Entscheidungsdatum
04.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I416 2222060-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Liberia, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.07.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. wie folgt lautet:
"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG wird nicht erteilt.“
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, reiste mit einem von der österreichischen Botschaft in Dakar ausgestellten Visum C, gültig vom 03.12.2018 bis 22.12.2018, in den Schengenraum (Belgien) ein und stellte am 12.12.2018 in Schweden einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach erfolgten Dublin Konsultationen wurde der Beschwerdeführer aufgrund der Bestimmungen der Dublin III-VO von Schweden rücküberstellt und stellte am 06.02.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.02.2019 gab der Beschwerdeführer befragt zu seiner Ausreise an, dass er am 02. oder 03. Dezember legal mit seinem Reisepass mit dem Flugzeug von Liberia nach Casablanca geflogen sei und von Marokko nach Belgien, von Belgien nach Österreich, von Österreich nach Deutschland, von Deutschland nach Schweden und dann wieder nach Österreich gereist sei. Auf Nachfrage führte er aus, dass er in Belgien und Deutschland nur auf der Durchreise gewesen sei, in Schweden habe man ihm gesagt, dass er bleiben könne, aber dort nicht arbeiten dürfe. Dies habe er abgelehnt und sei deshalb nach Österreich zurückgekehrt, weil Österreich das erste Land in Europa gewesen sei und er hier gerne arbeiten würde. Nach Schweden wolle er nicht zurück, weil er dort nicht arbeiten dürfe und so seine Familie nicht unterstützen könne. Zu seinen Fluchtgründen führte er zusammengefasst aus, dass er für die „ XXXX “ gearbeitet habe. Sein Vorgesetzter, der Sohn des Justizministers, habe Geldmittel unterschlagen, und er habe dies bekannt gemacht. Die Regierung habe den Spieß umgedreht und ihn für das Verschwinden des Geldes verantwortlich gemacht. Der Vorsitzende der Behörde habe ihm gesagt, dass er das Land verlassen solle, dieser sei von seinem Posten zurückgetreten und befindet sich jetzt in den USA. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er getötet zu werden, weil die Regierung nicht wolle, dass er sage, was er gesehen habe. Er habe auch an die „ XXXX “ geschrieben und dieser mitgeteilt, was passiert sei. Im Falle seiner Rückkehr würde er von der Regierung zunächst eingesperrt werden und würde man später behaupten, er habe versucht zu fliehen. In weiterer Folge würde er getötet werden.
3. Am 25.04.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen führte er aus, dass er XXXX heiße und am XXXX geboren sei. Er sei liberischer Staatsangehöriger, gesund, gehöre der Volksgruppe der Kpelle und der Glaubensgruppe der Christen an. Er gab weiters an, dass er verheiratet sei und vier Kinder habe. Mit seiner Frau und zwei seiner Kinder habe er im gemeinsamen Haushalt gelebt, seine beiden anderen Kinder seien bei deren Mutter. In Liberia habe er die Grundschule bis zum College besucht und einen Abschluss in Informatik gemacht. Gearbeitet habe er als GIS Datenanalyst in der „ XXXX “ und habe dort in einem Projekt mit der „ XXXX “ gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen führte er zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass er bei diesem Projekt der Dritte in der Hierarchie gewesen sei, es habe sich dabei um ein Projekt von $ 37 Millionen gehandelt. Die Regierung habe üblicherweise von dem Projekt Geld abziehen wollen, er habe sich jedoch entgegengestellt und gesagt, dass er dies nicht tun würde, worauf ihm der Zugang zu Informationen zu diesem Projekt verwehrt worden sei. Er habe sich dann einen Account angelegt, damit er Zugriff auf diese Dokumente habe. Er führte weiters aus, dass er nach Frankreich und England hätte reisen sollen, dies jedoch gestoppt wurde; auch zu einem anderen Seminar in Schweden habe er nicht mehr reisen dürfen. Er sei dann ein Dokument kopieren gegangen, und seien drei Leute in sein Büro gekommen, die gesagt hätten, dass er ihnen dieses Dokument zurückgeben solle. Sie hätten gefragt, ob er eine Kopie habe, er habe nein gesagt, sie hätten ihm das nicht geglaubt und ihn deswegen gefoltert. Diese Personen hätten ihn an ein langes Bett gebunden und auf seine Fußsohle geschlagen. Er führte weiters aus, dass der Vorsitzende der „ XXXX “ im Jänner 2019 zurückgetreten und in die USA gegangen sei, weil er mit der Regierung unzufrieden gewesen und bedroht worden sei, weil er ihm angeblich geholfen hätte. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass sein Gehaltskonto im September 2018 eingefroren worden sei und sie gegen ihn ermitteln wollten und habe er auch an die XXXX in New York geschrieben. Nachgefragt gab er an, dass er diesen Betrug im Jänner 2018 entdeckt habe, als er ein Datenaudit gemacht habe. Er habe Unstimmigkeiten festgestellt und bei einem Mitarbeitertreffen Fragen gestellt. Dabei sei ihm gesagt worden, dass dies eine Angelegenheit betreffe, die größer sei als er, woraufhin er gesagt habe, dass es um viel Geld gehen würde und er dabei jederzeit zur Verantwortung gezogen werden könne. Der Sohn des „Chief Justice“ habe zu ihm gesagt, dass wenn er seinen Job behalten möchte, er nach den Regeln der Regierung spielen müsse. Manchmal habe die Regierung hunderttausende Dollar ohne Grund abgerufen, manchmal habe er dies auch abgelehnt und nicht unterschrieben. Er führte weiters aus, dass er persönlich in Liberia von den dort agierenden Behörden nicht gesucht worden sei; ein Haftbefehl gegen ihn habe nicht erlassen werden können, da dies zu viel Aufmerksamkeit erregt hätte. Gefragt, wieso er befürchte verhaftet zu werden, wenn ihm seine Ausreise nicht verwehrt worden sei, führte er aus, dass diese nicht wussten, dass er ausreise. Sie hätten ihm nur mündlich gesagt, dass er nicht ausreisen solle. Sein Chef habe ihn jedoch eines Tages angerufen und mitgeteilt, dass er das Land verlassen solle und nicht mehr zur Arbeit kommen solle. Hinsichtlich einer eventuellen Rückkehr nach Liberia befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er im Falle seiner Rückkehr irgendwelche falschen Anschuldigungen bekommen würde und ins Gefängnis gesteckt werden würde. Mit seiner Frau habe er regelmäßig Kontakt und dazu befragt, ob seine Frau Probleme bekommen habe, weil er das Land verlassen habe, gab der Beschwerdeführer wörtlich an: „Das habe ich befürchtet, deswegen habe ich sie in die Provinz geschickt.“ Zu seinen persönlichen Lebensumständen in Österreich gab er an, dass er Geld vom Staat bekommen würde, in eine lutherische Kirche gehe und dort freiwillige Arbeiten verrichten wolle. Er habe auch einen Österreicher kennen gelernt, mit dem er sich angefreundet habe und zusammen Basketball spielen würde. Er habe auch versucht die deutsche Sprache zu erlernen, Verwandte habe er in Österreich keine. Mit E-Mail vom 06.05.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine in Englisch abgefasste Stellungnahme zu den Länderinformationen und legte gleichzeitig eine Teilnehmerliste und diverse Schriftstücke der „ XXXX “ in Englisch vor. Infolge wurden der belangten Behörde neben Röntgenaufnahmen des Beschwerdeführers vom 03.04.2019 des Uniklinikums XXXX samt einer entsprechenden Ambulanzkarte weitere englischsprachige Unterlagen und Ausdrucke aus einem Facebook Account übermittelt.
