TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 I403 2235662-1

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Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2235662-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom 08.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.02.2018 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Student; er reiste rechtmäßig mit einem Visum am 02.07.2018 in das Bundesgebiet ein und hält sich seither hier auf. Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Student wurde am 20.03.2019 abgewiesen wurde.

2. Am 12.08.2020 wurde der Beschwerdeführer fremdenpolizeilich kontrolliert und ihm die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung angedroht. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der am 13.08.2020 stattgefundenen Erstbefragung begründete der Beschwerdeführer seinen Asylantrag im Wesentlichen damit, dass er in Ägypten in Gefahr sei, da jemand von seiner Familie ein Mitglied einer anderen Familie getötet habe und sich diese Familie an ihm rächen wolle.

3. Am 25.08.2020 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme gab er, befragt zu seinen Gründen für die Stellung des gegenständlichen Asylantrages, an, dass er in Österreich weiterleben und studieren wolle. Das von Ägypten mitgebrachte Geld habe er verbraucht, und bei seiner Rückkehr habe er kein Geld und würde keine Arbeit finden. Außerdem habe ein weit entfernter Verwandter von ihm ein Mitglied einer anderen Sippe getötet, daher habe er Angst um sein Leben. Am 01.09.2020 wurde der Beschwerdeführer erneut von der belangten Behörde einvernommen.

4. Mit dem Bescheid vom 08.09.2020, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). 

5. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 09.09.2020 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 30.09.2020 (bei der belangten Behörde eingelangt am 30.09.2020). Mit Schriftsatz vom 30.09.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 02.10.2020, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Ägypten, stammt aus dem Ort Kawm Hamadah im Bezirk Al-Buhaira bzw. Beheira und bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer besuchte in Ägypten 6 Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und drei Jahre lang das Gymnasium. Die Matura schloss er im Jahr 2007 ab. Danach studierte er vier Jahre lang Management an der Universität in Alexandria. Anschließend arbeitete er unter anderem als Buchhalter und war auch für eine Kleidungsfirma tätig.

Der Beschwerdeführer beantragte am 18.06.2018 bei der österreichischen Botschaft in Kairo die Ausstellung eines Visums und bekam am Tag darauf ein Visum des Typs D, gültig von 01.07.2018 bis 31.10.2018, ausgestellt. Am 02.07.2018 reiste er mit einem Flugzeug legal mit gültigem Reisedokument und Visum aus Ägypten aus und gelangte über Frankfurt nach Graz. Seit Anfang Juli 2018 hält er sich durchgehend in Österreich auf.

Am 01.10.2018 wurde der Beschwerdeführer für das Wintersemester 2018/2019 zum Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik bei der XXXX Universität XXXX als ordentlicher Studierender unter der Bedingung zugelassen, dass die Ergänzungsprüfungen aus Mathematik sowie Geschichte und die Ergänzungsprüfung für den Nachweis der deutschen Sprache abgelegt werden. Der Beschwerdeführer konnte allerdings die Ablegung der Ergänzungsprüfungen nicht nachweisen und besuchte die Universität nur drei Monate.

Der Beschwerdeführer stellte am 15.02.2018 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Student, welcher am 20.03.2019 abgewiesen wurde.

Im Zeitraum von 10.07.2018 bis 05.03.2019 hatte er einen aufrecht gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich. Von 05.03.2019 bis 13.08.2020 hatte er keinen aufrecht gemeldeten Wohnsitz und lebte er bei verschiedenen Freunden. Seit 13.08.2020 ist er wieder vom Melderegister erfasst; zunächst war er in einer Betreuungseinrichtung des Bundes untergebracht, am 14.09.2020 zog er in ein privates Quartier und verzichtete damit auf den weiteren Bezug der Grundversorgung.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus den Eltern, zwei Schwestern, Onkeln und Tanten, lebt in Ägypten, in Beheira. Sein Vater arbeitet als Lehrer, seine Mutter als Schulkrankenschwester. Eine Schwester studiert noch, die andere hat das Studium abgeschlossen, konnte aber keine Arbeit finden und wird daher vom Vater finanziell unterstützt. Die Familie des Beschwerdeführers gehört der Mittelschicht an. Mit seinem Vater stand er vor kurzem telefonisch in Kontakt. Er könnte wieder im Haus der Familie leben.

