TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/24 W272 2229967-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2020
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Entscheidungsdatum

24.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15
AsylG 2005 §18
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §16 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W272 1417818-3/18E

W272 2229967-1/14E

W272 2229966-1/10E

W272 2229963-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX geb. XXXX , StA. Ukraine alias Kirgisistan, XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX alle StA. Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom XXXX , Zahlen XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt I. bis V. werden als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt VI. wird insoweit stattgegeben, als gemäß § 55 Abs. 1 bis 2 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

III. Den Beschwerden hinsichtlich Spruchpunkt VIII. werden stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstverfahren

1.1 Der Erstbeschwerdeführer stellte als kirgisischer Staatsangehöriger am 07.02.2001 einen Antrag auf Asyl.

1.2. Mit Bescheid vom 09.08.2001 des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, Zahl 01 02.409-BAT wurde dem Erstbeschwerdeführer gem. § 7 AsylG 1997, BGBl I 1997/76 (AsylG) der Antrag auf Asyl gewährt und gem. § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihm kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt

1.3. Aufgrund zahlreicher Verurteilungen wurde am 26.01.2010 ein Aberkennungsverfahren vom Bundesasylamt eingeleitet. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.04.2012 wurde das Asylverfahren gem. §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ und gleichzeitig die verfügte Ausweisung rechtskräftig.

1.4. Der Beschwerdeführer war seit 2002 mit XXXX , geborene XXXX verheiratet. Dieser wurde 2012 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

1.4. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 04.12.2012 GZ 1045267/FRB wurde gegen den Erstbeschwerdeführer gem. §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 2 des FPG 2005 eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein auf sieben Jahre befristetes Einreiseverbot verhängt.

1.5. Der Erstbeschwerdeführer wurde am 14.12.2012 in seinen Herkunftsstaat Kirgisien abgeschoben.

1.6. Mit Erkenntnis des UVS Oberösterreich vom 12.03.2013 Zahl VwSen-730699/3/SR/WU wurde der angefochtene Bescheid aufgehoben. Die Bescheidbegründung stellte im Wesentlichen fest, dass der BF aufgrund der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin unter den Begünstigenkreis des § 65f FPG zu subsumieren ist, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gem. § 67 FPG keine Anwendung findet.

1.7. Mit 18.11.2014 wurde die Ehe zwischen dem Erstbeschwerdeführer und seiner Frau XXXX geschieden.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Der Erstbeschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger, reiste am 19.12.2019 gemeinsam mit seiner Frau, der Zweitbeschwerdeführerin und seiner Tochter, der Drittbeschwerdeführerin direkt über einen Flug von der Ukraine in das österreichische Staatsgebiet ein und stellte am 28.12.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

2.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei der Erstbeschwerdeführer angab, dass er in Kirgisistan geboren sei und nach der Abschiebung durch Österreich nach Kirgisistan in seinem Geburtsstaat Probleme bekommen habe. Er sei dort geschlagen und gefoltert worden, weil seine gesamte Familie Kirgisistan verlassen habe. 2014 habe er Kirgisistan verlassen und sei in die Ukraine gefahren. Dort habe er seine Frau geheiratet und eine Tochter bekommen. Dadurch sei er ukrainischer Staatsbürger geworden. Nach Österreich sei er gekommen, weil seine Eltern und Geschwister hier leben. Österreich sei für ihn ein zweites Heimatland. Bei der Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben. In Österreich habe er bereits im Jahr 2000 um Asyl angesucht und sei bis im Jahr 2012 in Österreich geblieben. Er sei abgeschoben worden, da er Probleme mit den Behörden wegen Drogen bekommen habe. In Österreich leben sein Vater, seine Mutter, sein Bruder, seine Schwester, ein Halbbruder des Vaters. Alle würden in Oberösterreich leben, wo genau wisse er nicht. Er verfüge über 233 Euro und habe in der Ukraine in Kharkiw gelebt. Mitvorgelegt wurde ein ukrainischer Reisepass in Original, ausgestellt durch das Passamt Kharkiw. Im Pass in die Staatsangehörigkeit Ukraine festgelegt. Der Pass wurde am 03.12.2019 ausgestellt.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte vor, dass sie in der Ukraine geboren worden sei. Sie habe 10 Jahre die Grundschule besucht und 5 Jahre die Universität (Management). Zuletzt habe sie als Designerin für Vorhänge gearbeitet. Ihre Eltern, ein Bruder und eine Tochter aus der ersten Ehe würden noch in der Ukraine wohnen. Sie habe in der Stadt Kharkiw gewohnt. Weiters habe sie und ihr Mann das Sorgerecht über ihre Tochter. Die Ausreise habe ihr Mann Anfang Dezember 2019 entschieden, dies da die Familie ihres Mannes in Österreich wohnen. Sie habe in keinem anderen Land Asyl beantragt und wolle nun hier in Österreich bleiben. Die Reise haben sie selbst organisiert. Der Reisepass wurde vom Passamt Kharkiw ausgestellt und die Staatsangehörigkeit mit Ukraine festgelegt. Sie habe ihren Mann geheiratet und ihr Mann habe entschieden die Ukraine zu verlassen, weil er schon lange in Österreich gelebt habe und seine Angehörigen hier wohnen würden. Sie selbst habe keine Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte sie nichts, wenn der Krieg nicht ausbricht. Als Erziehungsberechtigte stelle sie stellvertretend für ihre Tochter einen Antrag auf Asyl.