4. Mit Bescheid vom 24.07.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten „gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF“ (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Liberia „gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG“ (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab und wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß § 57 AsylG“ nicht erteilt (Spruchpunkt III.). „Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung „gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde „gemäß § 52 Absatz 9 FPG“ festgestellt, dass seine Abschiebung „gemäß § 46 FPG“ nach Liberia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde „gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG" mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgestellt (Spruchpunkt VI.).
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 02.08.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren. In der Begründung wurde im Wesentlichen das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wiederholt und darüber hinaus ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Juli 2018 angegriffen und geschlagen worden sei. Außerdem sei sein Gehalt gekürzt und im August sein Bankkonto gesperrt worden und habe er ab dem 06.08.2018 keine Arbeit mehr gehabt. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass er im Falle einer Rückkehr nach Liberia ein verschärftes Strafverfahren befürchte und ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung oder sogar Gefängnis drohen würde. Als Beweis für seine Probleme in Liberia legte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde eine E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und der „ XXXX “ bzw. seiner Chefin vor, sowie zum Beleg dafür, dass laufend Geld von seinem Konto abgezogen worden sei, einige Bankauszüge. Letztlich führte er aus, dass er im Falle einer Rückkehr nach Liberia in eine aussichtslose Lage geraten würde und bestünde die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 Art. 3 oder der Protokolle Nr. 6 bzw. Nr. 13 zur Konvention. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid der Behörde dahingehend abändern, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz Folge gegeben und ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zu Erlassung eines neues Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen, in eventu ihm gemäß § 8 Abs. 1 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, allenfalls die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufheben, die Abschiebung nach Liberia für unzulässig erklären und eine mündliche Verhandlung durchführen.
6. Am 06.08.2019 langte die Beschwerde samt Bezug habenden Akt am Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Mit Schriftsatz vom 21.10.2019 wurde eine Beschwerdeergänzung eingebracht und ausgeführt, dass damit genauer auf die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung eingegangen werde. Zu den Verfahrensmängeln wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer vorgebracht habe, Korruption in Form illegaler Geldflüsse einflussreicher Politiker in Liberia entdeckt zu haben. Da er vorgehabt habe diese zu veröffentlichen, wurde er von staatlicher Seite bedroht und verfolgt. Dem Länderinformationsblatt sei zu entnehmen, dass Korruption in Liberia weit verbreitet sei und erscheine das diesbezügliche Vorbringen damit plausibel. Es seien keinerlei Ermittlungen hinsichtlich der Situation von Personen, die drohen, derartige Korruptionsskandale zu publizieren, oder betreffend die Tätigkeit des Beschwerdeführers für die „ XXXX “ sowie des von ihm angeführten Projekts eingestellt worden. Zudem habe der Beschwerdeführer Beweismittel in Form einer E-Mail-Korrespondenz vorgelegt, welche belegen würden, dass er das Jahr 2018 über in Kontakt mit seinen Vorgesetzten gewesen sei und mehrfach bedrängt worden sei, sich persönlich dort einzufinden. Aus der Beweiswürdigung und den Feststellungen gehe zudem nicht hervor, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers für glaubhaft befunden worden sei oder nicht. Anhand der vorgelegten E-Mail Korrespondenz sowie der Lohnabrechnungen dürfte seine Tätigkeit für diese Behörde jedenfalls feststehen. Hinsichtlich seiner Verletzung wurde ausgeführt, dass es sich hierbei um ein Missverständnis anlässlich der ärztlichen Untersuchung in Österreich gehandelt habe. Der Feststellung der Behörde, dass er aus Liberia einfach ausreisen habe können, sei entgegenzuhalten, dass dies unrichtig sei, zumal er den Flughafen Abidjan in der Elfenbeinküste genutzt habe und nicht jenen in Liberia. Die Behörde habe es verabsäumt ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen und hätte die Behörde entsprechende Ermittlungen vorgenommen, wäre ersichtlich geworden, dass seine Angaben den Tatsachen entsprechen würden und sein Vorbringen plausibel sei. Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung wurde zusammenfassend ausgeführt, dass sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers entnehmen lassen würde, dass er wegen seines Interesses und des Sammelns von Daten bereits Opfer eines Übergriffes gewesen sei. Infolge der relativen Kleinräumigkeit Liberias, dem Vorliegen einer staatlichen Verfolgung und dem Fehlen von Gebieten, die nicht unter staatlicher Herrschaft stehen, sei außerdem eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht anzunehmen und sei dem Beschwerdeführer daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen. Der Beschwerdeergänzung beigelegt waren weitere Röntgenaufnahmen seines Fußes.
8. Mit Schriftsatz vom 12.06.2020 wurde eine Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF vom 05.07.2019 und eine Teilnahmebestätigung an einer Deutsch-Lerngruppe vom 04.12.2019 übermittelt.
