TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/20 I412 2236051-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2020
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Entscheidungsdatum

20.10.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2236051-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BFA-W) vom 01.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und das Einreiseverbot auf die Dauer von drei Jahre herabgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte bereits am 10.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der wegen Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen wurde. Nach erfolgter Abschiebung nach Italien kehrte der Beschwerdeführer neuerlich ins Bundesgebiet zurück und wurde am 01.07.2020 wegen Verdachtes der Begehung einer Straftat festgenommen und über ihn Untersuchungshaft verhängt.

Mit Urteil vom 16.09.2020 wurde er schließlich wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Nach erfolgter niederschriftlicher Einvernahme vor dem Bundesamt am 01.10.2020 wurde mit (Mandats-)Bescheiden vom selben Tag über den Beschwerdeführer zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt sowie ein Aufenthaltstitel aus Gründen des § 57 AsylG 2005 nicht gewährt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria festgestellt (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wird die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde gegen den Beschwerdeführer außerdem ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Mit Beschwerde vom 09.10.2020 wurde moniert, dass bei Erlassung des Einreiseverbotes ein nur mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei. Es komme nicht nur auf die strafgerichtliche Verurteilung an, sondern sei das Gesamtbild zu würdigen. Vom Beschwerdeführer gehe jedenfalls keine solche Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, die ein Einreiseverbot in der festgesetzten Dauer rechtfertigen würde. Es werde beantragt, Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides zur Gänze zu beheben, in eventu die Dauer des Einreiseverbotes zu reduzieren, in eventu den Spruchpunkt VI. zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Bundesamt zurückzuverweisen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten beim Bundesverwaltungsgericht, Gerichtsabteilung I412 am 15.10.2020 vollständig ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus wird zur Person des Beschwerdeführers festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und trägt den im Spruch genannten Namen und das erstgenannte Geburtsdatum. Seine Identität steht fest. Er ist in Besitz eines bis 31.10.2020 gültigen italienischen Aufenthaltstitels.

In Nigeria leben seine Ehefrau, ein gemeinsames Kind, seine Eltern und ein Bruder. Der Beschwerdeführer hat weder in Österreich, noch in Italien Verwandte oder sonstige familiäre Anknüpfungspunkte.

Der oben angeführten Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in Wien von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 01.07.2020 vorschriftswidrig Kokain und Heroin sechs verschiedenen Abnehmern in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge durch gewinnbringenden Verkauf überlassen hat. Erschwerend wurde die mehrfache Tatbegehung gewertet; der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis und die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes wurden mildernd berücksichtigt.

Den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe verbüßte der Beschwerdeführer bis 01.10.2020 in einer Justizanstalt, seither befindet er sich im Polizeianhaltezentrum in Schubhaft.

Außer durch die Stellung eines Asylantrages und strafgerichtlicher Delinquenzen trat der Beschwerdeführer in Österreich nicht Erscheinung. Er weist keinerlei Integrationsmerkmale auf.

Festgestellt wird, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen das mit Spruchpunkt VI. erlassene Einreiseverbot richtet.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge aus dem Zentralen Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-Web), dem Strafregister und dem Betreuungsinformationssystem (GVS) eingeholt.

Aus dem vorgelegten nigerianischen Reisepass (AS 32) ergibt sich die Identität des Beschwerdeführers. Diese Angaben stimmen mit Namen und Geburtsdatum auf dem italienischen Aufenthaltstitel (AS 33 und Depositen AS 132) überein.