2.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.01.2020, gab der Erstbeschwerdeführer zunächst an, dass er Russisch und Deutsch spreche und physisch und psychisch in der Lage sei der Einvernahme zu folgen. Er gab an, dass er gesund sei, der evangelischen Glaubensgemeinschaft angehöre und der Volksgruppe der Russen. Er habe in Chrkov seit 2014 alleine gelebt und im Jahr 2016 seine Frau kennengelernt. Seither habe er mit ihr, seiner Tochter und der Stieftochter zusammengewohnt. Zeitweise, wenn in Donzek geschossen worden sei, haben auch seine Schwiegereltern bei ihnen gewohnt. Sie haben in einer Wohnung gelebt, dort würden nunmehr seine Schwiegereltern wohnen. Sein Schwager sei ebenfalls in Chrkov wohnhaft, jedoch in einer anderen Wohnung. Er sei von 2012 -2014 in Kirgisistan gewesen und dort von dem kirgisischen Sicherheitsministerium abgeholt worden und habe zwangsweise ohne Lohn in einer Ziegelfabrik arbeiten müssen. Dies da die Behörde vermeinten, dass seine Familie Schulden haben und seit 20 Jahren in Österreich leben. 2014 habe er Kirgisistan verlassen, da er mitteilte, dass eine Operation aufgrund seiner gebrochenen Hand, in Österreich durch seine Familie bezahlt werde. Er habe einen Reisepass gemacht, sei jedoch an der polnischen Grenze zurückgeschickt worden. Durch die Geburt seiner Tochter im Jahr 2018, sei er nunmehr ukrainischer Staatsbürger und habe im Dezember 2019 einen ukrainischen Pass ausstellen lassen. Er sei seit Dezember 2019 verheiratet. Er habe eine Berufsausbildung, als Automechaniker, jedoch nicht gearbeitet und habe seiner Frau geholfen. Seine Eltern haben ihn finanziell unterstützt, indem sie ihm monatlich Geld geschickt haben. In der Ukraine habe er keine Familienangehörige, alle seine Verwandten würden in Österreich leben. In Österreich habe er keine Beschäftigung, er könne jedoch sofort zu arbeiten beginnen, da er Deutschkurse gemacht habe. Zurzeit sei er im Lager untergebracht. Er sei in keinem Verein oder sonstige Organisation tätig. In der Ukraine habe er keine Probleme wegen seiner Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit. Er habe auch keine Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär gehabt, weiters sei er nie in Haft gewesen. In der Ukraine sei Krieg und er sei aus Kirgisistan. Er sei laut Pass ukrainischer Staatsbürger, aber er möchte bei seiner Familie leben. Österreich sei seine zweite Heimat. Wenn er zurückkehre habe er Angst vor dem Krieg und der Unordnung, er sei jedoch persönlich nicht bedroht worden, sondern er meine nur die allgemeine Lage sei schlecht. Zur vom BFA vorgebrachten Lage der Situation in der Ukraine möchte er nichts mehr angeben, auch die anwesende Rechtsberatung gab keine Anträge ab. Abschließend gab der BF noch an, dass er fünf Jahre drogenabhängig war und er um Verzeihung bitte. Er habe jetzt eine Familie und eine schwangere Frau und möchte nunmehr ein gesetzestreuer Bürger sein und hier leben. Seine ehemalige Ehefrau habe sich im Jahr 2015 bzw. 2016 scheiden lassen.

Mitvorgelegt wurden:

?        Heiratsurkunde

?        Geburtsurkunde

Bei der am gleichen Tag durchgeführten Einvernahme der BF 2, gab diese an, dass sie gesund und gerade im 8. Monat schwanger sei. Sie habe für ihre Tochter einen Asylantrag gestellt, die Tochter hätte keine anderen Gründe. Sie sei vom evangelischen Glauben. Sie habe im Bundesstaat Donezk in der Stadt Charzysk von der Geburt bis in das Jahr 2014 gelebt. Danach habe sie in verschiedenen Ortschaften gelebt. Zuletzt habe sie gemeinsam mit ihrer Familie in Chrkov in einer gemieteten Wohnung gelebt. Sie habe von 2014 – 2019 dort mit Unterbrechung gelebt, ab und zu seien sie auch in Donezk gewesen. Sie habe am 12.12.2019 ihren Mann in Chrkov geheiratet. Sie sei Managerin gewesen und habe zuletzt als Designerin für Vorhänge für ca. zehn Jahr bis zur Ausreise gearbeitet. Teilweise sei sie in Karenz gewesen, wenn sie jedoch Aufträge bekommen habe, habe sie gearbeitet. Ihr Mann sei arbeitslos gewesen und sie habe ihn 2016 kennengelernt, er habe ihr bei der Arbeit geholfen. In der Ukraine habe sie eine Tochter namens Valeria, welche 15 Jahre alt sei. Diese lebe nun bei den Großeltern in Chrkov. Ihre Eltern seien immer zwischen Donezk und Chrkov hin und hergereist, wenn nicht geschossen worden sei, seien sie nach Donezk gefahren. Sie sei nun mit ihrer Familie in Chrkov über Viber in Kontakt. Sie sei in Österreich nicht berufstätig, sei im Lager untergebracht, kein Mitglied in einem Verein, spreche kein Deutsch, sondern russisch, ukrainisch und ein bisschen Englisch. In Österreich habe sie keine Verwandten oder soziale Kontakte. Ihr Mann habe Verwandte in Österreich. Sie habe in der Ukraine keine Probleme mit den Behörden, der Polizei, Militär oder wegen ihrer Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit gehabt. Sie sei auch nie in Haft gewesen. Die Ukraine habe sie verlassen, da ihr Mann früher hier lebte und auch viele Verwandte hier habe. Es gab keinen Vorfall, warum sie flüchten habe müssen, im Grunde auch wegen dem Krieg. Ihr Mann sei aus Kirgisistan ausgewiesen worden, glaublich im Jahr 2012 und habe große Probleme dort gehabt, er wolle zurück in seine Heimat Österreich. Ihr Mann sei ukrainischer Staatsbürger. In der Ukraine habe ihr Mann keine Probleme gehabt. In Donezk habe sie Angst wegen dem Krieg und Chrkov sei nur eine zeitliche Bleibe. Die Wohnung sei nur gemietet und es gebe auch keine Arbeit. Die Unruhen könnten sich auch auf den Rest der Ukraine ausbreiten. Zu den Länderfeststellungen brachte die BF vor, dass die Lage unruhig sei und nicht sicher. In Donezk würde immer geschossen werden, man spreche immer von Waffenstillstand, aber dies sei nicht der Fall.

Am XXXX wurde der Sohn, BF 4, des BF 1 und BF 2 in Österreich geboren und für ihn am 05.02.2020 ein Antrag auf internationaler Schutz gestellt.