9. Am 14.07.2020 wurde nach Erhalt der Ladung für die mündliche Beschwerdeverhandlung ein Konvolut an englischsprachigen Unterlagen vorgelegt. Dabei handelt es sich um folgende Unterlagen: 1.) Kopie eines Schreibens des „Ministry of Justice“ vom 28.11.2018, in welchem der Beschwerdeführer unter der Adresse GIS Office „ XXXX “ zu einer Besprechung für Montag den 02.12.2018 eingeladen wurde und ihm im Falle des Nichterscheinens mit der Ausstellung eines Haftbefehles gedroht wird; 2.) Fotos des Beschwerdeführers; 3.) englischsprachige Artikel aus dem Internet, ohne Nennung des Beschwerdeführers; 4.) Kopien der Flugtickets des Beschwerdeführers von Liberia nach Brüssel; 5.) Auszüge über Geldtransaktionen; 6.) die Kopie einer Teilnehmerliste; 7.) die Kopie einer E-Mail vom 13.08.2018; 7.) Unterlagen über ein „Land Administration Projekt“ aus 2017; 8.) die Kopie einer E-Mail vom 30.09.2018; 9.) ein Memorandum der „ XXXX “ vom 30.01.2018; 10.) Kostenaufstellungen hinsichtlich Gebühren für ein Training einer Firma mit Sitz in Frankreich; 11.) die Kopie einer E-Mail vom 09.09.2018; 12.) einen „Report of the Schiefflin Land Dispute Investigation“ vom 05.06.2017 ohne Bezug zum Beschwerdeführer; 13.) einen als „End of Project Report“ bezeichneten Schriftsatz ohne Unterschrift; 14.) diverse Zertifikate aus 2010 und 2016 und ein Abschlussdiplom von der High School vom Dezember 1999.
10. Am 20.07.2020 brachte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Einstellungszusage als Haustechniker bei der XXXX Hausverwaltung vom 15.07.2020 beim erkennenden Gericht ein.
11. Am 27.07.2020 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers im Beisein seines Rechtsvertreters und in Abwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht. In dessen Verlauf wurden seitens des Beschwerdeführers ein Schreiben der XXXX vom 11.03.2019 sowie E-Mail-Auszüge zwischen dem Beschwerdeführer und der Caritas vom April 2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Liberia und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 20b AsylG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.
Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Kpelleh an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen derartigen psychischen und physischen Beeinträchtigungen, die einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen, und ist arbeitsfähig. Darüber hinaus gehört er keiner Risikogruppe im Sinne der COVID 19-Pandemie an.
Er reiste legal mit einem von der österreichischen Botschaft in Dakar ausgestellten Visum C, gültig von 03.12.2018 bis 22.12.2018, in den Schengenraum ein und stellte nach seiner Rücküberstellung von Schweden am 06.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er hält sich seither durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.
In Liberia besuchte der Beschwerdeführer drei Jahre die Grundschule und drei Jahre die Hauptschule. Anschließend studierte er fünf Jahre lang Informationstechnologie und verdiente mit seiner Tätigkeit als Computerprogrammierer den Lebensunterhalt für sich und seine Familie.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Sohn und eine Tochter, wobei seine Tochter im Juli 2020 verstorben ist. Die Familie lebte vor seiner Ausreise in einem gemeinsamen Haushalt. Aus einer vorherigen Beziehung des Beschwerdeführers stammen zwei weitere Kinder, welche bei ihrer Mutter in Liberia leben. Darüber hinaus sind noch sein Vater sowie seine Geschwister in Liberia aufhältig und steht der Beschwerdeführer mit seinen Angehörigen häufig in Kontakt.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer demgegenüber über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen in Österreich.
Er besuchte in Österreich bereits einen Deutschkurs, verfügt jedoch über kein Sprachzertifikat, und war ehrenamtlich bei der Caritas tätig. Des Weiteren nahm er an einem Werte- und Orientierungskurs sowie an einer Deutsch-Lerngruppe teil. Von Zeit zu Zeit erledigt er kleine Arbeiten für Nachbarn, verkauft Zeitungen und verfügt über eine Einstellungszusage als Haustechniker. Außerdem besucht der Beschwerdeführer derzeit einen Kurs zur Ausbildung zum Netzwerkspezialisten mit dem Titel CCNA - „Cisco Certified Networking Associate“ und geht in die Kirche.
Der Beschwerdeführer ist zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes im Bundesgebiet einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er bezieht derzeit Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
Eine entscheidungsrelevante Teilnahme des Beschwerdeführers am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben in Österreich kann weder durch seine integrativen Schritte noch in Bezug auf seine Aufenthaltsdauer von knapp zwei Jahren festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Liberia aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde.
Dem Beschwerdeführer droht in Liberia keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention. Die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung/Verfolgung durch den Staat bzw. durch Regierungsmitglieder kann mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden.
Weder konnte ein konkreter Anlass bzw. persönliche Bedrohung für das "fluchtartige" Verlassen des Herkunftsstaates festgestellt werden noch, dass der Beschwerdeführer Liberia aufgrund staatlicher Verfolgung verlassen hat.
Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Liberia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Liberia eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.
Dem Beschwerdeführer wird im Falle einer Rückkehr nach Liberia auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen. Dies insbesondere, da er in Liberia noch über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte verfügt.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Liberia übermittelt. Daraus ergeben sich folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:
1.3.1. Politische Lage:
Liberia ist eine Präsidialrepublik nach amerikanischem Vorbild. Der Präsident wird für jeweils sechs Jahre und höchstens zwei Amtsperioden direkt vom Volk gewählt. Er ist Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Regierungschef und ernennt das Kabinett mit Zustimmung des Senats. Die Legislative besteht aus dem Senat mit 30 Mitgliedern, die eine Amtsperiode von neun Jahren haben, und aus einem Repräsentantenhaus mit 64 Mitgliedern, die vom Volk für jeweils sechs Jahre gewählt werden. Der Congress for Democratic Change (CDC), die Liberty Party (LP), die Coalition for the Transformation of Liberia (COTOL) und die Unity Party (UP) sind die größten Parteien. 1984 wurde durch Volksabstimmung eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, die sich, wie die vorhergehende, eng an das US-amerikanische Modell anlehnt. Verwaltungsmäßig gliedert sich Liberia in 15 Verwaltungsbezirke ("Counties"), die je nach Größe in unterschiedlich viele Distrikte unterteilt werden. Die liberianische Regierung ernennt die Verwaltungschefs (County Superintendent und District Commissioner) dieser nachgeordneten Einheiten. Städte verfügen über gewählte Bürgermeister und Stadträte. Neben dieser "modernen" politischen Struktur existiert eine traditionelle Führung auf unterschiedlichen Ebenen (Town Chief, Clan Chief und Paramount Chief), die vor allem in ländlichen Gebieten über beträchtlichen Einfluss verfügen. Dieser Dualismus setzt sich auch im Rechtswesen fort, wo öffentliche und traditionelle Gerichtsbarkeit nebeneinander bestehen (GIZ 3.2018a).
