TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/30 I416 2227062-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2227062-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Gambia, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.08.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG wird nicht erteilt.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer ein Staatsangehöriger von Gambia stellte am 23.08.2016 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz. Dem Beschwerdeführer wurde unter dem Namen XXXX , geboren am XXXX , eine Aufenthaltsgenehmigung für Minderjährige, gültig bis 25.06.2019 ausgestellt. Der Beschwerdeführer reiste am 27.11.2018 unter Umgehung der Grenzkontrollen von Italien kommend ins Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass er sein Land verlassen habe, um sein Leben zu retten, weil er es unter seinem Onkel bedroht gesehen habe. Sein Vater sei im Alter von drei Jahren gestorben und habe der Bruder seines Vaters dann seine Mutter geheiratet, jedoch sei es kein einfaches Leben gewesen, da dieser ihn dauernd geschlagen habe. Im Jahr 2013 habe ihn sein Onkel in eine Koranschule in den Senegal gesteckt und sei er 2014 krankheitsbedingt wieder nach Hause gekommen, da er am Blinddarm operiert habe werden müssen. Sein Onkel habe ihn noch im selben Jahr wieder in die Islamschule in den Senegal gebracht, und sei er nach einer gewissen Zeit davongelaufen und nach Mali gegangen. Im Falle seiner Rückkehr habe er Angst vor seinem Onkel, mit staatlichen Stellen habe er demgegenüber keine Probleme. Das Problem sei sein Onkel, der ihn sicher ganz schlecht behandeln würde und ihn sogar töten könne.

2.       Mit Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG vom 03.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass Dublin Konsultationen mit Italien geführt werden. Mit Schreiben vom 07.01.2019 wurde seitens der italienischen Behörden mitgeteilt, dass dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung als Minderjähriger gültig bis 25.6.2019 erteilt worden sei.

3.       Ein in Auftrag gegebenes medizinisches Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung vom 31.12.2018 ergab als spätmöglichstes fiktives Geburtsdatum den XXXX , sodass die Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung ausgeschlossen werden könne und der Beschwerdeführer das 18. Lebensjahr spätestens am XXXX vollendet habe.

4.       Mit Verfahrensanordnung vom 05.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde gemäß §§ 29 Abs. 3 und 15a AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da davon ausgegangen werde, dass Italien für sein Asylverfahren zuständig sei.

5.       Am 11.02.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde in Anwesenheit der Rechtsberatung niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, dass er seit Dezember oder Jänner mit einer fünfzehnjährigen Österreicherin in einer Beziehung sei. Auf Vorhalt, dass er in Italien einen Aufenthaltstitel erhalten habe und sich bis 25.06.2019 in Italien aufhalten dürfe, gab er wörtlich an: „Es war kein guter Aufenthalt für mich. Ich ging zwar normal zur Schule und habe Mechaniker gelernt. Ich war dort zwei Jahre lang aufhältig. Mein erstes Jahr in der Schule war sehr schlecht.“ Er führte weiters aus, dass er keine Freunde gefunden habe und die Leute dort nicht sehr nett zu ihm gewesen seien. Auf Vorhalt, dass beabsichtigt sei ihn nach Italien abzuschieben, führte er aus, dass es keine Aufenthaltsgenehmigung gewesen sei, die er dort bekommen habe. Außerdem wolle er nicht nach Italien zurückkehren, da er zwei Jahre dort gewesen sei und versucht habe seinen Weg zu finden. Er sei zwar glücklich gewesen, dass er in die Schule gehen konnte, jedoch sei es mit den Leuten in Italien wirklich sehr schwer gewesen, da diese überall gemein zu ihm gewesen seien.

6.       Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 11.03.2019 wurde seitens des Kinder- und Jugendhilfeträgers des Landes XXXX der Caritas der Diözese XXXX die Vollmacht zur Vertretung des Beschwerdeführers vorgelegt.

7.       Am 18.09.2019 wurde ein Schreiben hinsichtlich seiner Integrationsbemühungen übermittelt und darin festgehalten, dass er intensiv daran arbeite seine Deutschkenntnisse zu verbessern und es ihm ein Anliegen sei eine gute Ausbildung zu machen, um sein zukünftiges Leben eigenständig bestreiten und bestimmen zu können. Zudem sei er so oft wie möglich als Dolmetscher für die Sprachen Englisch und Fulla bei Behörden und NGO‘s ehrenamtlich tätig gewesen, würde Kontakt mit Einheimischen pflegen und sei seit neun Monaten mit einer österreichischen Staatsbürgerin liiert. Er pflege regelmäßigen und harmonischen Kontakt mit ihrer Familie sowie mit Bekannten und Freunden. Der Beschwerdeführer legte eine Lehrgangsbestätigung der Fachschule für wirtschaftliche Berufe der Caritas der Diözese XXXX vom 28.06.2018, den Nachweis seines Lernerfolges für Mathematik und eine Bestätigung der Bundeshandelsakademie & Bundeshandelsschule XXXX vom 11.09.2019 über seine Teilnahme als ordentlicher Schüler im Schuljahr 2019/2020 vor.

8.       Mit Schreiben der Landespolizeidirektion XXXX vom 05.11.2019 wurde hinsichtlich der Echtheitsprüfung des vorgelegten Reisepasses des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass nach dem derzeitigen Wissensstand keine Anhaltspunkte für eine Fälschung oder Verfälschung festgestellt werden können.