In Österreich verfügt der unbescholtene Beschwerdeführer über keine Verwandten und abgesehen von einigen Freunden über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezog im Zeitraum von 04.08.2020 bis 14.09.2020 Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig, nimmt keine Medikamente ein und leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, die einer Rückkehr nach Ägypten entgegenstehen. Er gehört keiner Covid-19 Risikogruppe an. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung und guten Ausbildung hat er eine Chance auch hinkünftig im ägyptischen Arbeitsmarkt unterzukommen. Seine Existenz ist nicht gefährdet.

Der Beschwerdeführer wird in Ägypten nicht verfolgt. Es ist nicht glaubhaft, dass er von einer Familie bedroht wird, weil ein entfernter Verwandter von ihm ein Mitglied der anderen Familie getötet hat. Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr auch mit keinen staatlichen Sanktionen zu rechnen. 

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 08.09.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 24. Juli 2019) „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Die für das gegenständliche Verfahren relevanten Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten vom 24. Juli 2019 sind:

1.2.1. Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der

Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

1.2.2. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 22.2.2019).

Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 22.2.2019).

Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Andersdenkende inhaftieren zu können und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitarbeiter ein. Die Behörden verwendeten Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen und ließen weiterhin Hunderter von Menschen ungestraft verschwinden. Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht untersucht. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten zahlreiche Menschen zum Tode (AI 26.2.2019; vgl. AI 23.5.2018). Sie hatten im August 2013 an Massenprotesten vor der al-Fateh-Moschee teilgenommen. Das Verfahren gegen die insgesamt 494 Angeklagten war grob unfair. Gerichte verließen sich bei der Urteilsfindung maßgeblich auf Berichte des nationalen Geheimdienstes und ließen Beweise zu, die nicht stichhaltig waren, darunter auch unter Folter erpresste »Geständnisse«. Zivilpersonen mussten nach wie vor mit unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten rechnen. Mindestens 384 Zivilpersonen wurde 2017 vor Militärgerichten der Prozess gemacht (AI 23.5.2018).

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 13.3.2019).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Ägypten, https://www.amnestv.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF. Zugriff 2.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH: Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegvpten/geschichte-staat/. Zugriff 2.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 2.7.2019

1.2.3. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend (AA 24.6.2019a). Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. In der Praxis werden diese Rechte immer weiter eingeschränkt, vor allem bürgerlich-politische Rechte. Allerdings hat Ägypten den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN--Behindertenrechtskonvention, wie auch das Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-¬Vorbehalt) (AA 22.2.2018).

Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 12.2018).

Das Ausmaß der ägyptischen Menschenrechtskrise weitete sich aus, da die Behörden Gegner, Kritiker, Satiriker, aktuelle und ehemalige Menschenrechts- und Arbeitsrechtsaktivisten, Journalisten, Präsidentschaftskandidaten und Überlebende sexueller Belästigung verhafteten. Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Gegner zu inhaftieren, und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und deren Mitarbeiter ein. Die Behörden wandten Einzelhaft, Folter und weitere Arten von Misshandlungen an und ließen Hunderte von Menschen ungestraft verschwinden. Untersuchungen von Fällen außergerichtlicher Hinrichtungen wurden unterlassen. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten Hunderte von Menschen zum Tode. Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen sexuellen Orientierung verhaftet. Die Behörden hinderten Christen daran, ihren Glauben frei auszuüben, und verabsäumten es, die Verantwortlichen für sektiererische Gewalt zur Verantwortung zu ziehen. Die Streitkräfte setzten bei einer laufenden Militäroperation im Sinai verbotene Streubomben ein (AI 26.2.2019).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren der übermäßige Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Das Problemfeld bei den bürgerlichen Freiheiten beinhaltet gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 13.3.2019).