Seit 2006 war Ellen Johnson Sirleaf Präsidentin und Regierungschefin des Landes. Bei den am 10.10.2017 stattfindenden (Parlaments-) und Präsidentschaftswahlen konnte sie nicht mehr kandidieren. Schwerpunkte ihrer Regierungsarbeit waren die Rehabilitierung der Straßen- und Energieinfrastruktur sowie der Wiederaufbau des Bildungs- und Gesundheitssektors. Trotz Fortschritten in der Wirtschaft, dem Erlass fast aller Auslandsschulden im Rahmen der Initiative für hochverschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries – HIPC), der Erhöhung staatlicher Einnahmen, der Verabschiedung wichtiger Gesetze, der Stabilisierung von Institutionen und Erfolgen bei der Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie, steht Liberia weiterhin vor gewaltigen Herausforderungen. Verbreitete Korruption sowie mangelnde Kapazitäten in Verwaltung und Justiz erschweren die Durchführung der Entwicklungspläne (AA 3.2017a).
Seit Ende Juli 2016 stand die Liste der Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen fest. Als aussichtsreich galten von vornherein der bisherige Vizepräsident Joseph Boakai (UP) und George Weah (CDC). Da im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit erlangen konnte, gab es am 26. Dezember 2017 eine Stichwahl zwischen Joseph Boakai (38,5 Prozent) und George Weah (61,5 Prozent). Die Wahlkommission bestätigte, dass der 51-Jährige 61,5 Prozent der Stimmen erhalten hat, während sein Gegner, Vizepräsident Joseph Boakai von der regierenden Einheitspartei (UP), 38,5 Prozent der Stimmen erhielt (BAMF 8.1.2018). Der ehemalige Fußballstar George Manneh Weah wurde somit zum neuen Präsidenten Liberias gewählt (DS 22.1.2018; vgl. GIZ 3.2018a; JA 22.1.2018). Vizepräsidentin wird damit Jewel Howard Taylor. Am 22. Januar 2018 wurde Weah zum Präsidenten vereidigt (DS 22.1.2018; vgl. GIZ 3.2018a). Seine Antrittsrede hielt er im Fußballstadion in Monrovia vor mehr als 35.000 Zuschauern und einem Dutzend Staatsoberhäuptern. Einige Stunden vor der offiziellen Zeremonie ist das Samuel Kanyon Doe Stadion voll (GIZ 3.2018a; vgl. DS 21.1.2018; JA 22.1.2018).
Eines der wichtigsten Themen darin war sein Versprechen, die Korruption nachhaltig zu bekämpfen. Viele arme Menschen in Liberia setzen große Hoffnungen in Weah, der selbst in einem Slum in Monrovia aufgewachsen ist (GIZ 3.2018a). Für Liberia ist es die erste Amtsübergabe zwischen zwei demokratische gewählten Regierungschefs seit 1944. Darüber hinaus hat Weah versprochen, die Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt seiner Präsidentschaft zu stellen (DS 22.12018; vgl. JA 22.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Liberia - Innenpolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222404, Zugriff 20.3.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (8.1.2018): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423373/5734_1517489986_deutschland-bundesamt-fuermigration-und-fluechtlinge-briefing-notes-08-01-2018-englisch.pdf, Zugriff 26.3.2018 - DS – der Standard (22.1.2018): International, Afrika, Liberia, George Weah als Liberias Präsident vereidigt, https://derstandard.at/2000072773862/George-Weah-als-LiberiasPraesident-vereidigt, Zugriff 10.4.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, http://liportal.giz.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 26.3.2018
- JA – Jeune Afrique (22.1.2018): Politique, Libéria, George Weah investi président du
Liberia devant des dizaines de milliers de personnes,
http://www.jeuneafrique.com/518474/politique/liberia-george-weah-investi-president-celundi/, Zugriff 10.4.2018
1.3.2.Sicherheitslage:
Auch 14 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs und seit dem Übergang der Sicherheitsverantwortung an die nationalen Behörden im Juli 2016 ist die Sicherheitslage in Liberia zwar unter Kontrolle, aber weiterhin fragil. Die Friedenstruppe UNMIL ist noch bis Ende März 2018 vor Ort, wenn auch ressourcenmäßig weiter reduziert und primär als Unterstützer für einen evtl. Krisenfall (AA 20.3.2018). Die Anwesenheit von immer noch fast 12.000 ivorischen Flüchtlingen (laut BMEIA 20.000) in der Grenzregion stellt auch weiterhin eine starke humanitäre Belastung und ein potentielles zusätzliches Sicherheitsrisiko dar (AA 20.3.2018; vgl. auch BMEIA 20.3.2018 und EDA 20.3.2018).