9.       Am 03.12.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Lebensumständen führte er aus, dass seine Muttersprache Fulla sei, er gesund sei und keine Medikamente nehme. Hinsichtlich seiner Religionszugehörigkeit gab er an, dass er jetzt ohne Bekenntnis sei. Zuvor sei er immer schon Moslem gewesen, da seine Mutter an den Islam glaube. Er gab weiters an, dass er am XXXX in Gambia geboren sei und dort bis zu seinem zwölften Lebensjahr aufgewachsen sei. Nach dem Tod seines Vaters habe ihn sein Onkel in den Senegal auf eine Koranschule geschickt, wo er zwischen März oder April 2013 und Juni 2014 gewesen sei. Er sei jedoch von dort weggelaufen und nach Hause geflüchtet, da er Magenschmerzen gehabt habe. Seine Mutter habe sich von seinem Onkel getrennt und würde jetzt mit einem anderen Mann aus Guinea-Bissau zusammenleben, Kontakt habe er circa einmal im Monat mit ihr. Wirtschaftlich gehe es ihr derzeit gut, sie habe ihm auch zu seinem 18. Geburtstag Schuhe und eine Hose geschickt. Er gab weiters an, dass er und seine Mutter von seinem Onkel immer geschlagen worden seien, sein Onkel Geschäftsmann gewesen sei und sie davon gut leben hätten können. Sein Onkel habe ihn in die Koranschule in den Senegal gefahren. Über seinen leiblichen Vater wisse er nichts, er habe jedoch noch einen älteren Halbbruder, der in Brikama in Gambia leben würde. Seine Schwester sei inzwischen verstorben. Zu seiner Familie führte er weiters aus, dass seine Großeltern väterlicherseits aus Guinea stammen würden und auch sein Vater in Guinea geboren sei. Er stamme aus einer royalen Familie. Sein Vater sei zuerst nach Mali und danach in den Senegal gegangen, wo er seine Mutter kennengelernt und später geheiratet habe. Befragt, ob sein Onkel schon früher zusammen mit ihnen gewohnt habe, gab er an, dass seine Mutter gesagt habe, dass dieser früher immer nur auf Besuch gekommen sei. Dieser sei erst nach dem Tod seines Vaters bei ihnen eingezogen, da es eine traditionelle Art bei den Muslimen sei, dass wenn jemand stirbt, der andere die Waisen aufzieht. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer Gambia wegen seiner familiären Probleme verlassen hatte, gab er wörtlich an: „Ich hatte dann meine Mutter angerufen und ihr telefonisch gesagt, ich möchte zu keiner Religion angehören. Sie war sehr böse darüber und auch mit meinem Onkel darüber geredet. Sie waren der Meinung, wenn ich sterbe werde ich in die Hölle kommen. Es hat sich diese Nachricht überall verbreitet. Mein Onkel war außer sich. Er meinte, er könne es nicht glauben, dass sich ein Kafir bin. Ich hatte dann Angst um mein Leben. Gemeinschaft überall war der Meinung, dass es der richtige Weg war, was mein Onkel mit mir tat. Ich hatte Angst gehabt, weil er mächtig war, dass er mich umbringen könnte. Deshalb bin ich dann weggegangen und habe auf der Straße betteln angefangen, damit ich etwas zu essen hatte. In dieser Koranschule wollte ich über den Glauben nicht reden. Mussten dort jeden Tag um 05:00 Uhr aufstehen. Wir mussten Gebete verrichten und dann immer den Koran lesen, bis 09:00 oder 10:00 Uhr vormittags. Wir mussten dann in den Wald gehen Holz arbeiten. Wenn wir das gemacht haben, haben sie uns hinausgeschickt, dass wir Betteln sollten.“ Gefragt, was denn ausschlaggebend gewesen sei, dass er nicht mehr den Glauben angehören habe wollen, gab der Beschwerdeführer an, dass er sich nicht mehr habe sagen lassen wollen, wie er sein Leben zu führen habe und was er zu tun habe. Er habe in Gambia fünf Jahre die Volksschule besucht und auch andere Dinge dort gelernt. Auf Nachfrage, was dies mit dem Glauben zu tun habe, gab er an, dass er keine Vorschriften haben wollte. Gefragt, wie er den Reisepass, der in Gambia ausgestellt worden sei, erhalten habe, gab er an, dass er nicht wisse wo dieser ausgestellt worden sei, da dies seine Mutter für ihn erledigt habe und sie ihm den Reisepass 2017 nach Italien geschickt habe. Gefragt, warum er Italien verlassen habe, gab er an, dass er dort sich dort integrieren habe wollen und auch die Schule besucht habe. Sein Lehrer habe ihm auch die Empfehlung gegeben, dass er eine Mechanikerlehre machen solle und sei er glücklich gewesen, diesen Beruf zu lernen. Die Leute in der Berufsschule seien jedoch nie gut zu ihm gewesen und haben sich nicht mit ihm unterhalten wollen. Nachgefragt führte er wörtlich aus: „Ich habe mich nicht gut behandelt. Man hat dort Affenlärm von sich gegeben usw., ich fühlte mich beleidigt. Sie haben italienisch über mich gelästert, dass ich stinke, wenn ich im Bus eingestiegen bin. Es waren diese Leute, die dann nicht geholfen haben. Das war der Grund, warum ich hierhergekommen bin. Hier fühle ich mich gut, ich gehe in die Handelsschule.“ Zu seinen persönlichen Lebensumständen in Österreich führte aus, dass er eine Freundin habe, mit der er seit einem Jahr eine Beziehung habe. Besuchen würde er diese jedes Wochenende, da seine Freundin ins Gymnasium gehe. Am Wochenende würden sie manchmal mit dem Hund spazieren oder ins Kino oder Schwimmbad gehen. Manchmal gäbe es ein Fest in Mürzzuschlag und würden sie generell viel miteinander unternehmen, auch alleine ohne die Eltern seiner Freundin. Der Vater seiner Freundin würde bei der ÖBB arbeiten, ihre Mutter sei krank und könne aufgrund von Rückenproblemen nicht arbeiten. Unterstützen würden ihn die Eltern seiner Freundin, indem sie Nahrungsmittel oder Kleidungsstücke für ihn kaufen würden. Seine Freundin sei auch ohne Religionsbekenntnis. Befragt, ob es Hochzeitspläne gäbe, da er eingangs der Einvernahme erwähnt habe, dass er von seiner Schwiegermutter begleitet worden sei, gab er wörtlich zu Protokoll: „Nein, es gibt keine Pläne für eine Eheschließung, ich mag sie aber wie eine eigene Mutter.“ Letztlich führte der Beschwerdeführer aus, dass er weder an den aktuellen Länderfeststellungen zu Gambia noch an einer freiwilligen Rückkehr interessiert sei und gab gefragt, ob er seitens der Regierung in Gambia eine persönliche Bedrohung zu befürchten habe, wörtlich zu Protokoll: „Ich hatte damals keine Probleme, ich war auch damals sehr jung. Derzeit weiß ich es nicht genau.“. Vorgelegt wurden zwei Schreiben von XXXX und Unterlagen hinsichtlich einer schriftlichen Wissensprüfung.