2.4. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurden die Anträge der Beschwerdeführer 1 - 4 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurden die Anträge der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Ukraine gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde den Beschwerdeführern unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Sowie unter Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. In Spruchpunkt V. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Gem. Spruchpunkt VII wurde gem. § 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gem. § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII).

In der Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde fest, dass der Erstbeschwerdeführer nunmehr ukrainischer Staatsangehöriger sei. Der Erstbeschwerdeführer sei mit der Zweibeschwerdeführerin, welche ukrainische Staatsangehörige ist, verheiratet. Beide haben miteinander zwei Kinder, nämlich die Drittbeschwerdeführerin und den Viertbeschwerdeführer. Die Beschwerdeführer habe keine individuelle Verfolgung durch ihren Herkunftsstaat, noch durch Drittpersonen vorgebracht, auch sei ein solche nicht feststellbar. Der Erstbeschwerdeführer habe die Ukraine verlassen, um bei seinen Eltern, Geschwistern und Verwandte in Österreich zu sein. Die Zweitbeschwerdeführerin ist ihrem Mann gefolgt. Die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer brachten für sich bzw. wurde für sie keine zusätzlichen Gründe für das Verlassen der Ukraine bzw. eine etwaige Verfolgung in der Ukraine bekanntgegeben. Es konnten keine Verfolgungsgründe aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zur einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung festgestellt werden. Im Falle der Rückkehr könnte die Familie ein Leben führen, welches nicht zu einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK führen würde bzw. würde die Familie eine Lebensgrundlage vorfinden in der sie nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage führen würde. Der Erstbeschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und hat Berufserfahrung. Die Zweitbeschwerdeführerin ist ebenfalls gesund, arbeitsfähig und hat Berufserfahrung. Die Beiden könnten aufgrund dieser Arbeitsfähigkeit sich den Lebensunterhalt verdienen. Weiters leben noch die Eltern und die Tochter der Zweitbeschwerdeführerin in Chrkow, sodass durch die verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte auch Unterstützungs- und Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung stehen würden. Die Lage in Chrkow ist nicht von Kriegshandlung betroffen, sodass auch die notwendige Sicherheitslage gegeben ist und daher mit keiner Gefährdung bei Rückkehr mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist. Der Erstbeschwerdeführer habe zwar in Österreich Familienangehörige, wie Eltern, Geschwister, Onkel, Tante und ehemalige Ehefrau, aufgrund der Rückkehr als Familie ist das Familieninteresse gewahrt. Auch ist die Familie der Zweitbeschwerdeführerin in der Ukraine und dadurch auch die Großeltern und Stiefschwester der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin. Die Beschwerdeführer haben keine Arbeit in Österreich, sind nicht Mitglied in einem Verein oder haben sonstige besondere Integrationsverfestigungen. Auch ist nach Abwägung des Privatinteresses des Erstbeschwerdeführes mit dem öffentlichen Interesse eines geordneten Asyl- und Niederlassungsverfahrens zugunsten des öffentlichen Interesse abzuwägen. Es wird dabei nicht verkannt, dass der Erstbeschwerdeführer über 11 Jahre in Österreich gelebt hat und auch von seiner in Österreich befindlichen Familie finanziell unterstützt wurde. Der Erstbeschwerdeführer ist jedoch seit acht Jahren nicht mehr in Österreich und lebte seit fast sechs Jahren in der Ukraine, sodass von keiner Verfestigung in Österreich auszugehen ist. Die Zweit- bis Drittbeschwerdeführerin befinden sich zum ersten Mal in Österreich. Dass die Beschwerdeführer von der Familie des BF finanziell abhängig waren ist nicht hervorgekommen. Sie lebten unabhängig voneinander. Beziehungen zu einem Bruder, Onkel, Cousins und Cousinen, die nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Fremden leben, fallen nicht in den Schutzbereich. Die BF leben von der Grundversorgung. Gem. § 18 Abs. 1 BFA-VG ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuerkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammen. Die Ukraine gehört zu einem sicheren Herkunftsstaat daher ist die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, sowie gem. § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewähren. Da die BF nicht im Stande sind den Besitz der Mittel zu einem Unterhalt nachzuweisen war ihnen ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren auszusprechen. Da der Erstbeschwerdeführer wiederum illegal eingereist ist, zeigt er, dass er nicht gewillt ist die österreichische Rechtsordnung zu achten und zu beachten und daher sein Aufenthalt eine Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
2.5. Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Die BF brachten vor, dass der Erstbeschwerdeführer durch die Heirat mit seiner nunmehrigen Ehegattin und die Geburt seiner beiden Kinder die ukrainische Staatsbürgerschaft erteilt bekommen habe. Zuvor war er 2014 aufgrund massiver Misshandlungen gezwungen, seinen Heimatstaat Krigisistan wieder zu verlassen. 2014 sei er in die Ukraine geflüchtet, da ihm in Kirgisistan die Hand gebrochen worden sei und er von seinen Eltern die Operation bezahlt bekommen habe. Im Jahr 2016 habe er seine nunmehrige Ehegattin kennengelernt und sei durch die Geburt seiner Tochter im Jahr 2018 ukrainischer Staatsbürger. Die aktuelle Situation in der Ukraine sei unruhig, dass aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzung im Osten im gesamten Land und ein freies Leben unter den derzeitigen Verhältnissen nicht möglich sei. Der Erstbeschwerdeführer sei selbst Fremder im Land gewesen. Der Erstbeschwerdeführer sei nunmehr nach der Drogensucht therapiert und der UVS Oberösterreich habe seine auf sieben Jahre befristete Einreiseverbot aufgehoben. Seine gesamte Familie würde sich in Österreich aufhalten. Der Erstbeschwerdeführer befinde sich derzeit in medizinischer Behandlung und es wird auf den beiliegenden Therapieplan verwiesen. Die Beschwerdeführer würden in finanzieller Hinsicht durch die Familie des Erstbeschwerdeführers finanziell unterstützt werden und daher keine Gefährdung und Grund für die Erlassung eines zweijährigen Einreiseverbotes. Weiters wird um Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ersucht. So richtetet sich die Beschwerde gegen alle Spruchpunkte und wird die Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersucht.