Die Feststellungen zu seinen Angehörigen in Nigeria und den fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Italien und in Österreich leiten sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt, auch in früheren (Schubhaft-)Verfahren ab (Protokolle vom 04.12.2017, 19.06.2018 und 01.10.2020). Hinsichtlich Frau und Kind machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben. Am 04.12.2017 und am 19.06.2018 gab er übereinstimmend an, dass seine Frau und der gemeinsame Sohn in Nigeria leben. Am 01.10.2020 gab er widersprüchlich zu Protokoll, dass die Frau und die Tochter in Italien leben würden. Der Beschwerdeführer wurde auf seine widersprüchlichen Angaben angesprochen und konnte diese mit der einfachen Verneinung des Vorhaltes, er habe in der letzten Einvernahme von Frau und Sohn in Nigeria gesprochen, nicht auflösen. Da der Beschwerdeführer zweimal übereinstimmend angab, eine Frau und einen Sohn in Nigeria zu haben und für das nunmehrige Vorbringen, die Frau würde die mit der Tochter in Italien leben, keinerlei Belege oder genauere Angaben machte, ist von der Richtigkeit seiner früheren Angaben auszugehen.

Die strafgerichtliche Verurteilung und die Tathergänge ergeben sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Urteilsausfertigung zu LGS Wien, GZ XXXX , vom 16.09.2020. Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der aktuelle Aufenthalt im PAZ ergeben sich aus der Entlassungsbestätigung der JA (AS 162) und einem Auszug aus dem ZMR sowie dem Mandatsbescheid über die Verhängung der Schubhaft (AS 202ff).

Aus den eingeholten Auszügen aus dem AJ-Web und dem GVS, woraus ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer in Österreich bislang keiner der Versicherungspflicht unterliegenden Erwerbstätigkeit nachging und 2017 und 2018 staatliche Leistungen bezog, und den Angaben des Beschwerdeführers, seinen Aufenthalt in Österreich durch Suchtgifthandel finanziert zu haben, lassen sich keine positiven Integrationsschritte ablesen. Der Beschwerdeführer spricht weder Deutsch, noch hat er Kurse besucht oder ist Mitglied in einem Verein. Eine integrative Verfestigung war daher zu verneinen.

In der Beschwerde vom 09.10.2020 wird ausdrücklich festgehalten, dass sich diese nur gegen Spruchpunkt VI. richtet (AS 229) und beziehen sich das Vorbringen und auch die Anträge ausschließlich auf das Einreiseverbot.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet in seinen Abs. 1 und 3:

„(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.“

Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes von österreichischen Strafgerichten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG rechtskräftig verurteilt.

Die belangte Behörde hat das Einreiseverbot zu Recht auf § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gestützt, da der Beschwerdeführer zuletzt zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt wurde. Der Ansicht, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers somit eine tatsächliche und gegenwärtige schwerwiegende Gefahr darstellt, ist aus folgenden Gründen beizutreten:

Die belangte Behörde hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht (nur) auf die Tatsache der Verurteilung bzw. der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603; VwGH 22.11.2012, 2012/23/0030) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer seit dem Jahr 2017, seit dem er mehrmals nach Österreich zurückkehrte, durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht kam aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt in Österreich mit dem Suchtgifthandel finanzierte und dies auch einräumte (AS 151), des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Einreiseverbot zu rechtfertigen vermag.

Der Beschwerdeführer hat auch durch seinen mehr als 90 Tage andauernden, visumsfreien Aufenthalt, der ihm als ein in Italien Aufenthaltsberechtigter zukommt, gezeigt, dass er nicht gewillt ist, sich an die österreichischen Gesetze bzw. unionsrechtlichen Vorschriften zu halten.

Bei der Abwägung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet bzw. auf dem Territorium der Mitgliedsstaaten mit dem öffentlichen Interesse an seiner Ausreise fällt vor allem ins Gewicht, dass es zu einem Zusammentreffen mehrerer Straftaten gekommen ist und er durch sein Fehlverhalten seine mangelnde Rechtstreue und seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Das sich aus dem tatwiederholenden Verhalten des gewinnbringenden Sichtgiftverkaufs ergebende Persönlichkeitsbild lässt keinen Schluss zu, dass der Beschwerdeführer sich in Zukunft wohlverhalten werde. Vielmehr geben die mehrfachen Suchtgiftdelikte Anlass zur Prognose, dass vom Beschwerdeführer eine andauernde erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in Österreich ausgeht.

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).