10.      Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.12.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 27.11.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

11.      Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 12.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

12.      Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.12.2019 wurde deren Bescheid vom 11.12.2019 gemäß § 62 Abs. 4 AVG von Amts wegen hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung dahingehend berichtigt, dass die Beschwerde innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides schriftlich einzubringen ist und dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde aufschiebende Wirkung habe.

13.      Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 20.12.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte darin Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass es die belangte Behörde unterlassen habe auf das individuelle Vorbringen einzugehen und werde zu den Fluchtgründen vollinhaltlich auf das bisher im Asylverfahren Vorgebrachte verwiesen. Es wurde weiters ausgeführt, dass es für den Beschwerdeführer nicht relevant gewesen sei in Erfahrung zu bringen, aus welchem Grund sein Vater gestorben sei, da er dauernd Gewalt von seinem Onkel erfahren habe und kein leichtes Leben bzw. andere Probleme gehabt habe. Die Todesursache des Vaters sei daher nebensächlich gewesen. Zudem sei er vom islamischen Glauben abgefallen und sei es im Falle einer Rückkehrentscheidung durchaus möglich, dass er in Gambia entsprechend bestraft werden würde. Die Mutter des Beschwerdeführers würde derzeit in Guinea-Bissau und nicht in Senegal leben, sodass der Beschwerdeführer außer seinem Onkel niemanden in Gambia habe. An seinem Körper seien die Spuren der Folterungen noch sichtbar. Zudem würden im vorliegenden Fall die privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen. Der Beschwerdeführer habe in Österreich eine österreichische Freundin, mit der er seit einem Jahr zusammen sei. Er habe einen sehr guten Kontakt zur Mutter seiner Freundin und würde diese ihn in vielen Angelegenheiten unterstützen und übernachte er auch gelegentlich bei seiner Freundin. Der Beschwerdeführer gehe in die Handelsschule, er sei seit knapp einem Jahr in Österreich und spreche schon gut Deutsch. Er sei bemüht sich bestens zu integrieren und hätte eine negative Entscheidung Konsequenzen betreffend seine schulische Ausbildung. Der Beschwerdeführer würde überdurchschnittlichen Kontakt zur österreichischen Gesellschaft (insbesondere zu seiner Freundin und zu der Mutter seiner Freundin) pflegen, habe er sich bereit einen privaten Freundeskreis aufgebaut und weise eine überdurchschnittliche Integrationsverfestigung auf. Weiters wurde ausgeführt, dass angesichts der aktuellen Situation in Gambia davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in eine aussichtslose Lebenssituation geraten würde. Der Beschwerdeführer habe in Gambia niemanden, der ihn unterstützen könne, da seine Mutter in Guinea-Bissau leben würde und sie den Beschwerdeführer als Frau auch nicht unterstützen könne. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia zuerkannt wird, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigenden Gründen erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid in Spruchpunkt IV. betreffend die gegen den Beschwerdeführer gefällte Rückkehrentscheidung aufgehoben wird, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt IV. (gemeint wohl Spruchpunkt V.) betreffend der gegen den Beschwerdeführer festgestellten Abschiebung aufgehoben wird, in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG zuerkennen und eine mündliche Verhandlung anberaumen. Der Beschwerde beigelegt waren eine nicht lesbare Ausweiskopie, die Kopie einer Lehrgangsbestätigung, die Kopie einer Schulbestätigung, die Kopie einer Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs, die Kopie einer Bestätigung der Caritas, die Kopie einer Schulbesuchsbestätigung als außerordentlicher Schüler der Fachhochschule für wirtschaftliche Berufe und die Kopien von zwei Empfehlungsschreiben von XXXX .

14.      Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 30.12.2019 vorgelegt.