Die Ebola-Epidemie 2014/2015 stellte eine enorme Herausforderung für die staatlichen Strukturen Liberias dar. Präsidentin Johnson Sirleaf verhängte zeitweilig sogar den Staatsnotstand. Nach drei örtlich und bezüglich der Zahl der Infizierten eng begrenzten Folgeausbrüchen (zuletzt Ende März 2016; alle im Großraum Monrovia) erklärte die WHO Liberia am 9.6.2016 wieder für Ebola-frei (AA 3.2017a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Liberia - Innenpolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222404, Zugriff 20.3.2018 - AA - Auswärtiges Amt: (20.3.2018): Reise- und Sicherheitshinweise - Liberia, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/liberianode/liberiasicherheit/222378, Zugriff 20.3.2018
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äusseres (20.3.2018): Reiseinformationen - Liberia,
http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-zlaender/liberia-de.html, Zugriff 20.3.2018
1.3.3. Rechtsschutz / Justizwesen:
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor (BS 2018; USDOS 3.3.2017). Die Regierung der Ex-Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf hat die Bürgerrechte in Liberia gestärkt. Das Justizsystem ist jedoch dysfunktional und Rechtsmittel gegen Handlungen des Staates oder seiner Beamten einzulegen, hat oft keine Wirkung. Die Korruption von Richtern und Geschworenen, auch in Gerichtsverfahren, stellt ein großes Hindernis für faire und transparente Verfahren dar (BS 2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Richter bleiben weiterhin bestechlich und trotz Bemühungen seitens der Regierung ist Korruption immer noch ein verbreitetes Problem. Die ungleiche Anwendung des Rechts und die ungleiche Verteilung von Personal und Ressourcen bleiben Probleme im gesamten Rechtssystem (GIZ 3.2018a; vgl. USDOS 3.3.2017), hinzu kommen noch Infrastrukturprobleme und häufige Absenzen vom Arbeitsplatz. Aufgrund von Korruption hat die Bevölkerung wenig Vertrauen in Polizei und Gerichte (GIZ 3.2018a). Verzögerungen bei Gerichtsverfahren führen dazu, dass viele Menschen über lange Zeiträume hinweg in Untersuchungshaft sitzen. Ungefähr 80 Prozent der Gefängnisinsassen sind Untersuchungshäftlinge. Ende 2012 standen in jedem Bezirk staatlich bestellte Verteidiger zur Verfügung. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass es dennoch sehr schwer sei, einen kostenfreien Rechtsbeistand zu finden (AI 22.1.2018). Es existiert ein gemischtes Rechtssystem aus dem Zivilrecht, basierend auf dem angloamerikanischen Recht und dem Gewohnheitsrecht. Alle formalen Gerichte sind Teil des nationalen Systems und stehen unter Aufsicht des Obersten Gerichtshofs, des Supreme Courts. Er befindet sich im „Temple of Justice“ auf dem Capitol Hill in Monrovia. Es ist die letzte Instanz in Verfassungsfragen und kann somit auch die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung bestimmen. Der Oberste Gerichtshof ist außerdem die letzte Berufungsinstanz in allen Fällen. Das Gericht besteht aus dem Chief Justice of Liberia und vier Associate Justice, die vom Präsidenten ernannt und vom Senat bestätigt werden (GIZ 3.2018a).
Die Circuit Courts sind Bezirksgerichte und haben die erstinstanzliche Zuständigkeit in den schwerwiegendsten Fällen, darunter schwere Körperverletzung, Einbruch, Vergewaltigung und Mord (GIZ 3.2018a).
Die Amtsgerichte, Magistrates Courts, sind zuständig für Zivil- und Strafgerichtsbarkeit. Sehr schwere Fälle, einschließlich Vergewaltigung, Mord oder Einbruch, müssen nach vorläufigen Anhörungen an die Circuit Courts überwiesen werden (GIZ 3.2018a).
Friedensrichter (Justices of Peace) sind Laienrichter. Sie sind befugt, in einem sehr begrenzten Bereich von Zivil- und Strafsachen zu entscheiden (GIZ 3.2018a).
Neben dem formalen Recht existiert im ländlichen Liberia das traditionelle Recht. Clan Chiefs, Stadt Chiefs und Paramount Chiefs, die lokalen traditionellen Autoritätspersonen, haben die Befugnis, Zivilsachen zu regeln, haben aber keine Autorität über Strafsachen. Wenn ein Konflikt zwischen dem formalen Recht und Gewohnheitsrecht besteht, hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass das formale Recht vorherrscht. In der Praxis wird in solchen Fällen aber auch oft das Gewohnheitsrecht angewendet. Seit Ende des Krieges sind weitgehende Justiz- und Sicherheitsreformen durchgeführt worden. Nach wie vor sind die Kapazitäten aber nicht ausreichend, um einen angemessenen Zugang zum Recht zu gewährleisten, deshalb unterstützen internationale und nationale Organisationen den Zugang durch die Etablierung von Rechtsberatungs- und Mediationsangeboten, zum Teil auch gezielt für Frauen (GIZ 3.2018a).
Die Regierung sieht sich weiterhin ernsthaften Schwierigkeiten gegenüber, was die Fähigkeit ihrer Justiz- und Sicherheitsbehörden betrifft, Kriminelle zu verhaften, festzunehmen und zu verurteilen (BS 2018).
Quellen:
- AI - Amnesty International (22.1.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1425482.html, Zugriff 20.3.2018
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia, http://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 26.3.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 26.3.2018
1.3.4. Sicherheitsbehörden:
Das Justizministerium ist für die Umsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Land zuständig, mitunter für die Beaufsichtigung der LNP (Liberia National Police) und weiterer Strafverfolgungsbehörden. Die Streitkräfte von Liberia (Armed Forces Liberia) sind für Landesverteidigung bzw. die äußere Sicherheit zuständig. Sie haben aber auch Aufgaben in Bezug auf die innerstaatliche Sicherheit, insbesondere die Küstenwache (USDOS 3.3.2017).
Die United Nations Mission in Liberia (UNMIL) hat bereits offiziell die volle Sicherheitsverantwortung an Liberia zurückgegeben, obwohl eine Resttruppe von 1.240 Soldaten und 606 U.N.-Polizisten übrig ist (BS 2018).
Die zivilen Behörden haben im Allgemeinen wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte beibehalten. Die Straflosigkeit bleibt ein ernsthaftes Problem, da die Regierung nur sporadisch und in begrenztem Umfang versucht, gegen Beamte zu ermitteln, die des Missbrauchs beschuldigt werden, sei es in den Sicherheitskräften oder anderswo in der Regierung. Korruption auf allen Regierungsebenen untergräbt weiterhin das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Institutionen (USDOS 3.3.2017). Dies spiegelt zum Teil das mangelnde Vertrauen in die Liberia National Police (LNP) wieder, von der oft angenommen wird, dass sie mit kriminellen Akteuren zusammenarbeitet (BS 2018).