2.6. Am 08.05.2020 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge der Verhandlung wurden die BF nicht vertreten. Die anwaltliche Vertretung legte die Vollmachtsauflösung mit 29.04.2020 vor. Die Vertretung durch die zugewiesene Rechtsberatung wurde durch die Beschwerdeführer nicht in Anspruch genommen. Die Beschwerdeführer erteilten keine Vollmacht und wiesen darauf hin, nicht zu wollen von dieser vertreten zu werden. (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls). Im Rahmen der Verhandlung wurde vorgelegt:

?        Geburtsurkunde des BF 4

?        Ein Lebenslauf des BF 1

?        Eine Teilnahmebestätigung des BF 1 beim BFI 2008

?        Teilnahmebestätigung des BF 1 „Integration Asylanten“ vom 24.09.2001-2002

?        Ausbildungsbetätigung des BF 1 EDV Powerpoint vom 27.08.20012 – 31-08.2012

?        Teilnahmebestätigung „Fit für den Verkauf – Präsentation und Telefonmarketing“ des BF 1 bei einem BFI Kurs vom 01.12.2008 – 12.12.2008

?        Kopie der Führerscheine: „Dreh- Ausleger- Fahrzeug- und Laufkrane“ und „Hubstapler“ vom BF 1

?        Sprachzertifikat Deutsch A2 von 2007 des BF 1

?        Ambulanzbefund der BF 3 vom 17.02.2020

?        Therapieplan des BF 1 für den Aufenthalt vom 06.05.2020 – 20.05.2020

?        Arztbrief betreffend des BF 1 vom 18.02.2020

?        Taufauszug der Pfarre St. Martin – Aspern bezüglich der Taufe der Großmutter des

Erstbeschwerdeführers

?        Österreichischer Personalausweis der Mutter des BF 1

?        Kopie des Reispasses des Bruders XXXX und XXXX des BF 1

?        Geburtsurkunde der Großmutter des BF 1 mit Geburtsort Wien

?        Mitteilung der Vorsorgekassa bezüglich der Anwartschaft des BF 1

2.7. Im Rahmen eines Parteiengehörs vom 25.05.2020 wurden die Eltern des BF 1 aufgefordert bekannt zu geben, ob Sie die Familie des BF 1 Unterkunft, Verpflegung und in welcher Höhe ein Unterhalt für die Beschwerdeführer leisten können. Mit Schreiben vom 28.05.2020 wurde seitens der Eltern des BF 1 mitgeteilt, dass Sie den Beschwerdeführern keine Wohnmöglichkeit bieten können, da sie nicht genug Platz hätten. Da sie beide in naher Zukunft die Pension antreten würden, könnten sie auch keinen Unterhalt zahlen. Die Eltern werden die BF soweit sie können unterstützen. Mitvorgelegt wurde eine Geburtsurkunde des BF 1, österreichischer Staatsbürgerschaftsnachweis des Vaters des BF 1, österreichischer Personalausweis der Mutter des BF 1 sowie Mietvertrag der Eltern des BF 1. Weiters wurde mitgeteilt, dass die BF keinen Antrag auf Niederlassung gestellt haben (email vom 16.06.2020).

2.8. Im Rahmen des Parteiengehörs teilte das BFA mit Schreiben vom 30.06.2020 mit, dass die Familie keine begünstigten Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 FPG Abs. 4 Z 11 sind. Weiters sind die BF mit einem ukrainischen, biometrischen Reisepass eingereist, demzufolge sie auch mindestens drei Monate visumfrei legal in Österreich aufhalten hätten können. Von diesem Recht hat XXXX keinen Gebrauch gemacht. Ein gegenseitiges Unterstützungsverhältnis zu den Eltern ist nicht festgestellt worden, weder in finanzieller noch in gesundheitlicher Hinsicht. Es kann keine Änderung des Bescheides nachvollzogen werden. Die Asylwerber hätten gem. NAG durchaus auf einen positiven Erfolg hinsichtlich des Verbleibes in Österreich in Aussicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Erstbeschwerdeführer führt den Namen XXXX ist ukrainischer Staatsangehöriger und Angehöriger der evanglischen Glaubensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer wurde spätestens am XXXX in Kirgisistan geboren. Der Erstbeschwerdeführer stellte als kirgisischer Staatsangehöriger am 07.02.2001 einen Antrag auf Asyl. Mit Bescheid vom 09.08.2001 des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, Zahl 01 02.409-BAT wurde dem Erstbeschwerdeführer gem. § 7 AsylG 1997, der Antrag auf Asyl gewährt und gem. § 12 AsylG 1997 festgestellt, dass ihm kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Aufgrund zahlreicher Verurteilungen (insgesamt 7 strafrechtliche Handlungen bis zur Abschiebung, darunter auch nach dem SMG) wurde am 26.01.2010 ein Aberkennungsverfahren vom Bundesasylamt eingeleitet. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.04.2012 wurde das Asylverfahren gem. §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ und gleichzeitig die verfügte Ausweisung rechtskräftig. Der Erstbeschwerdeführer war in erster Ehe seit 2002 mit XXXX , geborene XXXX verheiratet. Dieser wurde im Jahr 2012 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 04.12.2012 GZ 1045267/FRB wurde gegen den BF 1 gem. §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 2 des FPG 2005 eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein auf sieben Jahre befristetes Einreiseverbot verhängt. Der Erstbeschwerdeführer wurde am 14.12.2012 in seinen Herkunftsstaat Kirgisien abgeschoben. Mit Erkenntnis des UVS Oberösterreich vom 12.03.2013 Zahl VwSen-730699/3/SR/WU wurde der Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 04.12.2012 aufgehoben. Die Ehe wurde am 18.11.2014 geschieden

Der BF 1 absolvierte 10 Jahre die Schule in Kirgisien und erhielt dort eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Deutsch, Russisch und Ukrainisch. Während des Aufenthaltes in Österreich arbeitete der BF in verschiedenen Firmen. Er absolvierte verschiedene Kurse und absolvierte den Stapler und Kranfahrerführerschein. Er wurde rechtskräftig wegen mehrerer strafbarer Handlungen in Österreich verurteilt.