15.      Mit Schriftsätzen vom 04.08.2020 und 06.08.2020 wurden folgende Unterlagen vorgelegt: Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses B1.1 vom 03.08.2020, Schreiben des Klassenvorstandes der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule XXXX vom 04.08.2020, vier Empfehlungsschreiben, ein Schreiben der Freundin des Beschwerdeführers, ein Konvolut an unkenntlichen Fotos, eine Schulbesuchsbestätigung sowie ein nicht lesbares Empfehlungsschreiben von XXXX .

16.      Am 11.08.2020 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertreterin, einer Dolmetscherin und der Zeuginnen XXXX und XXXX eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Gambia, gehört der Volksgruppe der Fulla an und bekennt sich derzeit zu keiner Religionsgemeinschaft. Seine Identität steht nicht zweifelsfrei fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen derartigen psychischen und physischen Beeinträchtigungen, die einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen und ist sohin arbeitsfähig. Darüber hinaus gehört er keiner Risikogruppe im Sinne der COVID 19-Pandemie an.

Er reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Schengengebiet ein und verfügte in Italien über eine Aufenthaltsberechtigung als Minderjähriger gültig bis 25.06.2019. Dort besuchte er zunächst die Schule und begann anschließend eine Ausbildung zum Mechaniker. Nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt in Italien reiste er illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte der zum damaligen Zeitpunkt volljährige Beschwerdeführer am 27.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich somit seit mindestens 27.11.2018 ununterbrochen in Österreich auf.

In Gambia verfügt der Beschwerdeführer über eine mehrjährige Schulbildung, jedoch über keine Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung. Für seinen Lebensunterhalt sorgte sein Onkel, da er mit seiner Mutter und seinem Onkel bzw. späteren Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Sein Onkel lebt nach wie vor in Gambia, wohingegen seine Mutter mittlerweile einen Staatsangehörigen von Guinea-Bissau geheiratet hat und mit ihm in dessen Herkunftsstaat gezogen ist. Der Beschwerdeführer hat außerdem einen Halbbruder im Senegal. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer derzeit in aufrechtem Kontakt zu seinen Angehörigen steht.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte. Seit Ende Dezember 2018 führt er eine Beziehung mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX . Es besteht kein gemeinsamer Haushalt und kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Er ist ledig und ist derzeit keine Eheschließung beabsichtigt. Der Beschwerdeführer hat keine Kinder und keine Sorgepflichten.

In Österreich hat der Beschwerdeführer zunächst einen Aufbaulehrgang, anschließend ein Jahr die Handelsschule und zuletzt einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 besucht, wobei er über kein Sprachzertifikat verfügt. Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache, war während der Verhandlung jedoch auf einen Dolmetscher angewiesen. Der Beschwerdeführer hat mittlerweile einige Freunde in Österreich und nimmt am sozialen Leben teil.

Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach und bestreitet seinen Lebensunterhalt aus Mitteln der staatlichen Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig und wird von Zeit zu Zeit von den Eltern seiner Freundin finanziell unterstützt.

Eine entscheidungsrelevante Teilnahme des Beschwerdeführers am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben in Österreich kann schon in Bezug auf seine Aufenthaltsdauer von 2 Jahren nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Gambia einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm in Gambia Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung/Verfolgung durch seinen Onkel kann mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gambia aufgrund staatlicher Verfolgung verlassen hat, bzw. hat er dies verneint.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Gambia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer ist selbst dann, wenn ihm in seinem Herkunftsland kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, da er im erwerbsfähigen Alter und arbeitsfähig ist.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia übermittelt. Daraus ergeben sich folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:

1.3.1. Politische Lage:

Gambia ist eine Präsidialrepublik mit starker Stellung des direkt gewählten Staatspräsidenten. Dieser ist gleichzeitig Regierungschef (ÖB 12.2019). Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 15.10.2018; vgl. ÖB 12.2019). Bei den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet wurden (FH 4.3.2020; vgl. ÖB 12.2019), gewann Barrow gegen den 22 Jahre autoritär regierenden Amtsinhaber Jammeh (WB 22.3.2020), der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019, FH 4.3.2020).

Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia, um die Sicherheit des Transformationsprozesses des Sicherheitssektors zu unterstützen und politischer Instabilität vorzubeugen (FH 4.3.2020).

Barrow kündigte ein ambitioniertes Reformprogramm an, das ab Mitte 2017 auch initiiert wurde. Der Namenszusatz „Islamische Republik“ wurde gestrichen, ein Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe wurde erlassen, Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet und die Stärkung von Institutionen und wirtschaftlicher Aufschwung versprochen (KAS .24.1.2020). Zwei weitere Wahlen konnten friedlich und transparent abgehalten und somit der politische Umbruch konsolidiert werden (ÖB 12.2019; vgl UNSC 29.6.2018, FH 4.3.2020).

Im Oktober 2018 wurde unter der Leitung des Ministeriums für Justiz die „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020). Die Arbeit der Kommission ist noch nicht abgeschlossen. Zeugenaussagen bestätigen weit verbreitete Misshandlungen und Folterungen durch die Sicherheitskräfte und ein außergerichtliches Killerkommando, sowie Misshandlungen durch Jammeh selbst. Es kam jedoch bislang noch zu keiner Strafverfolgung und die Freilassung einiger Täter war umstritten (FH 4.3.2020).

Obschon es zahlreiche, wichtige außen- und innenpolitische Veränderungen gibt, nimmt die Kritik an Barrows Regierungsführung mittlerweile zu. Die junge Bevölkerung äußert ihre Unzufriedenheit über die schleppende Umsetzung von Reformen und erwartet rasche Ergebnisse bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier nach dem Regimewechsel nicht. Auch der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).

