Entscheidungsdatum
28.09.2020Norm
AVG §57 Abs1Spruch
I406 2235065-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch die ARGE RB - Unabhängige Rechtsberatung Tirol Diakonie Flüchtlingsdienst, Bürgerstraße 21, 6020 XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Tirol vom 10.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste seinen Angaben entsprechend ungefähr am 18. Juni 2020 von Schweden über Deutschland nach Österreich ein und hielt sich seitdem in XXXX in einer privaten Unterkunft auf.
Nach seiner versuchten Einreise nach Deutschland wurde der Beschwerdeführer durch die Bundespolizeiinspektion XXXX , Bundespolizeirevier XXXX am 08.09.2020 mit Hilfe eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen. Der Beschwerdeführer bejahte dabei die eingangs gestellte Frage, ob er sich mit diesem verständigen könne. Der Beschwerdeführer bejahte die Frage, ob er den Tatvorwurf des Versuchs der unerlaubten Einreise verstanden habe. Er äußert sich dazu dahingehend, dass er in XXXX Familie habe und diese dort besuche, er habe vergessen, seine Dokumente mitzunehmen; er habe gewusst, dass er für Deutschland einen Pass brauche, aber keinen Aufenthaltstitel, er habe vergessen, „die Sachen mitzunehmen“. Auf die Frage, wo sein Reisepass sei, erklärte er „Ja ich habe einen, der ist zu Hause in Schweden. Nein der ist in XXXX bei meiner Familie. Ich bin schwedischer Staatsangehöriger, wenn ich nach Deutschland komme, brauche ich keinen Pass“. Auf die Frage, wann er nach XXXX gefahren sei, gab er an, dies sei ungefähr vor 20 bis 25 Tagen gewesen. Berlin wolle er als Tourist besuchen. Er habe dort seinen Urlaub verbringen wollen und danach nach Schweden zurückkehren wollen. Die Niederschrift hält weiters fest, der Beschwerdeführer habe unaufgefordert eine Spontanäußerung gemacht, indem er erklärte „Ich bin ein Schwede und ich besitze schwedische Papiere. Aber in Deutschland habe ich die nicht dabei.“ Nach Beendigung der Einvernahme unterfertigte der Beschwerdeführer das Protokoll.
Nach der hierauf erfolgten Zurückweisung durch die deutschen Behörden wurde der Beschwerdeführer von der österreichischen Polizei übernommen und nach § 39 FPG festgenommen.
Mit Mandatsbescheid vom 10.09.2020, Zl. XXXX ordnete die belangte Behörde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens über den Beschwerdeführer an.
Die dagegen mit Schriftsatz vom 14.09.2020 erhobene Beschwerde, bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangt am 16.09.2020, wurde im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer sei gemeinsam mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen beiden Kindern mit einer Fähre von Malmö ausgereist, habe eine Nacht in Berlin bei einem Cousin verbracht und sei zum Zweck des Familienbesuchs bei seinem Bruder und dessen Frau in Österreich eingereist. Der Beschwerdeführer befinde sich seit Sommer 2020 in Österreich, er sei mit einer gültigen Aufenthaltsberechtigungskarte sowie Identitätskarte für Schweden sowie seinem syrischen Personalausweis in Österreich eingereist, zudem verfüge er über einen gültigen Reisepass.
Sein Cousin sei mit seinem, des Beschwerdeführers, Auto nach Deutschland gefahren; da jener die Zulassungspapiere nicht habe vorlegen können, sei das Auto in Berlin beschlagnahmt worden, vermutlich befinde sich darin auch der Reisepass des Beschwerdeführers. Dieser könne das Auto nur persönlich abholen und habe daher am 08.09.2020 versucht, nach Deutschland auszureisen und sei dabei von den deutschen Behörden aufgegriffen und an die österreichischen Behörden übergeben worden. Zunächst sei er von den deutschen Behörden unter Zuhilfenahme eines arabischsprachigen Dolmetschers befragt worden und habe bei dieser Gelegenheit angegeben, dass er in XXXX über Familienangehörige verfüge und diese dort besuche; er habe vergessen, die Dokumente mitzunehmen; er habe zwar gewusst, dass man für Deutschland einen Pass benötige, aber er habe nicht gewusst, dass er auch einen Aufenthaltstitel bei sich führen müsse, er wolle Berlin aus touristische Zwecke besuchen, hier den Urlaub verbringen und nach Schweden zurückkehren. Am 10.09.2020 sei er von der österreichischen Behörde ohne sprachkundigen Dolmetschers einvernommen worden. Daher sei die Befragung unterbrochen worden und der Beschwerdeführer habe das Protokoll nicht unterschrieben und sei daher der Beschwerdeführer insofern auch nicht unkooperativ gewesen.