Der BF 1 lebte von 2012 bis 2014 in Kirgisien und seit 2014 bis zur Ausreise in der Ukraine. Dort wurde er zunächst von seiner Mutter und Freunden unterstützt und lernte seine Frau im Jahr 2014 kennen und lebte mit ihr und deren älteren Tochter in einem gemeinsamen Haushalt in Charkiw . Am XXXX wurde in der Ukraine seine Tochter, die BF 3 geboren. Der BF 1 nahm im Jahr 2019 die ukrainische Staatsbürgerschaft an. Am 12.Dezember 2019 heiratete der BF 1 die BF 2 in der Ukraine. In Österreich verfügt der BF 1 über mehrere Verwandte, wie seine Eltern, einen verheirateten Bruder mit Sohn, einer Schwester mit Tochter, drei verheirateten Onkeln und mehreren Cousins mit Kindern, die Verwandten besitzen zum Teil auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Er hatte mit seiner Mutter immer wieder Kontakt, zum Rest der Familie keinen oder nur wenig Kontakt. Seine Großmutter wurde in Österreich geboren. Mit anderen Österreichern hat der BF 1 keinen Kontakt, noch hat er sonstige Bekannte oder Freunde in Österreich.

Der BF 1 ist grundsätzlich seinem Alter entsprechend entwickelt, gesund und arbeitsfähig. Der BF hatte eine Oberarmfraktur, eine weitergehende Behandlung erfolgt nicht, ihm wurde eine physikalische Therapie und Physiotherapie verordnet.

Die Zweitbeschwerdeführerin führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in der Ukraine, XXXX geboren und ukrainische Staatsbürgerin. Die BF 2 gehört der evangelischen Glaubensgemeinschaft an. Sie besuchte 10 Jahre die Grundschule und 5 Jahre die Universität (Management) in der Ukraine. Zuletzt arbeitete sie als Designerin für Vorhänge. Sie hat eine Tochter aus erster Ehe. Die BF 2 lebte seit 2014 in der Stadt XXXX mit ihrer Tochter selbstständig und besuchte manchmal ihre Eltern in XXXX . Sie spricht ukrainisch und russisch. In Österreich hat sie keine Integrationsschritte durchgeführt und außer die Verwandten ihres Mannes, keine Verwandte oder Bekannte. Sie spricht kein Deutsch.

Die Drittbeschwerdeführerin, die Tochter des BF 1 und der BF 2, führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in der Ukraine geboren und ist ukrainische Staatsbürgerin. Sie wird von den Eltern vertreten und hat keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Die BF 3 lebte bis zur Ausreise gemeinsam mit ihren Eltern in XXXX in der Ukraine. Die BF 3 war eine Frühgeburt.

Der Viertbeschwerdeführer ist der Sohn des BF 1 und der BF 2 und führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in Österreich geboren. Seine Eltern stellten für ihn am 04.02.2020 den Antrag auf internationalen Schutz.

Die B2 – 4 sind gesund und haben keine lebensgefährlichen Krankheiten.

In der Ukraine verfügen das Ehepaar über Verwandte, nämlich die Eltern der BF 2, ihren Bruder und ihrer Tochter. Der BF 1 lebte seit 2014 in der Ukraine und lebte von 2016 bis zur Ausreise im gemeinsamen Haushalt mit der BF 2 in XXXX in einer Wohnung.

Die BF 1 - 3 kennen die ukrainische Kultur und lebten diese. Der Erstbeschwerdeführer kennt auch die Eltern und Tochter seiner Ehefrau und lebte mit diesen zeitweise zusammen.

Die BF 1 -4 sind in ihrem Herkunftsstaat Ukraine nicht vorbestraft, waren dort nie inhaftiert, waren keine Mitglieder einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, sie haben sich nicht politisch betätigt und hatten keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Ansonsten gehen die BF 1 - 4 keinen kulturellen oder sozialen Aktivitäten in Österreich nach. Sie leben von der Grundversorgung und die BF 2 – 4 haben keine strafrechtlichen Verurteilungen.

Die Beschwerdeführer 1 - 3 reisten in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.12.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF 4 stellte, vertreten durch seine Eltern den gegenständlichen Antrag am 05.02.2020.

Eine ausgehende Gefährdung durch die BF 1- 4 für die Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich besteht nicht.

Die BF 1 – 4 werden durch die Familie des BF 1 teilweise unterstützt.

Die Ukraine ist ein sicherer Herkunftsstaat.

1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

Die BF werden nicht wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr der BF in sein Herkunftsland:

Im Falle einer Rückkehr in die Ukraine werden die BF aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht.

Eine Gefahr der Verfolgung, aufgrund kinderspezifische Gefahren, besteht für die Kinder nicht, sie können im Familienverbund mit ihren Eltern zurückreisen und sind in XXXX keiner Gefährdung ausgesetzt.

Bezüglich der Rückkehr in die Ukraine in die Stadt Charkiw , wird festgestellt, dass diese Stadt relativ sicher ist und sie sich dort ohne Gefahr einen ernstlichen Schaden zu erleiden ansiedeln können.

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären.

Wenngleich die BF 2 in der Region Donezk aufgewachsen ist, kann sie weiterhin in der Stadt XXXX leben und dies als Wiederansiedelung bzw. als innerstaatliche Fluchtalternative annehmen. Dasselbe gilt für den BF 1, welcher in Kirgisien geboren wurde. Die Kinder können sich mit den Eltern in der Ukraine ansiedeln.

Es ist ihnen möglich ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befrieden zu können, bzw. ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Den BF würde bei ihrer Rückkehr in die Stadt kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen. Sie würden in keine existenzgefährdende Notlage geraten und es ist ihnen nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen. Die BF haben auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung durch die Eltern des BF 1 zu erlangen. Sie können selbst für ihr Auskommen und Fortkommen sorgen. Es ist ihnen zumutbar sich in der Stadt XXXX anzusiedeln.

XXXX ist sicher über den internationalen Flughafen zu erreichen. Die Stadt ist sicher vom Flughafen aus zu erreichen.

