TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 W116 2208815-1

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Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

ADV §7
B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §2 Abs4
HDG 2014 §6 Abs1
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch


W116 2208815-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Kommandanten des Luftunterstützungsgeschwaders als Disziplinarkommandant (Disziplinarvorgesetzter) vom 15.10.2018, GZ S91551/11-LuUGschw/Kdo/S1Grp/2018(1) betreffend die Verhängung der Disziplinarstrafe Ausgangsverbot zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer war im verfahrensgegenständlichem Zeitraum Soldat des Österreichischen Bundesheeres und absolvierte dort seinen Grundwehrdienst als Rekrut im Kommando und Stabskompanie des Luftunterstützungsgeschwaders in Langenlebarn.

2.       Mit beschwerdegegenständlichem schriftlichen Disziplinarerkenntnis des Kommandanten des Luftunterstützungsgeschwaders als Disziplinarkommandant (Disziplinarvorgesetzter) vom 15.10.2018 wurde der Beschwerdeführer folgender Pflichtverletzung schuldig gesprochen (im Original):

„Sie sind am 20.09.2018 zu spät, um 0800 Uhr statt wie befohlen um 0515 Uhr, zum Dienst eingerückt. Sie haben dadurch gegen § 7 Abs. 1 ADV „Gehorsam“ verstoßen und eine Pflichtverletzung gemäß § 2 des Heeresdisziplinargesetzes 2014 (HDG 2014), BGBl. I Nr. 2, begangen. Über Sie wird daher gemäß § 46 HDG 2014 die Disziplinarstrafe des „Ausgangsverbots mit vollem Entzug des Ausganges an fünf (5) aufeinanderfolgenden Tagen mit Verschärfung durch zwei Stunden Dienstleistung täglich“ verhängt“.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass sich der maßgebliche Sachverhalt aus einer dienstlichen Wahrnehmung der stellvertretenden Kompaniekommandantin ergeben habe. Aufgrund der ständigen Einbindung des Beschwerdeführers in den laufenden Dienstbetrieb sei auch davon auszugehen, dass ihm die Tagesdienstzeiten bekannt seien. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2018 sei dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt worden. Dabei habe er angegeben, dass er aus Unachtsamkeit verschlafen habe. Wegen des Trainings in einer Fußballmannschaft nach Dienst sei er zeitweise sehr müde und er habe sich in der Früh auf das Wecken durch Kameraden verlassen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer grob fahrlässig nicht zur befohlenen Zeit (0515 Uhr) eingerückt ist.

Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, dass die Strafhöhe aus general- und spezialpräventiven Gründen notwendig sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit bereits mehrfach disziplinär auffällig gewesen, bereits zum wiederholten Male zu spät eingerückt und auch anderwärtig laufend durch das Ausbildungspersonal beanstandet worden ist. In den Monaten August und September sei er bereits fünfmal wegen zu spätem Einrücken disziplinär geahndet worden. Auch im Juni sei er bereits mehrmals wegen Pflichtverletzungen disziplinarrechtlich bestraft worden. Deshalb sei ein verhältnismäßig strenger Maßstab bei der Beurteilung der gegenständlichen Pflichtverletzung anzuwenden. Demgegenüber wurde das Geständnis der Pflichtverletzung strafmildernd gewertet.

Das Disziplinarerkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 15.10.2018 persönlich ausgehändigt.

3.       Mit handschriftlichem Schreiben vom 28.10.2018 brachte der Beschwerdeführer dagegen binnen offener Frist eine Beschwerde bei der Disziplinarbehörde ein. Als Beschwerdegrund bringt der Beschwerdeführer darin Folgendes vor (im Original):

„Ich stütze die Rechtswidrigkeit des Bescheides (auf) die mangelnde Einflussnahme meinerseits pünktlich zum Dienst zu erscheinen. Da mein Zimmerkollege mir Tage zuvor mitgeteilt hat homosexuell zu sein, habe (ich) in der Nacht relativ unruhig bis gar nicht geschlafen. Ich möchte klarstellen auf keinen Fall homophobe Ansichten zu haben, dennoch hat es mich klarerweise beunruhigt. Ich begehre damit die Aufhebung der Disziplinarstrafe.“

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer war im verfahrensgegenständlichem Zeitraum Soldat des Österreichischen Bundesheeres und absolvierte dort seinen Grundwehrdienst als Rekrut im Kommando und Stabskompanie des Luftunterstützungsgeschwaders in Langenlebarn.
Der Beschwerdeführer ist am 20.09.2018 nicht - wie von seinen Vorgesetzten angeordnet - um 05:15 Uhr, sondern erst um 08:00 Uhr zum Dienst erschienen. Dem Beschwerdeführer war bekannt, dass er seinen Dienst um 05:15 anzutreten hatte.

