TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 95/18/0815

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;
AufG 1992 §12 Abs1;
AufG 1992 §12 Abs2;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. März 1995, Zl. 101.558/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem Bescheid vom 9. März 1995 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. April 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 13 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes - AufG ab. Mit diesem Bescheid war der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen worden. In der Begründung ging die belangte Behörde - nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen - davon aus, daß der Beschwerdeführer bis 30. Juni 1994 ein Aufenthaltsrecht für die Republik Österreich gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes, gültig für Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, gehabt habe. Ab 2. Februar 1993 sei er im Besitz eines bis 2. Februar 1998 gültigen kroatischen Reisepasses und "somit nicht mehr Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina". Daher seien die Voraussetzungen gemäß § 12 AufG nicht mehr gegeben. Der Beschwerdeführer habe gemäß § 6 Abs. 2 AufG einen "Erstantrag" vor der Einreise in das Bundesgebiet vom Ausland aus zu stellen. Aus diesem Grund und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und auf das Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (24. März 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die am 28. Dezember 1994 ausgegebene Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 anzuwenden.

§ 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1 und 2 und § 13 Abs. 1 AufG in dieser Fassung lauten:

"§ 6. (1) ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 12. (1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.

(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind Einreise und Dauer des Aufenthaltes der Fremden unter Berücksichtigung der Umstände des besonderen Falles zu regeln.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."

§ 1 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht vom kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, lautet:

"§ 1. (1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.

..."

2. Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß der Beschwerdeführer, der ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet "gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes (gemeint: aufgrund der gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnung(en?) hatte, ab dem Zeitpunkt des Erwerbs eines kroatischen Reisepasses nicht mehr als Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina zu behandeln sei und somit nicht mehr den erwähnten Verordnungen unterläge.

3. Die belangte Behörde hat es im konkreten Fall jedoch unterlassen, Feststellungen über den Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsbürgerschaft zu treffen. Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994 gewährt Österreich Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Wesentlich für dieses Aufenthaltsrecht ist daher - neben den sonst normierten Voraussetzungen - das Vorliegen der Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina. Auf den Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft kommt es nicht an, sofern dieser nicht zum Verlust der Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina führt. Schon im Hinblick auf die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft (vgl. dazu näher die Bestimmungen der Republik Bosnien-Herzegowina über die doppelte Staatsbürgerschaft im Amtsblatt der Republik Bosnien-Herzegowina, Jahrgang I, Nr. 18, vom 7. Oktober 1992) bedarf daher der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung dahin, ob der Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft Bosniens und der Herzegowina verloren hat, wobei die belangte Behörde die hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften (hier: der Republik Bosnien-Herzegowina) von Amts wegen zu ermitteln haben wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zlen. 95/19/0912 bis 0915).

Sollte der Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina nicht verloren haben, so wäre nach dem bisherigen Stand des Verfahrens davon auszugehen, daß er gemäß § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG über die sinngemäße Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften zu Inlandsantragstellung berechtigt war.

4. Der bekämpfte Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ersatz betreffend Stempelgebührenaufwand war nur für die Beschwerde in zweifacher Ausfertigung und den angefochtenen Bescheid (in einfacher Ausfertigung) zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995180815.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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