Auch besteht für die BF 1 – 4 keine Gefahr aufgrund der allgemeinen COVID-Pandemie, eine schwerwiegende Erkrankung zu erleiden oder gar den Tod.

1.4. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt (Stand 29.05.2019).

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.08.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 29.8.2019 ist die ukrainische Oberste Rada zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Die Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Diener des Volkes, hatte bei der Wahl mehr als 250 der insgesamt 450 Sitze gewonnen (DS 29.8.2019; vgl. Ukrinform 30.8.2019).

Sechs Fraktionen wurden gebildet: Diener des Volkes mit 254 Sitzen, die Oppositionsplattform „Für das Leben“ mit 44 Sitzen, Europäische Solidarität (Ex-Block Poroschenko) mit 27 Sitzen, Batkivshchyna (Julia Timoschenkos Partei) mit 25 Sitzen, Holos (Stimme) mit 17 Sitzen und schließlich die aus unabhängigen Abgeordneten bestehende Fraktion „Für die Zukunft“ mit 23 Sitzen (KP 29.8.2019).

Für die neue Regierung stimmten 281 Parlamentarier. Neuer Premierminister ist der 35-jährige Jurist Olexij Hontscharuk (DS 29.8.2019; vgl. Ukrinform 30.8.2019). Zum neuen Ministerkabinett gehören: Vizepremierminister für europäische und euroatlantische Integration Dmytro Kuleba Vizepremierminister und Minister für IT-Transformation Mychailo Fedorow Minister des Ministerkabinetts Dmytro Dubilet

Außenminister Wadym Prystaiko Verteidigungsminister Andrij Sahorodnjuk

Innenminister Arsen Awakow (Bereits in der Vorgängerregierung tätig)

Minister für Wirtschaftsentwicklung, Handel und Landwirtschaft Tymofij Mylowanow

Justizminister Denys Maljuska

Finanzministerin Oxana Markarowa (Bereits in der Vorgängerregierung tätig)

Minister für Energiewirtschaft und Kohleindustrie Olexij Orschel

Minister für Infrastruktur Wladyslaw Kryklij

Ministerin für Entwicklung von Gemeinden und Territorien Olena Babak

Ministerin für Bildung und Wissenschaft Hanna Nowosad

Gesundheitsministerin Zorjana Skalezka

Minister für Kultur, Jugend und Sport Wolodymyr Borodjanskyj

Ministerin für Sozialpolitik Julia Sokolowska

Ministerin für Angelegenheiten von Veteranen, vorläufig besetzen Gebieten und Binnenflüchtlingen Oxana Koljada (Ukrinform 30.8.2019)

Zu den unmittelbaren Vorhaben der neuen Regierung zählen nun wirtschaftspolitische Maßnahmen, die Aufhebung der Abgeordnetenimmunität (eine weithin geforderte Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung, welche allerdings eine Zweidrittelmehrheit verlangt), die Schaffung einer Möglichkeit zur Absetzung des Präsidenten und ein Gesetz zum Whistleblowing in Korruptionsangelegenheiten (RFE/RL 30.8.2019).

KI vom 23.07.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Die Partei „Sluha Narodu“ (Diener des Volkes) von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die ukrainische Parlamentswahl vom 21.07.19 gewonnen. Noch liegt das amtliche Endergebnis nicht vor, aber nach Auszählung von etwa 70% der Stimmen steht fest, dass die Partei auf rund 42,7% kommt. Es folgen die russlandfreundliche Oppositionsplattform mit etwa 13%, die Partei „Europäische Solidarität“ des früheren Präsidenten Petro Poroschenko mit etwa 8,4%, die Vaterlandspartei der Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko mit 7,4% und die Partei „Holos“ (Stimme) des Rocksängers Swiatoslaw Wakartschuk mit 6,2%. Dies sind die fünf Parteien, die die 5%-Hürde überwinden konnten. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

Zusammen mit den gewonnenen Sitzen aus den Direktwahlkreisen kommt Selenskyjs Partei auf knapp 250 der insgesamt 450 Sitze im Parlament. Das gute Ergebnis über die Parteiliste war vorausgesagt worden, jedoch überrascht der Gewinn von mehr als 120 Direktmandaten , da die Kandidaten durchwegs Polit-Neulinge sind und über keinerlei Erfahrung im Parlament verfügen.

Die enorme Wählerzustimmung für Selenskyjs Partei bedeutet, dass das erste Mal in der Ukraine eine politische Kraft die absolute Mehrheit der Sitze in der Rada erreicht hat. Damit entfallen die komplizierten Koalitionsverhandlungen, mit denen im Vorfeld der Wahl viele Experten gerechnet hatten. Offenbar wurde auch Selenskyj selbst davon überrascht, denn noch am Wahlabend hatte er Wakartschuks „Holos“, auch diese eine erst vor kurzem gegründete Partei mit ausschließlich politisch unerfahrenen Kandidaten und radikaler Antikorruptions-Agenda, Koalitionsverhandlungen angeboten. Dies dürfte nun unnötig geworden sein (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass

war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

In der Rada sind derzeit folgende Fraktionen und Gruppen vertreten:

Partei Sitze

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka) 135

Volksfront (Narodny Front) 81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok) 38

Selbsthilfe (Samopomitsch) 25

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka) 21

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna) 20

Gruppe Wolja Narodu 19

Gruppe Widrodshennja 24

Fraktionslose Abgeordnete 60

(AA 20.5.2019)

Nach der „Revolution der Würde“ auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie „Diener des Volkes“, in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA

27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

3. Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde.

Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten „Sonderstatusgesetzes“ bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019). Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, „das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen“. In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

3.2. Ukrainer von der Krim mit russischen Reisepässen

Die Gesetzgebung der Ukraine sieht die einzige Staatsbürgerschaft vor. Wenn ein ukrainischer Staatsbürger legal die Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation annehmen möchte, muss er auf die ukrainische Staatsbürgerschaft verzichten. Von den russischen Behörden werden jedoch, entgegen ukrainischen und internationalen rechtlichen Normen, russische Reisepässe an die Bevölkerung der Krim mit ukrainischer Staatsbürgerschaft ausgegeben. Diese Reisepässe der Russischen Föderation für Einwohner der Krim, werden international nur von einigen Ländern anerkannt (Nordkorea, Bolivien, Nicaragua, Armenien) (VB 28.1.2019). Die Frage der Staatsangehörigkeit der Einwohner der Krim ist damit eigentlich ungeklärt. Da die Beendigung der Staatsbürgerschaft der Ukraine erst durch einen entsprechenden Erlass des Präsidenten der Ukraine erfolgen kann, ist davon auszugehen, dass nach ukrainischem Recht die Einwohner der Krim Staatsbürger der Ukraine geblieben sind (BFH 30.6.2016).

Krim-Bewohner, die über keinen ukrainischen Reisepass, sondern nur über von russischen Behörden auf der Krim ausgestellte Reisedokumente verfügen, haben Schwierigkeiten bei der Einreise auf das ukrainische Festland, da diese Dokumente nicht anerkannt werden. Alle Krim-Bewohner wurden von der Russischen Föderation zu russischen Staatsbürgern erklärt. Krim-Bewohner, welche die russische Staatsbürgerschaft nicht annehmen, gelten als Ausländer und benötigen eine Aufenthaltserlaubnis. Die Ablehnung der russischen Staatsbürgerschaft kann zur Ausweisung bzw. Abschiebung führen. In einigen Fällen wurden Krim-Bewohner von den Behörden gezwungen, ihren ukrainischen Reisepass abzugeben, was Auslandsreisen entsprechend erschwert (USDOS 13.3.2019b).

Im November 2018 wurde ein Einreiseverbot in die Ukraine für männliche russische Staatsbürger im Alter von 16 bis 60 Jahren verhängt, das weiterhin gilt. Wenn Einwohner der Krim die Grenze als Bürger der Russischen Föderation passieren wollen, gilt dieses Verbot auch für sie. Wenn sie jedoch noch einen gültigen ukrainischen Pass vorweisen können, gilt dieses Verbot für sie nicht (VB 28.1.2019).

3.3. Ostukraine

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

In den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk kam es insbesondere 2014/15 zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Obwohl die Separatisten seither die öffentliche Ordnung und eine soziale Grundversorgung im Wesentlichen wiederhergestellt haben, werden zahlreiche Grundrechte (v.a. Meinungs- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Eigentumsrechte) weiterhin systematisch missachtet (AA22.2.2019).

In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk (DPR) und Luhansk (LPR) gibt es seit 2014 keine unabhängige Justiz, und das Recht auf ein faires Verfahren wird systematisch eingeschränkt. Es werden Inhaftierungen auf unbestimmte Zeit ohne gerichtliche Überprüfung und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren berichtet. Bei Verdacht auf Spionage oder Verbindungen zur ukrainischen Regierung werden von Militärgerichten geheime Gerichtsverfahren abgehalten, gegen deren Urteile es nahezu keine Beschwerdemöglichkeit gibt und die Berichten zufolge lediglich dazu dienen, bei der Verfolgung von Personen einen Anschein von Legalität zu wahren. Willkürliche Verhaftung sind in der DPR und der LPR weit verbreitet. In der LPR wurde die Möglichkeit der Präventivhaft für 30 bis 60 Tage geschaffen. Die Präventivhaft wird Angehörigen nicht mitgeteilt (incommunicado) und kein Kontakt zu einem Rechtsbeistand und Verwandten zugelassen. Der Zustand der Hafteinrichtungen in den separatistisch kontrollierten Gebieten verschlechtert sich weiter. Berichten zufolge existiert in den Gebieten Donezk und Luhansk in Kellern, Abwasserschächten, Garagen und Industrieunternehmen ein umfangreiches Netz inoffizieller Haftstätten, die meist nicht einmal für eine kurzfristige Inhaftierung geeignet wären. Es gibt Berichte über schweren Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, Hitze, sanitären Einrichtungen und angemessener medizinischer Versorgung. Ein unabhängiges Monitoring der Haftbedingungen wird von den Machthabern nicht oder nur eingeschränkt erlaubt. Es gibt Berichte über systematische Übergriffe gegen Gefangene, wie Folter, Hunger, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Einzelhaft sowie den umfangreichen Einsatz von Gefangenen als Zwangsarbeiter zur persönlichen Bereicherung der separatistischen Anführer (USDOS 13.3.2019). In der Region Donbass unterdrücken die Separatisten die Rede- und Pressefreiheit durch Belästigung, Einschüchterung, Entführungen und Übergriffe auf Journalisten und Medien (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019, ÖB 2.2019). Die Separatisten verhindern auch die Übertragung ukrainischer und unabhängiger Fernseh- und Radioprogramme in von ihnen kontrollierten Gebieten. Mittlerweile haben die Separatisten im Osten des Landes ihre Bemühungen verstärkt, Online-Inhalte zu blockieren, welche angeblich die ukrainische Regierung oder die ukrainische kulturelle Identität unterstützen. Es sind nur Demonstrationen zulässig, welche von den lokalen „Behörden“ unterstützt oder organisiert werden. In der DNR/LNR können nationale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nicht frei arbeiten. Es gibt eine steigende Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von den Separatisten gegründet wurden (USDOS 13.3.2019).

Es gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen waren und bleiben weiterhin betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen oder nur zeitweise gesichert, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Aufgrund der fehlenden Rechtsstaatlichkeit in den Separatistengebieten sind dort Frauen besonders gefährdet. Es gibt Berichte über Missbrauch, Sexsklaverei und Menschenhandel (ÖB 2.2019). Die meisten LGBTI-Personen sind aus den separatistischen Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk geflohen oder verstecken ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität (USDOS 13.3.2019).

Die Separatisten in der Ostukraine haben Berichten zufolge einige religiöse Führer inhaftiert. Im Februar 2018 wurden in Luhansk religiöse Gruppen, die nicht den „traditionellen“ Religionen angehören, darunter Protestanten und Zeugen Jehovas, verboten (FH 4.2.2019).