Die über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens hätte nur bei erheblicher Fluchtgefahr als ultima ratio verhängt werden dürfen, die Behörde habe sich mit dem Sachverhalt unzureichend auseinandergesetzt und die Schubhaft in Folge von Verfahrensfehlern rechtswidrig erlassen.
Es treffe nicht zu, dass der Beschwerdeführer über keine Dokumente verfüge, die schwedische Identitätskarte, gültig bis 10.03.2024 sowie den syrischen Personalausweis habe er bei der Einreise nach Österreich mit sich geführt und am 05.08.2020 der belangten Behörde vorgelegt. Zudem verfüge der Beschwerdeführer über eine schwedische Aufenthaltskarte, gültig bis 22.05.2020. Es habe nicht in Erfahrung gebracht werden können, ob dieser Titel verlängert worden sei, angesichts der Gültigkeitsdauer der Identitätskarte bis 2024 sei jedoch davon auszugehen. Fehlerhaft sei die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich und den umliegenden Staaten kein Aufenthaltsrecht habe.
Da der Beschwerdeführer die Aufenthalts- sowie die Identitätskarte und den syrischen Personalausweis mit sich geführt habe, sei eine Meldung erst nach drei Monaten rechtlich erforderlich.
Auch im Fall des Vorliegens von Gründen dafür, dass der Beschwerdeführer Österreich verlassen müsse, hätte die Behörde ihm im Sinn des § 52 Abs. 6 FPG Gelegenheit geben müssen, Österreich mit dem syrischen Personalausweis freiwillig zu verlassen.
Fehlerhaft sei ebenfalls die Feststellung, der Beschwerdeführer habe in Österreich weder Familie noch sonstige soziale Anknüpfungspunkte; so habe er seinen Bruder und seine Schwägerin in XXXX , bei denen er auch gewohnt habe.
Dem Beschwerdeführer stehe aufgrund seines Aufenthaltstitels die Reisefreiheit innerhalb der EU zu, mit dem von ihm mitgeführten syrischen Personalausweis sei ihm eine visumfreie- und Ausreise- in die EU- Staaten gestattet.
Der Beschwerdeführer habe seinen Lebensmittelpunkt in Schweden. Auch verfüge der Beschwerdeführer über weitere Familienangehörige in Schweden, so seinen namentlich genannten Bruder. Daher sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich einem Verfahren entziehen würde. Auch betreibe der Beschwerdeführer seit 15.03.2016 gemeinsam mit seinem Bruder eine Werkstatt in XXXX . Die Inhaftierung ziehe Umsatzeinbußen nach sich.
Der Beschwerdeführer sei bereit, mit den Behörden zu kooperieren und würde insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtung sowie einer allfälligen angeordneten Unterkunftnahme Folge leisten, daher wäre ein gelinderes Mittel zur Erreichung des Sicherungszweckes ausreichend. Der Beschwerdeführer könne bei seinem Bruder S. H. in XXXX wohnen und wäre bereit, sich täglich bei den Behörden zu melden.
Seine Ehefrau sowie die beiden gemeinsamen Kinder wohnten zurzeit bei der Schwester seiner Ehefrau in XXXX . Es entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich Personen mit gültigen Dokumenten einem Verfahren in anderen EU begünstigen Ländern entziehen. Die „erhebliche“ Fluchtgefahr sei ebenfalls nicht gegeben.