Barrow versprach als Präsidentschaftskandidat öffentlich, dass er drei Jahre als Übergangspräsident fungieren würde und im Dezember 2019 Neuwahlen abhalten ließe, ohne dabei selbst erneut anzutreten. Damit sollte eine Übergangsphase von der Diktatur Jammehs hin zu einer Demokratie eingeläutet werden. Im Dezember 2019 fanden allerdings keine Präsidentschaftswahlen statt und Barrow erklärte, sich an die verfassungsmäßige Amtszeit von fünf Jahren für Präsidenten zu halten. Nicht erst seit dieser Entscheidung nehmen Stimmen zu, die einen zunehmend autoritären Führungsstil des Präsidenten konstatieren (KAS 24.1.2020).

Das Kabinett wurde im März 2019 umgebildet, da der Vizepräsident zusammen mit zwei weiteren prominenten Mitgliedern der UDP abgesetzt wurde. Im Dezember 2019 gründete Präsident Barrow eine neue politische Partei, die Nationale Volkspartei, wodurch es ihm ermöglicht wird, bei den Wahlen 2021 für eine zweite Amtszeit zu kandidieren (WB 20.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, KAS 24.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2018): Gambia: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambia/213610, Zugriff 17.6.2020

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (24.1.2020): „Too small to fail“? - Gambias Demokratisierungsprozess - zwischen Fortschritt und Frustration, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/too-small-to-fail, Zugriff 22.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff: 23.6.2020

-        WB - the World Bank (20.3.2020): The Gambia - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/gambia/overview, Zugriff 22.6.2020

1.3.2. Sicherheitslage:

Das staatliche Gewaltmonopol ist im gesamten Staatsgebiet gewährleistet. Es gibt keine Gruppen, die die staatliche Integrität in Frage stellen (BS 29.4.2020). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont (AA 18.6.2020). Das Risiko von Entführungen, sporadischen bewaffneten Angriffen und Raubüberfällen durch Casamance-Rebellen im Süden des Landes nimmt weiter ab. Die Kriminalitätsrate in Gambia ist relativ niedrig (Garda 5.4.2019; vgl. BS 29.4.2020). Gambia wird zunehmend zu einem Transitland für Geldwäsche und den Handel mit Waffen, Drogen, Diamanten und gestohlenen Gütern (Garda 5.4.2019). Demonstrationen und Proteste finden inzwischen wieder häufiger statt. Am 26.1.2020 kam es bei einer Demonstration in Kanifing/Serrekunda zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften (AA 18.6.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (5.6.2020): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.6.2020

-        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020

-        Garda World (5.4.2019): Gambia Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/gambia, Zugriff 26.5.2020

1.3.3. Rechtsschutz/Justizwesen:

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz (USDOS 11.3.2020; vgl. EASO 12.2017). Die Justiz wird durch Korruption und Ineffizienz behindert und die Exekutive dominiert die gerichtlichen Verfahren (FH 4.3.2020; vgl. PFD 3.12.2019, ÖB 12.2019). Justizmitarbeiter sind eingeschüchtert und unzureichend ausgebildet, es fehlt an Arbeitsmaterialien und Infrastruktur, wodurch die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt wird (PFD 3.12.2019). Die verfassungsmäßigen Garantien für einen fairen Prozess werden nur schwach umgesetzt (ÖB 12.2019).

Seit dem Machtwechsel ist allgemein ein Reformwille zu verzeichnen. Die Regierung hat Maßnahmen zur Stärkung bestehender und zur Schaffung neuer Institutionen unternommen. Rechtsstaatlichkeit war unter Jammeh nach Ansicht internationaler Beobachter lediglich formal gesichert. Durch die neue Regierung wurde die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt. Des Weiteren wurde die Judicial Service Commission, welche Empfehlungen über die Bestellung von Richterposten und zur Effizienzsteigerung ausspricht, wieder eingesetzt (ÖB 12.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Eine verfassungsgebende Kommission hat im Mai 2018 ihre Arbeit aufgenommen (AA 5.8.2019). Ein Verfassungsentwurf wurde am 15.11.2019 vorgelegt. Elemente sind unter anderem die klare Begrenzung auf zwei Amtszeiten (inkl. für den dzt. Präsidenten) oder die Abschaffung der Todesstrafe. Der Entwurf liegt nun zur Kommentierung durch die Öffentlichkeit vor und soll letztendlich durch ein Referendum angenommen werden (ÖB 12.2019).

Die Regierung Barrow ernennt mehr gambische Staatsbürger ins Richteramt, dennoch bleibt die Jurisdiktion von ausländischen Richtern abhängig (ÖB 12.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff: 23.6.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        PFD - the Point for Freedom and Democracy (3.12.2019): UN rapporteur urges Gambia to reform judicial system, http://thepoint.gm/africa/gambia/article/un-rapporteur-urges-gambia-to-reform-judicial-system, Zugriff: 23.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff: 23.6.2020

1.3.4. Sicherheitsbehörden:

Die zivilen Behörden behalten zwar wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 11.2.2020), jedoch fehlen noch weitere zivile Überwachungsmechanismen für die Sicherheitskräfte (ÖB 12.2019). Das Militärpersonal der ECOWAS bleibt weiterhin im Land (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019, FH 4.3.2020).