Die Unabhängige Nationale Kommission für Menschenrechte berichtete, dass gewalttätige Handlungen der Polizei während Verhaftungen die häufigste Beschwerde wegen Amtsverletzung sind. Die Professional Standards Division der LNP ist zuständig für die Untersuchung von Vorwürfen polizeilichen Fehlverhaltens und die Verweisung von Fällen zur Strafverfolgung. Im Laufe des Jahres 2016 unterzeichnete der Präsident ein neues Polizeigesetz, das die Einrichtung eines zivilen Beschwerdeausschusses zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht und Aufsicht vorschreibt. Im Laufe des Jahres gab es dennoch Fälle, in denen zivile Sicherheitskräfte ungestraft agierten (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018), BTI 2018 Country Report - Liberia, http://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 23.3.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018c): Gesellschaft - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/gesellschaft/, Zugriff 26.3.201
- USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 20.3.2018
1.3.5. Folter und unmenschliche Behandlung:
Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen. Das Strafgesetzbuch sieht strafrechtliche Sanktionen für die übermäßige Anwendung von Gewalt durch Strafverfolgungsbeamte vor und regelt die zulässige Anwendung von Gewalt während der Festnahme oder bei der Verhinderung der Flucht eines Gefangenen aus der Haft (USDOS 3.3.2017).
Dennoch missbrauchen Polizisten und andere Sicherheitsbeamte Personen in Polizeigewahrsam, belästigen und nötigen diese. Es kommt zur Anwendung von Folter. Im Oktober 2016 hat die UNMIL neue Standardverfahren zur Meldung und Untersuchung von Vorwürfen von Fehlverhalten zur Bekämpfung weiterer SEA-Fälle (sexuelle Ausbeutung und Missbrauch) herausgegeben (USDOS 3.3.2017).
Im Rahmen von traditionellen Verfahren gegen der Hexerei Angeklagter kommt es zu folterähnlichen Praktiken, obwohl das Innenministerium daran arbeitet, diese traditionelle Praxis und die Praktizierenden dazu zu bringen, sich an den formalen Rechtsrahmen des Landes anzupassen (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 21.3.2018
1.3.6. Korruption:
Korruption ist immer noch ein verbreitetes Problem, auch innerhalb der Regierung (BS 2018; vgl. GIZ 3.2018a). Die Bevölkerung hat wenig Vertrauen in Polizei und Gerichte. Laut Transparency International „Corruption Perception Index“ 2017 nimmt Liberia Platz 122 von 180 Staaten ein (GIZ 3.2018a). Das Gesetz sieht keine expliziten strafrechtlichen Sanktionen für offizielle Korruption vor, obwohl es strafrechtliche Sanktionen für wirtschaftliche Sabotage, Misswirtschaft, Bestechung und andere korruptionsbezogene Handlungen gibt. Korruption auf allen Regierungsebenen untergräbt weiterhin das Vertrauen der Öffentlichkeit in staatliche Institutionen. Die geringe Rechenschaftspflicht der Justiz verschärft die offizielle Korruption und trägt zu einer Kultur der Straflosigkeit bei. Die Regierung hat Beamte wegen angeblicher Korruption entlassen oder in einigen Fällen suspendiert (USDOS 3.3.2018).
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. Richter werden beeinflusst und in Korruption verwickelt und fordern manchmal Bestechungsgelder (BS 2018; vgl. USDOS 3.3.2017).
Die Korruption der Polizei bleibt ebenfalls ein Problem. Die LNP untersucht Berichte über polizeiliches Fehlverhalten oder Korruption und die Behörden suspendierten und entließen bereits mehrere Beamte (USDOS 3.3.2017).
Es existieren Organisationen zur Bekämpfung der Korruption – von der „Liberia Anti-Corruption Commission (LACC)“ bis zur „General Auditing Commission (GAC)“ und der Kommission für öffentliche Aufträge und Konzessionen (PPCC) (BS 2018; vgl. GIZ 3.2018a). Allerdings fehlt es ihnen oft an Befugnissen und Ressourcen, um Bestechungen zu verhindern. Eine innovative Methode, der Korruption etwas entgegenzusetzen stellt die TV-Show "Integrity Idol" (Integritätsidol) im liberianischen Fernsehen dar. Zuschauer können dort über den ehrlichsten Staatsdiener in Liberia abstimmen, um korrektes Verhalten zu fördern und für die Probleme der Korruption zu sensibilisieren (GIZ 3.2018a).
Quellen:
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia, http://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 23.3.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 21.3.2018
- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018
1.3.7. Allgemeine Menschenrechtslage:
Die Menschenrechtssituation hat sich im ganzen Land kontinuierlich gebessert. Seit Ende des Krieges hat Liberia Fortschritte bei der Gewährung internationaler Menschenrechte gemacht.
Trotzdem gilt es noch, eine Reihe von Herausforderungen zu bewältigen, vor allem in der Rechtsprechung und Rechtsstaatlichkeit, wo es immer noch gravierende Unzulänglichkeiten im Justizsystem gibt (GIZ 3.2018a). Staatliche Sicherheitskräfte verhafteten manchmal Journalisten, weil sie angeblich kriminell verleumderische Meinungen veröffentlichen und die Regierung kritisieren. Darüber hinaus nehmen Sicherheitskräfte weiterhin willkürliche Verhaftungen vor, angeblich um kriminelle Aktivitäten zu verhindern (USDOS 3.3.2017).
Die unabhängige nationale Kommission für Menschenrechte (Independent National Commission on Human Rights - INCHR) ist seit 2009 für die Förderung der nationalen Umsetzung und Einhaltung der von Liberia unterzeichneten internationalen und regionalen Menschenrechtsverträge zuständig, ist aber öffentlich bisher nur punktuell in Erscheinung getreten (GIZ 3.2018a).