Die separatistischen Kräfte erlauben keine humanitäre Hilfe der ukrainischen Regierung, sondern nur solche internationaler humanitärer Organisationen. Infolgedessen sind die Preise für Grundnahrungsmittel angeblich für viele Bewohner der nicht von der Regierung kontrollierten Gebiete der Ostukraine zu hoch. Menschenrechtsgruppen berichten auch über einen ausgeprägten Mangel an Medikamenten, Kohle und medizinischen Hilfsgütern. Es kommen weiterhin Konvois der russischen „humanitären Hilfe“ an, die nach Ansicht der ukrainischen Regierungsbeamten aber Waffen und Lieferungen für die separatistischen Streitkräfte enthalten (USDOS 13.3.2019).

Durch die Kontaktlinie, welche die Konfliktparteien trennt, wird das Recht auf Bewegungsfreiheit beschnitten und Gemeinden getrennt. Jeden Tag warten bis zu 30.000 Menschen stundenlang unter erschwerten Bedingungen an den fünf Checkpoints auf das Überqueren der Kontaktlinie.

Unzureichend beschilderte Minen entlang der Straßen stellen eine Gefahr für die Wartenden dar (ÖB 2.2019; vgl. PCU 3.2019). Es gibt nur unzureichende sanitäre Einrichtungen, speziell auf separatistischer Seite (HRW 17.1.2019).

Im Zuge der Kampfhandlungen zwischen der Ukraine und den Separatisten kam es 2014 in jenen Gebieten, in denen nicht die ukrainischen Streitkräfte selbst, sondern Freiwilligenbataillone eingesetzt waren, mitunter zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Diese Bataillone wurden in der Folgezeit sukzessive der Nationalgarde (Innenministerium) unterstellt, nur das Bataillon Ajdar wurde in die Armee eingegliedert. Offiziell wurden Freiwilligenbataillone danach nicht mehr an der Kontaktlinie, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete eingesetzt. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen kam, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, evtl. auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Infolge des Übergangs von der ATO (Anti-Terror-Operation in der Ostukraine, geführt vom SBU, Anm.) zu der nunmehr von der Armee koordinierten OVK (Operation der Vereinigten Kräfte) mit April 2018, wurden verbliebene Freiwilligenverbände endgültig in die regulären Streitkräfte eingegliedert oder haben die OVK-Zone verlassen (AA 22.2.2019).

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin ein Problem. Einige Richter behaupteten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte erhielten Berichten zufolge Bestechungsgelder. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte Gerichte und mangelnde Möglichkeiten Urteile durchzusetzen (USDOS 13.3.2019). Die ukrainische Justizreform trat im September 2016 in Kraft, der langjährige Prozess der Implementierung der Reform dauert weiter an. Bereits 2014 startete ein umfangreicher Erneuerungsprozess mit der Annahme eines Lustrationsgesetzes, das u.a. die Entlassung aller Gerichtspräsidenten sowie die Erneuerung der Selbstverwaltungsorgane der Richterschaft vorsah.

Eine im Februar 2015 angenommenen Gesetzesänderung zur „Sicherstellung des Rechtes auf ein faires Verfahren“ sieht auch eine Erneuerung der gesamten Richterschaft anhand einer individuellen qualitativen Überprüfung („re-attestation“) aller Richter vor, die jedoch von der Zivilgesellschaft als teils unzureichend kritisiert wurde. Bislang wurden laut Informationen von ukrainischen Zivilgesellschaftsvertretern rund 2.000 der insgesamt 8.000 in der Ukraine tätigen Richter diesem Prozess unterzogen, wobei rund 10% entweder von selbst zurücktraten oder bei der Prozedur durchfielen. Ein wesentliches Element der Justizreform ist auch der vollständig neu gegründete Oberste Gerichtshof, der am 15. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Allgemein ist der umfassende Erneuerungsprozess der Richterschaft jedoch weiterhin in Gange und schreitet nur langsam voran. Die daraus resultierende häufige Unterbesetzung der Gerichte führt teilweise zu Verfahrensverzögerungen. Von internationaler Seite wurde die Annahme der weitreichenden Justizreform weitgehend begrüßt (ÖB 2.2019).

2014 wurde auch eine umfassende Reform der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt. In erster Linie ging es dabei auch darum, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Institution wiederherzustellen, weshalb ein großer Teil dieser Reform auch eine Erneuerung des Personals vorsieht.

Im Juli 2015 begann die vierstufige Aufnahmeprozedur für neue Mitarbeiter. Durchgesetzt haben sich in erster Linie jedoch Kandidaten, die bereits in der Generalstaatsanwaltschaft Erfahrung gesammelt hatten. Weiters wurde der Generalstaatsanwaltschaft ihre Funktion als allgemeine Aufsichtsbehörde mit der Justizreform 2016 auf Verfassungsebene entzogen, was jedoch noch nicht einfach gesetzlich umgesetzt wurde. Jedenfalls wurde in einer ersten Phase die Struktur der Staatsanwaltschaft verschlankt, indem über 600 Bezirksstaatsanwaltschaften auf 178 reduziert wurden. 2017 wurde mit dem Staatsanwaltschaftsrat („council of prosecutors“) ein neues Selbstverwaltungsorgan der Staatsanwaltschaft geschaffen. Es gab bereits erste Disziplinarstrafen und Entlassungen, Untersuchungen gegen die Führungsebene der Staatsanwaltschaft wurden jedoch vorerst vermieden. Auch eine spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wurde geschaffen. Diese Reformen wurden vor allem wegen der mangelnden personellen Erneuerung der Staatsanwaltschaft kritisiert. Auch erhöhte die Reform die Belastung der Ankläger, die im Durchschnitt rund je 100 Strafverfahren gleichzeitig bearbeiten, was zu einer Senkung der Effektivität der Institution beiträgt. Allgemein bleibt aber, trotz einer signifikanten Reduktion der Zahl der Staatsanwälte, diese im europäischen Vergleich enorm hoch, jedoch ineffizient auf die zentrale, regionale und lokale Ebene verteilt (ÖB 2.2019).

Nachdem unter Präsident Janukowitsch die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats eingemahnte Verfassungsreform jahrelang hinausgezögert wurde, wurde von Präsident Poroschenko durch seinen im Juli 2014 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung der ukrainischen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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