2.       Beweiswürdigung:

Der für die Entscheidung relevante Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Disziplinarerkenntnis und wurde auch vom Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der Disziplinarbehörde noch in seiner Beschwerdeschrift in Abrede gestellt. Vielmehr bringt er darin nun Umstände vor, welche ihn seiner Ansicht nach daran gehindert hätten, seinen Dienst rechtzeitig anzutreten, und macht damit inhaltlich das Vorliegen eines Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgrundes geltend.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das nunmehr anzuwendende Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG 2014), BGBl I Nr. 2/2014 (WV) sieht gemäß § 75 Abs. 1 Senatsentscheidungen des BVwG nur für Beschwerden gegen Beschlüsse der DKS nach § 72 Abs. 2 (Z 1), sowie gegen ein Erkenntnisse der DKS, mit dem die Disziplinarstrafe Entlassung oder Unfähigkeit der Beförderung oder Degradierung oder Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte verhängt wurde (Z 2), oder wenn gegen ein Erkenntnis der DKS der Disziplinaranwalt Beschwerde erhoben hat (Z 3), vor. Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist im vorliegenden Fall Einzelrichterzuständigkeit gegeben.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann das Verwaltungsgericht, soweit das Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Dies ist hier der Fall, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aufgrund der eindeutigen Aktenlage feststeht. Es sind auch keine Umstände hervorgetreten, zu deren weiteren Klärung eine mündliche Erörterung notwendig erscheinen würde. Darüber hinaus liegen im Hinblick auf den Spruchinhalt auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Gegenstand dem Entfall einer mündlichen Verhandlung allenfalls Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) oder Art. 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union entgegenstehen könnten.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wie oben bereits ausgeführt, steht der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher in der Sache selbst zu entscheiden.

3.1.    Zu Spruchteil A):

3.1.1.  Zu den maßgeblichen Bestimmungen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 2014 – HDG 2014 BGBl. I Nr. 2/2014 (WV) lauten:

Pflichtverletzungen

§ 2. (1) Soldaten sind disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen
1.         Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten oder
2.         gröblicher Verletzung der ihnen im Miliz- oder Reservestand auferlegten Pflichten oder
3.         einer im Miliz- oder Reservestand begangenen Handlung oder Unterlassung, die es nicht zulässt, sie ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in ihrem Dienstgrad zu belassen.

(2) Wehrpflichtige des Miliz- und Reservestandes sind disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen
1.         Verletzung der Pflichten, die ihnen im Präsenzstand auferlegt waren, oder

(4) Disziplinär strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt. Die §§ 5 und 6 sowie die §§ 8 bis 11 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, über Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie über Irrtum, Notstand und Zurechnungsunfähigkeit sind anzuwenden.

(5) Ein Soldat ist disziplinär nicht zur Verantwortung zu ziehen, wenn nach Ansicht des Vorgesetzten eine Belehrung oder eine Ermahnung ausreicht, um den Soldaten von Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.

Strafbemessung und Schuldspruch ohne Strafe

§ 6. (1) Das Maß für die Höhe einer Disziplinarstrafe ist die Schwere der Pflichtverletzung. Dabei ist unter Bedachtnahme auf frühere Pflichtverletzungen, die in einem Führungsblatt festgehalten sind, darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken. Darüber hinaus sind zu berücksichtigen
1.         die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Umstände und
2.         die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten.

(2) Wird über mehrere Pflichtverletzungen desselben Beschuldigten gemeinsam erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen.

(3) Im Falle eines Schuldspruches kann von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden (Schuldspruch ohne Strafe), wenn
1.         das Absehen ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und
2.         nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beschuldigten angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten.

Disziplinarstrafen für Soldaten, die den Grundwehrdienst leisten

Arten der Strafen

§ 46. Disziplinarstrafen für Soldaten, die den Grundwehrdienst oder im Anschluss an diesen den Aufschubpräsenzdienst leisten, sind
1.         der Verweis,
2.         die Geldbuße,
3.         das Ausgangsverbot und
4.         die Unfähigkeit zur Beförderung und die Degradierung.