Im Falle des Beschwerdeführers kommt hinzu, dass er keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich oder Italien bzw. auf dem Gebiet der Mitgliedsstaaten hat und eine Prüfung dahingehend unterbleiben kann.

Der Beschwerdeführer befindet sich zwar seit knapp drei Wochen nicht mehr in Strafhaft, es ist jedoch die seit seiner Freilassung verstrichene Zeit noch zu wenig weit fortgeschritten, um ihm einen allenfalls gegebenen positiven Gesinnungswandel zu attestieren. Die Beteuerungen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe aus seinen Fehlern gelernt und wolle sich in Zukunft wohl verhalten, sind vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, um von einer Änderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit und seines Charakterbildes ausgehen zu können.

In der Zusammenschau zeigt sich für das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die zu treffende Gefährdungsprognose, dass das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers und dessen Persönlichkeitsbild von einer weitreichenden Missachtung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung geprägt sind.

Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände und in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere zur Wahrung des gesundheitlichen und wirtschaftlichen Wohls Österreichs, an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, 2001/18/0074).

Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbots mit sechs Jahren als nicht angemessen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwidergelaufen. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Erlassung eines Einreiseverbots in der Dauer von sechs Jahren im gegenständlichen Fall in jenen Fällen kaum noch Spielraum lassen würde, in denen eine Person eine noch größere Anzahl von Delikten begeht, es sich um zu schützende Rechtsgüter noch höheren Ranges handelt oder in Fällen organisierter Kriminalität. Es wird vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde und sich bei früheren Aufenthalten in Österreich nichts zu Schulden kommen ließ. Zudem konnte das Straflandesgericht auch aufgrund des reumütigen Geständnisses und der teilweisen Sicherstellung des Suchtgiftes mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe das Auslangen finden und wurden nicht weniger als drei Viertel der Strafzeit bedingt nachgesehen.

In der Beschwerde gab der Beschwerdeführer zusammenfassend an, dass er sein Fehlverhalten bereuen würde, trotzdem kann von einem Wegfall seiner Gefährdung noch nicht ausgegangen werden. Demgemäß kann auch die diesbezügliche Zukunftsprognose derzeit noch nicht positiv ausfallen und es können weitere strafbare Handlungen in Hinkunft nicht ausgeschlossen werden.

Betrachtet man andererseits die vom Beschwerdeführer begangene Straftat, für die er verurteilt wurde, so sehen die dafür maßgeblichen Strafbestimmungen einen Strafrahmen bis zu fünf Jahre vor. Das Strafgericht hat mit dem ausgesprochenen Strafmaß in der Höhe von zwölf Monaten nur ein Fünftel des Strafrahmens ausgenützt und bewegt sich, damit noch im unteren Bereich des zulässigen Höchstausmaßes. Daher steht die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von sechs Jahren im Vergleich zu der im gegenständlichen Fall tatsächlich verhängten Freiheitsstrafe und dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten außer Relation.

Unter diesen Prämissen ist die vom Bundesamt verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von sechs Jahren zu hoch angesetzt. Daher war in einer Gesamtbetrachtung die Dauer des Einreiseverbots um die Hälfte zu reduzieren.

Eine Herabsetzung des Einreiseverbotes auf weniger als drei Jahre erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers als nicht angemessen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird daher mit der Maßgabe insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf drei Jahre herabgesetzt wird.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind im gegenständlichen Fall erfüllt, zumal in den entscheidungswesentlichen Punkten die Beschwerde dem angefochtenen Bescheid nicht ausreichend substantiiert entgegen trat und die Entscheidungsgrundlagen unzweifelhaft vorlagen (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316; 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; 22.11.2006, 2005/20/0406 uva.).

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Kriterien für die Erlassung eines Einreiseverbotes im Allgemeinen und der Höhe im Speziellen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf die oben zitierte, gefestigte und einheitliche Rechtsprechung stützen.

Schlagworte

Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gesamtbetrachtung Haft Haftstrafe öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Persönlichkeitsstruktur Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2236051.1.00

Im RIS seit

25.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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