Neben den Organisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sind verschiedene kirchliche und private Hilfswerke in Liberia aktiv. Cap Anamur hat bis Mitte 2010 in Monrovia eine Klinik für psychisch kranke Menschen – oft traumatisierte Bürgerkriegsopfer – unterhalten. Misereor-Partnerorganisationen kümmern sich um kriegsgeschädigte Kinder in Liberia und eröffnen ihnen Perspektiven für ein Leben im Frieden. Außerdem berät Misereor Gesundheitseinrichtungen. Die Diakonie Katastrophenhilfe war bei der Behandlung von
Ebolapatienten aktiv tätig und hat zusammen mit Brot für die Welt und dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission (Difäm) Menschen vor Ort im Kampf gegen Ebola gestärkt und über die kirchlichen Gesundheitseinrichtungen eine Basisversorgung aufrecht erhalten. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat ein Ebola-Behandlungszentrum betrieben, das aber auf Grund des deutlichen Rückgangs der Ebola-Neuinfektionen in Liberia keine Ebola-Patienten behandelt hat. Stattdessen wurde das Behandlungszentrum für eine temporäre Unterstützung des liberianischen Gesundheitssystems bei der Behandlung von Nicht-Ebola-Infektionskrankheiten eingesetzt und nach einigen Monaten geschlossen. Brot für die Welt und die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) unterstützen liberianische Nichtregierungsorganisationen durch die Entsendung von Entwicklungshelfern und Friedensfachkräften, im Bildungsbereich zum Beispiel das Kofi Annan Institut für Konflikttransformation (KAICT) der liberianischen Universität und den Nationalen Verband für Erwachsenenbildung in Liberia (NAEAL) (GIZ 3.2018b).
Die Verfassung sieht Rede- und Pressefreiheit vor und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen, wenn auch mit gewissen Einschränkungen (BS 2018; USDOS 3.3.2017; vgl.GIZ 3.2018a). Die Medien operieren weitgehend ohne Beschränkungen durch die Regierung. Für die meisten Bürger Liberias ist der Rundfunk die wichtigste Informationsquelle. (BS 2018; vgl. GIZ 3.2018a). Am 21.7.2012 hat Präsidentin Johnson Sirleaf die Table Mountain Declaration unterzeichnet, ein Schritt hin zur Abschaffung von repressiven Maßnahmen gegenüber afrikanischen Journalistinnen und Journalisten. Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2017 belegt Liberia Platz 94 von 180 (GIZ 3.2018a).
Die Verfassung sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (BS 2018; vgl. USDOS 3.3.2017). Für öffentliche Versammlungen sind Genehmigungen erforderlich (USDOS 3.3.2017). Oppositionsparteien können frei für ihre Ziele werben. Zivilgesellschaftliche Organisationen, zum Beispiel Straßenhändler, protestierten wiederholt und blockierten Hauptstraßen ohne Belästigung. Bei Eskalationen, übten Exekutivbeamte weiterhin exzessive Gewalt aus (BS 2018).
Quellen:
- AI - Amnesty International (22.1.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1425482.html, Zugriff 26.3.2018
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia, http://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 23.3.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018a): Geschichte & Staat - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/geschichte-staat/, Zugriff 28.3.2018
- USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018
1.3.8. Grundversorgung:
Während sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert und die Stabilität gestärkt haben, ist der Lebensstandard kaum gestiegen. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Liberia zählt stets zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Human Development Index (HDI) belegte Liberia 2014 Platz 177 von 188. Fast 90 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als USD 3,10 pro Tag (BS 2018). Liberia ist reich an natürlichen Ressourcen. Allein die Eisenerzvorkommen werden auf zwei bis fünf Milliarden Tonnen geschätzt. Vor der Küste wurden Erdölvorkommen entdeckt, deren Förderbarkeit und kommerzieller Wert jedoch noch geprüft werden müssen (AA 3.2017b).
Wichtigste Exportgüter bleiben Rohstoffe, vor allem Eisenerz und Rohkautschuk, aber auch Palmöl und Holz sowie Gold und Diamanten, Kaffee und Ananas (AA 3.2017a; vgl. GIZ 3.2018b). Das liberianische Schifffahrtsregister zählt zu den größten der Welt und sorgt für einen Großteil der Deviseneinkünfte des westafrikanischen Landes. Gleichzeitig müssen Lebensmittel – vor allem Reis – und Treibstoffe teuer importiert werden. Trotz dieses Fortschritts und den enormen Rohstoffvorkommen ist die Handelsbilanz Liberias defizitär (GIZ 3.2018b).
Darüber hinaus sind seit 2015 – insbesondere in Folge der Ebola-Epidemie deutliche Wachstumseinbußen zu verzeichnen. Viele ausländische Unternehmen reduzierten ihr internationales Personal oder zogen es ganz ab (AA 3.2017b). Liberia hatte sich in den letzten zehn Jahren wirtschaftlich positiv entwickelt. Seine Wirtschaft ist in diesem Zeitraum durchschnittlich um mehr als sechs Prozent pro Jahr gewachsen (GIZ 3.2018b).
Es gibt gute Voraussetzungen für nachhaltige Landwirtschaft, die derzeit noch mehr als 60 Prozent des BIP erbringt. Die wichtigsten makroökonomischen Kennzahlen waren in den Jahren vor Ausbruch der Ebola-Epidemie gut. Liberia hatte hohe Wachstumsraten bei nur moderater Staatsverschuldung - nach Erlass von rund 4,6 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden (AA 3.2017b).
Liberia ist eines der am stärksten urbanisierten Länder der Region, etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt in städtischen Gebieten, etwa ein Drittel in der Hauptstadt. Dies ist zum Teil das Vermächtnis des Bürgerkriegs, als die Städte vergleichsweise sicher waren und Binnenflüchtlinge anzogen. Der Industriesektor ist klein, und die Chancen in der städtischen Wirtschaft sind gering. Private Unternehmen dominieren die Wirtschaft und gelten als Motoren der Entwicklung (BS 2018).