Weiters gibt es glaubhafte Berichte über Folter und Misshandlungen auch mit Todesfolge in Haftanstalten der Staatssicherheit und Polizeistationen. Die Todesstrafe kommt unter Staatspräsident Al-Sisi wieder verstärkt zur Anwendung und wird seit Dezember 2017 auch vermehrt vollstreckt. Im Namen der Terrorismusbekämpfung und Sicherung der Stabilität geht die staatliche Repression mit erheblichen Verletzungen grundlegender Menschenrechte einher. (AA 24.6.2019a).

Quellen:

-        AA - Auswärtig (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 11.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 11.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 11.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 11.7.2019

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 11.7.2019

1.2.4. Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht - trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).

Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019c): Ägypten: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/. Zugriff 9.7.2019

1.2.5. Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018).

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018).

Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 22.2.2019).

Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.7.2019): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622#content 5, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598 1551702084 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Liportal, Ägypten - Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

1.2.6. Rückkehr

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

1.3. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).

Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen. Die medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html).

In Österreich gibt es mit Stand 13.10.2020 14:00 Uhr insgesamt 57.762 positiv getestete Fälle, aktuell 14.106 aktive Fälle und 879 gemeldete Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_Epidem.html?l=de).

In Ägypten gibt es mit Stand 13.10.2020 insgesamt 104.648 positiv bestätigte Fälle, 132 neue Fälle und 6.062 Todesfälle (https://covid19.who.int/region/emro/country/eg). Ägypten hat ungefähr die zehnfache Einwohnerzahl Österreichs.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und in den angefochtenen Bescheid, in den vorgelegten Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Ägypten.

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Herkunft, seiner Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung und vor der belangten Behörde (Protokolle vom 13.08.2020 und 25.08.2020, AS 33-35, 92, 93).

Da der Beschwerdeführer keine unbedenklichen identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Er legte zwar Fotokopien von einem ägyptischen Reisepass und seinem österreichischen Studentenausweis vor (AS 99, 101), jedoch sind Kopien einer Echtheitsüberprüfung nicht zugänglich und können die Identität des Beschwerdeführers nicht zweifelsfrei bestätigen. Seinen Reisepass hat er laut eigenen Angaben verloren (AS 90).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, keine Medikamente einnimmt und an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, die einer Rückkehr nach Ägypten entgegenstehen, basiert auf seiner diesbezüglich glaubhaften Aussage in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020, wonach er gesund sei und keine Medikamente einnehme (AS 88). Der Beschwerdeführer erwähnte in der Einvernahme am 01.09.2020, wegen der Mitteilung der belangten Behörde über die beabsichtige Abweisung des Asylantrages traurig zu sein, seit gestern Probleme mit der linken Hand zu haben, momentan schlecht schlafen zu können und auch nicht genügend essen zu können, da es ihm nicht gut gehe (AS 124). Bei diesen geschilderten Umständen handelt es sich aber um keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die einer Rückkehr nach Ägypten entgegenstehen oder seine Erwerbsfähigkeit einschränken würden. Da der Beschwerdeführer an keinen Krankheiten leidet, gehört er auch keiner Covid-19 Risikogruppe an.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 01.10.2018 für das Wintersemester 2018/2019 zum Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik bei der XXXX Universität XXXX als ordentlicher Studierender unter der Bedingung zugelassen wurde, dass die Ergänzungsprüfungen aus Mathematik sowie Geschichte und die Ergänzungsprüfung für den Nachweis der deutschen Sprache abgelegt werden, basiert auf der vom Beschwerdeführer vorgelegten Fotokopie des Bescheids vom 01.10.2018 der XXXX Universität XXXX über die Zulassung zum Studium (AS 97).

Dass der Beschwerdeführer am 15.02.2018 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Student stellte und dieser Antrag am 20.03.2019 abgewiesen wurde, geht aus dem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister hervor.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 18.06.2018 bei der österreichischen Botschaft in Kairo die Ausstellung eines Visums beantragte und am 19.06.2018 ein Visum des Typs D ausgestellt bekam, welches von 01.07.2018 bis 31.10.2018 gültig war, geht aus der Auskunft des Bundesministeriums für Inneres vom 14.08.2020 (AS 53) und aus dem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister hervor.

Die Feststellungen zur Ausreise aus Ägypten und zur Einreise des Beschwerdeführers und zum Beginn seines Aufenthalts in Österreich beruhen auf seinen Aussagen in der Befragung am 12.08.2020 vor einem Beamten der Polizeiinspektion XXXX (AS 4), der Erstbefragung am 13.08.2020 (AS 36, 37) und der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020 (AS 91).

Die Feststellungen zu den aufrecht gemeldeten Wohnsitzen bzw. erfassten Meldedaten sowie zum Umstand, dass er von 05.03.2019 bis 13.08.2020 keinen aufrecht gemeldeten Wohnsitz hatte, ergeben sich aus den Auszügen aus dem zentralen Melderegister vom 24.08.2020 (AS 79) und vom 06.10.2020.

Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers basieren auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020 (AS 89, 90). Danach steht zweifelsfrei fest, dass seine Familie nach wie vor in Ägypten lebt und er vor kurzem mit seinem Vater in Kontakt stand. Dass er wieder im Haus der Familie leben könnte, ergibt sich aus seiner Aussage im Rahmen der Befragung durch die Polizei am 12.08.2020 (AS 5).

Dass er in Österreich über keine Verwandten und bis auf ein paar Freunde über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfügt, geht aus seinen diesbezüglichen Aussagen im Rahmen der Befragung am 12.08.2020 (AS 4, 6), der Erstbefragung am 13.08.2020 (AS 35) und der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020 (AS 89) zweifelsfrei hervor.

Die Feststellungen zu seinem Bildungswerdegang und zu seinen beruflichen Tätigkeiten basieren auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 25.08.2020 (AS 92).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, ergibt sich aus dem erhobenen Strafregisterauszug vom 12.10.2020.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht und im Zeitraum von 04.08.2020 bis 14.09.2020 Leistungen von der staatlichen Grundversorgung bezog, ergibt sich aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung von vorübergehender Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich vom 06.10.2020.

Da der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig ist, kein regelmäßiges Einkommen bezieht und laut eigenen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020 kein Geld mehr hat (AS 94), ist er nicht selbsterhaltungsfähig.

Die Feststellung zu seiner mangelnden Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht ergibt sich aus der kurzen Aufenthaltsdauer von unter drei Jahren im Bundesgebiet und dem Fehlen von maßgeblichen Integrationsschritten. In der Beschwerde wurden auch keine allfällig gesetzten Integrationsschritte aufgezeigt und durch Unterlagen bescheinigt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer weder die deutsche Sprache lernte noch ernsthaft Informatik studierte, beruht auf der Aussage des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020, wonach er vorgehabt habe, die deutsche Sprache zu lernen und Informatik zu studieren, dies aber dann nicht getan und die Universität nur drei Monate besucht habe (AS 91, 95).

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer gab in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020 (AS 92) hinsichtlich seiner Gründe für die Stellung des gegenständlichen Asylantrags an, er wolle in Österreich weiterleben und studieren. Das von Ägypten mitgebrachte Geld habe er verbraucht und bei seiner Rückkehr würde er keine Arbeit finden. Außerdem habe im Mai 2019 ein weit entfernter Verwandte von ihm einen Angehörigen einer anderen Sippe getötet, daher habe er Angst um sein Leben.

Dieses Vorbringen kann aber – wie bereits die belangte Behörde zu Recht ausführte – keinen Anspruch auf Asyl begründen, da der Beschwerdeführer nicht substantiiert eine konkrete, ihn persönlich treffende Bedrohung und Verfolgung glaubhaft machen konnte.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass seine Angaben über den vermeintlichen Vorfall bezüglich der Tötung eines Mitglieds einer anderen Sippe sehr kurz und durchwegs nur allgemein gehalten, vage sowie oberflächlich waren. Beispielsweise konnte der Beschwerdeführer nicht darlegen, um welche Person es sich aus der anderen Sippe gehandelt habe und warum sie getötet worden sei (AS 92, 93).

Außerdem lebt die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Ägypten; der Beschwerdeführer telefonierte seinen Angaben nach eine Woche vor der Einvernahme am 25.08.2020 mit seinem Vater, der ihm mitgeteilt habe, der Familie würde es gut gehen und es gäbe keine Probleme (AS 89). Die belangte Behörde führte daher in der Bescheidbegründung (AS 170) richtigerweise aus, dass es nicht nachvollziehbar sei, wenn der Beschwerdeführer angeben würde, Angst um sein Leben zu haben und sich vor der Rache der Familie des getöteten Mannes zu fürchten, obwohl seine Familie problemlos in Ägypten leben könne.

Da nach seiner Aussage in der Einvernahme am 25.08.2020 der behauptete Vorfall im Mai 2019 stattgefunden habe (AS 93) und sohin seine Familie seither ca. eineinhalb Jahre unbehelligt in Ägypten gelebt habe, kann nicht von einer tatsächlichen Bedrohung seiner Familie ausgegangen werden. Es ist auch nicht ersichtlich, warum gerade ihm persönlich bei einer Rückkehr Blutrache drohen sollte. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt, als der behauptete Vorfall stattgefunden haben soll, in Österreich, die Tat soll ein entfernter und kein naher Verwandter begangen haben und gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme am 25.08.2020 selbst zu, persönlich nicht bedroht worden zu sein (AS 93). Generell blieb er sehr vage und konnte er eine konkrete Verfolgung seiner Person mit den folgenden Aussagen nicht glaubhaft machen:

„Frage: Hat sich die Familie des Opfers bereits gerächt?

Antwort: Nein, die Rache ist noch offen und es kann sehr wohl sein, dass ich nicht der erste Mensch bin, der gesucht wird von dieser Sippe, aber ich habe allgemein Angst.

F: Wurden Sie persönlich deshalb schon bedroht?

A: Nein.

F: Warum sollten sich gerade diese Personen an Ihnen rächen wollen, wenn der Täter sich noch in Ägypten aufhält?

A: Wie ich schon gesagt habe, bin ich persönlich nicht bedroht, aber wenn diese Sippe des Opfers mich irgendwann sieht, dann kann es sein, dass ich bedroht werde.“

Gegen eine Verfolgung bzw. eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers spricht ferner, dass er laut seiner Aussage in der Einvernahme am 25.08.2020 bereits im Mai 2019 von dem behaupteten Vorfall Kenntnis erlangt habe (AS 93), allerdings den gegenständlichen Asylantrag erst am 12.08.2020 stellte. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich um sein Leben fürchten würde, wäre zu erwarten gewesen, dass er unmittelbar, nachdem er von dem Vorfall erfahren hatte, den Schutz der österreichischen Behörden gesucht hätte.

Aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020; „Ich kenne mich bei den Gesetzen in Österreich nicht aus und andere Menschen haben mir gesagt, wenn man einen Asylantrag stellt, dann wird man abgeschoben. Vor diesem Vorfall hatte ich bereits den Wunsch in Österreich zu leben. Ich wurde von der Polizei in XXXX auf der Straße kontrolliert. Da habe ich mich entschlossen einen Asylantrag zu stellen, da ich keine andere Lösung gehabt habe“ (AS 93), liegt aber vielmehr nahe, dass der Beschwerdeführer offensichtlich missbräuchlich den Asylantrag stellte, um nicht abgeschoben zu werden.

Dem Beschwerdeführer ist es damit im Ergebnis nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm in Ägypten eine Verfolgung droht. Soweit er angibt, dass er gerne in Österreich weiterleben wolle, kein Geld mehr habe und in Ägypten keine Arbeit finden werde, wird keine Verfolgung vorgebracht. Darüber hinaus geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der umfassend ausgebildete Beschwerdeführer, der auch über Berufserfahrung und ein familiäres Netzwerk in Ägypten verfügt, sich dort sehr wohl wieder eine Existenz aufbauen kann, zumal er erst vor etwa zwei Jahren seine Heimat verlassen hatte. Wie er in der Einvernahme am 25.08.2020 erklärte, unterstützt sein Vater auch seine Schwester, die nach Abschluss des Studiums keine Arbeit finden konnte und ist daher davon auszugehen, dass auch der Beschwerdeführer von seinem Vater Hilfe zu erwarten hätte.

In der Beschwerde wird bezüglich der Befürchtungen im Falle einer Rückkehr nach Ägypten und der Fluchtgründe lediglich auf die bisherigen Ausführungen des Beschwerdeführers verwiesen und kein neues Vorbringen erstattet bzw. das erstattete Vorbringen auch nicht näher ausgeführt oder substantiiert.

Der Beschwerdeführer erwähnte zwar in der niederschriftlichen Einvernahme am 25.08.2020, es könne auch sein, dass er eingesperrt werde, wenn er aus einem anderen Land abgeschoben werde (AS 94), jedoch sind staatliche Sanktionen von Ägypten gegen Rückkehrer nicht bekannt vgl. Punkt 1.2.6.), und der Beschwerdeführer gab selbst in der Erstbefragung am 13.08.2020 an, im Falle der Rückkehr nicht mit staatlichen Sanktionen rechnen zu müssen (AS 38).

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers kann insgesamt keine ihn betreffende persönliche Bedrohung entnommen werden, weshalb er im Falle der Rückkehr nicht mit einer Verfolgung rechnen muss.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation in Ägypten in der Beschwerde auch nicht entgegen. Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.

Die Feststellungen zur aktuell vorliegenden Covid-19 Pandemie beruhen auf den unter Punkt 1.3 zitierten Quellen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, in Ägypten verfolgt zu werden. Es ist nicht glaubhaft, dass sein Leben durch ein „Ehrenverbrechen“ bedroht wäre oder er bei einer Rückkehr mit staatlichen Sanktionen zu rechnen hätte.

Seinem Vorbringen, dass er gerne in Österreich weiterleben sowie studieren wolle, sein Geld verbraucht habe und in Ägypten keine Arbeit finden würde, kommt mangels Vorliegen eines Fluchtgrundes im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK keine Asylrelevanz zu.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer würde durch eine Abschiebung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinen Rechten nach Art 2 oder 3 EMRK verletzt werden, und es sei widersprüchlich, wenn für ganz Ägypten eine Reisewarnung der Sicherheitsstufe 6, besonders auch im Zusammenhang mit dem Corona Virus ausgerufen wurde, zugleich aber die Behörde die Abschiebung für zulässig erachtet. Eine Rückkehr nach Ägypten erscheine daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

Dem Beschwerdevorbringen muss allerdings entgegengehalten werden, dass damit weder exzeptionelle Umstände noch stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers aufgezeigt wurden.

Die Ausrufung einer Reisewarnung der Sicherheitsstufe 6 ist aufgrund der Covid-19 Pandemie aktuell nicht ungewöhnlich und bedeutet für sich genommen noch keine Verletzung der Art 2 bzw. 3 EMRK. In diesem Zusammenhang ist in Erinnerung zu rufen, dass gegenüber Österreich bzw. Teilen Österreichs von Seiten anderer Länder ebenfalls Reisewarnungen der höchsten Stufe ausgesprochen wurden bzw. die Einreise von Österreich in gewisse Länder stark eingeschränkt wurde.

Die Corona Krise steht einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Ägypten nicht entgegen. Der typische Krankheitsverlauf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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