Änderung der rechtlichen Stellung

§ 85. (1) Ändert sich die rechtliche Stellung des Verdächtigen bis zur Einleitung des Disziplinarverfahrens, so ist das Verfahren entsprechend der neuen rechtlichen Stellung durchzuführen.

(2) Ist gegen einen Soldaten, der
1.         Präsenzdienst leistet, im Zeitpunkt der Entlassung aus diesem Präsenzdienst, oder
2.         dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Präsenzstand, ausgenommen im Falle der Versetzung oder des Übertrittes eines öffentlich-rechtlich Bediensteten in den Ruhestand,

ein Disziplinarverfahren anhängig, so ist das Verfahren ohne Bedachtnahme auf seine geänderte rechtliche Stellung fortzuführen. Z 1 gilt nicht, sofern der Beschuldigte unmittelbar nach der Entlassung aus dem Präsenzdienst dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört. Im Falle der Z 2 tritt an die Stelle der Entlassung die Disziplinarstrafe der Unfähigkeit zur Beförderung oder der Degradierung nach § 54.
Die hier maßgebliche Bestimmung der Verordnung der Bundesregierung vom 9. Jänner 1979 über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV), StF: BGBl. Nr. 43/1979 idF BGBl. II Nr. 362/2014 lauten:

Gehorsam

§ 7. (1) Jeder Untergebene ist seinen Vorgesetzten gegenüber zu Gehorsam verpflichtet. Er hat die ihm erteilten Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich auszuführen. Das bloß buchstäbliche Befolgen von Befehlen ohne Rücksicht auf die ihnen offenkundig zugrunde liegende Absicht genügt allein nicht zur Erfüllung dieser Pflicht. …

3.1.2.  Zur Auslegung und Anwendung auf den gegenständlichen Sachverhalt:

In der vorliegenden Beschwerde wird der von der belangten Behörde festgestellte objektive Sachverhalt nicht bestritten. Der Beschwerdeführer bringt darin lediglich Umstände vor, welche ihn seiner Ansicht nach daran gehindert hätten, rechtzeitig zum Dienst zu erscheinen, weshalb ihm kein Verschulden vorzuwerfen sei. Konkret behauptet er, dass er beunruhigt gewesen sei, weil ihm sein Zimmerkollege Tage zuvor mitgeteilt habe, dass er homosexuell sei, was schließlich dazu geführt habe, dass er in dieser Nacht nur sehr unruhig und zum Teil gar nicht schlafen habe können. Das Vorbringen ist jedoch nicht geeignet sein Verhalten zu rechtfertigen oder zu entschuldigen.

Gemäß § 7 ADV ist jeder Untergebene seinen Vorgesetzten gegenüber zu Gehorsam verpflichtet. Er hat die ihm erteilten Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich auszuführen. Indem der Beschwerdeführer am 20.09.2018 nicht wie angeordnet um 05:15 Uhr, sondern erst um 08:00 Uhr zum Dienst erschien, hat er in objektiver Hinsicht gegen seine Gehorsamspflicht verstoßen.

Gemäß § 2 Abs. 4 HDG 2014 macht sich jedoch nur disziplinär strafbar, wer schuldhaft handelt. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 18.10.1990, Zl. 90/09/0070, Folgendes ausgeführt:

„Schuldhaft verletzt der Soldat seine Pflichten nur dann, wenn er ihnen entweder vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt. Zur Feststellung einer Dienstpflichtverletzung gehört der Nachweis, der Beamte habe mit Bewußtsein (Wissen), pflichtwidrig zu handeln oder unter Außerachtlassung der gebotenen und zumutbaren Sorgfalt gegen seine ihm auferlegten Pflichten verstoßen. Dazu kommt, daß die Feststellung der Schuldform (Grad des Verschuldens) vor allem für die Schwere der Dienstpflichtverletzung und damit für die Bemessung der Strafe (§ 6 Abs 1 erster Satz HDG) entscheidend ist.“
Zur inhaltlich vergleichbaren Bestimmung des § 91 BDG 1979 hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23.05.2013, Zl. 2012/09/0110, zum Thema Schuld im Disziplinarrecht darüber hinaus Folgendes ausgeführt:

„Mangels erkennbarer Abweichung knüpft das BDG 1979 bei den von ihm nicht definierten Deliktselementen (tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes menschliches Verhalten) am Begriffsverständnis des Allgemeinen Teils des StGB an (Hinweis Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, S 21 ff, sowie das E vom 21. Februar 2001, Zl. 99/09/0126). Unter Schuld ist dabei die "Vorwerfbarkeit der Tat mit Rücksicht auf die darin liegende zu missbilligende Gesinnung des Täters" zu verstehen, die drei Komponenten umfasst: a) das biologische Schuldelement, d.h. der Täter muss voll zurechnungsfähig sein; b) das psychologische Schuldelement, d.h. der Täter muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben und c) das normative Schuldelement, d.h. dem Täter muss zugemutet werden können, dass er sich rechtmäßig verhält (Hinweis Kucsko-Stadlmayer, aaO, S 31). Diese angeführten Elemente sind Voraussetzung für eine disziplinäre Strafbarkeit eines Verhaltens; fehlt auch nur eines dieser Elemente, so darf eine Strafe nicht verhängt werden. Liegt etwa ein (sachlicher oder persönlicher) Strafausschließungsgrund vor, hat die Tat bzw. der Täter straflos zu bleiben (Hinweis Kucsko-Stadlmayer, aaO, S 44).“
Da im gegenständlichem Fall keine Hinweise für eine allfällige Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers vorliegen, ist die erste Komponente der Schuld, das biologische Schuldelement hier jedenfalls gegeben. Dem Beschwerdeführer wird grob fahrlässiges Handeln zum Vorwurf gemacht. Fahrlässig handelt gemäß dem auch im Disziplinarrecht maßgeblichen § 6 StGB, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm auch zuzumuten ist. Wie oben dargestellt, sind Soldaten gemäß § 7 ADV verpflichtet, die ihnen erteilten Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich auszuführen. Umgelegt auf den konkreten Fall bedeutet das, dass von einem sorgfältigen Soldaten erwartet werden muss, dass er entsprechende Vorkehrungen trifft, um am Morgen rechtzeitig zu erwachen und seinen Dienst zum befohlenen Zeitpunkt antreten zu können. Eine derartige Sorgfalt kann einem gesunden Soldaten jedenfalls auch dann zugemutet werden, wenn er an einzelnen Tagen – aus welchen Gründen auch immer – keine ausreichende Nachtruhe finden sollte. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer zuvor bereits mehrmals wegen zu spätem Dienstantritt disziplinär zur Verantwortung gezogen wurde, muss hier auch von einem besonders nachlässigem Verhalten ausgegangen werden. Zusammengefasst hat der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keine Umstände ins Treffen geführt, welche in seinem Fall am Vorliegen der für schuldhaftes Handeln notwendigen Schuldelemente zweifeln ließe.

Die Disziplinarbehörde ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten schuldhaft gegen seine Gehorsamspflicht nach § 7 Abs. 1 ADV verstoßen und damit eine strafbare Pflichtverletzung gemäß § 2 Abs. 4 HDG 2014 begangen hat.

Im Bereich der Landesverteidigung haben der Befehl und die komplementäre Gehorsamspflicht eine zentrale Bedeutung. Dies ist aus der Zusammenschau der Bestimmungen des § 47 Abs. 3 und 5 WG (Anmerkung: nunmehr § 41 Abs. 3 und 5 WG 2001), des § 3 ADV - wonach der Soldat im Rahmen des Treueverhältnisses zur Republik Österreich, insbesondere zur Verteidigung der Demokratie, der demokratischen Einrichtungen sowie zu Disziplin, Kameradschaft, Gehorsam, Wachsamkeit, Tapferkeit und Verschwiegenheit verpflichtet ist - und den speziellen Vorschriften der §§ 6 und 7 ADV zu erkennen. Die Disziplinarbehörde ist daher auch zu Recht von einer schweren Pflichtverletzung ausgegangen. In weiterer Folge hat sie die für die Strafbemessung relevanten Umstände in der Begründung des Disziplinarerkenntnisses umfassend und nachvollziehbar dargestellt und dabei auch vorliegende Milderungs- und Erschwerungsgründe entsprechend berücksichtigt. Der Beschwerdeführer ist diesen Ausführungen in seiner Beschwerde auch nicht entgegengetreten.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zu Spruchteil B):
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im gegenständlichen Fall ist eine Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen würde. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben umfassend dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen.

Schlagworte

Ausgangsverbot Dienstpflichtverletzung Disziplinarbehörde - Heer Disziplinarerkenntnis Disziplinarstrafe Gehorsamspflicht grobe Fahrlässigkeit Grundwehrdienst Schwere der Dienstpflichtverletzung Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W116.2208815.1.01

Im RIS seit

25.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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