Die Gambia Armed Forces – GAF (Streitkräfte) sind für die externe Verteidigung zuständig und stehen unter der Aufsicht des Verteidigungsministers; der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019). Der Nationale Geheimdienst untersteht direkt dem Präsidenten (ÖB 12.2019). Das Innenministerium ist für die Gambia Police Force (GPF) verantwortlich, die die innere Sicherheit gewährleistet (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019). Sie besitzt sowohl eine Menschenrechts- und Beschwerdeabteilung, sowie eine Kinderfürsorge- und „Gefährdete Personen“- Abteilung (ÖB 12.2019).

Im Februar 2017 wurde die National Intelligence Agency (NIA), die unter der früheren Regierung Folter und willkürliche Inhaftierung praktizierte, in State Intelligence Services (SIS) umbenannt und ihre Haftbefugnisse wurden aufgehoben (AI 22.2.2018; vgl. ÖB 12.2019). Eine Reihe von Führungspersönlichkeiten der NIA unter dem Vorgängerregime sollen ausgewechselt worden sein und sich nun entweder vor Gericht oder im Ausland befinden. Einige Mitarbeiter haben jedoch ihre Stellen behalten (ÖB 12.2019). Auch die Leiter von Polizei, Gefängnis und Militär wurden ausgetauscht (AI 22.2.2018).

Die Regierung hat effektive Mechanismen, um bei Missbrauch zu ermitteln und zu bestrafen in Kraft gesetzt, jedoch kommen Straflosigkeit und inkonsistente Durchsetzung vor (USDOS 11.3.2020). Die Ausübung illegitimer Gewalt durch Sicherheitskräfte ist unter der Regierung Barrow seltener geworden (FH 4.3.2020). Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren wurde 2018 kein Fall von Straflosigkeit im Zusammenhang mit den Sicherheitskräften gemeldet (ÖB 12.2019).

Quellen:

-        AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425363.html, Zugriff: 23.6.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff: 23.6.2020

1.3.5. NGOs und Menschenrechtsaktivisten:

Das Umfeld für NGOs hat sich seit dem Machtwechsel stark verbessert (ÖB 12.2019). In Gambia gibt es eine Reihe von NGOs, die sich mit Fragen der Menschenrechte und der Regierungsführung befassen. Unter Jammeh sahen sich NGO-Mitarbeiter der Gefahr von Inhaftierung und Repressalien ausgesetzt. Es gab seit dem Regierungswechsel nur noch wenige Berichte über eine solche Unterdrückung. Umweltschutzgruppen berichten jedoch über Belästigung durch die Sicherheitskräfte (FH 4.3.2020).

Regierungsbeamte sind in der Regel kooperativ und empfänglich für Ansichten von NGOs. Trotz der Zusage der Barrow-Regierung von 2017, ein für NGOs günstigeres Umfeld zu schaffen, verlangt das Gesetz weiterhin, dass NGOs sich beim National Advisory Council registrieren. Sie verleiht dem Rat die Befugnis, einer NGO (einschließlich internationaler NGOs) das Recht, im Land tätig zu sein zu verweigern, auszusetzen oder aufzuheben. Jedoch hat der Rat im Jahr 2019 gegen keine NGO Maßnahmen ergriffen (USDOS 11.3.2020).

Das Büro des Bürgerbeauftragten betreibt eine Nationale Menschenrechtseinheit (NHRU) mit dem Auftrag, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen und vulnerable Gruppen zu unterstützen. Die NHRU befasst sich mit Beschwerden über rechtswidrige Handlungen, ungerechte Behandlung sowie illegalen Verhaftungen. Die Regierung gewährt dem Büro des Ombudsmanns und der NHRU ebenso uneingeschränkten Zugang zu allen Haftanstalten wie lokalen und internationalen NGOs (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020

1.3.6. Allgemeine Menschenrechtslage:

Der neue Präsident Adama Barrow machte deutlich, dass ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung darin bestehen würde, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten (EASO 12.2017). Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen gehören: harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Gewalt gegen Mädchen und Frauen, einschließlich Vergewaltigung und weit verbreiteter weiblicher Genitalverstümmelung; Menschenhandel; und die Kriminalisierung einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens zwischen Erwachsenen, obwohl das Gesetz nicht durchgesetzt wird (USDOS 11.3.2020).

Die Grundrechte, einschließlich der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, haben sich seit dem Amtsantritt von Präsidenten Barrow verbessert, aber die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit geht nur langsam voran (FH 4.3.2020). Mitglieder des Jammeh-Regimes werden nicht systematisch verfolgt (EASO 12.2017; vgl. VA 19.6.2020).

Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Verfassung garantiert und seit Amtsübernahme der Regierung durch Barrow werden diese staatlicherseits respektiert und gewährleistet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Die neue Regierung unternahm mehrere bedeutende Anstrengungen, um ein günstigeres Umfeld für die Meinungsfreiheit zu schaffen. Die Verfassung und das Gesetz sehen die Meinungsfreiheit, auch für die Presse, vor, und die Regierung respektierte dieses Recht (HRW 18.1.2018; vgl. ÖB 12.2019). Die Selbstzensur ist zurückgegangen und mehr Menschen ergreifen den Beruf des Journalisten. Journalisten kehren vermehrt aus dem Exil zurück (FH 4.3.2020; vgl. AI 22.2.2018, ÖB 12.2019). Dennoch bleiben restriktive Mediengesetze zumindest am Papier erhalten und es gibt vereinzelte Berichte über Verhaftungen und Polizeiübergriffe gegen Journalisten (FH 4.3.2020; vgl. JA 26.1.2020, AN 28.1.2020). Radioprogramme, Nachrichten-Websites und Fernsehsender sind in Gambia online zugänglich. Internationale Sender wie die BBC, Voice of America und Nachrichten-Websites aus der Diaspora, die der Regierung Jammeh sehr kritisch gegenüberstanden, bleiben eine wichtige Informationsquelle (EASO 12.2017).