Die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, bleibt weiterhin sehr hoch. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung dürften unterbeschäftigt bzw. im informellen Sektor tätig sein, bestätigte Zahlen dazu gibt es jedoch nicht. Die Inflation lag 2016 bei etwa 8,7 Prozent, ausgelöst durch den weltweiten Anstieg der Nahrungsmittelpreise und den fallenden Kurs des liberianischen Dollars (AA 3.2017b).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.2017b): Liberia - Wirtschaft, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/liberia-node/-/222362, Zugriff 23.3.2018
- BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Liberia, http://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Liberia.pdf, Zugriff 26.3.2018
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Wirtschaft & Entwicklung - Liberia, https://www.liportal.de/liberia/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 23.3.2018
1.3.9. Rückkehr:
Die Regierung arbeitete mit dem Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und weiteren humanitären Organisationen und Geberländern zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen betroffenen Personen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 3.3.2017). UNHCR arbeitet mit der Regierung von Liberia und der Liberia Refugee Repatriation and Resettlement Commission (LRRRC) zusammen und stellt NGOs finanzielle Mittel zur Verfügung, um Flüchtlingen und Asylsuchenden Schutz und Hilfe bereitzustellen (UNHCR 10.2017).
Quellen:
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.2017): Liberia; Fact Sheet, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419367/1930_1512565337_60915.pdf, Zugriff 30.3.2018 - USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liberia, https://www.ecoi.net/en/document/1395487.html, Zugriff 26.3.2018
1.3.10. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 04.09.2020 09:00 Uhr, 28.500 bestätigte Fälle, 3.466 aktuell Erkrankte von je mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 735 Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de); in Liberia wurden zu diesem Zeitpunkt 1.305 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 82 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/afro/country/lr).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände kann nicht festgestellt werden, dass bei einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Liberia für den Beschwerdeführer eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Es wird weiters festgestellt, dass in Liberia für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt wird eine nach Liberia abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt.
Zusammengefasst konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr mit einem gänzlichen Entzug seiner Lebensgrundlage rechnen müsste oder in eine existenzbedrohende oder medizinische Notlage geraten würde, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet.
Im Verfahren sind auch sonst keine Umstände hervorgekommen, die der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat Liberia entgegenstünden.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Sachverhalt:
Der umseits unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, dessen Ausführungen zu Feststellungen erhoben wurden, ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie der eingebrachten Beschwerdeergänzung des Beschwerdeführers vom 21.10.2019.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz samt Ergänzung, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Liberia, in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sowie in seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB wurden ergänzend eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Person, insbesondere seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit, seiner Volljährigkeit, seinem Gesundheitszustand, seinem Familienstand, seiner familiären Situation, seiner Schulbildung und Arbeitserfahrung in Liberia gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften und übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund einer sich im Verwaltungsakt befindlichen Kopie seines Reisepasses fest.
Die Feststellungen zu seiner Einreise in die EU und seinem Aufenthalt in Österreich lassen sich dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie dem aktuellen ZMR-Auszug entnehmen.
Seine Arbeitsfähigkeit ergibt sich einerseits aus seinem positiven gesundheitlichen Zustand sowie dem Umstand, dass er nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung, sollte er in Österreich bleiben dürfen, arbeiten möchte.
Hinsichtlich seiner familiären Anknüpfungspunkte in Liberia ist anzuführen, dass der Beschwerdeführer generell gleichbleibende Angaben vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht tätigte. In der mündlichen Verhandlung führte er erstmals aus, dass seine Tochter im Juli 2020 gestorben sei und folgte das erkennende Gericht seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben. Die Feststellung betreffend den aufrechten Aufenthalt seiner nahen Verwandten in Liberia gründet einerseits auf der diesbezüglichen Aufzählung seiner in Liberia lebenden Angehörigen in der Erstbefragung vom 06.02.2019 sowie anderseits auf seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2020, dass er regelmäßig Kontakt mit Familie und Freunden halte.
Dass der Beschwerdeführer über keine Verwandten in Österreich verfügt, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers vor dem erkennenden Gericht.
Aus dem Verwaltungsakt und sämtlichen Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass er über ein maßgebliches soziales Umfeld im Bundesgebiet verfügen oder eine relevante Integration aufweisen würde. Soweit der Beschwerdeführer auf die Frage des erkennenden Richters nach Freunden oder Bekannten in Österreich drei Personen erwähnte, mit welchen er in Kontakt stehe, lassen sich daraus keine Rückschlüsse auf ein tiefergreifendes soziales Umfeld ziehen. Der Beschwerdeführer kannte die Nachnamen seiner Bekannten nicht und führte lediglich unbestimmte Tätigkeiten bzw. lose Unternehmungen an. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte war somit die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer über kein maßgebliches Privatleben in Österreich verfügt.
Seine integrativen Bemühungen in Österreich ergeben sich aus einer Zusammenschau seiner glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie den folgenden, sich im Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen: Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs des ÖIF datiert mit 05.07.2019, Teilnahmebestätigung an einer Deutsch-Lerngruppe im Rahmen von „Treffpunkt Deutsch“ des ÖIF datiert mit 04.12.2019, E-Mail-Verkehr zwischen dem Beschwerdeführer und der Freiwilligen Caritas von April 2019, Einstellungszusage der XXXX Hausverwaltung vom 15.07.2020.
Hinsichtlich seiner fehlenden Sprachkenntnisse ist zudem anzuführen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er spreche Deutsch, dieses sei jedoch nicht gut. Insbesondere war der Beschwerdeführer auf die Hilfe eines Dolmetschers angewiesen und kommunizierte er auch im Schreiben an die Caritas in englischer Sprache. Der erkennende Richter konnte sich im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung den persönlichen Eindruck verschaffen, dass der Beschwerdeführer keine relevanten Deutschkenntnisse aufweist. Im Verhandlungsprotokoll vom 27.07.2020 findet sich ein entsprechender Vermerk.
Die Feststellungen zur mangelnden Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers in Österreich sowie zum Leistungserhalt der staatlichen Grundversorgung gründen auf einem aktuellen Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem sowie der Einsichtnahme in die Datenbank der Sozialversicherungsträger und deckt sich dies mit seinen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung.
Es ergaben sich somit aus dem gesamten Behörden- und Gerichtsakt keinerlei Merkmale für das Vorliegen einer maßgeblichen Integration in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer – wie unter Punkt I.2.f näher ausgeführt - hinsichtlich seiner Fluchtgründe zusammengefasst an, dass er als Angestellter der XXXX gearbeitet habe und dabei entdeckt habe, dass sein Vorgesetzter, der Sohn des Justizministers, Geldmittel unterschlagen hätte. Er sei Opfer von Folter g