Untersuchten zu tragen. Dasselbe gilt im Falle der Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung. Die Kosten der Untersuchung sind nach den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl Nr 136, vorzuschreiben.

§ 58 Abs 1 StVO lautet:

Unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 darf ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b sinngemäß anzuwenden.

§ 64 Abs 3 VStG lautet:

Sind im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Barauslagen erwachsen (§ 76 AVG), so ist dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind; der hienach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis (der Strafverfügung), sonst durch besonderen Bescheid ziffernmäßig festzusetzen. Dies gilt nicht für Gebühren, die dem Dolmetscher oder Übersetzer zustehen, der dem Beschuldigten beigestellt wurde.

Zu Spruchpunkt 2:

In Spruchpunkt 2 wurde dem Beschwerdeführer neben dem Tatvorwurf in Spruchpunkt 1 angelastet, er habe den PKW zur angegebenen Tatzeit am Tatort gelenkt, obwohl er sich nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden habe, in der er vermocht habe, sein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen, da Übermüdung vorgelegen sei.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes war durch den THC-Gehalt von 1,9ng/ml im Blut des Beschwerdeführers eine Beeinträchtigung durch Suchtgift gegeben.

Der Schuld- und Strafausspruch betreffend Übertretung des § 5 Abs 1 StVO (Spruchpunkt 1) ist aufgrund der Rückziehung der Beschwerde rechtskräftig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in mehreren Fällen erkannt, dass es für die Annahme des Tatbildes des § 5 Abs 1 StVO genügt, dass die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern auch weitere Ursachen (wie etwa Ermüdung, Krankheit, Medikamenteneinnahme) zurückzuführen ist.

Die Strafbarkeit ist also auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte (VwGH Ra 2016/02/0133, Ra 2017/02/0126).

Zu der Bestrafung betreffend das Vorliegen der Übermüdung ist somit auszuführen, dass gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, eine Unterstellung unter § 58 Abs 1 StVO nicht in Betracht (Hinweis E 25.10.1973, 0052/72, E 14.02.1985, 85/02/0091) kommt, wenn der Fahrzeuglenker einen Blutalkoholgehalt aufweist (nichts Anderes kann für eine Suchtgiftbeeinträchtigung gelten).

§ 5 Abs 1 StVO ist zu § 58 Abs 1 StVO die lex spezialis. Mit der Bestrafung wegen der Suchtgiftbeeinträchtigung in Spruchpunkt 1 und der damit einhergehenden Konsumption des von dem Beschwerdeführer verwirklichten Tatbildes nach § 58 Abs 1 StVO ist eine Bestrafung des Beschwerdeführers auch nach § 58 Abs 1 StVO unzulässig.

Zumal sich die Beschwerde in Spruchpunkt 2 nur gegen die Strafhöhe richtete, der Schuldspruch sohin in Teilrechtskraft erwachsen ist, war das Straferkenntnis in Spruchpunkt 2 nur hinsichtlich des Straf- und Kostenausspruches zu beheben.

6.   Zur Entscheidung über die Barauslagen:

Im Hinblick darauf, dass im hier vorliegenden Straferkenntnis keine Rechtsgrundlagen für die Vorschreibung der Barauslagen angeführt sind, ist zunächst festzuhalten, dass die Kostenregelung des § 5a Abs 2 StVO insofern von der des § 64 Abs 3 VStG abweicht, als diese Kosten nicht im Zuge des Verfahrens entstanden sind, sondern noch vor dessen Einleitung (vgl. Pürstl, StVO-ON14.01 (2017) §§ 5 bis 5b StVO Anm 46).

Nur dann, wenn der Behörde im Verwaltungsstrafverfahren wegen Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 1 StVO Barauslagen gemäß § 76 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) erwachsen sind (z.B. Kostenersatz für im Verfahren notwendig gewordene gutachterliche Äußerung eines gerichtlich beeideten Sachverständigen), hat sie dem Bestraften den Ersatz dieser Barauslagen gemäß § 64 Abs 3 VStG aufzuerlegen (VwGH 95/02/0490).

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde ohne gesondertes Verfahren der Ersatz der Kosten für die im Zuge der Amtshandlung der Landespolizeidirektion NÖ, Landesverkehrsabteilung, erfolgte ärztliche Untersuchung sowie für die Auswertung seiner Blutprobe vorgeschrieben. Diese Kosten sind allerdings nicht im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens, sondern noch vor dessen Einleitung entstanden. Es ist daher nicht zulässig, den Ersatz dieser Kosten dem Beschwerdeführer als der Behörde erwachsene Barauslagen im Sinne der Bestimmung des VStG aufzuerlegen. Die Kosten der Untersuchung sind vielmehr gemäß § 5a Abs 2 StVO nach den Bestimmungen des GebAG unter Berücksichtigung der dort festgelegten Verfahrensschritte vorzuschreiben.

Unter Zugrundelegung obiger Ausführungen war der Beschwerde somit hinsichtlich der Vorschreibung dieser Kosten Folge zu geben.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verwaltungsstrafe; Übermüdung; Suchtgift; Barauslagen;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.1811.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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