Die gesetzlichen Regelungen aus der Jammeh-Ära, welche die Pressefreiheit stark eingeschränkt haben, wurden im Mai 2018 vom Obersten Gerichthof weitestgehend für verfassungswidrig erklärt. Die Barrow-Regierung hat das Gesetz seit Amtsantritt nicht angewendet. Seit dem Regierungswechsel liegen auch keine Hinweise auf Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Die Regierung sucht den Austausch mit Journalisten und der „Gambia Press Union“. In Kooperation mit der Menschenrechts-NGO Article 19 erarbeitet die Regierung aktuell ein neues Mediengesetz (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Für öffentliche Versammlungen muss eine Genehmigung vom Generalinspektor der Polizei eingeholt werden (FH 4.3.2020). Die Regierung verpflichtete sich zur Reform mehrerer repressiver Mediengesetze (AI 22.2.2018).

Im Juli 2019 wurden bei größeren Protesten in Serrekunda und Brikama zahlreiche Personen nach einem Einschreiten der Polizei verletzt und verhaftet (FH 4.3.2020). Im Zuge von Protestveranstaltungen gegen Präsident Barrow im Jänner 2020 wurden ca. hundert Personen verhaftet, einige Medienunternehmen gesperrt und die Oppositionsgruppe „Three Years Jotna“ verboten. Bei der Auflösung der Demonstrationen wurde Tränengas eingesetzt (AN 27.1.2020, AN 28.1.2020, JA 26.1.2020).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        AN - AfricaNews (27.1.2020): Gambia govt bans protests, silences critical media, https://www.africanews.com/2020/01/27/gambia-govt-bans-protests-silences-critical-media/, Zugriff 23.6.2020

-        AN - AfricaNews (28.1.2020): Unpacking Gambia's three-year pact: Constitution vs. Coalition MoU, https://www.africanews.com/2020/01/28/unpacking-gambia-s-three-year-pact-constitution-vs-coalition-mou/, Zugriff 23.6.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        JA - Jeune Afrique (26.1.2020): Gambie : le gouvernement durcit le ton face à la contestation anti-présidentielle, https://www.jeuneafrique.com/886852/politique/gambie-le-gouvernement-durcit-le-ton-face-a-la-contestation-anti-presidentielle/, Zugriff 23.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        VA - Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft Dakar in Gambia (19.6.2020): Antwortschreiben, per E-Mail.

1.3.7. Religionsfreiheit:

Schätzungsweise sind 95,7% der rund 2,1 Millionen Einwohner Gambias Muslime, die meisten davon sind Sunniten. Die christliche Gemeinde, zum größten Teil römisch-katholisch, macht 4,2% der Bevölkerung aus. Kleinere religiöse Gruppen sind unter anderem Ahmadi-Muslime, Bahai, Hindu, und Eckankar. Eine kleine Zahl von Personen vermischt indigene Glaubenselemente mit Islam und Christentum (USDOS 10.6.2020).

Die Regierung Barrow erklärte Gambia zu einer säkularen Gesellschaft, in der alle Religionen frei praktizieren können (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 10.6.2020). Religionsfreiheit ist in der Verfassung verankert (ÖB 12.2019). Die Verfassung verbietet religiöse Diskriminierung, das Einrichten einer Staatsreligion und auf Religion basierende politische Parteien (USDOS 10.6.2020; vgl. FH 4.3.2020, ÖB 12.2019). Im 2019 veröffentlichten Entwurf zur neuen Verfassung ist jedoch der Punkt, dass Gambia ein säkularer Staat sei, weggefallen (FH 4.3.2020).

Es bestehen keine eigenen Bestimmungen für die Anmeldung von religiösen Vereinen – diese müssen die gleichen Voraussetzungen wie NGOs erfüllen (ÖB 12.2019). Heiraten zwischen Muslimen und Christen sind üblich. Sowohl was das ethnische als auch religiöse Zusammenleben anbelangt, ist Gambia durch eine friedliche Koexistenz der diversen Ethnien und Religionen gekennzeichnet (USDOS 10.6.2020; vgl. ÖB 12.2019, BS 29.4.2020).

Präsident Barrow hat sich mehrmals öffentlich für Religionsfreiheit ausgesprochen. Manche Diskriminierungen bleiben jedoch weiter bestehen. Muslime der Ahmadiyya-Gemeinschaft sind von Festlichkeiten der übrigen Muslime ausgeschlossen und durch eine Fatwa des Obersten Islamischen Rates aus dem Jahr 2015 wird Ahmadis die Beerdigung auf muslimischen Friedhöfen weiterhin verwehrt (ÖB 12.2019; vgl. FH 4.3.2020).