Zu den Ausführungen der Behörde, der Beschwerdeführer verfüge nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren, sei zu beachten, dass ein Untertauchen ohne Barmittel jeglicher Lebenserfahrung widerspreche. Der Beschwerdeführer verfüge über 275 € Bargeld und über eine wirtschaftliche florierende Werkstatt und verdiene mit dieser 20.000 Kronen im Monat.
Der Beschwerdeführer beantrage als Ersatz für Schriftsatzaufwand 737,60 €, im Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Ersatz des Verhandlungsaufwandes 922 € sowie den Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren und Barauslagen, insbesondere die Gebühren für Dolmetscher und Sachverständige, weiters werde auch die Entschädigung für Gewinnentgang geltend gemacht, schließlich der Ersatz der Eingabegebühr in der Höhe von 30 €.
Es werde ferner beantragt, das Gericht möge „den Bruder des Beschwerdeführers, Herrn S. H. sowie die Schwägerin des Beschwerdeführers, wohnhaft an der gleichen Adresse wie vorgenannter Zeuge zum Beweis dafür, dass familiäre Anknüpfungspunkte in XXXX bestehen und der Beschwerdeführer bei diesem Unterkunft nehmen kann sowie zum Beweis des Reisezweckes und zur Identität des Beschwerdeführers zu laden und befragen“.
Mit Stellungnahme vom 17.09.2020 brachte die belangte Behörde vor, der Beschwerdeführer sei nach der Zurückweisung durch die deutschen Behörden am 08.09.2020 von Organen einer Polizeiinspektion übernommen und nach § 39 FPG festgenommen worden. Der Beschwerdeführer sei nach § 120 Abs. 1a FPG wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes seit zumindest einem Monat mit einer Geldstrafe in der Höhe von 150 € bestraft worden.
Das gegenständliche Verfahren sei ein Mandatsverfahren, an welches angesichts des großen Zeitdruckes ein geringerer Anspruch an das Ermittlungsverfahren und die Bescheidqualität zu stellen sei.
Der Beschwerdeführer befinde sich jedoch tatsächlich seit geraumer Zeit unrechtmäßig im Bundesgebiet, sei an keiner Adresse amtlich gemeldet und habe sich somit dem Zugriff der Behörde entzogen und so die Durchsetzung eines geordneten Fremdenwesens verhindert.
In der Einvernahme durch die deutsche Polizei habe er sich in zahlreiche Widersprüche verstrickt, insbesondere indem er versucht habe, die Behörde zu täuschen, indem er angegeben habe, schwedischer Staatsbürger zu sein.
Der angebliche Bruder des Beschwerdeführers sei Asylberechtigter in Österreich und habe während des Asylverfahrens genaue Angaben zu seiner Familie gemacht, den Beschwerdeführer habe er dabei nicht als Bruder erwähnt.
Der Beschwerdeführer könne mit den vorgelegten Dokumenten nicht nach Schweden reisen, Schweden sei kein Nachbarstaat von Österreich und eine Durchreise durch Deutschland sei aufgrund der Rechtslage, aktenkundig mit der offiziellen Zurückweisung, nicht möglich, ebensowenig ein Flug ohne gültige Dokumente.
Der Beschwerdeführer sei einen Monat lang in Österreich gewesen, ohne sich um eine Ausreise und entsprechende Dokumente zu bemühen oder sich diesbezüglich an die Behörde zu wenden. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Identitätskarten seien keine Reisedokumente und weder geeignet, eine Identität zweifelsfrei zu belegen noch könne damit im Schengenraum ein legaler Aufenthalt begründet werden.
Der Beschwerdeführer habe auch erst im Zuge der Beschwerde eine Kopie der Vorderseite seiner abgelaufenen Aufenthaltsberechtigungskarte für Schweden vorgelegt, zum Zeitpunkt der Erlassung der Schubhaft sei diese nicht vorgelegen. Der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers ergebe sich aus Art. 5 des Schengener Grenzkodex bzw. des Durchführungsübereinkommens BGBl III 90/1997.
Eine Ausreiseverpflichtung gemäß § 52 Abs. 6 FPG sei nicht möglich, da dem Beschwerdeführer eine legale Ausreise nicht möglich gewesen wäre und stehe einer solchen Vorgehensweise der aktenkundige Asylantrag in Schweden entgegen. Eine Rückkehrentscheidung könne mangels eindeutigen Nachweises über den Stand des Asylverfahrens bzw. über die Art des Aufenthaltstitels in Schweden nicht getroffen werden, ein solcher Nachweis könne nur im Rahmen eines Konsultationsverfahrens mit Schweden erlangt werden, diese dauere bis zu 14 Tage.
Eine Anfrage betreffend den Aufenthaltsstatus beim Polizeikooperationszentrum werde im Wege einer indirekten Anfrage via Deutschland gestellt und sei damit kein ausreichender Beweis.
Eine Identitätskarte sei kein Hinweis auf ein bestehendes Aufenthaltsrecht, da zum Zeitpunkt der Ausstellung der Identitätskarte nicht vorhergesehen habe werden können, ob der Aufenthaltstitel verlängert werden würde, daher könne nicht von der Identitätskarte auf eine Verlängerung des Aufenthaltstitels geschlossen werden. Auch sei dem Beschwerdeführer offensichtlich nicht bekannt, ob der Aufenthaltstitel verlängert worden sei.
Ein gelinderes Mittel sei nicht zielführend, da sich der Beschwerdeführer unter Verletzung der Meldeverpflichtung über längere Zeit unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe und bei Verwandten oder Bekannten untergetaucht sei. Auch sei in der Beschwerde davon die Rede, die Ehefrau des Beschwerdeführers wohne in XXXX , ohne dass deren Name und die Adresse genannt würden. Es bestehe somit die Gefahr, dass der Beschwerdeführer erneut an einer unbekannten Adresse Unterkunft finde und sich somit der Behörde entziehen werde.
Entgegen dem Beschwerdeführer sei gemäß § 2 Meldegesetz eine Anmeldung binnen drei Tagen zwingend erforderlich, da der Beschwerdeführer unter keiner der dort genannten Ausnahmen falle.
Eine mangelnde soziale Verfestigung des Beschwerdeführers liege vor, da dieser zwar Familie in Österreich und Deutschland erwähne, dazu jedoch keine genaueren Angaben mache. Er sei in Österreich eigenen Angaben zur Folge nur zu Besuch, daher könne eine Verfestigung im Sinne einer Verhinderung der Flucht nicht erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer ohnehin vorgehabt habe, Österreich wieder zu verlassen.
Beantragt werde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, gemäß § 22a BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den Beschwerdeführer zum Ersatz des Vorlageaufwandes der belangten Behörde sowie des Schriftsatzaufwandes zu verpflichten.
Am 16. 09.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Dabei stellte die belangte Behörde den Antrag, dem Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß zu verpflichten.
Mit Schreiben vom 22.09.2020 teilte die „Swedish Mitgration Agency“ mit, eine Rückstellung nach dem Dublin-Regime sei nicht möglich, da der Beschwerdeführer subsidiär Schutzberechtigter in Schweden sei. Da er eine bis zum 23.05.2022 gültige Aufenthaltsberechtigung in Schweden habe, sei eine Überstellung nach Schweden nach der Rückführungsrichtlinie möglich.
Am 23.09.2020 ordnete die belangte Behörde mit dem – nicht verfahrensgegenständlichen - Mandatsbescheid vom 23.09.2020, Zl. XXXX gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme der Sicherung der Abschiebung über den Beschwerdeführer an.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.
Der Beschwerdeführer ist volljähriger Staatsangehöriger Syriens, arabischer Muttersprache und verfügt über grundlegende Deutschkenntnisse.
Der Beschwerdeführer besitzt weder die österreichische noch die schwedische Staatsbürgerschaft. Er ist subsidiär Schutzberechtigter in Schweden, in Österreich ist er weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
Vor Einlangen des Schreibens „Swedish Mitgration Agency“ vom 22.09.2020, mit dem diese mitteilte, der Beschwerdeführer sei subsidiär Schutzberechtigter in Schweden, war der belangten Behörde bekannt, dass der Beschwerdeführer in Schweden einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.
Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.
Der Beschwerdeführer ist seit 18. Juni 2020 in Österreich aufhältig.
Es wurde ein Konsultationsverfahren mit Schweden eingeleitet.
Eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Schweden ist zeitnahe zu erwarten.
Mit Mandatsbescheid vom 10.09.2020, Zl. XXXX ordnete die belangte Behörde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens die Schubhaft an.
Mit Schreiben vom 22.09.2020 teilte die „Swedish Mitgration Agency“ mit, eine Rückstellung nach dem Dublin-Regime sei nicht möglich, da der Beschwerdeführer subsidiär Schutzberechtigter in Schweden sei. Da er eine bis zum 23.05.2022 gültige Aufenthaltsberechtigung in Schweden habe, sei eine Überstellung nach Schweden nach der Rückführungsrichtlinie möglich.
Am 23.09.2020 ordnete die belangte Behörde mit dem – nicht verfahrensgegenständlichen - Mandatsbescheid vom 23.09.2020, Zl. XXXX gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme der Sicherung der Abschiebung über den Beschwerdeführer an.
Der Beschwerdeführer befindet sich in Schubhaft.
Der Beschwerdeführer behauptete, schwedischer Staatsbürger zu sein.
Der Beschwerdeführer war und ist in Österreich nicht gemeldet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über einen Reisepaß verfügt. Der Beschwerdeführer machte mehrfach widersprüchliche Angaben dazu, wo sich sein Reisepaß befindet.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht legal erwerbstätig.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Unterkunftgeber des Beschwerdeführers in XXXX ein Verwandter des Beschwerdeführers ist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Österreich über Familienangehörige verfügt.
Der Beschwerdeführer machte bislang geltend, er halte sich zu touristischen Zwecken in Österreich auf, erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht legte er offen, seit Juli 2020 zu beabsichtigen, in Österreich dauerhaft selbständig tätig zu sein.
Der Beschwerdeführer erstattete mehrfach widersprüchliche Angaben zum Wohnort seiner Familie.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister und in das Zentrale Melderegister des Bundesministeriums für Inneres.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft
Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht fest. Die Unbedenklichkeit des vorgelegten syrischen Personalausweises konnte innerhalb der Entscheidungsfrist nicht festgestellt werden. Zu den vorgelegten schwedischen Dokumenten, der Identitätskarte und der schwedischen Aufenthaltskarte, gültig bis 22.05.2020, ist festzuhalten, dass derartige Dokumente häufig auf Grund einer bloßen Verfahrensidentität ausgestellt werden.
Die Feststellungen zu Staatsbürgerschaft, Volljährigkeit, Muttersprache, Deutschkenntnissen und Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben und dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellungen zum Asylstatus des Beschwerdeführers in Schweden und Österreich beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben, einer EURODAC-Abfrage und Angaben der schwedischen Behörden.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit 18. Juni 2020 in Österreich aufhältig ist, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht gemeldet war und ist, beruht auf dem ZMR.
Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren beruhen auf den Mitteilungen der belangten Behörde.
Zur Glaubhaftigkeit des Beschwerdeführers ist darauf hinzuweisen, dass dieser in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ein überaus ausweichendes Antwortverhalten zu Tage legte und seine Glaubhaftigkeit schon aus diesem Grund als sehr gering einzustufen ist.
Zu den vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend gemachten Verständigungsproblemen mit dem Dolmetscher bei der Einvernahme durch das Bundespolizeirevier XXXX am 08.09.2020 ist festzuhalten, dass diese nicht glaubhaft sind, da der Beschwerdeführer die eingangs gestellte Frage bejahte, ob er sich mit diesem verständigen könne, nach Beendigung der Einvernahme das Protokoll unterfertigte und auch sein Vorbringen, er sei schwedischer Staatsbürger, spontan und unaufgefordert erstattete, auch ist es nicht mit Verständigungsproblemen zu erklären, wenn er auf die Frage, wo sein Reisepass sei, zunächst erklärt „Ja ich habe einen, der ist zu Hause in Schweden. Nein der ist in XXXX bei meiner Familie“ um dann fortzufahren mit „Ich bin schwedischer Staatsangehöriger“.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer behauptete, schwedischer Staatsbürger zu sein, beruht auf der Niederschrift der Einvernahme durch das Bundespolizeirevier XXXX am 08.09.2020.
Die Feststellungen zum Reisepaß des Beschwerdeführers beruhen darauf, dass dieser in der Einvernahme durch das Bundespolizeirevier XXXX am 08.09.2020 zuerst vorbrachte, dieser sei „zu Hause in Schweden“, dann „Nein der ist in XXXX bei meiner Familie“, bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 10.09.2020, „den hat meine Frau und sie ist in XXXX “, in der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer im Gegensatz dazu vor, der Reisepaß befinde sich in Berlin.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mehrfach widersprüchliche Angaben zum Wohnort seiner Familie erstattete, beruht darauf, dass er bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 10.09.2020 angab, seine Frau sei in XXXX , im Gegensatz dazu in der Beschwerde, seine Ehefrau sowie die beiden gemeinsamen Kinder wohnten zurzeit bei der Schwester seiner Ehefrau in XXXX , im Gegensatz dazu gab der Unterkunftgeber des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, „Er hat eine Freundin in XXXX , ich weiß nicht ob sie verlobt sind aber er sagt immer, dass ihre Kinder auch seine sind“.
Die Feststellung, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Unterkunftgeber des Beschwerdeführers in XXXX ein Verwandter des Beschwerdeführers ist, beruht darauf, dass das diesbezügliche Vorbringen überaus widersprüchlich ist: Zum Unterkunftgeber wird in der Beschwerde mehrfach vorgebracht, dieser sei der Bruder des Beschwerdeführers, im Gegensatz dazu jedoch erklärte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mehrfach, dieser sei sein Cousin. Der Unterkunftgeber widerum gibt in seiner Beschuldigtenvernehmung durch das Kriminalreferat des Stadtpolizeikommandos XXXX am 06.08.2020 wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zum Nachteil einer Frau an, „Ja das ist ein Freund von meinem Bruder XXXX aber ich kenne ihn auch“. Die Rechtfertigung des Unterkunftgebers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, er sei bei der Beschuldigtenvernehmung „nicht direkt“ gefragt worden, ob der Beschwerdeführers in XXXX ein Verwandter von ihm sei, verfängt nicht, ist es doch nicht nachvollziehbar, dass man einen Verwandten- auch bei „nicht direkter“ Frage, ob er ein Verwandter sei - als Freund bezeichnet, überdies als Freund des eigenen Bruders und somit nicht einmal die eigene Beziehung zum nunmehr angeblichen Verwandten sondern jene des eigenen Bruders zu diesem in den Vordergrund rückt. Dafür, dass der Beschwerdeführer lediglich ein Freund des Unterkunftgebers ist, spricht weiters, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ihn einmal als „ XXXX mein Freund“ bezeichnet.
Somit konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Österreich über Familienangehörige verfügt.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht legal erwerbstätig ist, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG.
Die mit Mandatsbescheid vom 10.09.2020 durch die belangte Behörde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens über den Beschwerdeführer angeordnete Schubhaft war angesichts der ohne Reisedokumente erfolgten und damit rechtwidrigen Einreise und des rechtwidrigen Aufenthalts des Beschwerdeführers grundsätzlich rechtmäßig.
Bei der in weiteren Folge erforderlichen Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, ist zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der Beschwerdeführer hat sich beharrlich der belangten Behörde entzogen, indem er seiner Meldeverpflichtung trotz mehrmonatigen Aufenthalts in Österreich nicht nachkam. Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ist angesichts seines oben dargestellten Verhaltens in keiner Weise gegeben, machte der doch bislang geltend, er halte sich zu touristischen Zwecken in Österreich auf und legte er erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht offen, seit Juli 2020 zu beabsichtigen, in Österreich dauerhaft selbständig tätig zu sein, weiters behauptete er, schwedischer Staatsbürger zu sein, machte er mehrfach widersprüchliche Angaben dazu, wo sich sein Reisepaß befindet, zum Wohnort seiner Familie und dazu, ob er in Österreich über Familienangehörige verfügt und wirkte so am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mit. Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Da wie oben ausgeführt nicht festgestellt werden kann, dass der Unterkunftgeber des Beschwerdeführers in XXXX ein Verwandter des Beschwerdeführers ist und der Beschwerdeführer in Österreich nicht legal erwerbstätig ist, ist die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr ausgegangen.
3.1.6. Auch was den Sicherungsbedarf betrifft, ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass ein solcher gegeben ist:
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist zu beachten, dass das bisherige Verhalten in Betracht zu ziehen ist. Angesichts des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer beharrlich den Behörden entzogen hat und ebenso beharrlich den Zweck seines Aufenthalts verschleiert hat, ist von einem hohen Sicherungsbedarf auszugehen.
Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers angesichts seines oben dargestellten Verhaltens ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.
Auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers lässt die Anordnung der Schubhaft nicht unverhältnismäßig erscheinen.
Die belangte Behörde ist insofern ihrer Verpflichtung, die Schubhaft so kurz als möglich aufrecht zu erhalten nachgekommen, als sie sich zur Durchführung eines Überstellungsverfahrens umgehend an die schwedischen Behörden wandte.
Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt angesichts des bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus dem hervorgeht, dass ihm seine Vertrauenswürdigkeit im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen des Fremdenrechtes gänzlich abzusprechen ist, auch zum Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam, könnte ein solches doch ein neuerliches Untertauchen nicht verhindern.
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden kann.
Auch kommt eine freiwillige Ausreise im Sinn des § 52 Abs. 6 FPG nicht in Betracht, da die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt.
Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft
3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Beschwerdeführer befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und "ermächtigt" das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage "in der Sache" zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).
3.2.2. Angesichts der Mitteilung der „Swedish Mitgration Agency“, eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Schweden nach der Rückführungsrichtlinie sei möglich, ist eine solche zeitnahe zu erwarten.
Im Verfahren haben sich damit keine Umstände ergeben, die gegen die rechtliche und faktische Durchführbarkeit einer Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer sprechen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Schubhaft besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor Fluchtgefahr vorliegt sowie ein hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung der Rückführung des Beschwerdeführers - somit ein erheblicher Sicherungsbedarf - besteht.
Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen.
Damit liegt die geforderte "Ultima-ratio-Situation" für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.
3.2.3. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
3.4. Zu Spruchteil A. - Spruchpunkt III. - Kostenersatz
3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
3.4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Die belangte Behörde hat einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt.
3.4.3. Die belangte Behörde ist auf Grund der Abweisung der Beschwerde sowie der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen, obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat.
Zum Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren und Barauslagen, insbesondere die Gebühren für Dolmetscher und Sachverständige, ist festzuhalten, dass dieser mangels anfallender gegenständlichen Gebühren gegenstandslos ist, zum Antrag auf Entschädigung für Gewinnentgang, dass dieser mangels Zuständigkeit im Rahmen des Schubhaftverfahrens unzulässig und überdies betragsmäßig nicht konkretisiert ist, zum Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr, dass dieser mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig ist. Dass die Eingabegebühr das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden.
3.5. Zu Spruchteil B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung Anhaltung aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufwandersatz Außerlandesbringung Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit falsche Angaben Feststellungsverfahren Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel illegale Einreise illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Kostenersatz Mandatsbescheid Meldepflicht Meldeverstoß mündliche Verhandlung öffentliche Interessen private Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Überstellung Untertauchen Verhältnismäßigkeit Verschleierung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I406.2235065.1.00Im RIS seit
25.01.2021Zuletzt aktualisiert am
25.01.2021