Quellen:

-        BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom - The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/GAMBIA-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 15.6.2020

1.3.8. Bewegungsfreiheit:

Die Verfassung und Gesetze ermöglichen die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Jedoch wird die Bewegungsfreiheit durch häufige Sicherheitskontrollen beeinträchtigt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Aufgrund seiner geographischen Lage als Enklave im Senegal, sowie als Mitglied der 15 Staaten umfassenden Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, sind Fluchtalternativen gegeben. Ähnlich der EU bzw. dem Schengen-Raum herrscht innerhalb der ECOWAS Personenfreizügigkeit. Diese stellt eine der wichtigsten Prioritäten der Gemeinschaft dar und wurde neben dem Gründungsvertrag (Art. 59) auch noch in 5 diesbezüglichen Zusatzprotokollen festgeschrieben. Eine weitere Erleichterung soll folgen, so erklärte der Präsident der ECOWAS-Kommission am 14.5.2014, dass der Prozess zur gänzlichen Abschaffung des Aufenthaltstitels für Staatsangehörige der ECOWAS-Mitgliedsstaaten nunmehr eingeleitet wurde.

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat Gambia am 23.3.2020 bis auf Weiteres den Luftraum und die Landgrenzen geschlossen. Der Ausnahmezustand wurde bis 1.7.2020 verlängert, seit 4.6.2020 werden die Einschränkungen schrittweise gelockert (USEMB 11.6.2020; vgl. Garda 11.6.2020). Einschränkungen der Passagierzahl im privaten und öffentlichen Personenverkehr auf die Hälfte des Fassungsvermögens des Fahrzeuges bleiben bis auf Weiteres in Kraft (Garda 11.6.2020)

Quellen:

-        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020

-        Garda World (11.6.2020): Gambia: COVID-19 state of emergency extended until July 1 /update 3, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/349821/gambia-covid-19-state-of-emergency-extended-until-july-1-update-3, Zugriff 15.6.2020

-        USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        USEMB - U.S. Embassy in The Gambia (11.6.2020): COVID-19 Information, https://gm.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 15.6.2020

1.3.9. Grundversorgung:

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier auch nach dem Regierungswechsel nicht, die Preise für Grundnahrungsmittel sind gestiegen (KAS 24.1.2020).

Zwar betrug das Wirtschaftswachstum 2019 offiziell 6%, doch bleibt die Lebenswirklichkeit der Bevölkerungsmehrheit äußerst schwierig. Die Inflation stieg auf knapp 7% und allein 80% des Haushalts 2020 dürften in die Schuldentilgung fließen. Für dringend notwendige Investitionen in das marode Bildungs- und Gesundheitssystem bleibt wenig Spielraum. Auch die Energieversorgung bleibt problematisch und der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).

Die Arbeitslosigkeit ist nach europäischer Berechnung hoch, doch gibt es keine verlässlichen Zahlen. Der Großteil der Bevölkerung ist entweder im Agrarsektor tätig (wo sie nicht von offiziellen Statistiken erfasst wird) oder im informellen Wirtschaftssektor. Der formelle Wirtschaftssektor ist nur schwach ausgeprägt und beschränkt sich meist auf den öffentlichen Sektor und im Land tätige ausländische Unternehmen (ÖB 12.2019).

Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017; vgl. ÖB 12.2019). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91% der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. USD) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018). Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4% des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018).

Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht lebenswichtige Handels- und andere Aktivitäten, die mit der lokalen Wirtschaft verbunden sind, aber dazu neigen, große Menschenmengen anzuziehen, bis auf weiteres untersagt, was den Lebensunterhalt zahlreicher Personen gefährdet (APA 2.4.2020). Die Regierung stellte 14,7 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Haushalte mit Grundnahrungsmitteln (u.A. Reis, Öl, Zucker) zu versorgen (Gentilini et al 12.6.2020: 185).

Quellen:

-        APA - Agence de Presse Africaine (2.4.2020): Gambia: Livelihoods affected by anti-COVID-19 restrictions, https://apanews.net/en/news/anger-follows-gambia-covid-19-lockdown, Zugriff 27.4.2020

-        EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020

-        Gentilini, Ugo; Mohamed Almenfi, Pamela Dale, Ana Veronica Lopez, Ingrid Veronica Mujica, Rodrigo Quintana, Usama Zafar (12.6.2020): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19: A Real-Time Review of Country Measures - “Living paper” version 11 (June 12, 2020), http://documents.worldbank.org/curated/en/590531592231143435/pdf/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-June-12-2020.pdf, Zugriff 22.6.2020

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 23.6.2020

-        KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (24.1.2020): „Too small to fail“? - Gambias Demokratisierungsprozess – zwischen Fortschritt und Frustration, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/too-small-to-fail, Zugriff 22.6.2020

-        ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020

1.3.10. Medizinische Versorgung:

Trotz einiger Fortschritte bei der medizinischen Versorgung ist in Gambia keine flächendeckende medizinische Grundversorgung verfügbar (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 4.6.2020; vgl. ÖB 12.2019). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 5.6.2020; vgl. AA 5.8.2019). Deutlich besser ist die Lage in Privatkliniken, wobei auch diese keinen europäischen Standard bieten (AA 5.8.2019). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 5.6.2020). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017; vgl. HP+/USAID 11.2019).

Prinzipiell haben sämtliche Bevölkerungsgruppen Zugang zu allen staatlichen Spitälern, Kliniken oder Krankenstationen. Jeder Patient hat eine Konsultationsgebühr von mindestens USD 0,5 bzw. USD 5 für größere Eingriffe zu entrichten. Schwangere Frauen und Kinder unter fünf Jahren sind von der Gebühr befreit. Patienten mit Krankheiten mit Relevanz für die öffentliche Gesundheit, wie z.B. Tuberkulose oder HIV/Aids sind ebenfalls von allen Gebühren befreit, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Behandlung und Medikamente sind, soweit vorhanden, generell kostenlos (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019). Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Die Versorgung in staatlichen Krankenhäusern ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medika

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten